Irene Dorfner - Todesursache: Mord: Der 5. Fall für Leo Schwartz - Ein Oberbayern-Krimi lyrics

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Irene Dorfner - Todesursache: Mord: Der 5. Fall für Leo Schwartz - Ein Oberbayern-Krimi lyrics

1. Leo Schwartz machte sich so langsam Sorgen um seinen Kollegen Hans Hiebler. Der 52-jährige, 1,80 m große und sportliche Mann, der normalerweise keine Gelegenheit ausließ, mit Frauen zu flirten, war seit gestern wortkarg und in sich gekehrt. Selbst vorhin in der Kantine, als Leo ihn auf eine neue Kollegin aufmerksam machte, zeigte der keinerlei Interesse, aß schweigend und ging dann eine Runde spazieren – Hans und Spaziergänge? Leo war nun seit 3 Monaten in Mühldorf a. Inn, für seine schwäbischen Ursprünge befand er sich im tiefsten Bayern, wohin er von Ulm strafversetzt wurde (im Amtsdeutsch hieß das natürlich anders, kam aber aufs Gleiche raus). Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte er sich einigermaßen gut eingelebt und sich in dieser Zeit auch mit Hans Hiebler ziemlich gut angefreundet. Leo gefiel es überhaupt nicht, wie Hans sich verhielt, er war sich sicher, da** ihn etwas schwer belastet – er hatte genug und wollte der Sache nun endlich auf den Grund gehen und pa**te Hans deshalb auf dem Parkplatz vor dem Polizeigebäude ab. „Was ist los? Und erzähl mir jetzt keinen Blödsinn, denn da** dich etwas beschäftigt, das sieht ein Blinder. Also, raus mit der Sprache.“ „Gut, wie du willst, aber du wirst mich für verrückt oder sogar paranoid halten.“ „Erzähl jetzt endlich und schwafle nicht lange rum, was ist los?“ „Ich habe eine tolle Frau kennengelernt, mit der ich mich die letzten Wochen getroffen habe. Sehr schüchtern und zurückhaltend, aber wenn man sie aus der Reserve lockte, durchaus witzig und amüsant; und dazu unglaublich hübsch, ohne da** sie es selbst wusste. Diesmal war es wirklich etwas anderes, ich habe mich richtig verliebt. Gestern hat man sie auf ihrem Hof bei Kastl tot aufgefunden.“ Leo musste schwer schlucken, damit hatte er nun so absolut nicht gerechnet, vor allem der Gemütszustand von Hans und wie er von dieser Frau sprach, setzten ihm ganz schön zu. „Das tut mir echt leid,“ etwas Besseres fiel ihm dazu momentan nicht ein. „Natürlich bin ich überaus traurig über ihren Tod und weiß noch nicht, wie ich das verarbeiten soll. Es tut so weh, da** es mich beinahe zerreißt, ich weiß nicht, wohin mit meinem Schmerz. Aber das ist es nicht allein, was mich belastet.“ Hans musste schwer schlucken und Leo ließ ihm die Zeit, drängte ihn nicht. „Die Altöttinger Kollegen, die den Fall bearbeiten, haben in Doris‘ Handy meine Nummer gefunden – den ermittelnden Beamten kenne ich schon sehr lange und er hat mich über ihren Tod informiert. Die Todesursache war dem Arzt zufolge Herzversagen – und das ist es, was mich nicht zur Ruhe kommen lässt, denn Doris war meiner Meinung nach vollkommen gesund. Sie hat mir gegenüber niemals eine Erkrankung erwähnt, obwohl wir uns stundenlang unterhalten haben und ich sie weiß Gott in- und wendig kenne. Ich bin auf ihrem Hof ein- und ausgegangen und habe dort sehr viel Zeit verbracht – niemals habe ich mitbekommen, da** Doris Medikamente eingenommen hat oder irgendwo welche herumgelegen wären. Ihr ist es auch niemals schlecht gegangen, für mich war sie ein Mädel vom Land, durch und durch kerngesund, ein richtiges Naturkind. Sie konnte zupacken, war bei schweren Arbeiten absolut nicht zimperlich – keine dieser Zicken, die sich für alles zu schade sind und sich dumm stellen. Sie war doch gerade mal 40 Jahre alt. Halt mich für verrückt, aber ich glaube nicht an diese Todesursache, ich bin davon überzeugt, da** sie ermordet wurde.