Irene Dorfner - Der Tote im Wald: Der 4. Fall für Leo Schwartz - Ein Oberbayern-Krimi lyrics

Published

0 84 0

Irene Dorfner - Der Tote im Wald: Der 4. Fall für Leo Schwartz - Ein Oberbayern-Krimi lyrics

1. Leo Schwartz hatte sehr schlecht geschlafen, was aber nicht an dem fremden und durchaus bequemen Bett der netten Pension lag, die er heute Nacht angesteuert hatte. Trotz der späten Stunde, es war bereits nach Mitternacht, wurde er freundlich aufgenommen und das Zimmer war wirklich sauber und überaus ordentlich, keine Frage. Aber der gestrige Abschied von seinen Ulmer Freunden und Kollegen, die Fahrt durch strömenden Regen, der von orkanartigen Böen begleitet wurde – das alles hatte ihm ordentlich zugesetzt. Er war auch absolut nervös vor seinem ersten Arbeitstag hier in Mühldorf am Inn, das ihm von einem seiner letzten Fälle nur ansatzweise bekannt war. Um 5.15 Uhr entschied er, aufzustehen, trottete ins Bad und stand vor dem Spiegel, vor dem er sich, wie so oft, mit seinen 1,90 m bücken musste – und erschrak! Er sah um Jahre älter aus und so unrasiert, die kurzen grauen Haare standen in alle Richtungen, wirkte er auch beinahe ungepflegt; dazu hatte er die letzten Tage wenig gegessen und war noch magerer geworden. Nachdem er ausgiebig geduscht und sich angezogen hatte, wie immer trug er Jeans, Hemd oder T-Shirt mit dem Aufdruck einer Rockband, seine alte Lederjacke und alte Stiefel, besah sich nun abermals im Spiegel und war nun zufrieden – mit seinen 49 Jahren, den kurzen grauen Haaren und seinem Outfit war er doch noch ziemlich gut in Schuss. Auf dem Weg in den Frühstücksraum dachte er darüber nach, da** es auch nicht unbedingt üblich war, in seinem Alter nochmals von vorn anzufangen. Die freundliche Angestellte im Frühstücksraum riss ihn aus seine Gedanken, zum Glück, denn sonst hätte vielleicht das Grübeln nicht gela**en, wäre in ein Loch gefallen und hätte sich zuletzt noch selbst bemitleidet – so weit kommt es noch! Er bekam hier in Mühldorf am Inn eine neue Chance und darüber sollte er sich vielleicht endlich auch mal freuen. Trotz des reichhaltigen Angebotes wählte er nur einen starken Kaffee, unterhielt sich mit der Angestellten, die aufgrund der wenigen Gäste noch nicht viel zu tun hatte, und machte sich dann schließlich auf den Weg. Trotz der gegensätzlichen Ansage seines Navi-Gerätes, das ihn nun immer mehr nervte, entschied er sich, wahllos durch Mühldorf zu fahren und sich den Ort etwas genauer anzusehen. Eigentlich gar nicht mal so schlecht, was er da sah, trotzdem war er der neuen Heimat gegenüber doch sehr negativ eingestellt, denn er liebte sein Ulm und war dort die letzten Jahre gerne zuhause. Ihm war mulmig zumute, als er schließlich dem Drängen des Navi-Gerätes nachgab und die Polizei Mühldorf nun ohne weitere Umwege ansteuerte. Er parkte seinen Wagen vor dem Gebäude der Polizeiinspektion Mühldorf, stieg aus, besah sich das Gebäude und atmete mehrmals tief durch, bevor er entschlossen auf den Eingang zulief, währenddessen er sich immer wieder gut zuredete. Wie würden ihn die Kollegen und vor allem der neue Vorgesetzte aufnehmen? Schließlich brachte er durch den letzten Vorfall in Ulm, durch den er strafversetzt und rangmäßig zurückgestuft wurde, nicht gerade die besten Referenzen mit. Dann war er nicht von hier aus der Gegend, noch nicht einmal aus Bayern. Er wischte die Bedenken beiseite und wies sich dem Mann am Empfang entsprechend aus, der begrüßte ihn monoton und beschrieb ihm den Weg – Leo hatte kein Wort verstanden, nickte trotzdem und fragte sich durch, bis er schließlich an der Tür des Polizeichefs stand, noch einmal tief durchatmete und klopfte. Statt einer Aufforderung, einzutreten, wurde ihm persönlich geöffnet. „Sie wünschen?