Paul Fehm - Erklärung. lyrics

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Paul Fehm - Erklärung. lyrics

Da ich glaubte, nicht richtig zu sehen, machte ich einen Termin. Seltsam schwa*kend schienen mir die Dinge und Menschen, die Kanten unscharf, verzerrt die Bewegungen, verwaschen die Farben. Ich wollte endlich Klarheit über meinen Zustand, denn so zu leben, so dachte ich damals, das sei ganz unmöglich. Bei meinem Beruf kam es schließlich darauf an, die Dinge stets genau im Blick zu behalten, wie der Dompteur die Tiger. War man da unachtsam, wanderten die Augen umher, wo sie sich doch wie ein Brennstrahl auf den entscheidenden Punkt, und nur auf ihn, sich konzentrieren mussten, sonst drohte nichts geringeres als der Tod, dann fielen die Monster, die man bändigen wollte, unschuldig, aber ohne jede Schonung, über einen her. Man zwängte also meinen Kopf in verschiedene Apparaturen, ließ mich Buchstaben aufsagen und nach Punkten haschen. Dann zurück ins Wartezimmer, dessen unmenschliche Leere von abstrakten Zeichnungen und eher allegorischen Pflanzen nur notdürftig verdeckt wurde. Sprechstundenhilfen regelten den Betrieb, beschwichtigten, gaben Auskunft. Nichts brachte sie aus der Ruhe, keine Verzweiflung, kein Flehen oder Drängen. Nach einigen theoretischen Ausführungen verließ ich die Praxis, das Gesicht in ein bizarres Gerüst gezwängt. Tatsächlich waren die Konturen nun einförmiger, die Bewegungen ringsum ausgeglichener, wie ein Schlafwandler konnte ich plötzlich durch die Menge gehen, wenn ich nur oft genug blinzelte. Doch zu arbeiten, war bald völlig unmöglich. Alles blieb starr, ich schwang die Peitsche, schnalzte mit der Zunge, doch nichts geschah. Ich konnte kaum mehr die schweren Augen offenhalten und unaufhaltsam verlief sich ihr Licht ins Dunkel. Seine Erklärung endet, als er aus leeren Augenhöhlen zu weinen beginnt, er verbirgt das Gesicht in der Hand und zieht sich tiefer in den Schatten zurück. Jemand streicht ihm wie aus unendlicher Ferne übers Haar. Tiger betreten die Szene mit leuchtenden Augen, bereit für Spiel und Befehl, und schon hebt er die Arme, wie um zu dirigieren, da tanzen die Tiere um die eigene Mitte, ein Wirbel von Linien und Farben, wie ruht der Blick auf ihren goldenen Leibern!