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Dr. Preu: Der Findling Kaspar Hauser und dessen außerordentliches Verhältnis zu homöopathischen Heilstoffen Nach den teils schon im Druck erschienenen, teils aber noch ungedruckten Mitteilungen seines Erziehers, des Herrn Prof. Daumer zu Nürnberg, bearbeitet von seinem Arzte Dr. Preu, Königlich Bayerischem Stadtgerichtsarzte Als Kaspar Hauser am 26. Mai 1828 in Nürnberg aufgefunden wurde, war ich einer der ersten, denen er zu Gesicht kam, weil mir als Gerichtsarzt schon am andern Tage von dem Magistrat die Frage zur Beantwortung war vorgelegt worden, ob dieser Mensch, aus dem auf keine Weise eine Kunde über seine Person und Herkunft zu erforschen war, nicht gar vielleicht verrückt oder blödsinnig sein möchte. Zu dieser Annahme konnte man umso leichter verleitet werden, als beinahe alljährlich solche Subjekte hierher sich verirren, deren nähere Verhältnisse und eigentliche Herkunft zuweilen nur sehr mühsam erforscht wird. Nach mehrtägiger Beobachtung sowohl von meiner Seite als durch den hierzu besonders instruierten Gefangenwärter gab ich über unsern Findling nachstehendes Gutachten ab: »Dieser Mensch ist weder verrückt noch blödsinnig, aber offenbar auf die heilloseste Weise von aller menschlichen und gesellschaftlichen Bildung gewaltsam entfernt worden. Er kann nichts als notdürftig lesen und einige Worte schreiben. Der Polizeigefangenwärter kann ein Muster davon aufweisen. Er ist wie ein halbwilder Mensch in Wäldern erzogen worden, ist zur ordentlichen Kost durchaus nicht zu bequemen, sondern lebt bloß von schwarzem Brot und Wa**er. Doch ist er geimpft, wie man am rechten Arm deutlich sieht. Dieses könnte vielleicht zu weitern Forschungen führen. Auch habe ich mit vieler Mühe aus ihm herausgebracht, daß er zu Hause ein Roß gefüttert hat, das weiß war.« Mehr konnte damals über Hauser nicht ausgesprochen werden und genügte auch vollkommen, um der Polizeibehörde die Wege anzudeuten, auf welchen die nähere Kenntnis von diesem Findling erlangt werden könnte, und sie dagegen von der weitern Verfolgung der durch die an mich gestellte Frage gleichsam schon vorläufig ins Auge gefaßten Ansicht eines blödsinnigen Zustandes des unbekannten Menschen abzuhalten. Indessen enthielt doch dieses Gutachten schon zwei arge Irrtümer, welche sich erst später aus der immer mehr gereinigten Beobachtung Hausers als solche darstellten, nämlich daß er damals schon notdürftig habe lesen können und daß er an seinem frühern Aufenthaltsorte ein weißes Roß gefüttert habe. Er hatte bloß seinen Namen und einzelne Buchstaben nachmalen gelernt und damit hatte er den ganzen Bogen Papier angefüllt, welchen er nebst einem Bleistift von dem Gefangenwärter erhalten hatte und welchen dieser nachher zu den Akten brachte, wo er noch sich vorfindet. Was er lesen zu können schien (aus einem mitgebrachten Gebetbüchlein), war ihm bloß auswendig eingelernt und das Roß, das er sollte gefüttert haben, waren kleine hölzerne Pferde, mit welchen er in seinem Kerker gespielt hat. Aber ebenso konnte ich damals auf keine Weise ahnen, daß der unscheinbare, hilflose und tölpisch vor mir dastehende Bursche in kurzer Zeit ein Gegenstand der allgemeinen Neugierde und der Schaulust von beinahe ganz Europa werden würde. Noch weniger hatte man sich's träumen la**en, daß er selbst dann, wenn jene Neugierde lange genug in leeren Vermutungen fruchtlos sich erschöpft haben würde, ein Vorwurf höherer wissenschaftlicher Forschungen sein und zu den interessantesten Beobachtungen nicht allein Veranla**ung geben, sondern auch auf diesem Wege zu ganz neuen Entdeckungen führen und wahrhaft unerhörte und nie geahnte Aufschlüsse gewähren werde. Am allerwenigsten war zu hoffen, daß durch dieses merkwürdige Individuum Vater Hahnemanns [Fußnote] Lehre nicht allein ihre volle Bestätigung finden – nein! auch zugleich eine allen menschlichen Glauben übersteigende Ausdehnung erhalten sollte. Nachfolgender getreue Auszug aus dem soeben erschienenen ersten Hefte der »Mitteilungen über Kaspar Hauser, von seinem ehemaligen Pflegevater, Professor G. Fr. Daumer, Nürnberg, bei Haubenstricker 1832« und aus dem zum Drucke bereit liegenden Man*skript des zweiten Heftes, welchen ich mit Einwilligung des Verfa**ers, meines vielverehrten Freundes, für das homöopathische Archiv bearbeitet habe, wird hierzu die erfreulichsten Belege liefern. Doch finde ich für nötig, demselben noch einige Bemerkungen voran zu schicken. Wenige Tage nach Abgabe meines Gutachtens erkrankte ich lang und heftig und reiste hierauf sogleich im Urlaub auf mehrere Wochen nach Karlsbad. Als ich zurück kam, war Hauser schon dem Herrn Professor Daumer zur Pflege übergeben, diesem aber Herr Dr. Osterhausen zur ärztlichen Beratung zugeteilt worden. Denn leider war Hauser bereits in einen höchst unwohlen Zustand geraten (wie weiter unten zur genauern Erörterung kommen wird). Glücklicherweise vereinten sich die Ansichten des Erziehers mit den meinen leicht dahin, daß ein positives Wirken der Heilkunst hier ganz am unrechten Ort sei und einzig und allein negative Behandlung stattfinden dürfe. Doch mußte sich meinem Freunde gar bald die Idee aufdringen, daß wahrscheinlich in der Homöopathie für seinen kränkelnden Zögling Heil zu finden sei. Er selber war ja von mehreren Ärzten jahrelang allopathisch mißhandelt und dadurch völlig herunter gebracht worden, hatte erst seit einem Jahre sich zur Homöopathie gewendet und meinen ärztlichen Rat gesucht, aber als Selbstdenker dieses nicht blindlings getan, sondern sogleich mit regem Eifer und mit dem ihm eigenen psychologischen Scharfsinne die neue Lehre studiert und aufgefaßt. Bald genug bot sich nach meiner Rückkunft die Gelegenheit dar, an Häuser die Homöopathie zu erproben; denn von jetzt an war Herr Dr. Osterhausen von der eigentlichen ärztlichen Behandlung des Hauser zurückgetreten. Eine Krätzansteckung eigener Art traf Hauser; dieser Zufall gab Gelegenheit zum ersten homöopathischen Versuch an ihm. Die auffallenden Erscheinungen, welche diesem Versuche folgten, erregten Erstaunen, Nachdenken, Abänderungen der Art und Weise, die homöopathischen Heilmittel bei Hauser anzuwenden, und so gelangte Herr Professor Daumer durch eine Reihe von Versuchen, Beobachtungen und Schlüssen zu den merkwürdigen Resultaten, welche nun in dem angezeigten Werke öffentlich mitgeteilt werden. Zwar enthält das erste Heft dieser Mitteilungen noch nicht die ganze Folge der mit Kaspar Hauser angestellten homöopatischen Versuche, weil es dem Verleger zweckmäßiger schien, solche auf zweimal zu geben, damit der Umfang eines Heftes nicht zu stark und der Ankaufspreis nicht zu groß werde. Unserm Zwecke habe ich es aber für anpa**ender gefunden, da mir das vollständige Man*skript zu Gebote stand, das Ganze hier auszugsweise zu geben, aus den vorangehenden Abschnitten aber nur dasjenige auszuheben, was zur richtigern Würdigung der Gesamtnatur unseres Hauser, seiner psychischen nicht minder wie seiner somatischen, notwendig erscheint, sowohl in der ersten Zeit seines Seins bei uns als in den spätern Perioden seines Lebens unter uns. Hauser war durch vieljährige Einsperrung in einem unterirdischen Gemach aller Einwirkung des Tageslichtes entzogen worden. Die solare Sphäre des menschlichen Organismus war bei ihm unterdrückt, in Schlummer gehalten, das tellurische Prinzip das vorwaltende, allein herrschende, er selber zum Nachtmenschen geworden. Notwendig mußte daher das plötzliche Herausreißen aus der ihn umgebenden ewigen Finsternis, das gewaltsame Einwirken des Lichtreizes, der Sonnenwärme, das durch beides bedingte täglich längere Wachen nicht weniger nachteilig auf seinen Körper sich äußern, als das Vertauschen seines jahrelangen dumpfen Hinbrütens in grabesstiller Einsamkeit mit dem Lärm des regen bürgerlichen Tuns und Treibens. Schon in den ersten Stunden seines Erscheinens unter uns stürmte es in letzter Hinsicht auf ihn ein, und wohltätig ausgleichend war ihm daher der unmittelbar darauf folgende ruhige Aufenthalt auf dem Turm, wohin der ausweislose, folglich auch verdächtige junge Mann jetzt war gebracht worden. Hätte man damals seine früheren Schicksale nur leise ahnen können, so wäre es leicht gefallen, ein methodisch-allmähliches Überführen dieses Nachtmenschen zum Tagesleben zu bewerkstelligen, wie wir ja täglich bei den neugebornen Kindern den Übergang aus der Nacht, in welcher sie der Leib der Mutter verschlossen hielt, zum hellen Morgen ihres Daseins zu veranstalten wissen. Allein ehe man jene Überzeugung gewinnen konnte, war schon jener unermeßliche Schaden, man darf wohl sagen an Leib und Seele dieses großgewachsenen unmündigen Kindes verübt worden, dessen harte Folgen Hauser leider noch immer großenteils an sich trägt. Um den zum allgemeinen Stadtgespräch gewordenen Findling, zu welchem täglich von alt und jung, besonders aber von Mädchen und Frauen, gleichsam gewallfahrtet wurde, gleichfalls kennen zu lernen, bestieg auch Herr Professor Daumer gegen das Ende des Monats Juni 1828 den Turm, welcher Hauser einschloß; er nahm bald persönlichen Anteil an dem jungen Menschen und beschloß, sich seiner Ausbildung anzunehmen. Von nun an besuchte er ihn täglich und lehrte ihn binnen drei Wochen notdürftig Lesen, Zählen, Zahlenreihen aussprechen, Addieren, Subtrahieren, Schönschreiben und ein kleines Musikstückchen auf dem Klavier. Hauser zeigte sich überall als gelehriger Schüler, aber sein Lehrer bemerkte nun gar bald, daß jedesmal nach angefangenem Unterrichte Schweiß auf Hausers Stirne trat und Kopfschmerz sich einstellte. Die Zuckungen im Gesichte, welche ohnehin bei jeder Aufregung sich einfanden, wurden stärker, und nach drei Wochen, wo sodann Hauser in die Daumersche Wohnung zur völligen Verpflegung kam, war er schon so sehr erkrankt, daß er kaum noch sich aufrecht zu erhalten vermochte. Wohl verloren sich schon nach zwei Tagen seine bisherigen Obstruktionen, aber seine Verdauung blieb geschwächt und sein Nervensystem zerrüttet. Die konvulsivischen Bewegungen waren erschreckender Art. Jeder starke Laut schmerzte seinem Ohre, alles Weiße und Helle seinem Auge; seine Hände zitterten beim Halten eines Gegenstandes. Alles Nachdenken vermehrte seine Krankhaftigkeit; demzufolge wurde alle geistige Beschäftigung beiseite gesetzt und Hauser bloß längere Zeit mit Papp-, Garten- und ähnlichen Arbeiten beschäftigt, viel ins Freie gebracht und zuweilen lau gebadet, was ihm besonders wohl bekam, ebenso das Reiten, das er nun zu lernen anfing. Nach acht bis zehn Wochen hatte er sich ziemlich erholt und war in den letzten vier Wochen um zwei Zoll gewachsen. Doch behielt sein Körper die ihm eigentümliche Sinnenfreiheit [Fußnote] und das erhöhte Gemeingefühl. Eine leise Berührung mit der bloßen Hand empfand er wie einen Schlag. Als ich ihm einmal auf der Straße begegnend die Hand reichte, sagte er ganz zufrieden: das ist schön, der Herr Doktor hat doch Handschuhe, das tut einem nicht so weh. Bei jeder Aufregung zuckte das Gesicht, besonders auf der linken Seite, und der linke Arm. (Die linke Körperhälfte zeigte sich durchaus als die bei weitem schwächere und reizbarere.) Seine Gesichtsschärfe glich der eines Indianers, nur daß ihm das Licht schmerzhaft war. In einer Entfernung von hundert Schlitten zählte er die einzelnen Beeren einer Holunderfrucht, konnte in völliger Finsternis dunkelbraun von dunkelrot usw. unterscheiden und sah überhaupt in der Dämmerung besser als am hellen Tage. Als Beweis für Hausers unbeschreiblich empfindlichen Geruch zeigte im August 1828 sich die Wirkung, welche der durch Öffnung eines mit Bestuscheffischer Tinktur gefüllten Gläschens in einem Zimmer verbreitete geringe Duft auf ihn machte, als er da**elbe betrat. Sogleich entstanden konvulsivische Bewegungen. Nach seiner Schilderung stieg die Empfindung in den Kopf, verursachte Augenschmerz, zog sich auf beiden Seiten des Kopfes die Wange herab durch den Hals in zwei Linien, die sich im Magen vereinigten. An dieser Stelle entstand Drücken, diesem folgte ein, wie er sich jedesmal bei ähnlichem Gefühl ausdrückte. Laufen in großen Umkreisen in der Herzgrube oder Magengegend, dann zweimaliges Aufstoßen mit heraufkommendem Wa**er (Würmerbeseigen). Nach einer