“ Hans sah ihn mit einem solch verzweifelten und flehenden Blick an – er tat ihm unendlich leid und glaubte ihm seltsamerweise sofort. „Hast du einen konkreten Verdacht? Eine Vermutung über ein mögliches Motiv?“ „Nein, habe ich nicht, obwohl ich seitdem an nichts anderes mehr denken kann und mir den Kopf zermartere. Natürlich habe ich dem Altöttinger Kollegen sofort gesagt, da** ich nicht an eine natürliche Todesursache glaube, aber das hat ihn überhaupt nicht interessiert. Es gibt keine Recherchen in diesem Fall, das ganze ist bereits abgehakt. Mir sind die Hände gebunden, ich kann nichts tun.“ „Was ist mit Viktoria? Hast du mit ihr schon gesprochen?“ Leo konnte sich die Antwort bereits denken, denn seine Vorgesetzte Viktoria Untermaier war eine 47-jährige, 1,65 m große, etwas mollige und durchaus attraktive Person, die sich streng an die Vorschriften hielt – vor allem nach dem Fall auf dem Sinder-Hof bei Tüßling, bei dem sie ihrem Exmann die Nase brach und gerade noch so mit einem blauen Auge davonkam, weil die Angelegenheit auf bayrische Art gelöst wurde – man hatte sich anderweitig geeinigt und die Sache unter den Tisch fallen la**en. „Wo denkst du hin? Vicki hält mich doch bestimmt für total bescheuert und darüber hinaus für absolut befangen, die Unterhaltung mit ihr kann ich mir lebhaft vorstellen. Du weißt doch selbst ganz genau, da** sie seit dem Vorfall auf dem Sinder-Hof nur noch exakt nach Vorschrift handelt und nicht die kleinste Kleinigkeit durchgehen lässt. Der Amtsarzt, der nach dem Auffinden der Leiche von den Altöttinger Kollegen hinzugezogen wurde, hat eindeutig Herzversagen diagnostiziert, sie wurde daher auch nicht obduziert und der Fall wurde zu den Akten gelegt – es gibt also keinen Fall, der in unseren Zuständigkeitsbereich fällt. Glaubst du wirklich, Vicki legt sich mit den Altöttinger Kollegen ohne hinreichende Verdachtsmomente an? In 3 Tagen ist die Beerdigung, was soll ich denn machen?“ Hans Hiebler brach nun völlig in sich zusammen, hielt sich die Hände vors Gesicht, drehte sich zur Seite und weinte. Leo war der Meinung, da** umgehend gehandelt werden musste und entschied, Hans zu helfen. „Wenn du Zweifel an der Todesursache hast und davon überzeugt bist, da** deine Doris getötet wurde, dann jammer hier nicht rum, sondern geh der Sache auf den Grund, du bist schließlich Polizist. Und selbstverständlich helfe ich dir.“ „Wirklich? Du glaubst mir und willst mir helfen?“ Hans Hiebler war gerührt und erleichtert, denn er hatte bereits schon darüber nachgedacht, zu recherchieren und der Sache nachzugehen, aber alleine würde er das niemals schaffen – vor allem zweifelte ab und an schon selbst an seinem eigenen Geisteszustand, malte sich die schrecklichsten Szenen und Möglichkeiten aus - was er aber Leo gegenüber verschwieg, denn er konnte nicht mehr schlafen und an nichts anderes mehr denken, er drehte beinahe durch. Seine Doris wurde getötet und davon war er überzeugt. Er konnte sich nun Leo gegenüber endlich alles von der Seele reden, denn die Gedanken fraßen ihn beinahe von innen auf – und jetzt hatte er sogar Unterstützung an seiner Seite; er fühlte sich erleichtert und konnte wieder besser atmen, denn seit der Todes-Nachricht fühlte er sich, als würde ein schwerer Steinbrocken auf seine Brust drücken und er drohte, daran zu ersticken. Anfangs mochte er diesen Leo Schwartz eigentlich nicht besonders – er war strafversetzt worden, den Grund kannte er immer noch nicht. Leo kam aus Ulm, wo er scheinbar eine ziemlich große Nummer war. Er ging ihm mit seinem schwäbischen Akzent auf die Nerven, inzwischen fand er ihn lustig und mochte ihn. Beruflich hatte er sich sehr gut ins Team eingegliedert, war überhaupt nicht überheblich und hatte sich als sehr guter Polizist, Kollege