“ fragte der Mann freundlich, was Leo nun sehr überraschte, denn den Personen, der er bisher begegnete, waren sehr knapp angebunden, um nicht zu sagen ruppig ihm gegenüber. „Leo Schwartz, ich bin der neue Mann bei der Kripo, ich wurde von Ulm hierher versetzt. Ich suche einen Herrn Krohmer.“ „Rudolf Krohmer persönlich und in voller Pracht, treten Sie ein Herr Schwartz, ich habe Sie noch nicht so früh erwartet. Arbeitsbeginn bei der Kripo ist um 8.00 Uhr, Sie sind eine halbe Stunde zu früh.“ Rudolf Krohmer war 58 Jahre alt, schlank, und hatte ein überaus freundliches Wesen, ganz im Gegensatz zu seinem letzten Vorgesetzten in Ulm, der meist mürrisch und sehr kurz angebunden war – trotzdem vermisste er ihn. „Ich wollte mich noch etwas umsehen.“ „Verstehe, hätte ich an Ihrer Stelle wahrscheinlich genauso gemacht. Ich hätte ihnen gerne persönlich alles gezeigt und sie den Kollegen vorgestellt, aber leider habe ich jetzt keine Zeit für Sie, ich habe einen Termin beim Bürgermeister. Meine Sekretärin wird sich um Sie kümmern. Hilde?“ rief er in das Nebenzimmer, worauf umgehend eine 60-jährige, sehr schlanke und für Leos Begriffe für ihr Alter zu modisch gekleidete Frau mit einem modernen, 2-farbigen Kurzhaar-Schnitt ins Zimmer trat. „Sie wünschen, Chef?“ „Hilde, das hier ist Herr Schwartz, der neue Mitarbeiter bei der Kripo. Führe ihn doch ein wenig herum und zeige ihm alles, bist du so lieb? Vor allem braucht er seinen Dienstausweis, das Dienst-Handy und natürlich seine Dienstwaffe. Hilde, kümmerst du dich darum, da** der Kollege Schwartz alles bekommt?“ „Ja sicher mach ich das, das ist mir ein Vergnügen. Ich bin Hilde Gutbrod, die gute Seele hier im Präsidium. Ich habe Sie bereits schon auf dem Parkplatz gesehen, als ich zufällig aus dem Fenster gesehen habe. Wie ich an Ihrem Nummernschild ersehen konnte, kommen Sie aus Ulm? Eine herrliche Stadt, da war ich auch schon, das ist aber Jahre her. Herzlich Willkommen bei uns. Was wollen Sie denn zuerst sehen, Herr Schwartz? Ach wissen Sie was, kommen Sie doch einfach mit, und wenn Sie Fragen haben, dann keine Hemmungen.“ Leo war sofort klar, mit wem er es zu tun hatte: Frau Gutbrod wusste alles, kannte jeden, war sehr geschwätzig und tratschte gerne, und war mit Sicherheit überaus neugierig – eine Person, mit der er sich gutstellen musste, denn er hatte bereits die Erfahrung gemacht, da** diese Menschen auch unangenehm werden können, vor allem, wenn man sie als Gegner hatte. Aber sie war freundlich und er verstand sie trotz ihres bayrischen Dialektes sehr gut. Frau Gutbrod ging mit ihm durch das ganze Gebäude und sämtliche Abteilungen, wurde jedem einzelnen Kollegen und jeder einzelnen Kollegin vorgestellt. Leo bemühte sich, sich die Namen zu merken, gab aber irgendwann auf, denn das war nicht möglich, der Polizeiapparat entpuppte sich