Viertelstunde war nur noch Kopf- und Augenschmerz übrig. Er verlangte in die freie Luft. Auf dem Spaziergange kam Frost und nach einer halben Stunde mehrmaliges Aufstoßen, auf den Frost Hitze. – Schweiß auf der Stirne schloß die Reihe der Erscheinungen. [Fußnote] (Hier hätte wahrscheinlich die kleinste Gabe von nux vomica in der höchsten Potenzierung Wunder gewirkt, und besonders die auch nachher zurückbleibende und immer von neuem wiederkehrende Überreiztheit seiner Sinne am sichersten gehoben. Daumer hatte aber mich als beratenden Arzt nicht zur Seite, weil ich abwesend war, und der ihm beigegebene Arzt hatte damals so wenig als jetzt noch eine wahre Kenntnis von der Homöopathie und noch weniger Zutrauen zu ihr; für sich allein wagte Daumer nichts zu unternehmen.) Seiner Kost, welche lange Zeit bloß aus Wa**er und schwarzem Brot bestand, wurde allmählich eine gebrannte Mehlsuppe, weißes Brot und Milchspeise untergeschoben. Zur animalischen Kost wurde er nach und nach gebracht, indem man ihm zuerst einen Tropfen Fleischbrühe unter seine Wa**ersuppe mischte, was ihm anfangs aber sehr übel schmeckte und schlecht bekam, denn er fühlte sogleich darauf jenes kreisartige Laufen in der Magengegend, dessen oben schon erwähnt wurde. Nach und nach wurde mit der Beimischung auf einen großen Eßlöffel voll geschritten. Im Monat Oktober 1828 fing man an, ihn einzelne Fleischfasern genießen zu la**en, und erst nach drei Monaten von da an konnte er einen Bissen Fleisch vertragen. Gegenwärtig ist er ein tüchtiger Fleischesser und zieht diese Nahrung jeder andern vor. Später wurden zufällig an ihm Erscheinungen entdeckt, welche offenbar in das Gebiet des animalischen Magnetismus und des Hellsehens hinüberstreiften. Dahin gehören so manche ahnungsvolle symbolische Träume, ferner daß er durch eine ganz eigentümliche Empfindung es verspürte, wenn jemand sich ihm ungesehen und ungehört von hinten näherte. Er empfand es, wenn sein Erzieher auf 125 Schritte von hinten die Hand gegen ihn ausstreckte. Er fühlte dann eine Strömung, welche er mit dem Ausdruck »Anblasen« bezeichnete. Die gleiche Empfindung hatte er, wenn es von vorn geschah. Er fühlte und unterschied sowohl durch die Stärke als auch durch die verschiedene Beschaffenheit eines besondern »Zuges« Metalle, welche man unter Papier verborgen hatte, wenn er in einiger Entfernung mit der Hand darüber hinfuhr. Die Gewitter wirkten in der ersten Periode höchst schmerzhaft auf Hauser. Noch im Mai 1829 (also nach einem Jahr seit er zum Tagesleben übergegangen war) bemerkte man während eines Gewitters im Gesicht und an den Gliedern Zuckungen, welche außerdem nur ganz selten noch sich zeigten. Er spürte immer Frost mit öfterm Schütteln und Schaudern. Während des Donners, sagte er, spüre er alles im Leibe locker und sich bewegend, vom Kopfe herab einen Druck, auf der linken Seite war der Frost stärker. Dieser dauerte, bis das Gewitter vorüber war. Die Augen mußte er unwillkürlich schließen, dabei zitterte er. Mitten auf der Brust fühlte er einen ganz kalten Fleck und diese Stelle schien ihm gleichfalls locker. Je stärker der Donner, desto stärker war der Druck. Beim Blitz Schmerz in den Augen wie von Nadelstichen. Nach einer halben Stunde Nasenbluten, darauf leichter im Kopfe. Er bestimmte es voraus, ob ein Gewitter kurz oder lang dauern werde, im letzteren Falle waren die Finger und Zehen viel kälter als die andern Teile. Auch der Mond wirkte eigens auf Hauser. Vor eintretendem Vollmonde befand er sich unwohler – dieses Unwohlsein verstärkte sich bei Betrachtung des Mondes – er bekam Drücken auf der Brust, Frost und Schauder über den ganzen Leib, sogar in sehr warmer Jahreszeit, und einmal im Oktober im geheizten Zimmer. Stand der Mond im Viertelslichte, so waren diese Gefühle weit schwächer. Nachstehendes Betragen einer Katze in Professor Daumers Wohnung gegen Hauser deutet wohl auch auf ein animalischmagnetisches Verhältnis hin. Diese Katze ließ sich im Freien von niemand tragen und fangen, nur zu Hauser lief sie selbst und forderte ihn zum Spielen auf, wenn er in den Garten kam. Sie genoß sonst nur Fleisch und Milch. Aus Hausers Hand nahm sie gern und viel schwarzes Brot, sogar Obst. Dieses freundschaftliche Verhältnis dauerte nur so lange, bis Hauser anfing, Fleisch zu vertragen; von jetzt an haute sie nach ihm, wie nach allen andern Personen. Nicht minder merkwürdig ist das, was uns Herr Professor Daumer über Hausers Ahnung des an ihm später verübten Mordversuchs (17. Oktober 1829) mitteilt. Der Erscheinungen, welche dem Mordversuch nachfolgten, wird unten bei den homöopathischen Versuchen gedacht werden. Noch stehe hier eine kurze Charakteristik seines Geistes und Gemüts, meist mit Herrn Professor Daumers eigenen Worten. Er ist sehr gutmütig und weichherzig, dabei aber allen Menschen mehr oder weniger mißtrauend, sein Urteil scharf, seine Beobachtung fein. Keine Autorität gilt ihm etwas, er vertraut nur eigener Anschauung und Erkenntnis. In seinen Anforderungen erkennt sein Verstand keine Grenzen, sein moralisches Gefühl ist rigoristisch, seine Ordnungsliebe und Reinlichkeit pedantisch. Hervorstechend sind in ihm die technischen und künstlerischen Fähigkeiten. (Nach wenigen Wochen Übung im Zeichnen kopierte er das in Kupfer gestochene Bildnis seines Wohltäters, des Herrn Bürgermeisters Binder, wenn auch schülerhaft, doch bis zur sprechenden Ähnlichkeit.) Nach diesen notwendigen Vorausschickungen, um das den nachfolgenden homöopathischen Versuchen unterworfene Individuum vollständig nach allen seinen somatischen wie psychischen vielleicht einzigen und nie wieder vorkommenden Eigenschaften kennen zu lernen, möge nun die Mitteilung jener Versuche selbst anheben. Schwefel. Im Dezember 1828 wurde Hauser von jemand, welcher vor mehreren Jahren evident skabiös gewesen war, angehaucht, und es erzeugte sich an der angehauchten Seite des Gesichts ein juckendes und brennendes Bläschen, das nach einer Stunde aufplatzte und gelbliche Feuchtigkeit ausfließen ließ. Nach ungefähr drei Wochen, am 12. Januar 1829, geschah ihm das nämliche von einer anderen innerlich psorischen Person durch Anlachen, und bald brach an der angehauchten Stelle im Gesichte wieder ein juckendes Eiterbläschen hervor. Ungefähr eine Stunde nachher brachte Hauser zufällig Schwefel an seine Hände und damit in sein Gesicht und an das Bläschen. Sogleich ließ das Jucken nach und binnen dreiviertel Stunden war das Bläschen verschwunden. Am andern Tage kam neben dieser Stelle ein neues Bläschen hervor, verschwand aber wieder in freier Luft. Das Reiben an diesem letztem Bläschen war so wohltuend, daß er die Augen zublitzte. Nachher brannte es. Gegen diese offenbare Krätzansteckung bekam nun Hauser am 13. Januar Schwefel zu riechen, umso mehr, weil außer der allgemeinen außerordentlichen Reizbarkeit, Empfindlichkeit und Schwächlichkeit seines Organismus und einer großen Gesunkenheit der Geisteskräfte auch noch folgende chronische Krankheitsbeschwerden obwalteten: Krankheitsbild. Früh beim Erwachen tun die Glieder weh, besonders beim Berühren. Schwere in den Gliedern. Nach dem Aufstehen unheiter, müde und schwer; düster im Kopfe, Bedürfnis des Kopfwaschens. Erst nach ein paar Stunden wird ihm wohler; doch kommt das Unwohlsein den Tag über zuweilen wieder. Reißen in den Gliedern und im Kopfe. Kneipen im Leibe, hauptsächlich nach Tische. Der Unterleib schwer und hart nach dem Essen. Harter und unregelmäßiger Stuhl, der öfters zwei Tage aussetzt. Beständige Mattigkeit des ganzen Körpers und Schwere im Kopf. Augenschwäche, Trockenheit, Brennen der Augen, Empfindlichkeit derselben gegen Kerzen- und Tageslicht. Unaufgelegtheit zum Denken und Arbeiten; schweres Begreifen. Bauchdrücken. Urin abwechselnd trüb und klar. Nachtschwitzen. Erstwirkungen des Schwefels. Als er das Gläschen mit millionenfach potenziertem Schwefel noch fern von der Nase hielt, drang ihm ein starker, scharfer alaunähnlicher Geruch in die Nase und in den Kopf, und an der Stelle des verschwundenen Bläschens fing es wieder an zu brennen. Nach noch nicht zehn Minuten war das Bläschen ausgebildet und aufgebrochen. Es erfolgte wiederholter dünner Stuhlgang, und nach dreiviertel Stunden starkes Nasenbluten; der durch das Riechen eingenommene Kopf wurde hierauf leichter. Das Nasenbluten kam am zweiten Tage vormittags und am dritten vor- und nachmittags wieder. Vorher war jedesmal der Kopf eingenommen. Das letztemal kam zugleich der Geruch aus dem Arzneigläschen von selbst wieder in die Nase, dauerte über eine Stunde nach dem Nasenbluten und verschwand nach Aufstoßen. Der Kopf wurde ihm hierauf um vieles leichter als vor dem Riechen aus dem Arzneigläschen. Vor dem Aufstoßen fühlte er einen Druck in der Mitte der Stirn über den Augen, dann zog sich eine schwächere Empfindung nach beiden Seiten von jenem Punkte aus bis zu den Schläfen, wo wieder Druck erfolgte; dann schien es ihm von beiden Schläfen wie Wa**er oder Schweiß über das Gesicht herab zu laufen, worauf Aufstoßen kam. Das Nasenbluten kam aus dem rechten Nasenloch, durch welches er hauptsächlich den Geruch aufgenommen hatte. Nach dem Nasenbluten tat die rechte Seite weh, besonders beim Befühlen. Nach und nach entwickelten sich in den ersten drei Tagen eine Menge krankhafter Beschwerden, welche, als früher nicht vorhanden, lediglich der Arzneiwirkung zugeschrieben werden müssen, und welche, merkwürdig genug, sämtlich mit mehr oder weniger treffender Ähnlichkeit unter den von Hahnemann verzeichneten Arzneiwirkungen aufgeführt sind, nämlich (nach der Arzneimittellehre 4. Band) Nr. 1-9, 13, 24, 26, 29, 43 usw., 46, 60, 66, 68, 73 usw., 77, 79, 83, 85, 87, 91, 95, 98, 99, 109, 123, 162, 201, 203, 291, 333-335, 337-347, 386, 387, 401 usw. 412 usw., 464, 474, 478, 490, 496, 497, 501-503, 507, 508, 521, 525, 530-538, 542-549, 551, 559, 570, 573, 585, 586, 603, 607-612, 636, 638, 639, 640, 642, 643, 654, 655, 666, 703, 718, 743, 746. Außerdem fanden sich noch folgende bei Hahnemann nicht vorfindliche Symptome ein: Abends heiße Füße, besonders den ersten Tag. Beim Auftreten spannt die Haut an den Füßen. Auf der linken Seite liegend kann er leichter Atem holen, als auf der rechten. Beim Einschlafen Herzklopfen. Beim Schreiben hält er wegen Unwohlsein die Hand vor die Augen (zweimal). Beim Aufsehen war es ihm, als wenn Stückchen Goldes vor seinen Augen herunterfielen. Blaue, grüne und rötliche Streifen vor den Augen, beim Ansehen eines Gegenstandes, beim Lesen und Schreiben. Beim Gehen im Freien schwitzen in strenger Kälte die Hände so, daß die dünnen ledernen Handschuhe ganz durchnäßt werden und nachher in der Rocktasche gefrieren. Nachmittags ist das Befinden schlechter als vormittags. Vom dritten Tag an trat allmähliches Besserbefinden und Umänderung einzelner Eigenheiten seines Körpers ein. Die Augen wurden heller, seine Gemütsstimmung heiterer, die Schwere im Kopf und in den Füßen schwand, auch die Schwere der Zunge, er konnte leichter sprechen. Besseres Gedächtnis. Das Fleisch schmeckte ihm besser. Das unangenehme Gefühl, wenn er sich selbst anrührte, verlor sich – er spürte Menschen und Metalle weniger, Gold gar nicht mehr, Quecksilber noch etwas. Er konnte jetzt niedrig liegen beim Schlafen, ohne Kopfschmerz zu bekommen. Sein Appetit, früher als Schwächegefühl sich äußernd, zeigt sich jetzt als natürlicher Hunger. Am 28. Januar (nach 13 Tagen) wurde der Kopf wieder schwer, der Arzneigeruch in der Nase kehrte zurück, dann kam Nasenbluten. (Ein abermaliges Auftreten der Erstwirkung.) Dann Fortschreiten der Besserung bis zum 4. Februar, wo eine heftige Einwirkung auf Hauser stattfand und das weitere Fortschreiten störte. Zurückbleibende Symptome waren noch: allgemeine große Reizbarkeit, hauptsächlich jenes das Denken erschwerende Drücken in der Stirne, obwohl vermindert. Dagegen am 17. Februar Silicea Ein kleines, mit Streukügelchen (X.) gefülltes Gläschen, wurde von ferne geöffnet und ihm langsam entgegengebracht. Ehe er es noch hatte erreichen können, schreckte er zusammen und sagte: der Geruch sei ihm in den Kopf gegangen. Hierbei unterschied er 1. einen dem des Weins oder Branntweins ähnlichen Geruch, 2. einen Zuckergeruch und 3. einen von ihm unbeschreiblichen fremden Geruch (den Geruch des Arzneistoffes). Er entfärbte sich, schwa*kte, es war ihm nach seiner Schilderung, als wäre ihm ein ungeheurer Schlag versetzt worden. Die Arznei fuhr ihm zuerst in den Kopf, wie er sagte, dann in den Leib und in alle Glieder, dann wieder in den Kopf und nach einigen Minuten brach Schweiß auf der Stirn aus. Hierauf Übelkeit, konnte kaum aufbleiben. Nach einer halben Stunde starkes Aufstoßen ohne Geruch, einige Minuten später stärkeres mit einem Geruch, den auch die Umstehenden gewahrten, und welcher nach Hausers Angabe dem Arzneigeruch gleich war. Darauf schwand die Übelkeit und die Eingenommenheit des Kopfes minderte sich. Sodann kamen folgende Erscheinungen als Erstwirkungen der Silicea zum Vorschein (Hahnemanns chronische Krankheiten III) 15 usw., 19 usw., 30, 39, 43, 76, 82, 83, 85, 97, 107, 170, 247, 305, 307, 404, 411 usw., 416, 441, 491, 504, 505 usw. Außerdem noch: Im Kopfe ist es öfters, »als wäre etwas Lebendiges darin, das herumlaufe, bald hin und her, bald im Kreise.