und Freund entpuppt. Anfangs hatte er sich neben dem Dialekt fast für dessen Aussehen etwas geschämt, den Leo trug immer Jeans, eine alte braune Lederjacke, immer das gleiche Paar braune Lederstiefel, dazu entweder ein einfarbiges Hemd oder ein T-Shirt mit dem Aufdruck einer Rockband, von denen er bislang nicht eine einzige kannte. Bei den Kollegen war ein regelrechter Wettbewerb entbrannt: wer die nächste Rockband erkannte, hatte gewonnen. Zu diesem ganzen Outfit war er auch noch ziemlich groß, nämlich 1,90 m, und dazu noch sehr dünn – und über allem thronten die rappelkurzen, grauen Haare. Anfangs hatten sich auch die Kollegen nicht nur über das Outfit, sondern vor allem über diesen fürchterlichen schwäbischen Dialekt lustig gemacht, aber inzwischen mochten ihn alle und hatten sich auch daran gewöhnt. Einige schwäbischen Ausdrücke und Bezeichnungen hatten sich sogar bereits in den täglichen Sprachgebrauch eingeschlichen und schienen bereits beinahe normal. Zwischenzeitlich hatte sich Hans Hiebler an das Aussehen und Auftreten von Leo Schwartz aber gewöhnt, der sich selbst offenbar ziemlich cool und jugendlich fand, denn er ließ keine Gelegenheit aus, sich in jedem Spiegel kurz zu betrachten – Hans mochte ihn und verbrachte auch einen Teil seiner Freizeit mit ihm. Vor allem war er sehr glücklich über die Tatsache, da** Leo auf den Hof seiner Tante Gerda bei Altötting eingezogen ist und ein Auge auf sie hatte. Nach der Aussage nun von Leo war er beinahe gerührt. „Du willst mir wirklich helfen? Dir ist schon bewusst, da** das illegal ist und wir uns auf sehr dünnem Eis bewegen? Wenn das rauskommt, dann ist nicht nur Vicki stinksauer, sondern auch unser Chef Herr Krohmer. Dann werden sie uns nicht unterstützen, denn wenn man etwas hinter ihrem Rücken macht, können das beide überhaupt nicht leiden. Außerdem hast du schon einen Makel in deiner Laufbahn, umsonst wurdest du nicht hierher strafversetzt und herabgestuft.“ „Das ist mir schon klar. Aber du bist nicht nur mein Freund, sondern auch ein sehr fähiger Polizist. Wenn du wirklich der Meinung bist, da** da etwas nicht stimmt, dann glaube ich dir – und einen Mord unaufgeklärt unter den Teppich zu kehren ist so gar nicht mein Fall, das würde mir überhaupt nicht gefallen. – Pa** auf Hans, sieh dich nicht um, denn Frau Gutbrod beobachtet uns schon geraume Zeit, sie steht oben am Fenster. Außerdem ist die Mittagspause vorbei. Komm heute nach Dienstschluss zu mir, dort können wir reden. Und bei der Gelegenheit kannst du Tante Gerda mal wieder besuchen, sie hat dich sowieso schon vermisst.“ „Alles klar, dann bis heute Abend, und zu keinem ein Wort.“ „Natürlich nicht.“ Mit Argusaugen wurden die beiden von Hilde Gutbrod beobachtet, die keine Gelegenheit ausließ, um sie hinzuhängen, egal wie. Denn nicht nur Leo, sondern auch Hans hatten beide ihre Nichte Karin verschmäht, für die sie dringend einen Mann suchte. Keine ihrer Einladungen wurden von den beiden angenommen und Frau Gutbrod war zwischenzeitlich davon überzeugt, da** sie im letzten Moment immer eine Ausrede parat hatten, um der Einladung nicht nachzukommen. Sie sah auf ihre Uhr – gerade mal 8 Minuten über der Zeit, das war zu wenig, um sie beim Chef anzuschwärzen, aber sie würde die beiden im Auge behalten. Die 60 Jahre alte, sehr schlanke, zu modern gekleidete Frau mit der viel zu jugendlichen Kurzhaar-Frisur, in der sie seit neuestem lilafarbene Strähnen hatte, ging wieder zu ihrem Schreibtisch im Vorzimmer von Rudolf Krohmer, dem Chef der Polizeiinspektion Mühldorf. Sie hatte Schwartz und Hiebler beobachtet und war sich sicher, da** die beiden etwas im Schilde führten, denn die ganze Körpersprache und die Art, wie sie miteinander sprachen, war überdeutlich – sie musste unbedingt herausbekommen, was hier los war. Der Nachmittag schien endlos lange für Hans Hiebler, der es kaum erwarten konnte, ausführlich mit jemandem über seine Doris zu sprechen. Aber noch mehr brannte er darauf, mit Leo einen Plan zu entwickeln und endlich damit anzufangen, herauszubekommen, was hinter dem Tod seiner Freundin wirklich steckte, denn da** es Mord war, war für ihn völlig klar. Tante Gerda kam freudestrahlend auf ihn zugelaufen, als er gegen 19.00 Uhr in den Hof fuhr. Innig umarmte und herzte sie ihn und das tat Hans unendlich gut. Sie machte ihm keinerlei Vorwürfe, warum er sich so lange nicht hatte blicken la**en, obwohl Hans erst vor 2 Wochen hier war – für seine Tante viel zu lange. „Du siehst nicht sehr gut aus, mein Junge, bedrückt dich etwas?“ Sie sah ihm in die Augen und wusste sofort Bescheid, denn ihr konnte man nichts vormachen, in Herzensangelegenheiten kannte sie sich aus. „Alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen.“ Hans streichelte den Hund Felix, der ihn fortwährend ansprang und endlich auch beachtet werden wollte. Felix war der neue Begleiter von Tante Gerda, einen Hund, den Leo in erbärmlichen Zustand bei einem der letzten Fälle befreit hatte und seither hier ein wunderschönes Leben hatte, da er nicht nur viel zu sehr von Tante Gerda verwöhnt wurde, sondern auch völlige Narrenfreiheit hatte und tun und la**en konnte, was er wollte – inzwischen schlief er sogar bei ihr im Bett und lag auf der teuren, neuen Couch, die sich Tante Gerda kürzlich geleistet hatte. „Ich bin mit Leo verabredet,“ sagte er knapp und Tante Gerda verstand sofort, da** die beiden allein sein wollten und etwas zu besprechen hatten. Sie kannte nicht nur ihren Neffen Hans in- und auswendig, sondern hatte in den letzten Monaten auch ihren Mieter Leo sehr gut kennengelernt, den sie ebenfalls sehr mochte – man brauchte ihr nichts sagen, alleine von der Mimik, dem Auftreten, der Körperhaltung und der Gestik konnte sie ihre Schlüsse ziehen und war sich sicher: die beiden heckten etwas aus, und zwar betraf es Hans persönlich und Leo wollte ihm dabei helfen. Tante Gerda war eine sehr weise Frau, die jede Menge Erfahrungen gesammelt hatte, denn hinter ihr lag ein sehr bewegtes und intensives Leben, von dem kaum jemand etwas wusste, nicht einmal Hans und dessen Familie – und dabei sollte es auch bleiben. Sie war weit gereist und hatte viel erlebt, aber jetzt, im hohen Alter, hatte sie sich vor fünf Jahren diesen kleinen Hof gekauft und sich zur Ruhe gesetzt. „Setz dich Hans und erzähl nochmals ausführlich und in Ruhe von deiner Doris, und zwar alles, was dir einfällt. Ich werde dir zuhören und erst am Schluss Fragen stellen.“ Leo hatte eine Flasche Wein geöffnet und lehnte sich mit seinem Glas in den bequemen Sessel zurück. Überhaupt war die kleine Wohnung im ersten Stock, die über eine Außentreppe zu erreichen war, sehr geschmackvoll und gemütlich eingerichtet, Leo hatte sich alle Mühe gegeben, denn er fühlte sich hier wirklich absolut wohl – vor allem die Umgebung erinnerte ihn an seine geliebte Schwäbische Alb, die er unzählige Male mit dem Rucksack durchlaufen hatte und die er neben seinen Ulmer Freunden und Kollegen sehr vermisste. Erst vor 2 Wochen war er in Ulm gewesen und hatte ein Wochenende dort verbracht – dabei hatte er festgestellt, da** er sich schon ziemlich gut abgenabelt hatte, was er aber niemals zugeben würde. Hans war nervös und wusste zunächst nicht, wo er anfangen sollte. Leo drängte nicht, sondern wartete geduldig. „Ich habe Doris vor knapp 4 Wochen in einem Supermarkt in Mühldorf kennengelernt. Sie war zu klein, um an den Kaffee oben im Regal zu gelangen und ich habe ihr meine Hilfe angeboten. Später an der