als sehr umfangreich – jetzt dachte er darüber nach, da** es vielleicht intelligent gewesen wäre, sich vorab über die hiesige Polizei zu informieren, was er nicht getan hatte, da die Versetzung hierher sehr kurzfristig kam und er in Ulm die letzten Tage noch sehr viel zu tun hatte – aber das waren nur Ausflüchte und Entschuldigungen, die eigentlich nicht gelten, denn die Informationen über die hiesige Polizei, sprich seinem neuen Arbeitgeber, hätte keine Stunde gedauert und diese Zeit hätte er investieren müssen. Jetzt schämte er sich dafür und während Frau Gutbrod weiter auf ihn einplapperte, entschied er, ihr nicht mehr zuzuhören, sie schien mit einem gelegentlichen Nicken oder Lächeln durchaus zufrieden. Stattdessen dachte er mit Wehmut an seine Arbeitsstelle in Ulm und an die Freunde und Kollegen, die er schmerzlich vermisste. Er wurde jäh aus seine Gedanken gerissen, denn nun bekam er seine Dienstwaffe, sein Handy und auch seinen Ausweis ausgehändigt, was alles bereits für ihn hinterlegt wurde und er nur noch quittieren musste. „Und hier sind Ihre neuen Kollegen der Kripo: Leute mal herhören,“ rief sie in das nun letzte Büro, in das er von Hilde Gutbrod geführt wurde und in dem 3 Personen anwesend waren, „das hier ist der Neue aus Ulm, sein Name ist Leo Schwartz und ich habe ihm bereits alles gezeigt, sein Handwerkszeug hat er auch schon bekommen.“ Leo begrüßte die Kollegen per Handschlag und Hilde Gutbrod verließ mit einem lauten Gruß das Büro, denn hier war Ihre Arbeit vorerst beendet und sie musste nun mehr Informationen über den neuen Kollegen rauskriegen, denn dieser Mann war ganz bestimmt nicht liiert und überaus interessant für ihre Nichte Karin, die 42 Jahre alt war und bis jetzt noch keinen pa**enden Mann gefunden hatte. Frau Gutbrod würde daran arbeiten – und diesen schrecklichen Kleidungsstil würde sie ihm ebenfalls abgewöhnen, das wäre das kleinste Problem. „Guten Morgen Herr Schwartz, mein Name ist Hans Hiebler, willkommen bei uns in Mühldorf,“ der 52-jährige, 1,80 Meter große, sportliche und überaus attraktive und gepflegte Mann lächelte ihn freundlich an – dieser Mann war ihm sofort sympathisch. „Vielen Dank, sehr freundlich.“ „Werner Grössert,“ stellte sich der nächste Kollege knapp vor. Grössert war 38 Jahre alt, 1,75 m groß, hatte kurze, graue Haare und war sehr gut gekleidet: dunkler Anzug, weißes Hemd, dezente Krawatte und saubere, glänzende Schuhe, alles sicher sehr teuer. „Dann sind Sie der Leiter des Teams?“ „Nein, das bin ich, Viktoria Untermaier mein Name.“ Die 47-jährige, 1,65 m große, mollige und durchaus attraktive Frau drückte ihm fest die Hand. „Entschuldigen Sie, ich dachte…“ „Ja, das denken viele, weil der Kollege Grössert so überaus seriös aussieht, aber das Aussehen kann auch täuschen. Auch ich heiße Sie natürlich herzlich Willkommen in unserem Team und hoffe, da** wir alle gut zurechtkommen. Das hier drüben ist Ihr Schreibtisch.“ „Vielen Dank.