« (39.) Stechen in den Augen. Muß aufhören zu lesen, wegen Wehtun der Augen. Die Pupillen trüb, am untern Augenlid des rechten Auges ein rotes Fleckchen. Die Augen brennen (seit dem eisten Aufstoßen), sind entzündet und tränen. In den Augen sind die krankhaften Gefühle am stärksten. Während des zweiten und dritten Tages fand sich ein: 6, 17, 25, 107, 170, 247, 265, 418, 490, 506; ferner: Drücken vom rechten Auge herab bis zum untern Kinnbacken. Stechen vom Genicke bis zum rechten Ohr; das Ohr schmerzt beim Befühlen. Roter Bodensatz im Urin. Vier Tage lang starkes Haarausfallen; fünf Tage lang schmerzte der Kopf beim Gehen. Einmal stößt er sich am Fuße, was starken Schmerz im Kopfe verursachte, »als wolle es ihm das Gehirn herausdrücken« (s. bei Hahnemann 23). Vom sechsten Tage an wurde es im Kopfe täglich freier; allgemeine Besserung. Sieben Tage lang hatte er Ekel vor Fleisch; erst am zehnten wieder ordentlichen Appetit hierzu. Am zwölften Tag morgens 8 Uhr Übelkeit und wiederkehrender Arzneigeruch, darauf Erbrechen sehr bittern Wa**ers und Schleims, Verstärkung jenes Geruchs. Nach einer Stunde roter Ausschlag auf der Stirne und unter den Augen, hierauf großes Unwohlsein, Kopfschmerz, muß sich legen. Riechender Schleim auf der Zunge. Vier Tage lang matt, unfähig zu arbeiten. Augen angegriffen, kann nichts lesen, die Augen tränen sogleich. Vierzehn Tage lang Ohrenklingen, nachmittags öfters als vormittags. Schreckhaftigkeit. Stiche in den Füßen und Brennen in allen Gliedern. Seit dem Erbrechen ist der Urin wieder trübe. Mit dem 4. März (17. Tag) erhöhte Geistestätigkeit und der Sinne: Leuchtender Blick, das Gesicht bekommt einen erhöhten Ausdruck von Geistigkeit. (Bei einer spätern Anwendung der Silicea in einer mehr als hundertsten Verdünnung hatte sie die nämliche Wirkung auf seinen Geist und besonders auf seinen Blick.) Am 20. und 21. März abermalige Rückkehr der Erstwirkung, doch im mindern Grade, auch durch Wechselwirkungen unterbrochen. Am 26. März plötzlich im obern Kopf ein Stich, sodann ein Gefühl, als senke sich etwas den Kopf herab, und er fühlte sich im Oberkopfe bis zum untern Teil der Stirn herab ganz frei. Hier aber, sagte er, sei es wie abgeschnitten, als sei ein Faden herum gebunden. Im übrigen Teile des Kopfes blieb es wie zuvor. Am 29. März verschwand das Gefühl des Gebundenseins im Kopfe, nur fühlt sich der untere Teil des Kopfes noch nicht frei. Bis zum 2. April war alles verschwunden. Zu Ende März verlor sich der Nachtschweiß, welcher auf den Gebrauch der Silicea sogleich stärker geworden war. Von nun an schritt seine Besserung von Tag zu Tag vorwärts bis zum 16. Mai, wo ein arger Unfall ihn von neuem niederwarf. An diesem Tage setzte er sich in einem befreundeten Hause, wo er zu Besuch war, dem starken Geruch eines Ölfirnisses aus und bekam davon urplötzlich den heftigsten und unausgesetzten Krampfhusten. Nachdem dieser schon von drei Uhr nachmittags bis acht Uhr gedauert hatte, erhielt ich erst Nachricht davon und schickte sogleich in einem Gläschen ein Streukügelchen, das mit II. von Ipsoacuanha befeuchtet war, um Hauser daran riechen zu la**en. Dieses geschah aus der Entfernung von zwei Schritten. Für einige Augenblicke verstärkte sich hörbar der Husten, hatte sich aber nach einer Viertelstunde vollkommen gelegt. Hierauf kam große Hitze, heftiger Brust- und Kopfschmerz und Augenentzündung. Lag er auf der linken Seite, so benahm es ihm den Atem, er bekam in der linken Brust Drücken und Stechen, es wollte ihn ersticken. Überempfindlichkeit des Gehörs. Stöhnen. Konnte nicht sprechen hören. Die Nacht schlaflos. Konnte sich im Bette nicht aufrichten. – Morgens Ausbrechen eines grünlich-gelben Schleims mit etwas Blut. Gelbsucht über den ganzen Körper. Ein paar Eßlöffel Kümmeltee bekam ihm gut. [Fußnote] Die Röte auf den Wangen kehrte zurück und das Sprechen war erleichtert. In diesem Zustande erhielt er Nux vomica, gleichfalls in der letzten Verdünnung, in der Entfernung von zwei Schritten zu riechen. Er zuckte und gab ein Zeichen, daß er genug habe. Sogleich erschien Verschlimmerung – nach einer halben Stunde Besserung. Mittags war die Zunge weiß, nachmittags löste sich die Haut davon ab. Starkes Halsweh. Ausfluß vielen, mit Blut gemischten Schleimes aus dem Munde. Die zweite Nacht schlaflos. Am dritten Tage statt der Hitze Frost. Vormittags kurzer Schlummer. Dann verlangte er eine Ta**e Kümmeltee, worauf der Kopf heiterer wurde. Des Tages über Hitze und Frost abwechselnd. Mehrmaliger Schlaf. Erbrechen des Nachts, wobei viel Blut aus dem wunden Halse zum Vorschein kam. Dritte Nacht schlaflos. Vierter Tag beginnt fieberhaft. Das Brustdrücken, an dem er die drei Tage durch gelitten, besonders in der linken Brust, läßt nach. Mittags ein paar Löffel Suppe. Nachmittags Schlaf. Abends verlangt er dringend und wiederholt Zwetschenbrühe, von der er meinte, sie müsse ihm bei seinem schmerzlich wunden Halse gut tun. Niemand hatte sie ihm geraten. Er erhielt sie. Nachher sagte er, daß sie wie Feuer den Schlund und die Brust hinunter gebrannt habe, aber nachher sei es ihm recht gut geworden. Die nächste Nacht wenig Schlaf. Tags darauf nachmittags lästige Beschwerden und Stiche im Kopf, die er seit dem Riechen an Nux vomica zu haben behauptete. Herr Professor Daumer befeuchtete ein Stückchen Fließpapier ganz wenig mit dem feuchten Stöpsel einer Weinbouteille und näherte es ihm bis auf einen Schritt, worauf ihm der Geruch in den Kopf stieg, die Beschwerden in einigen Minuten nachließen und nach einiger Zeit ganz aufhörten. Allmähliches Besserwerden. Am 23. Mai verließ er das Bett, aber noch viele Tage blieb Zusammengefallenheit, Kraftlosigkeit, unterbrochener Nachtschlaf, Augenschwäche, Unfähigkeit zu geistigen Arbeiten zurück. Anfangs Juni regten sich die frühern Symptome wieder, Dumpfheit im Kopfe morgens, Schwere und Vollheitsgefühl nach dem Essen, gesteigerte Empfindlichkeit seiner Sinne, namentlich des Geruchs. Durchfällige Öffnung nach der gewöhnlichen täglichen, Schwindel, Kopfschmerz, allgemeines Unwohlsein, mit kleinen gelblichen Flecken im Gesicht (immer nur von halb elf bis zwölf Uhr). Brennen den Hals herauf. Er bekam am 16. Juni Sepia Er roch nüchtern an dem trockenen Stöpsel eines Gläschens, worin ein mit Dezillionverdünnung der Sepia befeuchtetes Streukügelchen lag. Ehe noch der Stöpsel sehr nahe an seine Nase kam, verspürte er den Geruch der Arznei, sonst aber nichts Schlimmes. Nach einer Viertelstunde Wehtun an den Schläfen, beim Anfühlen ärger. Dann nach und nach die Symptome 17, 18, 123, 165, 300, 305, 306, 914, 1079 usw. Die Sprache rauh, katarrhalisch. Langsames, mattes Reden. Schwa*kender Gang. Um drei Uhr nachmittags ein Fieberanfall, ähnlich jenen, von 1177 bis 1184 beschriebenen. Plötzlicher brennender Ausschlag am Halse, welcher gegen Abend wieder abnahm. Starkrotes Gesicht. Aufgelaufene Adern der Arme und Hände. Auf einem Abendspaziergang war es ihm auf einmal, als ob ihm etwas wie Ameisen die Beine herauf laufe oder krieche, und als die Empfindung aufwärts bis an die Herzgrube kam, fühlte er daselbst und quer unter der Brust schmerzliches Drücken. Dabei war ihm heiß und es entstand starker Schweiß, die Glieder taten ihm weh. Ungefähr eine Stunde dauerte die Hitze und das Schwitzen, dazwischen Frostschauder. Mit starkem Schaudern und Schütteln endigte der Zustand, der Kopf war sehr erleichtert. Er mußte aber wegen Mattigkeit noch lange sitzen, ehe er nach Hause gehen konnte. Den Tag über Drücken auf der Stirne. Im Bette vor dem Einschlafen reißende Schmerzen in den Gelenken und an andern Teilen des Leibes, z. B. die Ohren herab, in den Hüftknochen. Nachts Schwitzen so arg, daß er das Hemd wechseln mußte. Am zweiten Tag mehrere Arzneisymptome neben Verminderung einzelner Krankheitssymptome, z. B. statt seines gewöhnlichen Vormittagsübels nur eine halbe Viertelstunde lang etwas Unwohlsein. Als ganz eigentümliches Arzneisymptom hatte er abends Klingen im rechten Ohre, wie von einer Schelle, mit Kopfweh. Dann war ihm, als ob ein Tropfen an der rechten Seite des Kopfes herabfiele, worauf das Klingen verschwand, der Kopfschmerz aber stärker wurde. Den dritten und vierten Tag wenigere Arzneibeschwerden, vom fünften Tag völliges Wohlseinsgefühl und vom neunten tägliches Besserwerden. Er konnte sogar jetzt starke Gerüche vertragen, ohne besonders davon angegriffen zu werden. Dieser günstige Zustand dauerte bis zum 15. Juli, an welchem Tage ihm der Unfall begegnete, daß er mit dem Hüftknochen der rechten Seite an die Schneide eines Fenstergesimses anstieß. Er fühlte von dem Fleck, an dem er sich gestoßen hatte, einen Schmerz den Rücken herauf bis zum Genicke, dann einen Riß im linken Auge mit Hitze im ganzen Körper, eine halbe Stunde darauf Kopfschmerz usw. Die gestoßene Stelle blieb fortwährend schmerzhaft, er konnte nachts nicht auf dem Rücken liegen. Da sich immer mehr Zufälle entwickelten, so bekam er am zweiten Abend Arnica und zwar bloß den Stöpsel eines Gläschens, worin ein mit der letzten Verdünnung angefeuchtetes senfsamengroßes Streukügelchen lag, aus spannenweiter Entfernung zu riechen. Ganz merkwürdig nahm jetzt die erste Empfindung, welche Hauser davon hatte, gerade den umgekehrten Weg, welchen die Wirkung des Stoßes genommen hatte. Die Arzneiwirkung ging ihm zuerst in den Kopf, dann riß es ihm in dem linken Auge, von da zog ein brennender Schmerz das Genicke herab bis an die Stelle, an welche er sich gestoßen hatte, von hier stieg die Empfindung wieder zurück bis an das Genick, worauf sie unter Schaudern verschwand. Weil Hauser sich augenblicklich gar zu heftig angegriffen fühlte, so ließ man ihn aus der Ferne an ein verstopftes Gläschen riechen, das Kampferverdünnung enthielt, worauf Erleichterung folgte. Diese Hilfe mußte am zweiten Tage noch einmal wiederholt werden. Nach sechs Tagen Besserung. Im August wurde er aber wieder rückfällig. Das Bedürfnis des Kopfwaschens nach dem Aufstehen kam wieder; auch wurde er zusehends dick und fett, worüber er sich sehr beklagte. (Hauser hatte einen Abscheu vor allen fetten Personen, weil er glaubte, dieser Zustand zeuge von großer Unmäßigkeit im Essen und Trinken.) Er bekam am 18. August 1829 Calcarea. Es wurde ihm ein Stöpsel ein Zoll weit vor die Nase gebracht, auf welchem ein mit der letzten Verdünnung befeuchtetes Streukügelchen im umgewendeten Gläschen nur einige Augenblicke war herum bewegt worden. Sogleich entstand Husten und Eingenommenheit des Kopfes. Starker Mundgeruch. Nach der Leibesöffnung fühlte er sich abgeschlagen. (Somit lösen sich die Klammern von 540 bei Hahnemann auf.) Schon am zweiten Tage wurden ihm die Kleider weiter. (Hahnemann gibt in dem Vorwort zur Calcarea an, daß sie gegen das Dick- und Fettwerden bei Jünglingen helfe und Hauser war hoch erfreut, von seinem Erzieher zu vernehmen, daß er gegen diesen Übelstand ihm etwas geben könne.) Beim Gehen und Reiten wird er wund. Ferner die Symptome 12, 140, 171, 331, 864, 923, 966, 1054, 1084. Ekel vor Fleisch. Starkes Haarausfallen (wie nach Silicea). Anlaufen der Adern in der Hand mit Hitze im Gesicht. Als man ihn zur Milderung der Arzneibeschwerden an Kampfer riechen ließ, fingen die aufgelaufenen Adern auf der Stelle an zu verschwinden. Seine