Ka**e haben wir uns wiedergesehen - du kennst mich, das war natürlich kein Zufall. Ich habe sie auf eine Ta**e Kaffee eingeladen, was sie zunächst abgelehnt hatte, offensichtlich hatte sie Angst vor mir – deshalb habe ich draußen vor dem Supermarkt Kaffee in Pappbechern gekauft und wir haben bei den Einkaufswägen den Kaffee getrunken und uns blendend unterhalten. Daraufhin haben wir uns zum Abendessen verabredet – was soll ich dir erzählen, du weißt doch selbst, wie so was läuft. Doris war wirklich etwas ganz Besonderes: intelligent, witzig, ein bisschen melancholisch und schüchtern, aber sehr zuverlässig und einfach überaus warmherzig. Keine von den oberflächlichen Tussen, die sich nur für ban*le Dinge interessieren. Wenn sie lachte, dann hatte sie so kleine Grübchen in den Wangen und kiekste ein wenig, ihr war das peinlich, ich fand das umwerfend. Überhaupt war sie wunderschön, nichts war gekünstelt, alles an ihr war einfach echt. Ich war mir bei ihr sicher, da** sie mich niemals anlügen oder mir etwas vormachen würde. Man konnte mit ihr über alles Mögliche sprechen, sie war in vielen Bereichen intelligenter und belesener als ich, konnte überhaupt nicht kochen und war etwas chaotisch – was soll ich noch sagen, außer, da** ich sie sehr gemocht habe.“ Hans hielt kurz inne und musste tief durchatmen, denn vor Leo wollte er unter keinen Umständen erneut losheulen – das heute auf dem Parkplatz der Polizei war ihm seitdem überaus peinlich. Aber die Bilder in seinem Kopf wurden durch seine Beschreibungen so lebendig, als würde Doris direkt vor ihm stehen und ihn anlächeln – es tat so weh, da** sie nicht mehr da war, nicht mehr mit ihm lachte und er sie nicht mehr anfa**en konnte. „Was war Doris von Beruf? Was weißt du über die Familienverhältnisse?“ Leo riss ihn jäh aus seinen Gedanken. „Von Beruf war sie Krankenschwester im Krankenhaus Altötting. Sie war nie verheiratet und hatte auch keine Kinder, obwohl sie sich die immer gewünscht hatte. Ich weiß, da** sie einen Bruder hat, den erwähnte sie einmal beiläufig, aber sie hatten seit Jahren keinen Kontakt mehr – warum, das kann ich dir nicht sagen. Mehr weiß ich über die Familienverhältnisse nicht, aber Genaueres erfahren wir vielleicht hier aus den Unterlagen.“ Hans zog aus seiner Jackentasche einen Bündel Papiere. „Woher hast du die?“ Leo war sofort hellhörig, denn so ohne Weiteres konnte Hans nicht an die Unterlagen rankommen, denn die Altöttinger Kollegen hatten den Fall bearbeitet und gaben erfahrungsgemäß nur ungern Unterlagen raus – genauso wie Leo und Hans eben auch. „Sag mir jetzt bitte nicht, da** du die Unterlagen geklaut hast?“ „Wie es der Zufall will, musste ich heute zu den Altöttinger Kollegen. Ich wusste ja, wer den Fall bearbeitet hatte und bei einer günstigen Gelegenheit konnte ich die Unterlagen, na sagen wir mal, kurz ausleihen. Aber keine Angst, das sind nur Kopien, die Originale sind wieder an ihrem Platz, bis auf die Fotos, die habe ich mitgehen la**en, denn wenn ich die kopiert hätte, würden wir darauf wenig erkennen können. Keine Sorge, mich hat ganz bestimmt niemand gesehen. Ich habe die Unterlagen selbst noch nicht gelesen, ich bin von der Altöttinger Polizei direkt hierhergefahren.“ „Du weißt schon, da** du total bescheuert bist? Wenn die dich erwischt hätten, das möchte ich mir überhaupt nicht vorstellen.