“ Leo hätte im Erdboden versinken können, denn er hatte sich tatsächlich wieder einmal vom Äußeren blenden la**en und sah dabei ziemlich blöd aus. Seine Vorgesetzte Viktoria Untermaier ging aber nicht weiter darauf ein und Leo betete, da** sie das nicht zu ernst nahm und er nicht gleich mit seiner ersten Bemerkung bei ihr verspielt hatte, oder schlimmer noch, da** sie ihn für dumm hielt – egal, bei pa**ender Gelegenheit würde er nochmal mit ihr reden oder sonst irgendwie die Sache wieder hinbiegen, ihm würde schon etwas einfallen. Er besah sich den großen, überaus modernen Schreibtisch genauer an, der nicht nur mit einem modernen PC mit einem für seine Begriffe riesigen Bildschirm ausgestattet war, sondern auch die Schubladen waren ordentlich und sauber mit allem gefüllt, was man brauchte. Er fand auch eine Akte in einem der 3 Ablagefächer auf seinem Schreibtisch vor und nahm sie zur Hand, was Frau Untermaier wohlwollend registrierte. „Ich möchte hier in meinem Team gleich etwas klarstellen. Herr Schwartz, uns ist bekannt, da** Sie hierher strafversetzt wurden, obwohl das im Amtsdeutsch natürlich anders beschrieben wird. Ich möchte nicht wissen, was der Grund dafür war und auch die Kollegen hier hat das nicht zu interessieren, es sei denn, sie wollen es irgendwann selber erzählen – hier spielt Ihr Vorleben überhaupt keine Rolle. Ich erwarte aber von Ihnen hier bei uns absolut professionelle und saubere Team-Arbeit. Keine Alleingänge und keine illegalen Geschichten. Haben wir uns verstanden?“ Leo nickte, natürlich war er einverstanden und musste feststellen, da** die Frau sich durchaus behaupten konnte. Auch die Herren Hiebler und Grössert nickten. „Gut, dann wäre das geklärt. Ich möchte Sie bitten, sich die Akte, die Sie in Händen halten, zu studieren. Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an die Kollegen oder an mich. Kurz noch zum organisatorischen Ablauf: die Kaffeemaschine steht hier hinten im Eck - derjenige, der die letzte Ta**e nimmt, setzt umgehend neuen auf, ich werde ungemütlich, wenn ich keinen Kaffee habe. In der Kantine finden Sie rund um die Uhr etwas zu essen und Getränke, aber das hat Ihnen Hilde bestimmt schon gezeigt.“ „Ja, das hat sie.“ „Na dann, nochmals Herzlich Willkommen und frohes Schaffen!“ Leo entschied, sich einen Kaffee zu holen und sich an die Arbeit zu machen, ganz so schlimm war das doch hier bis jetzt nicht gelaufen. Der spürte, da** die Kollegen ihm gegenüber etwas verschlossen und einsilbig waren, aber er war zuversichtlich, da** sich das Klima hier in den nächsten Tagen deutlich verbessern wird. Natürlich war das alles hier etwas viel auf einmal, aber er würde das schon schaffen. Er saß an seinem Schreibtisch, trank einen Schluck Kaffee und sah sich seine Kollegen genauer an. Hiebler war ganz bestimmt ein lockerer Typ, der würde kein Problem werden, aber diese Untermaier und vor allem Grössert waren schwierigere Typen – in diesem Moment vermisste er seine Ulmer Kollegen wieder ganz besonders, denn mit ihnen war er schon lange sehr gut befreundet und täglich freute er sich auf die Arbeit, was er von dem heutigen Tag nicht behaupten konnte. Er schlug die Akte auf, las sie ausführlich und verschluckte sich beinahe an seinem Kaffee, denn der Inhalt machte ihn beinahe sprachlos – es ging um den verschwunden Alexander Binder, 30 Jahre - und sein Vorgänger hier bei der Kripo. „Soll das heißen, da** mein Vorgänger verschwunden ist?