Die Anna Mack war auch mal jung, das ist sechzig Jahre her Da trug ihre Mutter das sechste Kind, der Vater trug ein Gewehr! Sie lernte den Krieg an der Heimatfront, den Frieden in der Fabrik Da bekam sie Kartoffeln und Quark dazu und wurde davon etwas dick War Köchin und Putzfrau und Wäscherin und Samstag Abend war sie schön War Krankenschwester und Trösterin und lernte beiseite steh'n! Ja, man lehrte sie, wenn's nach Händel roch: "Halt dich raus, mein Kind Stell dich taub und blind La** dich auf keinen Streit ein! Trag den Kopf nicht zu hoch Du verlierst ihn noch - Das Leben wird dir Leid sein!" Die Anna Mack war zwanzig Jahr', der Flieder blühte im Mai Da wurde sie ins Gras gelegt, ein Mann hatte Spaß dabei Der war sehr stark und klug und reich mit einem Schmiss im Gesicht Der hat ihr mit Gewalt ein Kind gemacht – genommen hat er sie nicht! Sie hatte die Sünde und Arbeit dazu, es wurde über sie gelacht Und sie sagte: "Den Kerl bring' ich vor Gericht und hätt' der noch soviel Macht!" Doch die Mutter sagte, die kannte sich aus: "Halt dich raus, mein Kind Stell dich taub und blind La** dich auf keinen Streit ein! Trag den Kopf nicht zu hoch Du verlierst ihn noch - Das Leben wird dir Leid sein!" Sie fand einen Mann, der brauchte sie, der hat ihr das Kind verzie'n Und hat ihr noch zwei dazu gemacht - sie lebte nur für ihn! Dann schlugen die Trommeln zum zweiten Krieg, der Mann zog in Waffen hinaus Und sie schmiss den Laden zehn Jahre lang - mit der Liebe war's zehn Jahre aus! Sie saß unter Bomben und schrie vor Angst und sagte den Kindern: "Seid still!" Und sie sah die Verbrecher mit Orden geschmückt und saß auf Schutt und Müll - Sie sah die SS, doch ihr Ha** blieb stumm! Halt dich raus, mein Kind Stell dich taub und blind La** dich auf keinen Streit ein! Der Mann kam aus Russland heim am Stock und starb zwanzig Jahre lang Sie legte sich krumm und betete nachts: "Mein Gott, was krieg ich zum Dank?" Sie schickte die Kinder zur Kirche und war selber keine von den Frommen Hatte Schulden und Angst, da** es abwärts geht und sagte: "Da muss noch was kommen!" Die Kinder gingen aufs Gymnasium, sie sparte am Fleisch und am Fett Und sie träumte, ihr Sohn wird ein großer Herr und der macht dann alles wett! Und sie sagte dem Sohn, wenn er Streit suchen ging: "Halt dich raus, mein Kind Stell dich taub und blind La** dich auf keinen Streit ein!" Die Kinder wurden groß und sie verlor sie an andere Leut' Der Mann lag ein Jahr im Krankenhaus, eines Tages war es so weit: Da stand sie als Witwe in der Wohnung rum, sah die Fotografien und sah Keinen Menschen, für den sie dasein konnte und war selber noch da! Im Fernseh'n sah sie die Kämpfe der Zeit in Brokdorf, Malville und Wyhl Und sie wusste, da war'n ihre Kinder dabei und sie sagte: "Das ist kein Spiel!" Und sie schrieb einen Brief, und sie weinte dabei: "Halt dich raus, mein Kind Stell dich taub und blind La** dich auf keinen Streit ein! Trag den Kopf nicht zu hoch Du verlierst ihn noch - Das Leben wird dir Leid sein!" Dann flog sie aus ihrer Wohnung raus, das Haus wurde wegsaniert Da fanden sich Demonstranten ein, da wurde laut protestiert! Und plötzlich war Anna Mack mit dabei und schrie: "Polizei - SS!" Sie kämpfte mit ihrer Scham, aber dann machte sie kurzen Prozess! Sie sagte: "Ich hab' ja kein Leben mehr, das ihr mir versauen könnt Und das ich mal hatte, das ist versaut!", sie zeigte die leeren Händ' Und da stand sie und wusste nicht weiter und wie! Ja, die hielt sich raus Und die hielt das aus Da musste das Leben Leid sein! Und jetzt kommt sie doch Aus ihrem Mauseloch Und lässt sich auf einen Streit ein! Und lässt sich auf einen Streit ein!