Dicke nimmt täglich ab. – Erst am 4. September ißt er wieder mit Behagen Fleisch. Die Besserung schreitet fort bis zum 24. September. Mehrtägige Gemütsbewegungen hoben nun die Wirkung der Calcarea auf. Die jetzt besonders hervorstechenden Beschwerden bestimmten zum Zwischengebrauch der Nux vomica Es wurde dabei am 4. Oktober folgender Versuch gemacht. Man ließ Hauser an ganz reine oder bloß mit reinem Weingeist befeuchtete Stöpsel riechen, während er glaubte, Arzneiliches riechen zu müssen. Allein er roch und spürte nichts. Abends endlich wurde eine um dreimal dreihundert Tropfen weiter als Dezillion getriebene Verdünnung auf die Weise angewendet, daß ein damit befeuchtetes größeres Streukügelchen in ein Glas gebracht und verschlossen und später der trockene Stöpsel, ohne mit dem Kügelchen in eine Berührung gekommen zu sein, auf eine Spanne weit vor Hausers Nase gebracht wurde. Es zeigte sich baldige und heftige Verschlimmerung, gegen welche wiederholtes Riechen an Kampfer, Wein, Kaffee usw. nur wenig ausrichtete. Es zeigte sich große Verworrenheit in allen Erscheinungen, was freilich später auf schreckliche Weise sich aufklärte. Hauser wurde als halber Somnambule von der Ahnung eines ihm drohenden Unglücks physisch so aufgeregt, ohne sich anfangs es deutlich bewußt zu sein. In den letzten Tagen aber verfolgte ihn unaufhörlich der Gedanke, er werde erschlagen werden. Als nun am 17. Oktober mittags zwischen elf und zwölf Uhr der Angriff auf sein Leben wirklich geschehen war, und man nach zwölf Uhr ihn in dem Keller, wohin er, ohne zu wissen, was er wolle, nach empfangener Verwundung sich geflüchtet hatte, bewußtlos fand und zu Bette brachte, waren seine Augen erblindet, er wußte nicht, wo er war, wollte immer nach Hause gebracht werden, erzählte seinem indessen nach Hause gekommenen Erzieher den Hergang der Sache, worauf er bald wieder in Besinnungslosigkeit verfiel, welche zwei Tage lang mit von Zeit zu Zeit ausbrechenden Paroxysmen anhielt, in denen mehrere starke Männer Mühe hatten, ihn zu bändigen. Wurde die Wunde berührt oder traf ein Lichtschein seine geschlossenen Augen, so kamen die Anfälle von neuem. Auf die erste Nachricht von der geschehenen Untat eilte ich herbei und fand ihn in dem erst geschilderten Zustande. Ich versuchte die schnelle Vereinigung der Stirnwunde mittels Auflegen einer warmen Leim-Auflösung als das mir bekannteste indifferente Mittel hierzu und schickte alsbald aus meinem Hause ein Gläschen, worin ich ein frisch angefeuchtetes Streukügelchen von Aconit VIII fallen ließ und mit einem Stöpsel verschloß. Herr Professor Daumer nahm diesen Stöpsel ab, setzte einen neuen nur einen Augenblick an seine Stelle und brachte diesen gegen Hausers Nase. Sogleich fuhr dieser auf, tobte gewaltig und die Anfälle wiederholten sich schnell nach einander mit Ungestüm. Dabei stieß er die Worte aus: »stinkt, stinkt,« – »warum mir so garstige Sachen geben?« Nach zehn Minuten wurde er ruhig. Aber nach einiger Zeit brach er los und riß den Verband von der Stirne, den er von nun an auch nicht mehr duldete. Als das Bewußtsein zurückgekehrt war, erzählte er seinem Erzieher in beinahe poetischen Ausdrücken, was ihm geschehen, mit Einmischung scharfsinniger Vermutungen und Erklärungen. Er war in einem erhöhten Zustand, wie solches auch der ihn besuchende Dr. Ofterhausen beobachtete. Er zeigte sich jetzt wieder gegen Metall, Glas und Animalisches ebenso empfindlich als er es früher gewesen war. Dieses bewog seinen Erzieher, den Mesmerismus anzuwenden. Er fand unter seinen Wärtern einen Mann, welcher allem Anschein nach rein (sowohl apsorisch als unvenerisch) gesund und sehr robust, dabei wohlwollend gegen Hauser gesinnt war. Diesen ließ er die Hände auf die mit einem wollenen Wams bekleideten Arme Hausers legen, worauf Linderung der Schmerzen und allgemeines Wohlseinsgefühl erfolgte. Auf das zweite Auflegen Einschläferung und der erste erquickende Schlummer. Am folgenden Abend (20. Oktober) machte ein kurzes Auflegen Urinieren, was er bisher nur schwer konnte. Darauf wieder erquickender Schlummer – auch steter, guter Nachtschlaf. Auf der bloßen Hand vertrug er des Mannes Hände nicht, auch nicht auf der bekleideten Brust, die jetzt am schmerzlichsten war – das Auflegen aber auf den Vorderarm zog jedesmal die Schmerzen von der Brust. Die Wirkung verkündigte sich immer durch Wärme an der berührten Stelle. Als der Mann einmal gegen die Hand herab rückte, entstand Zittern derselben und Kopfweh. Das Auflegen der Hand durfte nicht lange geschehen, sondern nur nach dem Wunsche des Kranken. Wohltätig war es ihm, dem Manne in die Augen zu schauen. Es verminderte sich dadurch die Lichtscheue. Jetzt konnte er den Blick und die Annäherung seines Erziehers nicht ertragen. Von der Annäherung einer andern Person bekam er Aufstoßen bittern Wa**ers. Von einer Katze empfand er Ziehen, dann widriges Abstoßen; vom Besehen im Spiegel in der Wunde und in den Augen starkes Ziehen zum Spiegel hin; es war ihm, als stürze Blut aus der Wunde; im Körper Frost (Wirkung des Quecksilbers). Als der Arzt (ich) einmal bei Untersuchung der Wunde oben und unter derselben mit vier Fingern die Stirne leise drückte, bekam er an den vier gedrückten Stellen schmerzliche Geschwülste. Pulsfühlen erregte ihm Schmerzen in allen Gliedern. Bis zum 22. Oktober hatte er seit seiner Verwundung keine Leibesöffnung gehabt. Sein Erzieher ließ durch jenen Mann eine Ta**e Wa**er ganz leise überstreichen und Hauser daran riechen. Es wurde ihm sogleich im Kopfe besser; es war ihm, als ziehe sich etwas den Kopf herab bis zum Magen, wo eine drehende Empfindung begann. (Wahrscheinlich ähnlich mit dem früheren Laufen im Kreise herum; Affektion des plexus solaris). Nach einer Viertelstunde reichliche Öffnung; am folgenden Nachmittag nocheinmal. Jedesmal nach der Öffnung Aufstoßen, was sonst nie der Fall war. Am nächsten Tag konnte Hauser die Berührung seiner bloßen Hand durch die Hand jenes Mannes eine kleine Zeitlang gut ertragen. Auch später (18. November) hatte das Riechen an so magnetisiertem Wa**er Leibesöffnung zur Folge. Der Geruch stieg ihm angenehm wie Weinduft in den Kopf. Sowohl im Kopfe als im Unterleib war ihm die Wirkung äußerst angenehm, er wußte nicht, was ihm wohler tue. Gegen die Mitte des Novembers fanden sich allmählich wieder bei Hauser folgende Beschwerden ein: Mundschleim, Mundgeruch, Augenschwäche, Schwäche des Kopfes, dunkelroter Urin, krankhafte Empfindlichkeit überhaupt. Noch schlummerte in ihm der Geschlechtstrieb gänzlich. Es wurde beraten, nun Lycopodium anzuwenden. Dies geschah am 15. November, morgens neun Uhr folgendermaßen. Herr Professor Daumer hatte in einem Gläschen ein Präparat des Lycopodium bis zum vorletzten Verdünnungsgrade gebracht (10 000/IX) in Pulverform. In dieses Gläschen ließ er ein senfkorngroßes Streukügelchen rollen und unter Nacht darin liegen. Dann nahm er es wieder heraus, löste es in hundert Tropfen reinen Wa**ers auf und schüttelte das Gläschen mit zwei Armschlägen. Nun sollten noch weitere Verdünnungen davon gemacht werden. Zu diesem Ende mußte Hauser vorher in einem besonderen Zimmer an alle Gläschen und Stöpsel riechen, welche hierbei verwendet werden sollten. Er fand alle rein und ohne Geruch. Als er aber, nachdem zwei Verdünnungen bereitet waren, abermals an dem dritten noch nicht gebrauchten Stöpsel roch, erklärte er sogleich, dieser sei jetzt nicht mehr rein – es steige ihm ein Geruch davon in den Kopf; er mußte zu schreiben aufhören. (Wahrscheinlich hatte sich während der obigen Arzneiverdünnung ein Duft davon verbreitet und in den Stöpsel gezogen. Denn so roch auch Hauser bisweilen an den ausgekochten Stöpseln, wenn in ihrer Nähe mit Weingeist war operiert worden, nachher den weingeistigen Duft. Wohlzumerken, Hauser kam nie in das Zimmer, worinnen die Arzneiverdünnungen vorgenommen wurden.) Bald wurde ihm voll und schwindlich im Kopfe; es senkte sich herab auf die Augen, welche stark brannten und tränten. Goldflimmern fielen wieder vor seinen Augen auf die Erde (siehe oben beim Schwefel). Auf Kampfer einige Milderung. Mittags roch er zufällig Zimt; sogleich verschwand das Brennen der Augen gänzlich. – Schnupfen. – Vor der Öffnung Jucken, Brennen, Wehtun in der Eichel des männlichen Gliedes. Am dritten Tage da**elbe Gefühl wieder, und die erste Erektion. Allgemeines Unwohlsein – wo er sich berührt, tut es ihm wehe! – An den folgenden Tagen jedesmal die nämliche Erscheinung vor der Öffnung. Vom fünften Tage an tritt allmählich Besserung ein. Er versichert, daß diese Arznei die beste sei unter allen, welche er noch bekommen habe. Am neunten Tage nach der Erektion große Kraft und Klarheit in den Augen, was er näher so beschrieb: Es kam ihm von den Fußzehen bis an den Leib ein Gefühl wie Spinnenlaufen. Wie es mitten an den Leib kam, wurde ihm warm; dann blieb es ein wenig stehen und stieg hernach weiter aufwärts; als es an die Schultern kam, ging es schnell in den Hals, wo er an zwei Stellen ein Gefühl des Reißens oder Abreißens hatte; nachher brannten diese Stellen. Hierauf kam es ihm in die Augen, er hatte die Erscheinung des Goldfallens sehr stark; die Augen brannten, es war ihm, als flamme und blitze es ihm in die Augen, und seitdem waren diese klarer und kräftiger als sonst. Am 15. Dezember waren das Brennen und Jucken in der Eichel vor der Erektion verschwunden. Es stellte sich dafür allmählich ein wollüstiges Gefühl ein; doch kam es nie zu einem eigentlichen Geschlechtstrieb. (Noch im Frühling 1839 hielt er sich über die Erektionen mit der größten Unbefangenheit als über etwas ganz Unnützes auf, was er nicht an sich haben wolle.) Um diese Zeit trat Hauser aus der Pflege seines bisherigen Erziehers, wo man die Meinung hegte, daß er nunmehr seiner Natur überla**en und nur bei besondern Erkrankungen und dringenden Fällen ärztlich dürfe behandelt werden. Solche Fälle traten zwar oft genug ein, indessen war eine mit Konsequenz weiter fortgeführte antipsorische Behandlung nicht mehr möglich. Daher schlummerte auch das durch Lycopodium geweckte Geschlechtsvermögen später gänzlich wieder ein. Graphit, in hoher Potenzierung angewandt, rief es einmal wieder hervor, doch konnte unser Verfa**er hierüber nichts Näheres aufzeichnen. Rhus. Von Zahnschmerz heftig geplagt, war Hauser beinahe schon unter den Händen des zur Ausziehung des Zahns herbeigerufenen Dentisten, als der Verfa**er dazwischen kam und Rhus angezeigt fand. Er berührte mit dem trockenen Stöpsel eines Gläschens, worin die 28. Verdünnung enthalten war, ein senfkorngroßes Streukügelchen, und ließ Hauser an diesem riechen. Auf der Stelle vermehrte sich der Schmerz, das Auge dieser Seite wurde angegriffen und der kranke Zahn fing an zu bluten. Nach einer Viertelstunde Schwinden des Schmerzes. Später brachte erst diese Arznei noch allgemeines Besserwerden. Am 28. Mai 1839 erhielt Hauser, weil er durch angestrengtes Nachsinnen über erweckte Erinnerungen aus seiner Kindheit sehr angegriffen war und an Kopfschmerz litt, Nux vomica. Mit dem Stöpsel eines Gläschens, in welchem nux vomica bis zum 28. Verdünnungsgrade gebracht in Pulverform verwahrt war, wurde ein Streukügelchen berührt und in ein zweites Gläschen gebracht. Mit dem Stöpsel dieses Gläschens, nachdem da**elbe einen Augenblick lang umgekehrt und das Kügelchen mit dem Stöpsel in Berührung war gebracht worden, wurde nun ein zweites Streukügelchen berührt und in ein drittes Gläschen gebracht und auf diese Weise bis zum fünften Gläschen fortgefahren. Hauser hatte vorher alle Gläschen, Stöpsel und Streukügelchen berochen und sie für ganz rein erklärt. Nun wurden rückwärts in der Ordnung die Gläschen dem Hauser zum Riechen gegeben. Beim dritten Gläschen sagte er, daß ihm Arzneigeruch in den Kopf steige. Der Kopfschmerz verstärkte sich, die Augen tränten und schmerzten. Nach einer Stunde aber war der Kopfschmerz verschwunden und Besserung erfolgte von Tag zu Tag, obgleich sein Geist und Gemüt fortwährend angestrengt war. Am ersten Tage erfolgten zwei durchfällige Öffnungen, was gewöhnlich auf arzneiliche Einwirkung erfolgte. Später kam Hauser abermals sehr herunter. Unzufriedenheit mit seiner äußeren Lage und Unregelmäßigkeit in seiner gegenwärtig zu führenden Diät