Reinhard Mey - Zeugnistag lyrics

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Reinhard Mey - Zeugnistag lyrics

Ich denke, ich muss so zwölf Jahre alt gewesen sein Und wieder einmal war es Zeugnistag – Nur diesmal, dacht' ich, bricht das Schulhaus samt Dachgestühl ein Als meines weiß und hässlich vor mir lag! Dabei war'n meine Hoffnungen keineswegs hoch geschraubt – Ich war ein fauler Hund und obendrein Höchst eigenwillig, doch trotzdem hätte ich nie geglaubt So ein totaler Versager zu sein – So ein totaler Versager zu sein! "So, jetzt ist es pa**iert", dacht' ich mir, "jetzt ist alles aus – Nicht einmal eine Vier in Religion! Oh Mann, mit diesem Zeugnis kommst du besser nicht nach Haus Sondern allenfalls zur Fremdenlegion!" Ich zeigt' es meinen Eltern nicht und unterschrieb für sie Schön bunt, sah nicht schlecht aus, ohne zu prahl'n – Ich war vielleicht 'ne Niete in Deutsch und Biologie Dafür konnt' ich schon immer ganz gut mal'n – Dafür konnt' ich schon immer ganz gut mal'n! Der Zauber kam natürlich schon am nächsten Morgen raus – Die Fälschung war wohl doch nicht so geschickt! Der Rektor kam, holte mich schnaubend aus der Kla**e raus So stand ich da, allein, stumm und geknickt! Dann ließ er meine Eltern kommen, lehnte sich zurück Voll Selbstgerechtigkeit genoss er schon Die Maulschellen für den Betrüger, das missrat'ne Stück Diesen Urkundenfälscher, ihren Sohn – Diesen Urkundenfälscher, ihren Sohn! Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich an Und sagte ruhig: "Was mich anbetrifft So gibt es nicht die kleinste Spur eines Zweifels daran Das ist tatsächlich meine Unterschrift!" Auch meine Mutter sagte, ja, das sei ihr Namenszug Gekritzelt zwar, doch müsse man versteh'n Da** sie vorher zwei große, schwere Einkaufstaschen trug – Dann sagte sie: "Komm, Junge, la** uns geh'n! – Komm, Junge, la** uns geh'n!" Ich hab' noch manches langes Jahr auf Schulbänken verlor'n Und lernte widerspruchslos vor mich hin Namen, Tabellen, Theorien von hinten und von vorn – Da** ich dabei nicht ganz verblödet bin! Nur eine Lektion hat sich in den Jahr'n herausgesiebt Die eine nur, aus dem Haufen Ballast: Wie gut es tut, zu wissen, da** dir jemand Zuflucht gibt Ganz gleich, was du auch ausgefressen hast – Ganz gleich, was du auch ausgefressen hast! Ich weiß nicht, ob es Rechtens war, da** meine Eltern mich Da rausholten – und wo bleibt die Moral? Die Schlauen diskutier'n, die Besserwisser streiten sich – Ich weiß es nicht, es ist mir auch egal! Ich weiß nur eins: Ich wünsche allen Kindern auf der Welt Und nicht zuletzt natürlich dir, mein Kind Wenn's brenzlig wird, wenn's schiefgeht, wenn die Welt zusammenfällt Eltern, die aus diesem Holze sind – Eltern, die aus diesem Holz geschnitten sind!