“ Leo stellte die Frage einfach in den Raum. Bisher war es absolut still, beinahe unheimlich gewesen, wobei Leo sich sehr unwohl gefühlt hatte - und nun starrten ihn alle an. „Richtig, es geht um ihren Vorgänger Binder. Wir dachten, wir la**en Sie mal drüber schauen, vielleicht finden Sie etwas, was wir übersehen haben. Ihnen eilt ein gewisser Ruf voraus, da** Sie ziemlich gewieft sind.“ Also hatten sich die Kollegen doch über ihn informiert und wussten offensichtlich Bescheid – aber Leo hätte das genauso gehandhabt. Hans Hiebler hatte Leos Überraschung bezüglich des verschwundenen Kollegen sofort bemerkt, holte sich einen Stuhl und setzte sich zu ihm, was Leo überaus angenehm war. „Genau vor 12 Wochen war Alexander von einem Tag auf den anderen verschwunden. Natürlich haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, aber wir haben nicht die kleinste Spur gefunden. Er war begeisterter Radfahrer und war an dem Tag seines Verschwindens nach Aussagen seiner Verlobten auf eine Radtour Richtung Burghausen aufgebrochen. Mehrere Pa**anten haben ihn unterwegs gesehen, aber auf Höhe Kastl verliert sich seine Spur. Wir sind alle Wege mehrmals abgefahren, haben Spürhunde eingesetzt – nichts, nicht der kleinste Hinweis. Auch nicht von dem Rad, das mehrere Tausend Euro wert ist. Aus dem Umfeld nicht der kleinste Hinweis darauf, da** er die Schnauze voll hatte und aussteigen wollte, im Gegenteil, er stand kurz vor der Hochzeit mit einer reizenden und überaus reichen Frau. Aber sehen Sie sich die Unterlagen unvoreingenommen in aller Ruhe nochmals durch, vielleicht finden Sie ja etwas.“ Hiebler lächelte ihn aufmunternd an und ging wieder an seinen Schreibtisch. Leo machte sich umgehend an die Arbeit. Nach einer halben Stunde klopfte es und Hilde Gutbrod trat mit einem Mann ins Büro. „Leute, hier ist ein Herr Schuster aus Kastl. Herr Schuster, die Kollegen hier werden sich um Sie kümmern.“ „Bitte treten Sie ein und setzen Sie sich, was können wir für Sie tun?“ Viktoria Untermaier war sofort aufgesprungen, denn wenn eine Person zu ihnen gebracht wurde, war es meist sehr ernst. Der 58-jährige Horst Schuster trug Arbeitskleidung und hielt seinen Hut in der Hand, er war schüchtern, aber durchaus aufgebracht. „Bei Waldarbeiten im Kastler Forst haben wir in einer Höhle einen Sarg gefunden. Ich war schon in Altötting bei der Polizei, aber die haben gesagt, da** sie nicht zuständig sind und haben mich hier hergeschickt. Bitte kommen Sie mit und sehen Sie sich das an. Wir haben nicht in den Sarg reingeguckt, aber wir sind sicher, da** da einer drin liegt.“ Er sprach sehr leise, bemühte sich, hochdeutsch zu sprechen, was aber gründlich in die Hosen ging, aber Leo als Schwabe hatte trotzdem alles verstanden. Er stand neben Horst Schuster, ebenso wie die anderen beiden Kollegen und alle hörten fa**ungslos zu. „Sie haben also einen Sarg mitten im Wald versteckt gefunden, soweit habe ich richtig verstanden?“ Der Mann nickte. „Wie kommen Sie darauf, da** da einer in dem Sarg drin liegt?“ „Die Kerzen und die Blumen drum herum. Da liegt bestimmt einer drin, wer macht sich sonst solche Mühe. Sie müssen sich das ansehen.“ „Natürlich sehen wir uns das an. Wo ist der Fundort?“ „Deshalb habe ich nicht angerufen und bin persönlich hier, um Sie hinzuführen, denn von alleine finden Sie dort niemals hin. Das ist mitten im Wald, wenn man sich dort nicht auskennt, kann das in die Hosen gehen.