gaben hierzu Ursache. Er wurde kraftlos, konnte nichts mehr fa**en und merken, hörte schwerer, fiel ab und sah schlecht aus. Er machte sich wenig Bewegung und verlor den Appetit. Auch seine Lieblingsspeisen reizten ihn nicht mehr. Der Leib war aufgetrieben, die Witterungsveränderungen waren ihm empfindlich. Brustschmerz, nachts den Schlaf raubend. Des Tags öfters Schweiße mit Unwohlsein. Das Essen war ihm zuwider. Vom Lesen zitterten die Hände, hierauf Kopf- und Brustschmerz und Blutausspucken. Seit einer vor drei Wochen nachmittags um vier Uhr erlittenen Kränkung muß er täglich um die nämliche Zeit Blut spucken. Auch gegen diese beträchtliche Reihe von Beschwerden erhielt er nux vomica als Arznei und zwar unter folgender Gestalt. Sein Erzieher berührte mit dem Stöpsel ein Gläschen, worin ein mit der 34. Verdünnung (100/XI) befeuchtetes Kügelchen lag, ein anderes Kügelchen und ließ es in ein reines Gläschen fallen; mit dem Stöpsel dieses Gläschens berührte er ein drittes Kügelchen, das sodann in ein drittes Gläschen kam. An den Stöpsel dieses Gläschens mußte Hauser riechen, und da er nichts roch, an das Gläschen selber. Auch hierbei roch er nichts. Auf sein dringendes Bitten ließ man ihn hierauf an das zweite Gläschen riechen und auch da roch er nichts. Auf weiteres Ausfragen zeigte sich's, daß Häuser schon seit einiger Zeit einen fauligen Geruch in der Nase hatte, welcher ihm diesmal den spezifischen Geruch der Arzenei verhüllte. Aber dagegen zeigte sich Eingenommenheit des Kopfes, stärkerer Kopfschmerz und nach einer kleinen Weile Blutauswurf und Schweiß, der Brustschmerz vermehrte sich und er mußte sich legen. Das Sprechen tat ihm weh, er verlangte gänzliche Stille. Zur Milderung Riechen an Wein, später an Kaffee. Weiter großer Durst, besserer Schlaf. Am zweiten Tag dreimal durchfällige Öffnung. Er war seit einiger Zeit obstruiert. Schon am vierten Tage fühlte er sich vollkommen hergestellt. Eine abermalige, noch mehr verfeinerte Anwendung der nux vomica fand zur Beseitigung erneuter Beschwerden, welche seine gegenwärtigen, ihm widrig gewordenen Verhältnisse immer wieder herbeiführten, am 9. August 1830 statt. Diesmal mußte Hauser, nachdem er Mund und Nase durch ein Tuch verschlossen hatte, den Zeigefinger auf die Öffnung eines Gläschens legen, worin sich einige Tropfen von nux vomica (X.) befanden. Sogleich verspürte er Brennschmerz an diesem Finger, es zog von den Teilen des Kopfes, welche ihn bisher schmerzten, durch den Arm stark herab. Die Augen brannten und wässerten. Bald war der Finger wie abgestorben und von jedermann kalt anzufühlen. Aber auch schon nach ein paar Minuten war der Kopfschmerz weg. Am andern Tage wurde, weil eine Störung die Arzneiwirkung zu bald unterbrochen hatte, der Versuch wiederholt, aber dahin abgeändert, daß Hauser bloß den Stöpsel eines verschlossenen Gläschens, worin ein paar Tropfen von beinahe (XII.) der nux vomica enthalten waren, berührte. Es erfolgten die nämlichen Symptome, aber in weit schwächerem Grade und schneller vorübergehend – nur die Kälte am Finger hielt lange an. Nach einer Viertelstunde schon Besserung. Hauser freute sich kindisch, als man ihm eine Lieblingsspeise vorschlug. Die übrigen Tage Wechselzustände. Am 24. August völliges Wohlbefinden. Arnica. Als Hauser nach einiger Zeit beim Turnen vom Barren abglitschte, erschütterte und quetschte er sich den rechten Arm unter der Achsel. Sogleich heftiger Schmerz, Verdunklung des Gesichts, auf der Achsel ausgetretenes Blut. Wenn er den Arm aufhob, fielen Goldflimmern vor den Augen herab. Aufstoßen aus dem Magen und übler Geruch. Bei Bewegung des Zeigefingers schmerzte die Schulter. Arm und Hand stark geschwollen. Ich schickte sogleich Arnica IV/^0 zum Riechen. Allein der gleichfalls herbeigeholte Wundarzt erklärte, diese Sächelchen könnten hier nichts helfen, man müsse der Gefahr kräftiger vorbeugen und ließ kalte Umschläge mit Essig, Salpeter und Salmiak machen. Aber der Schmerz wurde immer heftiger, ebenso das Kopfweh vom Geruch des Umschlags. Nach Mitternacht Erbrechen; Hauser glaubte sterben zu müssen. Am anderen Morgen fand ich ihn höchst elend. Ich ließ sogleich den Umschlag beseitigen und den ganzen Arm wiederholt mit lauem Wa**er so viel als möglich von allem anhängenden Geruch jenes Umschlages reinigen. Hierauf mußte Hauser mit zugehaltener Nase und Mund den rechten Zeigefinger über obiges Gläschen halten. Augenblicklich entstand fürchterlicher Schmerz in der verletzten Stelle, Messerstichen ähnlich. Diese fuhren von dieser Stelle zum Zeigefinger, dann zurück zur Schulter und dann in den rechten Fuß. Dieser zitterte, es entstand Wadenklamm, alle Zehen wurden krampfhaft eingezogen. Hauser schrie vor Schmerzen laut auf. Mit einem Ruck, der oben und unten gefühlt wurde, war der Schmerz weg – es folgte Frost. Nach einer Viertelstunde schmerzte der Arm nur noch, wenn er ihn bewegte. Der Finger war ganz kalt von allen Anwesenden anzufühlen und schälte sich in der Folge ab. (Hauser versichert, früher beim Riechen der Arzneien sei ihm jedesmal auch die Nase kalt geworden.) Noch einige Tage Schmerz im Arm zur Zeit, wo er die Arznei empfangen hatte. Von jetzt an erfreute sich Hauser eines beinahe ungestörten Wohlseins. Erst im Hochsommer 1831, also nach mehr als dreiviertel Jahren, fanden sich wieder mehrere Beschwerden ein; er klagte über große Reizbarkeit und Hinfälligkeit, unterdrückte Geisteskraft, über Schwere und Gespanntheit in den Händen mit hochaufschwellenden Adern, worauf ein Übelsein im Leibe folgte. Herr Professor Daumer wollte einmal einen entscheidenden Versuch machen, wie weit die quantitative Verminderung der Arzneipotenzen bei Hauser getrieben werden könne, ohne daß jede Einwirkung auf ihn verloren ging, aber die lästigen Erstwirkungen möglichst beseitigt würden. Er wählte hierzu Silicea (XXXIV.) Das Gläschen, welches diese hohe Verdünnung enthielt, wurde an ein offenes Fenster ferne von Hauser verschlossen hingestellt und er mußte mit ausgestrecktem Finger sich ihm nähern. Ehe er das Gläschen noch hätte berühren können, zuckte der Finger und Hauser sagte nachher: er habe den Arm herab und wieder zurück einen leichten Stoß gefühlt. Sonst auf der Stelle keine Veränderung. Nach einer kleinen Weile Wärme durch den Körper. Ungefähr nach einer Stunde durchfällige Öffnung. Am zweiten Tag viermal Nasenbluten, darauf jedesmal Schwindel, dann Gefühl von Leichtigkeit und Kraft. An eben diesem Tage stellte sich lange fortdauernder starker Fußschweiß ein. [Fußnote] Nach einigen Tagen verlor sich alles vorherige Unwohlsein. Besonders wurde nun Hauser in geistiger Hinsicht viel besser. Hierauf lange Zeit dauerhaftes Wohlsein. Hier endigen sich die vom Herrn Professor Daumer an Hauser angestellten homöopathischen Versuche und Beobachtungen. An sie mögen sich noch ein paar anreihen, welche ich an Hauser besonders zu machen Gelegenheit hatte. Da Hauser aus seinem früheren Kerkerleben durchaus sich nicht erinnern konnte, daß er jemals gewaschen, gereinigt, umgekleidet oder ihm die Haare, die Nägel abgeschnitten worden, so mußte als gewiß angenommen werden, daß diese Prozeduren jedesmal im Schlafe mit ihm geschehen waren. Wohl aber erinnerte sich Hauser, daß sein täglich bei ihm sich vorfindendes Trinkwa**er gewöhnlich sehr gut, dazwischen aber manchmal recht widrig geschmeckt habe. Dieses führte auf die Vermutung, daß ihm zu Zeiten ein Schlaftrunk im Wa**er möchte beigebracht worden sein. Um hierin der Wahrheit so nahe als möglich zu kommen, ließ ich Hauser auf drei Schritte weit an die zweite Verdünnung von Opium riechen. Er erklärte sogleich, daß er den nämlichen Geruch jetzt wieder in der Nase habe, welchen er ehehin an seinem Wa**er gefunden habe, wenn es so schlecht schmeckte. Ich widersprach es und versicherte ihn, diesen Geruch aus einem andern Gläschen ihm sicherer zu verschaffen. Ich hielt ihm nun eine gleiche Verdünnung von Oleander vor. Allein er war nicht mehr irre zu machen. Zugleich äußerte er große Schläfrigkeit und Betäubung. Ich brachte ihn auf mein Sopha, wo er augenblicklich einschlief und nach eineinhalb Stunden kaum zu erwecken war. Als er aufgewacht war, taumelte er wie ein Betrunkener und mußte heimgeführt werden. Nachher fand sich großer, schwer zu stillender Durst ein. Gleicher Durst, äußerte früher schon Hauser, habe ihn jedesmal geplagt, wenn er vorher jenes schlecht schmeckende Wa**er getrunken habe. Hierdurch ist es nun sehr wahrscheinlich, daß Opium die Substanz war, deren der Unbekannte sich bediente, in dessen Händen Hauser so lange geschmachtet hatte, um ihm unbemerkt und ungesehen die oben ausgesprochene Hilfe leisten zu können. Zugleich mag aber auch ein großer Teil von Hausers krankhafter Reizbarkeit auf die so oft sich wiederholende Einwirkung einer so mächtigen Arznei als Opium ist, beim gänzlichen Mangel anderer ausgleichender Potenzen zu schieben sein. Eine zweite zufällige, aber nicht minder interessante Beobachtung hatte ich Gelegenheit im Frühjahr 1831 zu machen, wo ich Hauser eines Abends zu mir gebeten hatte, um einige über ihn gesammelte Notizen noch einmal mit ihm durchzugehen. Während dieses Geschäfts wurde eine homöopathische Arznei bei mir abverlangt. Meine Gattin langte mir zu diesem Zwecke mein homöopathisches Arzneietui zu, in welchem von allen Arzneien die letzten Verdünnungen an Streukügelchen in ganz kleinen zylindrischen Gläschen von einem halben Zoll Höhe wohl gepfropft in Fächern eingereiht liegen, mit einem seidenen Kissen bedeckt und dann erst noch durch den allgemeinen Deckel verschlossen sind. Dabei reichte sie dieses Etui in einiger Entfernung von Hausers Nase hin. Ich öffnete da**elbe, nahm das nötige Kügelchen heraus, gab das Pülverchen ab, schloß das Etui wieder zu und wollte nun mein Gespräch mit Hauser fortsetzen. Aber dieser saß besinnungs- und regungslos neben mir, gerade so, wie ihm jedesmal geschah, wenn er über einen Gegenstand scharf nachdachte. Erst auf zweimaliges Zurufen seines Namens, verbunden mit Anrühren seines Körpers, kam er zu sich, sagte, daß ihm ein widriger Geruch in die Nase und in den Kopf gestiegen sei – er entfärbte sich und bekam nach ein paar Minuten Nasenbluten. Ungewiß, ob das vor ihm vorübergelangte Etui oder vielleicht doch bloß das Nachdenken über die von mir ihm vorgelegten Fragen diesen Zustand herbeigeführt habe, ließ ich nach einer Weile das verschlossene Etui noch einmal vor ihm hin mir zulangen und die ganze Szene wiederholte sich, sogar das Nasenbluten kehrte wieder. Hierbei äußerte sich Hauser gegen mich, daß er jedesmal, wenn ihm die Nase bluten wolle, einen scharfen Zug vom Hinterhaupte über den Scheitel weg zur Stirne spüre, wenn aber das Bluten aufhöre, so ziehe es auf dem nämlichen Wege hinterwärts. Diese letzte Beobachtung hat das Eigene, daß nicht ein bestimmter einzelner Arzneigeruch gegen Hauser in Wirkung kam, sondern ein Vielgemisch von mehr als hundert hochverdünnten Arzneien. Ein abermaliger Beweis von der außerordentlichen Kraft, welche durch vielfache Potenzierung aus den Arzneien entwickelt und bis zum wahrhaft geistigen Wesen gesteigert wird. Wohl werden unsere Gegner auch gegen diese Beweise, sowie gegen die hochwichtigen Entdeckungen meines Freundes sich mit ihrem alten historischen Unglauben schützen, nur stehen ihnen diesmal die Zeugnisse aller derer entgegen, welche mit Augen sahen und mit Ohren hörten, was hier der Welt mitgeteilt wird. Ich schließe nun diesen Auszug mit der ehrlich gemeinten Verwahrung, als hätte ich dadurch meines Freundes Arbeit für die Leser und Besitzer dieses Archivs entbehrlich machen wollen. Vielmehr hoffe ich, sie alle erst auf den Selbstbesitz dieser »Mitteilungen« begierig gemacht zu haben. Immer konnte ich nur einen mageren Auszug der wirklichen Tatsachen liefern. Hätte ich die durchgehends eingewebten höchst interessanten und scharfsinnigen Bemerkungen des Verfa**ers auch mit aufnehmen wollen, so wäre mir nichts übrig geblieben als das ganze Werk wörtlich abzuschreiben. I. G. Meyer. Kaspar Hauser wie er wirklich ist und was aus ihm werden kann Ein unumwundenes Urteil von seinem Lehrer im Juli 1833, zugleich als ausführlicher Bericht an seine Herrlichkeit Herrn Graf Stanhope dienend. Akten des K. Kreis- und Stadtgerichts Ansbach, Bd. 5a – Justizministerialakt Nr. 2113, Beilage, eingeheftet zwischen Fol. 37 und 38. Beglaubigte Abschrift. Mir mag's diesmal gehen wie jenem deutschen Schriftsteller, der einen Brief an seinen Freund mit den Worten anfing: »Du erhältst diesmal einen langen Brief von mir, weil ich nicht Zeit habe, einen kurzen zu schreiben.