spoken: Also gut, meine Rolle ist heute leider nicht sehr groß! Dreieinhalb Minuten bin ich auf der Bühne, spiele einen Haushofmeister, Ende 18. Jahrhundert. Ah, Kostüm ist da, Hose gebügelt,alles in Ordnung! Also, ich gehe auf die Bühne, klopfe mit meinem Haushofmeisterstab dreimal auf den Fußboden und dann sage ich: "Meine Damen und Herren, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten! Sechs Kutschen sind vorgefahren, ein wunderschöner Park liegt vor Ihnen und das Wetter spielt mit. Sie fahren zuerst auf den Glocknitzer Kogel, achthundert Meter hoch, gute zwei Stunden Fahrt mit herrlichen Aussichten. Dort wird Ihnen ein erstkla**iges Mittagsessen serviert, dann geht die Fahrt weiter zum Blümers Wirtshaus mit Kaffee und Kuchen und dann wieder zurück! Steigen Sie ein, Meine Damen und Herren, steigen Sie ein!" Dann spielt das Orchester zwei Takte und ich singe: Ja, die Bergluft geht ins Blut, tralala Und das Essen schmeckt uns gut, tralala Und der Wein tut seine Wirkung Denn das ist ja seine Pflicht! Und dann singt der ganze Chor: Und die Sonne bräunt die Haut, tralala – Da muß ich nicht mehr mitsingen. Der Chor geht singend ab, ich gehe mit. Zurück, bleibt das Liebespaar und meine Rolle ist zu Ende. Dann darf ich wieder in der Gard'robe sitzen und bis zum Schluss der Vorstellung warten damit ich mich mit den Andern verbeugen kann. Mein Gott, wie lange ist es her das ich im gleichen Stück den Liebhaber gespielt habe! – Ta**ilo heißt er! In ganz Deutschland hab' ich als Ta**ilo gastiert! Meine Partnerin hieß Roswitha – da war der Krieg erst ein paar Monate vorbei. Alle haben gesagt: "Deutschland hat den Krieg verlor'n!" – aber das war ja gar nicht wahr: Hitler war weg, die Gestapo war weg, man konnte sagen was man wollte, man war frei – also hat Deutschland den Krieg gewonnen! Ja, man hatte nichts, aber was man nicht hatte wurde solidarisch geteilt! Alles was bisher illegal war, war plötzlich legal und vor allem: ich war jung, jung, jung! Ich hatte einen strahlenden Tenor und ich liebte dieses illegale Leben!