“ „Das kann ich mir denken, ich kenne den Wald von Spaziergängen, da kann man sich weiß Gott verlaufen. Gut. Herr Schwartz, Sie fahren mit Hiebler. Herr Schneider, Sie fahren mit mir – Grössert, Sie bleiben hier. Informieren Sie die Spurensicherung, die sollen sich uns unverzüglich anschließen.“ Nach 10 Minuten ging es los und sie fuhren im Konvoi nach Kastl, wobei Leo erstaunt aus dem Fenster blickte – sie fuhren durch Weiding und die nächste Ortschaft Teising, Altötting, das er von einem früheren Fall ziemlich gut kannte, ließen sie rechts liegen, bis sie schließlich Richtung Burgkirchen/Burghausen abbogen, jetzt ging es rechts und sie nahmen dann die zweite Abfahrt nach Kastl, fuhren durch den kleinen Ort Richtung Bahnhof, und bogen nach diesem links ab unter einer Bahnbrücke durch und waren nun direkt im Wald. Leo versuchte, sich den Weg zu merken, und konnte nach dem Bahnhof, vorbei an einem Besucher-Parkplatz zu Beginn des Waldes, auch noch prima folgen, denn sein Orientierungssinn war grundsätzlich hervorragend, aber nach einigen Abzweigungen mitten im Wald sah für ihn alles gleich aus. Schließlich hatten sie die Stelle erreicht, bei der 5 Waldarbeiter bereits warteten. Sie stiegen allesamt aus, begrüßten sich kurz und die Kollegen zogen sich Gummistiefel an, die sie aus dem Kofferraum nahmen – natürlich hatte Leo keine dieser Stiefel dabei und sah offensichtlich ziemlich dumm aus der Wäsche. „Denken Sie sich nichts Herr Schwartz, ihren alten Stiefeln wird das nicht schaden, die sind eh schon ziemlich hinüber,“ bemerkte Viktoria Untermaier. Leo besah sich verwundert seine Stiefel – was soll mit denen sein, die sind doch noch keine 5 Jahre alt und noch völlig in Ordnung. Sie folgten Horst Schneider, der ungeduldig gewartet hatte und nun die Polizisten an die betreffende Stelle führte. Sie stiegen über Äste und Büsche immer tiefer in den Wald, bis sie schließlich an eine Stelle kamen, an der Horst Schneider lange Äste und Büsche zur Seite hob und somit den Eingang tatsächlich zu einer Art Höhle freigab. „Dort drin ist es,“ sagte er knapp, wobei er keine Anstalten machte, mit in die Höhle zu gehen. Die Polizisten zogen die Köpfe ein, schalteten ihre Taschenlampen ein und gingen vorsichtig hinein, wobei Viktoria Untermaier voranging – die Frau war wirklich taff. Der Weg war schmal, niedrig, aber durchaus sauber – keine Äste, Wurzeln oder Ähnliches machte ihnen das Gehen schwer. Nach einigen Metern geradeaus ging ein Seitenweg nach rechts weg und dort stand tatsächlich ein Sarg! Der sah wirklich nicht so aus, als würde er da schon lange vergessen stehen, denn der Deckel war absolut sauber und davor stand eine brennende Kerze, sowie eine Vase gefüllt mit Wa**er und einigen relativ frischen Rosen. „Das gibt es doch nicht, wer macht denn so was. Raustragen und Aufmachen!“ „Stopp! Sie tragen den Sarg nicht raus. Nicht, bevor wir alle Spuren gesichert haben,“ rief eine Stimme vom Eingang des Tunnels, die dem neuen Leiter der Spurensicherung Mühldorf Friedrich Fuchs gehörte. „Den habe ich ja völlig vergessen,“ stöhnte Viktoria Untermaier auf, „dann gehen wir raus und überla**en diesem Fuchs das Feld.