« – Eine bessere Ausführung und mehrfachere Begründung meiner Ansichten über Kaspar Hausers Individualität mir für die nächste Zeit vorbehaltend, kann ich mich diesmal wegen Mangels an Zeit nur in nachstehender unbemessener Form äußern. Ich will dabei auf folgende Fragen antworten und meine Behauptungen immer nur durch die nächsten Erscheinungen belegen: I. Was zeigt Hauser fortwährend für geistige Anlagen? II. In welchem Verhältnis zu denselben steht sein Fleiß und Eifer im Lernen, und wie sind seine Fortschritte? III. Worin hat es seinen Grund, daß Hausers Leistungen nur selten vom rechten Standpunkte aus aufgefaßt und auf die rechte Weise gewürdigt werden? IV. Welche besondere Umstände in Hausers Leben konnten bisher unmöglich auf seine moralische und intellektuelle Entwicklung vorteilhaft einwirken, und wie steht es gegenwärtig um sein geistiges Wesen in dieser doppelten – sowohl moralischen als intellektuellen – Hinsicht? V. Welche Hoffnungen darf man sich von ihm in bezug auf seine künftige bürgerliche Brauchbarkeit machen, und zu welchem Berufe möchte er sich am ersten eignen? ad I. Hausers Anlagen erscheinen wie vom Anfange an noch immer wohl mittelmäßig. Glaubten einige, von seinen ersten Fortschritten und Leistungen aus auf gute oder gar vorzügliche Anlagen schließen zu können, so war dies ein Befangensein im Ungewöhnlichen und Außerordentlichen, und also gewiß ein offenbarer Irrtum. Es konnte den Unbefangenen, weniger zu Extremen Geneigten, nicht überraschen, daß er in kurzer Zeit die Sprachlautzeichen, welche er ja alle schon schreiben konnte, als er in Nürnberg öffentlich auftrat, bald in der Druckschrift auffa**en und zusammensetzen lernte. Ebensowenig zeugte der Umstand von mehr als gewöhnlichen Anlagen, daß er schnell eine ziemliche Anzahl Wörter im Gedächtnis behielt und einmal gesehene Personen sogleich wiedererkannte usw. Diese Sätze werden eines theoretischen Beweises nicht wohl bedürfen. Alle späteren Erscheinungen rechtfertigen sie vollkommen. Wie weit brachte er es denn auch bis zum 17. Oktober 1829, als dem Tage des geheimnisvollen Mordversuchs, mit welchem seine Kräfte erst geschwunden sein sollen? Vom 26. Mai 1828, seinem zweiten Geburtstage, bis zum 17. Oktober 1829, also in einer Zeit von fast eineinhalb Jahren, konnte er in keinem Falle so fertig lesen als ein siebenjähriges, mit guten Anlagen ausgestattetes Kind, das ein Jahr lang eine deutsche Volksschule besucht hatte. Auf gleiche Weise mußte sich's auch mit dem Schreiben und Rechnen verhalten. Erst zwei Jahre und zwei Monate nach erwähntem Mordversuche, nachdem er also schon dreieinhalb Jahre lang von einsichtsvollen Lehrern unterrichtet worden war, kam er in mein Haus und wurde zugleich meinem Unterrichte anvertraut. Welche geringe Fertigkeit und wie wenig Wohlklang er aber damals noch im Lesen hatte, welche grobe Fehler er im Rechtschreiben machte, wie verworren er die einzelnen Vorstellungen eines Gedankens zusammenstellte und erst die Gedanken selbst aneinander reihte, wie weniges er damals noch in der Arithmetik und anderen Gegenständen leistete, davon konnten sich mit mehreren insbesondere auch Seine Herrlichkeit usw. selbst überzeugen. Er war in seiner geistigen Kraft und allen seinen Leistungen kaum einem neunjährigen Knaben gleich, der bei guten (nicht vorzüglichen) Anlagen den Unterricht einer gewöhnlichen öffentlichen Schule erhalten hatte. In bezug auf das Rechnen und Schreiben kann ich diese Behauptung noch durch Hefte, Schreibbücher belegen. Daraus mag dann aber doch so ziemlich sicher entnommen werden können, daß Hauser nie mehr als mittelmäßige Anlagen besessen habe. Wollte man seine geringen Fortschritte in den ersten dreieinhalb Jahren seiner häufigen Kränklichkeit und dem Umstande zuschreiben, daß seine Kräfte keine Anstrengung ertrugen, so ist dagegen zu sagen, daß bei Hauser auch in dieser Beziehung wie in so manch anderer gerne übertrieben wird, daß er in allem und allem doch nicht wohl länger als ein halbes Jahr lang krank war und daß ihn in Nürnberg stets nur vorzügliche Lehrer unterrichteten und leiteten. ad II. Wenn man der Wahrheit ganz treu bleiben und keinerlei Rücksicht nehmen darf, so kann sein Fleiß und Eifer zum Lernen im ganzen ebenfalls nur mittelmäßig genannt werden. Momentan beweist er bisweilen wohl großen Fleiß, allein er hält damit nicht lange an, hat bei keinem Gegenstand die gehörige Ausdauer. Am wenigsten ist er mit den Gegenständen befreundet, welche eine anhaltende Aufmerksamkeit, ein längeres Verweilen und etwas mehr Mühe erfordern. So mußte man mit ihm schon im vorigen Sommer den Zeichenunterricht aufgeben, weil man sah, daß er durchaus keine Lust mehr zum Zeichnen hatte und gar keine Fortschritte mehr darin machte. Um von dem Zeichenunterricht und dem Zeichnen selbst loszukommen, wußte er den Herren seiner Oberaufsicht einleuchtend zu machen, daß er es mit dem Zeichnen aus freier Hand doch nie weit bringen könne, daß ihm dies nie etwas nütze und der Zeichnungslehrer Weber in der orientalischen Malerei, die er lernen solle und wolle, keinen Unterricht erteilen könne. Bemerkungen von meiner Seite, wie die, daß das Zeichnen zur allgemeinen Bildung gehöre, daß man zeichnen müsse, um sein Auge zu üben, seinen Geschmack zu bilden usw., wenn man auch davon keinen Gebrauch zu machen gedenke, daß es sein Pflegevater wünsche usw., fanden bei ihm keinen Eingang. Auch dem orientalischen Malen hatte er im vorigen Sommer – trotz verschiedener Gegenvorstellungen – schon längere Zeit Valet gesagt, als er im Hause des Herrn Generalkommissärs v. Stichaner Veranla**ung erhielt, seine Kunst wieder hervorzusuchen und mehreren Damen Obst- und Blumenkörbe als Andenken zu malen. Damals war ihm seine Eitelkeit ein mächtiger Sp**n zu besonderem Fleiße; er malte mehrere Wochen lang mehr, als mir lieb sein konnte, brachte es auch zu einer ziemlichen Fertigkeit. Was war's: als seine verehrten Bekannten mit Andenken versehen waren, legte er es wieder unter dem Vorwande beiseite, daß ihn darin niemand unterrichten, er für sich es nicht mehr weiter bringen und auch damit sich weiter keinen Vorteil verschaffen könne. Die Frage: »Was kann und wird es mir nützen?« legte er sich bisher überhaupt schon viel zu oft vor. So sehr sie in einzelnen Fällen zu empfehlen sein mag, so erscheint sie bei Hauser gewiß sehr vorzeitig, da er in der Regel noch nicht imstande ist, das wirklich Nützliche zu erkennen. Es war bisher auch nicht immer sehr leicht, ihm das Wahre und Nützliche einleuchtend und begreiflich zu machen. Er hörte unter seinen Verhältnissen immer mehrere Ansichten, und da traf sich's denn öfters, daß der eine das gleichgültig behandelte und für unnötig erklärte, worauf der andere ein Gewicht legen zu müssen glaubte. Auch bei Hauser traf oft das Sprichwort ein: »viele Köche versalzen die Suppe!« Ich gehe nun von seinem Fleiße im Zeichnen und Malen zu dem im Schreiben über. Das Zeugnis eines anhaltenden Fleißes hierin kann ich ihm ebenfalls nicht geben. Auf die eindringlichsten Ermahnungen nahm er sich oft vor, die ihm gegebene Anleitung zu befolgen und die Charaktere einer gefälligen Schrift genau nachzumachen. Allein er hielt selten länger als acht Tage aus. Die Fortschritte waren ihm nicht sichtbar genug; das langsame Schreiben war ihm lästig; das eigentliche Schönschreiben hatte bei ihm auf einmal wieder keinen besonderen Wert mehr; er behandelte es wie zuvor gleichgültig, und ich hatte mich auf eine Zeitlang mit ihm umsonst abgemüht. Er ist nicht ohne Sinn für gefällige Formen überhaupt und für gefällige Schriftzüge insbesondere; aber diese sich anzueignen, findet er bei der natürlichen Steifheit seiner Hand zu mühevoll, und dabei tröstet er sich wie der gewöhnliche Mensch damit, daß viele nicht so schön schreiben wie er. Seine Schrift hat sich zwar gebessert, aber bei weitem nicht so, daß man damit zufrieden sein könnte. Er hat sich nichts von dem Zügigen angeeignet, was zum Beispiel ich in meiner Schrift habe und was ihm sehr schön gestochene Vorlagen sowohl in englischer als deutscher Schrift vorzüglich zeigten. In der Geographie und den mit ihr zusammenhängenden Gegenständen war er auch nur eine kurze Zeit eigentlich fleißig. Später, als er sich auf der ganzen Erde im allgemeinen zu Hause fühlte und er täglich selbst einen kurzen Abschnitt durchgehen, Zusammenstellungen usw. machen sollte, leistete er selten mehr das Verlangte. Seine Fortschritte in diesen Gegenständen befriedigten jedoch so ziemlich, solange er darin Unterricht erhielt. Am regelmäßigsten arbeitete er im Rechnen fort. Von seinen Rechnungsaufgaben löste er wenigstens immer einige, oft auch alle. Bis zum Ärger verdrießlich zeigte er sich jedoch oft zu meinem Ärger dann, wenn er ein leichtes Exempel falsch rechnete und nach ein- oder zweimaliger Durchsicht den Fehler der Oberflächlichkeit nicht fand. Daß er noch am liebsten seine Rechnungsaufgaben machte, erklärte ich mir stets – und erkläre mir dies noch – also, muß es aber dem Urteile weiserer Einsicht überla**en, ob ich recht habe oder nicht. Jedes Exempel stellt sich hier als ein für sich bestehendes Ganzes dar. Ein solches zu gestalten, dazu hat er immer Lust und Verlangen, und die Arbeit gewährt ihm dann Vergnügen, wenn er sie bald ganz vollendet sieht. Mit einem Rechnungs**empel ist er bald fertig, und darum geht er auch gerne daran. Was ihn dagegen lange beschäftigt, bis es vollendet ist, verursacht ihm Mißbehagen und kann ihm Veranla**ung zu allerlei unwahren Entschuldigungen geben. Im schriftlichen Rechnen sind nun auch seine Fortschritte in letzterer Zeit noch sichtbarer als früher. Sie la**en sich leicht aus folgendem erkennen. Als er zu mir kam, rechnete er die vier Grundrechnungen in gleichbenannten Zahlen noch nicht mit Sicherheit. Eine Null konnte ihm bald da bald dort unüberwindliche Schwierigkeit machen. Und nun sind wir außer der Wiederholung des Vorgehabten mit der Lehre von den Brüchen, von den Verhältnissen und Proportionen, von der einfachen und zusammengesetzten Proportionalrechnung und dem Kettensatze durch, und er rechnet alle dahin einschlagenden, nicht sehr verwickelten Aufgaben mit ziemlicher Fertigkeit. Sein Fleiß in der Bearbeitung deutscher Sprachaufgaben genügte ebenfalls nur dann, wenn diese ohne besondere Mühe zu lösen waren. Einfache grammatikalische Übungen machte er in der Regel gut. Hatte er aber nach einer bestimmten Formel z. B. erweiterte und zusammengesetzte Sätze zu bilden und den Stoff selbst zu wählen, dann fiel seine Arbeit oft sehr mangelhaft und leer aus. Das anhaltende Denken kostete ihn zu viel Anstrengung. Bei Fertigung kleiner Aufsätze, als Erzählungen, Briefchen ging es ihm besonders hart; darum schob er solche Arbeit oft so lange, als es ihm ohne Verdruß nur immer möglich war, hinaus. Sie fielen gewöhnlich, wenn ich ihm auch gleich die Skizze entworfen habe und noch so viele Fingerzeige an die Hand gab, unter mittelmäßig aus. Faßte ich indeß seine geistige Bildungsstufe mehr ins Auge, so konnte ich diese Erscheinung nur natürlich finden. Er hatte durchaus nicht die Kraft, im Zusammenhange zu denken und dabei die Gesetze der Sprache in Anwendung zu bringen. Seine Fortschritte in der deutschen Sprache überhaupt und im Rechtschreiben insbesondere sind gleichwohl wacker. Den deutschen Kasus weiß er, wenn ihm daran gelegen ist, durchgängig zu setzen, den Modus und die Tempora der Verba gebraucht er in der Regel richtig und die Sätze und ihre Verbindungen kennt er soweit, daß er den Punkt, das Komma, das Kolon, Anführungs-, Frage- und Ausrufzeichen genau, und selbst das von Sprachkennern so verschieden in Anwendung gebrachte Semikolon in mehreren Fällen richtig zu setzen weiß. Wenn er dagegen Fehler macht, so geschieht es aus Gleichgültigkeit für den Gegenstand oder aus Zerstreutheit. Seine Fortschritte im Rechtschreiben la**en sich am besten nach dem Verhältnis der