“ Leo war entsetzt, welche Risiken Hans auf sich nahm. Schon alleine die Tatsache, die Unterlagen zu entwenden und dann auch noch Kopien davon anzufertigen – der blanke Wahnsinn. Was ihm aber auch nochmal bestätigte, wie sehr Hans davon überzeugt war, da** seine Doris umgebracht wurde. Beide lasen den Inhalt der Unterlagen, die sehr nichtssagend waren. Die wenigen Fotos, die von der Toten gemacht wurden, versetzten Hans einen Stich im Herzen, aber Leo halfen sie sehr, um sich ein Bild von der Toten und von dem Tatort zu machen: Doris Stöger lag auf dem Küchenboden. Sie trug einen Bademantel und ein Nachthemd, offensichtlich war sie gerade aufgestanden, denn aus dem Bericht des Arztes Dr. Brunnmeister, der seine Praxis in Burgkirchen hatte, war zu lesen, da** der Tod gegen 7.00 Uhr früh eingetreten war. „Wurde denn nicht überprüft, ob bei Doris eine Herzerkrankung vorlag? Und was weißt du über diesen Dr. Brunnmeister?“ „Eine eventuelle Herzerkrankung wurde nicht überprüft, den Altöttinger Kollegen reichte die Erklärung des Amtsarztes auf dem Totenschein. Dieser Dr. Brunnmeister, der mir bis dato völlig unbekannt war, ist 65 Jahre alt, ein niedergela**ener Arzt aus Burgkirchen, der von den Kollegen zur Feststellung des Todes gerufen wurde, da er Bereitschaft hatte. Schau mich nicht so an, Leo, ich habe mich bereits über diesen Arzt erkundigt, aber noch nicht mit ihm gesprochen, keine Sorge - bei ihm sollten wir natürlich unbedingt nachhaken. Ich verstehe nicht, warum er auf ein Herzversagen kommt und die Leiche nicht in die Pathologie bringen ließ, denn eine solche Todesursache bei einer scheinbar gesunden 40-jährigen ist doch äußerst ungewöhnlich.“ Leo las mehrmals die Unterlagen und besah sich die Fotos wieder und wieder, während Hans ein Glas Rotwein nach dem anderen trank – Leo hatte schließlich eine Idee, zwar etwas absurd, aber durchaus im Bereich des Möglichen. „Wo befindet sich die Leiche?“ „Was weiß ich, wahrscheinlich beim Bestattungs-Unternehmen, nehme ich an. Was hast du vor?“ „Ich kenne jemanden, der uns eventuell helfen kann. Diese Person gilt es nun, zu überzeugen, drück mir die Daumen.“ Hans verstand kein Wort und beobachtete verwirrt, wie Leo sein Telefon in die Hand nahm und wählte. „Christine? Hier ist Leo, ich brauche deine Hilfe.“ Leo schilderte den Fall ausführlich, wobei sich Hans beinahe am Wein verschluckte, denn heute Mittag auf dem Parkplatz der Polizeiinspektion hatten sie vereinbart, kein Wort über die Angelegenheit zu verlieren. Warum erzählte er die ganze Geschichte, und wer war diese Christine? Leo bemerkte durchaus, was in Hans vorging, aber darum wollte er sich später kümmern, jetzt musste er Christine überzeugen, ihnen zu helfen. Sie brauchten dringend die Hilfe seiner Freundin Christine Künstle aus Ulm, mit der er nicht nur viele Jahre zusammengearbeitet hatte, sondern auch sehr gut befreundet war und immer noch ist. Christine ist Pathologin, 62 Jahre alt und versteht verdammt viel von ihrem Job, den sie mit Leib und Seele ausübt. Sie unterbrach Leo bei seinen Schilderungen nicht, denn sie schätzte ihn nicht nur als Mensch, sondern als hervorragenden Polizist und wenn ihm etwas komisch vorkam, dann musste etwas dahinterstecken. Sie hatte bislang kein Wort gesagt, obwohl sie nicht nur sehr wortgewandt, sondern auch durchaus direkt war und immer das sagte, was sie dachte, ohne Rücksicht auf Verluste – auch deshalb schätzte er sie sehr, denn bei ihr war er sich sicher, da** er sich auf sie verla**en konnte. „Was sagst du dazu Christine,“ endete Leo seine Schilderung. „Es ist gut, da** du mich angerufen hast, ich bin unterwegs.“ Sie hatte aufgelegt, denn für sie war alles besprochen. Sie rief ihren Vorgesetzten Michael Zeitler an, der dazu auch noch ihr Bruder war, was die Sache natürlich vereinfachte – sie erklärte sich nicht lange, sondern nahm einfach Urlaub, für wie lange, konnte sie noch nicht sagen, sie würde sich wieder melden. Danach packte sie alles, was sie brauchte, in ihren Kleinwagen und fuhr eine Stunde nach dem Telefongespräch mit Leo mit einem vollgeladenen Wagen los Richtung Altötting...