“ Man hörte aus der Stimme der Vorgesetzten, da** sie diesen Typen nicht sonderlich gut leiden konnte, auch Hans Hiebler machte eine abfällige Bemerkung. Als sie wieder im Freien waren, stand unverkennbar Friedrich Fuchs vor Leo, der sich kurz vorstellte, denn auch er hatte bereits von der Kollegin Gutbrod erfahren, da** Leo Schwartz neues Mitglied der Kripo war. Friedrich Fuchs war noch keine 40 Jahre alt, sah aber viel älter aus, denn er legte großen Wert darauf, da** er ernst genommen wurde, was bei dem Aussehen, der geringen Körpergröße, Mangel an Humor und vor allem an dem hektischen Wesen äußerst schwierig war. Fuchs war mit zwei Kollegen in der Höhle verschwunden, was Hans Hiebler so kommentierte: „Der Fuchs ist in seinem Bau verschwunden.“ Und von allen Umstehenden, auch von Horst Schneider, wurde dieser Kommentar mit brüllendem Gelächter aufgenommen. Auch Viktoria Untermaier musste lachen, drehte sich dabei aber zur Seite, denn es war ihr peinlich, da** sie über einen Kollegen lachen musste. Nach wenigen Minuten war Fuchs wieder im Freien, worauf abermals großes Gelächter ausbrach. Seine beiden Kollegen brachten den Sarg nach draußen, was schwierig und kräftezehrend war. Hier im Tageslicht betrachtet konnte man sehen, da** dieser Sarg absolut stümperhaft war. „Um Gottes Willen, wie sieht denn der Sarg aus? Hat den jemand zuhause in Heimarbeit geklöppelt? Das sind ja nur zusammengenagelte Bretter,“ nicht nur Hans Hiebler war geschockt, auch die Umstehenden konnten jetzt diesen primitiven Sarg genauer betrachten, in dem dunklen Loch sah er gar nicht mal so schlecht aus, aber das war der Hammer. „Aufmachen.“ Die Anweisung der Kollegin Untermaier war kurz und bündig. Hiebler und Leo machten sich umgehend an die Arbeit, entfernten die Schrauben und schoben den Deckel zur Seite, wobei sie ununterbrochen von Friedrich Fuchs aus nächster Nähe beobachtet wurden, der kein Detail übersehen wollte und immer wieder Anweisungen gab, was aber niemanden interessierte. Eigentlich wäre das Öffnen seine Arbeit gewesen, darauf machte er Frau Untermaier immer wieder aufmerksam. Aber durch das Warten hier draußen fror sie erbärmlich und dieser Fuchs war ein penibler Mann, das Öffnen hätte wahrscheinlich ewig gedauert – daher entschied sie, das Hiebler und Schwartz diese Aufgabe übernehmen sollten. Was interessierte sie jetzt, ob das die Arbeit der Spurensicherung war, wenn Fuchs sich übergangen fühlte, sollte er sich eben beschweren, darüber würde sie sich dann später kümmern, in einem warmen, trockenen Raum mit einem heißen Kaffee. Der Deckel war nun vollständig entfernt worden und gab tatsächlich eine Leiche frei, und zwar die eines ca. 70-jährigen Mannes in einem schäbigen, dunklen Anzug, dem ein Rosenkranz in die Hände gelegt wurde. Er lag auf einer hellen Decke, unter dem Kopf war ein Daunenkissen, das schon bessere Tage gesehen hatte, denn es war fleckig und speckig. Allen war sofort klar, da** hier jemand die Beerdigungskosten sparen wollte und daher den Mann auf kostengünstigste Weise entsorgt hatte. „Keiner fa**t etwas an,“ rief Friedrich Fuchs, worauf nun Viktoria Untermauer ausrastete, denn sie hatte genug von dem Typen, der sich hier künstlich aufspielte und eine Unruhe reinbrachte, die sie überhaupt nicht leiden konnte. „Halten Sie jetzt mal die Klappe Fuchs, ich leite hier die Ermittlungen und mir ist durchaus klar, was ich anfa**en darf, und was nicht. Ich sehe mir die Leiche in Ruhe an und wenn Sie mit Ihrer Arbeit dran sind, werde ich Sie rechtzeitig informieren – haben wir uns verstanden?