Fehler, die er bei Diktandoschreiben im Dezember 1831 machte, und die er bei demselben gegenwärtig noch macht, ermessen. Jene zu diesem verhalten sich beiläufig wie 10 zu 1 oder auf eine Seite, wo damals 20 Fehler vorkamen, kommen jetzt selten mehr als zwei vor. Auch seine kleinen Aufsätze haben bedeutend mehr Zusammenhang und weniger Fehler als sonst. Es wäre mir sehr angenehm, wenn Seine Herrlichkeit die Fortschritte aus seinen Briefen entnehmen könnten, und ich muß es recht sehr bedauern, daß Seine Exzellenz Herr Staatsrat Präsident von Feuerbach, was Herr Oberleutnant Hickel weiß, den Wunsch Kaspar Hausers genehmigte, sich alle seine Briefe, auch die an seinen Pflegevater, von mir korrigieren la**en zu dürfen. Ich habe dann den förmlichen Auftrag erhalten, diese Briefe zu korrigieren und sie zugleich als Stilübung zu benützen; und Hauser hätte so in keinem Falle einen Brief abgeschickt, ohne daß ihm von mir die Hauptfehler korrigiert gewesen wären. Künftig soll ihm nun aber dem ausdrücklichen Wunsche Seiner Herrlichkeit des Herrn Grafen Stanhope zufolge kein Buchstabe mehr verbessert werden. Am Gedanken selbst wurde aber auch bisher nie geändert. ad III. Hausers Leistungen werden nur selten und von den wenigsten vom rechten Gesichtspunkte aus aufgefaßt. Viele haben von ihm weit schnellere Fortschritte erwartet und vielen erscheinen seine dermaligen Leistungen noch überaus groß. Daß beide Parteien außer der Wahrheit sich befinden, läßt sich wohl ohne besondere Mühe nachweisen. Diejenigen, welche glaubten, als Hauser zu lernen anfing, daß seine Lernfähigkeit und deshalb auch seine Fortschritte größer, ja bedeutend größer als bei Kindern von sechs bis sieben Jahren sein mußten, befanden sich gewiß in einem bedeutenden pädagogischen Irrtum. Ich gehörte anfangs selbst mit zu diesen. Erst seitdem ich über diesen Punkt reiflicher nachgedacht habe, glaube ich folgendes als wahr annehmen zu dürfen: Kaspar Hausers Lernfähigkeit konnte anfangs kaum der eines sechsjährigen Kindes gleichkommen. Denn wenn er auch gleich fast dreimal so alt sein mochte, so hatte er ja eigentlich doch nicht so lange gelebt wie ein solches. Man schlägt die Eindrücke, welche ein Kind von seinem zweiten bis sechsten Jahre durch den Umgang und das Zusammenleben mit Vater, Mutter, Wärterin, andern Kindern usw. erhält, viel zu gering an, ja man vermag sich von deren Wichtigkeit gar keinen Begriff zu machen, wenn man glaubt, daß ein Mensch, wenn auch vom dreifachen Alter, dessen Sinne aber nicht die geringste Erregung erlitten haben, in höherem Grade lernfähig sein soll, als der auf mehrfache Weise geweckte Sinn eines körperlich und geistig gesunden Kindes von sechs Jahren. Höchstens, ja höchstens darf Hausers höheres Alter und vorgerückte körperliche Entwicklung für die wirklich verlebten Jahre eines sechsjährigen Kindes in Anschlag gebracht werden, und dann fängt er im glücklichsten Falle mit diesem an, die Bahn geistiger Ausbildung zu durchwandern und kann sich in keinem Falle leichter in die Form der Bewegungen finden als dieses. Daß dem so ist, hat die Erfahrung vollkommen bestätigt. Denn er hat bisher kaum gleichen Schritt mit solchen Knaben halten können, die ebenso lange wie er Unterricht genießen. Das Urteil derer, die seine Leistungen noch überaus groß finden, zeugt von zu oberflächlicher Auffa**ung des Gegenstandes und der Umstände, wird mehr von einer alltäglichen Gutmütigkeit und Genügsamkeit bestimmt und bedarf keiner weitern Widerlegung. Es ist indes gar nicht leicht und darum auch nicht jedermanns Sache, einen erwachsenen Jüngling vor sich zu sehen und in ihm nicht nur eine versäumte Kinderseele zu gewahren, sondern ihn auch in allen Fällen mit Rücksicht auf diese außerordentliche, ja einzige Erscheinung zu behandeln und zu beurteilen. So verlangt man z. B. von ihm offenbar zu viel, wenn man glaubt, er solle in der Abfa**ung schriftlicher Aufsätze schon etwas besonderes leisten, und ich selbst erwartete in dieser wie in manch anderer Beziehung längere Zeit mehr als ich billigerweise erwarten durfte. Diejenigen, welche nicht häufig um ihn sind und weniger praktischen Blick in die menschliche Seele haben, sie mögen sonst noch so gelehrt und ausgezeichnet sein, fa**en ihn gewöhnlich entweder von der einen oder andern Seite falsch auf und geben dieses in der Regel sowohl durch den Ton als Inhalt ihrer Unterhaltung mit ihm zu erkennen. Ein kurzes unbefangenes Beobachten und Nachdenken lehrt übrigens auch hier das Rechte finden. ad IV. Dem bessern Gedeihen seines geistigen Wesens in keiner Weise förderlich war die übergroße Teilnahme, die der merkwürdige Sohn des seltsamsten Schicksals allenthalben erfuhr. Man sagte ihm zu oft ins Gesicht, daß er ein äußerst merkwürdiger und interessanter Mensch sei, daß man sich lange gesehnt habe, ihn zu sehen und kennen zu lernen, daß man sich nun ganz ungewöhnlich freue, seine interessante Bekanntschaft gemacht, sich von seiner Liebenswürdigkeit überzeugt zu haben usw. Diese und viele andere Floskeln wurden ihm nicht nur etwa früher in Nürnberg zu häufig gesagt, nein, man konnte sie während der Zeit seines Hierseins noch zum Überdrusse oft und selbst nicht selten von solchen Personen hören, deren Verstand sonst alle Anerkennung verdient. Auf diese und andere Weise wurde er schon vom Anfange an eitel gemacht und seine Eigenliebe nach und nach bis zur Einbildung gesteigert. Um sein Benehmen und den Wert der meisten seiner Handlungen richtig beurteilen zu können, muß man diese Umstände wohl ins Auge fa**en. Es wäre übrigens ein wahres Wunder, wenn diese so leicht und unter weit gewöhnlicheren Verhältnissen zu erregenden menschlichen Schwächen bei ihm nicht eingetreten wären. Nach meiner Überzeugung spielen Eitelkeit und Eigenliebe schon seit geraumer Zeit eine bedeutende Rolle bei seinem Tun und La**en, und um an Wichtigkeit und Bewunderung nichts zu verlieren, mochte es ihm oft auf ein Ja oder Nein mehr oder weniger nicht ankommen, zu welchen Antworten ihn der Fragende gewiß nicht selten durch Ton und Haltung erst bestimmte. Es sind dies Erscheinungen, die von (bei Hausers Verhältnis gar nicht zu vermeiden gewesenen) Erziehungsfehlern herrühren, bei jedem Kinde, dem man zu viel nachsieht, einräumt, schmeichelt usw., auf einer gewissen Entwicklungsstufe hervortreten, und die also bei Hauser nicht im geringsten auffallen dürfen. – Die Neigung, denen, an deren Gunst ihm gelegen ist, nach Gefallen zu reden und bei andern seiner Person und seinen Verhältnissen nichts zu vergeben, hat sich mit seinem Wesen eng verbunden. Diese meine vollkommene Überzeugung teilen auch alle diejenigen aus seiner frühern Umgebung in Nürnberg, die ihn längere Zeit unbefangen beobachten konnten, tiefer in sein Wesen zu blicken vermochten und weniger als andere zu seinem Nachteile geneigt waren, bei ihm das Gute stets als besser zu finden, andere Erscheinungen aber, die man sonst an jedem Kinde als fehlerhaft erkennt und tadelt, bei ihm auf jede nur mögliche Weise zu entschuldigen. Zur Ehre der Wahrheit muß ich es hier geradezu aussprechen, daß er alle die Fehler mit in mein Haus brachte, die zunächst aus der Eitelkeit und Einbildung hervorgehen, und daß seine spätern Verhältnisse nicht geeignet waren, dieselben abzulegen, wird man leicht zu ermessen vermögen. Will jemand glauben, daß ihm als Pflegesohn eines hochstehenden Mannes weniger Veranla**ung zur Eitelkeit und Einbildung wird gegeben worden sein als früher? Kann man verlangen, daß er sich hier auf den Vorzug, in den ersten Häusern Zutritt zu haben und häufig eingeladen zu werden, weniger zugute tun sollte als darauf, daß er in dem Hause des ersten Bürgermeisters in Nürnberg aufgenommen und auf mannigfache Weise ausgezeichnet ward? Und wenn ihm bald da bald dort gesagt wurde, daß er um das Glück zu beneiden sei, sich den Pflegesohn eines so ausgezeichneten und edlen Mannes nennen zu dürfen usw. usw., waren etwa solche und andere ähnliche Bemerkungen, wie das ganze Benehmen exzellenter Familien dazu geeignet, seine Meinung von sich herabzustimmen? Oder will man vielleicht verlangen, daß Hauser bei nun gewecktem Selbstbewußtsein sich selbst nicht als wichtig erscheinen soll, während er so vielfältig bemerkt, welches Interesse er fast für jedermann hat und welche Aufmerksamkeit ihm besonders auch durchreisende Personen von Bedeutung und Hoheit schenken? Der Mensch kann sich nie ganz verleugnen, und von unserm Hauser wollen wir billig doch in keiner Weise zuviel Selbstverleugnung erwarten. Wenn Lehrer und Aufseher der fehlerhaften Neigung auch noch so sehr entgegen arbeiten, so können dieselben auch hierin doch nie die Stelle der Eltern ersetzen. Was von diesen, selbst wenn sie verletzen müssen, das kindliche Herz in unbedingtem Glauben an die gute Absicht aufnimmt, wird von jenen oft ganz anders genommen. – Ich möchte viele andere an Hausers Stelle bringen und sehen, ob sie weniger Fehler annehmen, als sich bis jetzt bei ihm gezeigt haben. Bei näherer Erwägung seiner bisherigen Verhältnisse muß man sich wahrlich wundern, daß er unter denselben noch das geblieben und geworden ist, was er wirklich ist. Sieht man von den erwähnten Fehlern ab, so kann man dagegen bemerken, daß er den bisherigen Einwirkungen einige sehr löbliche Eigenschaften verdankt, die ich weiter unten etwas näher bezeichnen will. Es kommen ihm dieselben besonders im geselligen Leben sehr gut zustatten, und sie vermögen es, ihn vorzüglich in den sogenannten bessern Zirkeln den meisten angenehm zu machen. Aber eben die häufigen Zerstreuungen und die große Abwechslung von äußern Eindrücken, denen Kaspar Hauser von seinem ersten Erscheinen in Nürnberg an bis jetzt ausgesetzt und unterworfen war, so wie die oben besprochene gute Meinung von sich selbst hinderte auch sein Fortschreiten im Wissen und Können oder, mit andern Worten, in Kenntnissen und Fertigkeiten. Es konnte dabei sein Sinn unmöglich mehr nach innen gerichtet und für eine anhaltendere ernstere Tätigkeit gewonnen werden. Ich mußte es recht bald für gut finden, auf ihn stets folgenden Grundsatz anzuwenden: »Laß ihn nie ohne nützliche Beschäftigung, mache ihm aber durch strenge Forderung das Lernen und Arbeiten nicht überdrüssig und vermeide es in jedem Falle, Mißvergnügen bei ihm zu erzeugen.« Einem bessern Fortschreiten keineswegs förderlich war auch der ungewisse Zustand, in dem sich Hauser längere Zeit befand. Da man nicht wußte, wie lange er hier bleiben und wozu er am Ende noch bestimmt werden sollte, so war es ebenso wenig möglich, bei ihm einen gründlich planmäßigen Bildungsgang einzuhalten, als ein regelmäßiges Fortschreiten zu erzielen. Vom 1. Dezember v. J. an, zu welcher Zeit es die hochverehrtesten Herren seiner hiesigen Oberaufsicht für gut fanden, ihn durch vorläufige Beschäftigung auf dem Appellationsgericht zur Schreiberei vorbereiten zu la**en, konnte er täglich auch nur noch eine Stunde abwechselnd im deutschen Gedankenausdruck, Rechtschreiben und Rechnen, nebenbei nur in andern gemeinnützigen Gegenständen eigentlichen Unterricht erhalten. Und so wirkten auch in Hausers letzter Bildungsperiode verschiedene Umstände, mit den hier aufgezählten vielleicht noch einige zusammen, die seiner Ausbildung nicht eben besondern Vorschub zu leisten vermochten. Nun insbesondere von dem gegenwärtigen innern Zustande Hausers. Seine Moralität in dem Sinne aufgefaßt, wie diesen Begriff die gewöhnliche Welt zu nehmen pflegt, kann man sehr lobenswert nennen. Denn er ist im allgemeinen und besonders gegen Vornehmere und Höhere sehr artig, höflich, gefällig, aufmerksam, dienstfertig usw. usw. In diesen äußern Tugenden, wie am Anstande überhaupt, ist er dem Alter, mit welchem er gleiche innere Bildung hat, weit voraus geeilt, während er demselben an reiner Ergebenheit und wahrer Bescheidenheit in jedem Falle nachsteht, ja infolge aller seiner bisherigen Verhältnisse wohl nachstehen muß. Man darf sehr zufrieden sein, daß Hausers sittlicher Charakter noch das ist, was er wirklich ist. Hunderte an seiner Stelle würden ohne innigeres Familienleben, dieser wahren Sonne gemütlicher Entfaltung und geistiger Entwicklung, es nicht so weit wie er gebracht haben. Und der ihm angeborene Sinn für das Rechte im allgemeinen läßt