Vor den bekannten Schranken des hohen Gerichts
Da stand dieser Tage ernsten Gesichts
Ein Herr – recht anständig und sehr elegant
Folgendes war nun der Tatbestand:
Der Herr hatte, woll'n Sie das nicht vergessen
In der Straßenbahn ganz friedlich gesessen
Und hatte dann plötzlich, ich weiß selbst nicht wie
Einer bejahrteren Jungfrau, seinem Vis-a-vis –
Das Publikum wollte seinen Ohren nicht trauen –
Glatt eine Ohrfeige runtergehauen!
Der Richter, wie er den Sachverhalt hört
Der ist natürlich nicht wenig empört
"Wie kann sich ein anständiger Mensch so vergessen!
Nun erzählen Sie mal, wie ist das gewesen?
Wie kamen Sie dazu, das sagen Sie uns bloß –
Es ist nicht zu begreifen – nun schießen Sie mal los!"
"Ja, ich weiß es selbst nicht", so fing der nun an
"Ich sitze da in meiner Straßenbahn
Und les' die Zeitung, was es gibt in der Welt
Und wie der Wagen nun wieder mal hält
Kommt eine Dame in den Wagen herüber
Und setzt sich mir gerade gegenüber
Der Schaffner kommt schon nach kurzer Frist
Fragt, wer da noch ohne Fahrschein ist
Und die Dame in den vorgerückten Jahren
Die sagt, sie wollte zum Bahnhof fahren
Macht ihr Handtäschchen auf dann in aller Ruh'
Nimmt's Portmonnaie raus und macht's Handtäschchen zu
Macht's Portmonnaie auf, nimmt zehn Pfennige raus
Macht's Portmonnaie zu und macht's Handtäschchen auf
Tut's Portmonnaie rein, schließt's Handtäschchen fein
Und händigt dem Schaffner das Geldstück dann ein
Der Schaffner zuckt mit den Schultern und spricht:
"Für zehn Pfennige, das machen wir nicht –
Zum Bahnhof, das kostet zwei Groschen mehr!"
Die Dame nimmt wieder ihr Handtäschchen her
Sie macht's wieder auf in seliger Ruh'
Nimmt's Portmonnaie raus und macht's Handtäschchen zu
Macht's Portmonnaie auf, holt raus eine Mark
Macht's Portmonnaie zu, es klemmte schon stark
Macht's Handtäschchen auf, tut's Portmonnaie rein
Macht's Handtäschchen zu, und sie kriegt dann den Schein
Und wohin mit dem Schein, da** man den nicht verliert?
So denkt sich die Dame und nimmt unbeirrt
Das Handtäschchen wieder in aller Ruh'
Nimmt's Portmonnaie raus und macht's Handtäschchen zu
Macht's Portmonnaie auf, um den Schein rein zu tun
Macht's Portmonnaie zu und macht's Handtäschchen nun
Von neuem wieder auf, tut's Portmonnaie wieder rein
Macht's Handtäschchen zu, als müsst' das so sein
Ein paar Minuten ereignet sich nichts mehr
Doch bald darauf kommt der Herr Kontrolleur
Der kommt nun bis in des Wagens Mitte
Und sagt zu der Dame: "Den Fahrschein bitte!"
Die macht's Handtäschchen auf nun in aller Ruh'
Nimmt's Portmonnaie raus und macht's Handtäschchen zu
Macht's Portmonnaie auf, nimmt den Fahrschein heraus
Macht's Portmonnaie zu und macht's Handtäschchen auf
Tut's Portmonnaie rein und schließt das Handtäschchen wieder
Und mit süßem Blick ihrer Augenlider
Überreicht sie den Fahrschein dem Kontrolleur
Der nimmt ihn in Empfang und sagt: "Danke sehr!"
Sie nimmt's Handtäschchen wieder auf ihren Schoß
Und die alte Geschichte ging wieder los:
Sie macht's Handtäschchen auf wieder in aller Ruh'
Nimmt's Portmonnaie raus und macht's Handtäschchen zu
Macht's Portmonnaie auf, tut den Schein wieder rein
Macht's Portmonnaie zu und macht dann wieder fein
Das Handtäschchen auf, tut's Portmonnaie wieder rin
Macht's Handtäschchen zu – doch da kommt ihr in den Sinn:
Sie könnte vielleicht schon heute für morgen
Auf dem Wege zum Bahnhof noch etwas besorgen
Und sie fragt ihren Nachbarn, der halbwegs schon pennt
Ob sie mit ihrem Schein auch umsteigen könnt'
"Das kommt auf den Schein an", so sagt ihr der
"Den muss ich erst sehen, den zeigen Sie mal her!"
Und sie nimmt ihr Handtäschchen nun in aller Ruh'
Macht's auf, Portmonnaie raus und Handtäschchen zu
Macht's . . ."
"Halt", schrie der Richter und wurde ganz munter
"Noch ein Wort, und ich hau' Ihnen eine runter!
Man wird ja verrückt!" "Ja", sagte da der Mann
"Ja, seh'n Sie, Herr Richter, so fing's bei mir an:
Ich hab's nicht länger mehr können anschau'n
Und hab' ihr glatt eine runtergehau'n!"