“ Die Polizisten betrachteten den Sarg und die Leiche genau, wobei sie selbstverständlich peinlichst darauf achteten, nicht das Geringste, zumindest nicht ohne Handschuhe, anzufa**en. „Der ist noch ziemlich gut erhalten,“ sagte Leo, „man kann das Gesicht sehr gut erkennen. Es dürfte nicht schwer sein, herauszufinden, um wen es sich handelt.“ „Das denke ich auch. Fuchs, die Leiche und der Sarg gehört Ihnen, vergessen Sie die Taschen des Anzuges nicht. Den Bericht möchte ich natürlich so schnell wie möglich auf meinem Tisch.“ Friedrich Fuchs war hocherfreut, endlich loslegen zu können, denn er liebte seinen Job über alles, vor allem nahm er sich selbst noch wichtiger und gab lautstark Anweisungen – mit ihm zu Arbeiten war bestimmt kein Vergnügen. Sie gingen zurück zu den anderen Waldarbeitern, die nun befragt werden mussten. „Wer hat den Toten gefunden?“ „Das war der Weber Anton,“ antwortete Horst Schneider und zeigte auf einen jungen Mann, der verstört in der Runde stand und die Hand hob, nachdem er seinen Namen hörte. „Sie haben den Sarg gefunden?“ „Jawohl. Ich musste mal austreten und bin ein paar Meter in den Wald rein. Hier ist es ziemlich dunkel und nachdem ich fertig war und die Hose hochzog, habe ich im Augenwinkel ein Flackern gesehen. Natürlich wollte ich der Sache auf den Grund gehen und ging in die Richtung, immer weiter. Zuerst dachte ich ja, das sind die Augen eines Tieres, aber das konnte nicht sein, denn das Licht kommt von der Seite dort. Also hob ich die Äste auf die Seite und hab die Höhle entdeckt. Der Horst hat mich gerufen, denn wir wollten eigentlich weitermachen. Ich habe ihn gebeten, mir zu helfen, dann ist er zu mir gelaufen, er hat die Äste gehalten und ich bin in die Höhle rein, dort habe ich den Sarg gefunden.“ Leo konnte den Ausführungen von diesem Weber Anton nicht ganz folgen, von dem er ursprünglich annahm, das das der komplette Nachname war, bis er von seinem neuen Kollegen Hiebler dahingehend informiert wurde, da** es hier üblich war, zuerst den Nachnamen und dann den Vornamen zu nennen. Hans Hiebler musste ihm das eine oder andere übersetzen und erklären, denn dieser Typ sprach einen solchen Dialekt, wie er ihn noch nie gehört hatte, und dabei nuschelte er auch noch und verschluckte einige Silben – für Leo als Schwabe nun wirklich sehr schwer zu verstehen. Sie unterhielten sich mit den anderen Waldarbeitern, wobei herauskam, da** solche Höhlen für den Kastler Wald und die direkte Umgebung durchaus nicht ungewöhnlich waren, sondern dieses Gebiet durchlöchert war wie ein Schweizer Käse. Hiebler hatte von dem Toten mit seinem Handy ein Foto gemacht und zeigte dies reihum – niemand kannte den Mann. „Das ist keiner aus Kastl, den würden wir kennen. Aber fragen Sie vorsichtshalber beim Pfarrer, im Rathaus und im hiesigen Wirtshaus bei der Bedienung Helga, die kennen eigentlich jeden Bürger von Kastl. Aber ich bin mir sicher, da** das keiner von uns ist.“ Horst Schneider war in Gegenwart der Kollegen um einiges redseliger, vor allem wollte er nun endlich die Polizei vom Hals haben, denn sie hatten noch jede Menge Arbeit vor sich, durch diese Aktion hier hatten sie bereits einen halben Tag verloren.