hoffen, daß er nach erlangter besserer Bildung und tieferer Einsicht auch noch die Fehler ablegen werde, die bisher verschiedene Eindrücke bei ihm erzeugten. Habe ich darum einerseits Ursache, zu glauben, daß bisher seinem Charakter die solidere Basis ermangelte, daß ihn der Egoismus und die Eitelkeit öfters dem Scheine huldigen ließen, so darf ich andererseits nicht zweifeln, daß ihm später mehr das erkannte Rechte und Wahre bei seinen Handlungen leiten, daß sein Verhalten weniger äußere Rücksichten und der Sinn fürs Äußere bestimmen werden. Nicht unbemerkt darf ich la**en, daß er außer den schon genannten Tugenden noch einzelne besitzt, die ihm sehr wohl stehen und ihn namentlich als Haus- und Tischgenossen gerne haben la**en. Er ist z.B. sehr teilnehmend an allem, was Freudiges und Trauriges in einer Familie vorkommt, und macht sich dadurch fast zum wirklichen Gliede derselben, das man in keiner Lage ungerne um sich sieht. Am Tische ist er nicht nur ungewöhnlich mäßig, sondern auch genügsamer als er es zu sein hätte. Er ist, seitdem er (vom 1. Dezember 1832 an) seinen Mittagstisch zu 10 Kreuzer und seinen Abendtisch zu 8 Kreuzer erhält, ebenso vollkommen zufrieden als früher, wo für jenen 15 und für diesen 10–12 Kreuzer bezahlt wurden. Ja er erklärt häufig, daß er nicht so viel bedürfe, mit weniger zufrieden sein könne usw. usw. Sein gutes und frisches Aussehen bürgt wenigstens dafür, daß er nicht mehr bedarf. Rücksichtlich seiner intellektuellen Kraft und Bildung darf ich ihn einem Knaben von elf bis zwölf Jahren mit gewöhnlichen Anlagen ganz gleich stellen. Um mich von dem Maße seiner Denkkraft deutlich zu überzeugen, gab ich den Schülern meiner Schule, die bereits alle zwischen dem elften und zwölften Jahre stehen, öfters dieselben Aufgaben aus der Sprache, Arithmetik usw. usw. Hierbei fand ich nun schon seit länger als einem Jahre immer, daß er an Sicherheit, Gewandtheit und Schnelligkeit den bessern Köpfen jenes Alters nachstund. Diese Erfahrung stimmt denn ganz mit meiner im ersten und dritten Abschnitte ausgesprochenen Ansicht zusammen. ad V. Ob ich gleich bei meiner Beobachtung und Erfahrung nicht wohl hoffen kann, daß Hauser in irgend einem Berufe mehr etwas Vollkommenes leisten werde, so darf ich doch glauben, daß er in einem leichten mechanischen Berufsgeschäfte, zu dem er Lust und Freude hat, sich noch recht wohl und brauchbar ausbilden könne. Für ein Metier im engeren Sinne paßt er nun aber einmal durchaus nicht. Abgesehen von den nachteiligen Einwirkungen der früher erduldeten Behandlung auf seinen physischen Zustand, auch abgesehen davon, daß er schon zu weit an Alter vorgerückt ist, um seinen schon vollkommen ausgebildeten Gliedmaßen noch die zu einer solchen erforderliche Gelenkigkeit zu geben, die Lehre zu erstehen, zu reifen usw. usw., so würde er sich zur Wahl eines bürgerlichen Geschäftes nur äußerst schwer bequemen, und sich wohl höchst unglücklich fühlen, wenn er sich der Forderung, ein solches zu erlernen, fügen müßte. Er hat den Umgang mit den gebildeteren und höheren Ständen zu lange genossen und ist an denselben zu sehr gewöhnt, als daß es ihn nicht bis zum Kummer betrüben sollte, wenn er ihn auf einmal mit der Umgebung in einer Werkstätte vertauschen müßte. Davon kann also nicht wohl eine weitere Rede sein. Aber auch für einen Beruf, der eine höhere geistige Ausbildung oder vielmehr ein höheres Studium erfordert, wird er sich nicht mehr eignen, würde sich auch schwerlich je dazu geeignet haben. Es müßte wenigstens noch eine große Veränderung in seinem Wesen vorgehen, wenn er für ein tieferes Studium Sinn, Ausdauer und die nötige Stetigkeit des Geistes erhalten sollte. Man muß deshalb gewiß am besten fahren, für ihn vorderhand eine Beschäftigung zu wählen, die ihm selbst zusagt und ihn in näherem Umgange mit den gebildeteren Ständen erhält. Ich konnte bei dieser Ansicht nur im Innersten mit einstimmen, als Se. Hochselige Exzellenz schon zu Ende des vorigen Jahres den Entschluß faßten, ihn der Schreiberei widmen zu la**en. Dabei findet er immer seine regelmäßige Beschäftigung und wird doch in jedem Falle, er mag weniges oder vieles leisten können, von den Torheiten abgehalten, in welche der Unbeschäftigte so leicht verfällt. Es ist ihm aber hier die Möglichkeit gegeben, durch Fleiß in seinem Berufe und durch nebenheriges Fortstudieren sich nicht bloß zu einem brauchbaren Kanzlisten, sondern selbst für eine Stelle beim Rechnungswesen usw. auszubilden. Und bringt er es nach Jahren wirklich so weit, so können ihm hier seine hohen Gönner, die er als der merkwürdige Hauser immer behalten wird, eher forthelfen, als wenn er ein Buchbinder oder Uhrmacher oder sonst ein Gewerbetreibender geworden wäre. Zu meinem Vergnügen vernahm ich daher in den letzten Wochen auch den Beschluß seiner sehr verehrlichen hiesigen Oberaufsicht, daß er seinem eigenen Wunsche gemäß, sofern derselbe nach eingetroffenen sicheren Nachrichten dem Willen seines hohen Pflegevaters nicht entgegenläuft, nunmehr bei der Schreiberei bleiben und nebenbei den Unterricht bekommen solle, den er notwendig hat, um sich für sein Fach womöglich tüchtig zu befähigen. Seit vierzehn Tagen erhält er denn nun außer meinem weiter oben näher bezeichneten erwähnten Unterrichte, von einem tüchtigen Instruktor auch wöchentlich vier Stunden Unterricht im Latein und betreibt dieses bis jetzt mit einer Neigung und Anstrengung, die ich bei ihm, so lange er in meinem Hause ist, nicht ahnen konnte. Ich will von Herzen wünschen, daß dieser sein außerordentlicher Fleiß und Eifer von Ausdauer sein möge. Er selbst äußert sich über seine gegenwärtige Lage fast wörtlich also: »Weil ich jetzt nur einmal weiß, woran ich bin. Nun will ich gewiß fleißig sein. Bisher habe ich kein bestimmtes Ziel vor mir gesehen und nicht gewußt, wie lange ich hier bleiben darf und was noch aus mir werden soll. Darum habe ich auch keine große Lust zum Arbeiten gehabt und bin lieber in Gesellschaft gewesen als daß ich gelernt habe. Jetzt ist's gerade umgekehrt; jetzt lerne ich lieber als daß ich ausgehe.« Man sieht also hieraus, daß durch die dermalige veränderte Richtung in seinen Verhältnissen und seiner Bildung sein Inneres aufs neue gehoben wurde, und daß dieselbe Wendung bei ihm wieder die besten Vorsätze hervorrief. Dabei kommt ihm diesmal seine Eitelkeit besonders gut zu statten. Denn in dem Augenblicke noch (so habe ich Ursache zu glauben) treibt er das Lateinische hauptsächlich deswegen so eifrig, weil er denkt, daß man durch die Kenntnis desselben den Bessergebildeten beigezählt werde, und zum Teil wohl auch deswegen, weil ich den lateinischen Stunden mitbeiwohne und, wie er, alle Übungen mündlich und schriftlich mit durchmache. Er gibt sich so alle Mühe, um mir an Fertigkeit, wenn nicht vorauszueilen, doch wenigstens gleichen Schritt zu halten. – Es ist recht wohl möglich, daß er die nun genommene gute Richtung behält, daß seine Eitelkeit und sein mit dieser zusammenhängender oft bemerkbarer Eigensinn nach und nach in ein vernünftiges Ehrgefühl und männliche Festigkeit, also in die Tugenden übergehen, welche schon so viel Herrliches und Vortreffliches in der Welt gewirkt haben. – Und nun schließe ich unter geziemenden Hoffnungen mit der Bitte, daß dieser in größter Eile entworfene Aufsatz in der Überzeugung hingenommen werden möge, daß er die Wahrheit ganz ungeschminkt ohne alles Abgemessene enthalte. Ich glaube nunmehr so, außer dem künftigen Wohle Hausers selbst, insbesondere auch dem Wunsche seines hochsinnigen und edlen Pflegevaters mehr zu dienen, als wenn ich allein wieder seine Lichtseite gezeigt hätte. Wenn ich letzteres früher vorzog und das Licht etwas heller machte, so geschah es nicht ohne höhere Genehmigung aus der gewiß verzeihlichen Besorgnis: ich möchte auf andere Weise das unglückliche Glückskind von dem Herzen entfernen, in dessen hohem Adel es das Glück seines irdischen Lebens gefunden hatte. Hierzu macht Dr. M. folgende Anmerkung: Am Schlusse des Konzeptes dieser Charakteristik finde ich von der Hand meines seligen Vaters, des Lehrers Meyer, folgende Bemerkungen: In meinem ersten Konzepte hatte ich mich über K. Hausers Fehler und insbesondere über seinen Hang zur Unwahrheit entschiedener und stärker ausgesprochen, allein es wurden mir alle jene Stellen, welche den Herrn Grafen Stanhope in seinen Zweifeln hätten bestärken können, von dem wohlwollenden und wohlmeinenden Herrn Hofrat Hofmann weggestrichen. Im Konzept lautet die von Hofmann gestrichene Stelle bezüglich des Hanges zur Unwahrheit also: »Wenn ihm die Gelegenheit gegeben wird, wichtig zu erscheinen, oder wenn er in den Fall kommt, eine Schwäche oder einen Fehler verbergen zu können, so bleibt er oft gar nicht gewissenhaft bei der einfachen Wahrheit stehen, sondern sucht im ersteren Falle das Wichtige als möglichst wichtig zu bezeichnen, im letzteren Falle sich durch allerlei Seitensprünge zu beschönigen und einen Fehler als solchen wegzureden. Er hat diese Eigenschaften mit jedem Kinde gemein, dem häufig gehuldigt und geschmeichelt wird, und sie sind also eine ganz gewöhnliche und natürliche Erscheinung. Daß er dieselben schon in Nürnberg, und zwar dort schon in hohem Grade besaß, davon zeugt eine von dort mir zugekommene zuverlässige Nachricht aus einem ganz soliden Hause. (Der Biberbachsche Brief ist hier gemeint.) Ich finde es für nötig, mich darüber einmal unumwunden auszusprechen, weil man sich ihn bisweilen aus Mangel an näherer Bekanntschaft mit seinem Wesen gerne ohne die gewöhnlichen Fehler der Menschen dachte. Wem er freilich stets, wie Sr. Herrlichkeit Herrn Grafen Stanhope, nur seine liebenswürdige Seite zeigte, dem mußte er natürlich fast als die natürlichste Güte erscheinen. Konnte man es aber von ihm solchen Wohltaten, wie denen des edlen Lords gegenüber, anders erwarten?« Auch folgende Stelle wurde von Hofmann gestrichen: »Noch ein anderer Umstand hinderte, seit 1½ Jahren besonders, bei K. Hauser einen gründlichen Bildungsgang einzuhalten und ein geregeltes Fortschreiten zu erzielen. Es war dies der Umstand, daß man von einer Zeit zur andern hoffen durfte, Hauser werde von seinem edlen Pflegevater nach England abgerufen. Als Se. Herrlichkeit Herr Graf Stanhope im Februar 1832 von hier abreisten, glaubte man, dies werde im Mai 1832 geschehen, und ich konnte also meinen Unterrichtsplan vom 10. Dezember 1831 an höchstens auf die Zeit eines halben Jahres anlegen. Daß man im Laufe eines halben Jahres bei täglich zwei Stunden Unterricht in folgenden Fächern, als 1. deutsche Sprache, 2. Rechtschreiben, 3. Schönschreiben, 4. Arithmetik, 5. Geographie in Verbindung mit Naturkunde und Geschichte, und 6. in der geschichtlichen Religion etwas Ersprießliches nicht leisten und einen systematischen zusammenhängenden Unterricht nicht erteilen kann, vermag wohl jedermann einzusehen. Da also unmöglich etwas Ganzes zu leisten war, so mußte ich es wohl am zweckmäßigsten finden, bei einigen Gegenständen in den Teilen nachzuhelfen, wo der Schüler am wenigsten fest war, und bei andern das auszuheben, was besonderes Interesse hatte. Als nach Verfluß eines halben Jahres Hauser noch hier war, mußten wir gewärtig sein, daß er demnächst abgerufen werde. Dieser Hoffnung lebte man von einem Monat zum andern, und es konnte so kein neuer oder eigentlicher Plan gemacht werden, vielmehr in allen Gegenständen, das Rechnen allein ausgenommen, auf die alte Weise recht eigentlich fortgeflickt werden. So verfloß auch das zweite Halbjahr, ohne daß man wußte, was aus Hauser noch werden oder wozu er bestimmt werden sollte. Indeß konnte man bis dahin mit immer mehr Sicherheit annehmen, daß Se. Herrlichkeit usw. Gründe bestimmen werden, Hauser nicht nach England kommen zu la**en, und unter dieser Voraussetzung fanden es Se. Exzellenz Herr Staatsrat v. Feuerbach in Übereinstimmung mit Herrn Appellationsgerichtsrat Schumann und Herrn Oberleutnant Hickel für gut, ihn durch vorläufige Beschäftigung auf dem Appellationsgerichte zur Schreiberei vorbereiten zu la**en.« Dagegen ist durch Hofrat Hofmann oben folgender Satzeingang dem Konzept meines Vaters hinzugefügt worden: »Abgesehen von den nachteiligen Einwirkungen der früher erduldeten Behandlung auf seinen physischen Zustand. –«