Rainer Maria Rilke - Weißt du von jenen Heiligen lyrics

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Rainer Maria Rilke - Weißt du von jenen Heiligen lyrics

Weißt du von jenen Heiligen, mein Herr? Sie fühlten auch verschlossne Klosterstuben zu nahe an Gelächter und Geplärr, so da** sie tief sich in die Erde gruben. Ein jeder atmete mit seinem Licht die kleine Luft in seiner Grube aus, vergaß sein Alter und sein Angesicht und lebte wie ein fensterloses Haus und starb nichtmehr, als wär er lange tot. Sie lasen selten; alles war verdorrt, als wäre Frost in jedes Buch gekrochen, und wie die Kutte hing von ihren Knochen, so hing der Sinn herab von jedem Wort. Sie redeten einander nichtmehr an, wenn sie sich fühlten in den schwarzen Gängen, sie ließen ihre langen Haare hängen, und keiner wusste, ob sein Nachbarmann nicht stehend starb. In einem runden Raum, wo Silberlampen sich von Balsam nährten, versammelten sich manchmal die Gefährten vor goldnen Türen wie vor goldnen Gärten und schauten voller Misstraun in den Traum und rauschten leise mit den langen Bärten. Ihr Leben war wie tausend Jahre groß, seit es sich nichtmehr schied in Nacht und Helle; sie waren, wie gewälzt von einer Welle, zurückgekehrt in ihrer Mutter Schoß. Sie saßen rundgekrümmt wie Embryos mit großen Köpfen und mit kleinen Händen und aßen nicht, als ob sie Nahrung fänden aus jener Erde, die sie schwarz umschloss. Jetzt zeigt man sie den tausend Pilgern, die aus Stadt und Steppe zu dem Kloster wallen. Seit dreimal hundert Jahren liegen sie, und ihre Leiber können nicht zerfallen. Das Dunkel häuft sich wie ein Licht das rußt auf ihren langen lagernden Gestalten, die unter Tüchern heimlich sich erhalten, - und ihrer Hände ungelöstes Falten liegt ihnen wie Gebirge auf der Brust. Du großer alter Herzog des Erhabnen: hast du vergessen, diesen Eingegrabnen den Tod zu schicken, der sie ganz verbraucht, weil sie sich tief in Erde eingetaucht? Sind die, die sich Verstorbenen vergleichen, am ähnlichsten der Unvergänglichkeit? Ist das das große Leben deiner Leichen, das überdauern soll den Tod der Zeit? Sind sie dir noch zu deinen Plänen gut? Erhältst du unvergängliche Gefäße, die du, der allen Maßen Ungemäße, einmal erfüllen willst mit deinem Blut?