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1. „Einbruch bei Mode-Mollenkopf am Stadtplatz Mühldorf, los Männer.“ Die Ansage von Viktoria Untermaier klang nicht sehr begeistert, obwohl sie ihre Leute durchaus motivieren wollte und offensichtlich auch musste, denn sie blickte in ratlose Gesichter. „Einbruch? Warum sind wir da zuständig?“ „Weil uns Fuchs von der Spurensicherung angefordert hat, deshalb. Noch irgendwelche Fragen?“ Lustlos nahmen Leo Schwartz, Hans Hiebler und Werner Grössert ihre dicken Jacken vom Haken, denn niemand wollte bei dem Schneetreiben und der Eiseskälte freiwillig nach draußen. Schon seit Sylvester war es ungemütlich kalt, was zwar für Ende Januar durchaus normal war, aber trotzdem niemand mochte. Aber es half nichts. Missmutig und total durchgefroren erreichten sie nach wenigen Minuten den Tatort, den Friedrich Fuchs weiträumig abgesperrt hatte und sie sich den Weg durch die riesige Menschenmenge bahnen mussten. Immer wieder wunderten sich die Beamten, warum ein Tatort die Menschen magisch anzog, egal bei welchem Wetter und zu welcher Tageszeit. Es war jetzt 9.20 Uhr und als sich Viktoria umblickte, sah sie sogar einige Kinder in der Menschenmenge, die teilweise auf den Schultern der Erwachsenen saßen, um besser sehen zu können – völlig verrückt und für sie überhaupt nicht nachvollziehbar. Friedrich Fuchs kam aufgeregt auf sie zu, wobei er die Aufmerksamkeit der Gaffer sichtlich zu genießen schien, denn er stolzierte wie ein Pfau direkt an den Zuschauern vorbei. „Ja endlich, wo bleiben Sie denn so lange? Bitte folgen!“ Eigentlich wollten sie sich erst einmal bei ihm erkundigen, um was es hier genau ging, aber Fuchs hatte bereits sein Ziel anvisiert und stürmte darauf zu. Sie folgten dem 42-jährigen, kleinen, hageren Mann in die Geschäftsräume von Mode-Mollenkopf, pa**ierten Regale und Kleiderständer, bis er abrupt stehen blieb und auf eine Stelle am Boden zeigte. Sie sahen sich ratlos an, denn sie konnten absolut nichts entdecken. „Wollen Sie uns verarschen? Was soll hier sein? Wenn ich mich hier umsehe, was Sie hier für einen Zirkus veranstalten, dann Gnade Ihnen Gott, wenn Sie nicht sofort eine plausible Erklärung parat haben.“ Viktoria Untermaier war sehr ungehalten, denn sie konnte diesen Fuchs partout nicht ausstehen, er brachte sie regelmäßig auf die Palme. Die 47-jährige, 1,65 m große Frau stand mit hochrotem Gesicht vor Fuchs, sie hatte die Arme in die Hüften gestemmt, wodurch ihre leicht füllige und überaus weibliche Figur deutlich durch den Mantel erkennbar war. Sie war durchaus attraktiv, wusste es aber nicht, was sie für die Männerwelt noch begehrenswerter machte. Sie war seit 4 Jahren geschieden, sehr intelligent, nahm kein Blatt vor den Mund und konnte überaus temperamentvoll sein. „Reden Sie endlich Fuchs, was soll diese Scharade? Meine Informationen sind dahingehend, da** es sich hier um einen Einbruch handelt. Also los, was veranstalten Sie hier eigentlich?“ „Sehen Sie selbst,“ sagte Fuchs ungerührt. „Licht aus!“ rief er einem Mitarbeiter zu, wodurch sie nun allesamt im Dunkeln standen – jetzt konnten es die Beamten sehen: schmierige blaue Flecken auf dem Boden. „Licht an!“ rief Fuchs, der nun triumphierend in die erstaunten Gesichter der Kollegen der Kriminalpolizei blickte. „Blut?“ Die Frage war eigentlich überflüssig. „Selbstverständlich, und zwar jede Menge davon. Es wurde versucht, die Spuren wegzuwischen, was aber nie zu 100 % funktioniert. Bei diesem Boden hier handelt es sich um Industrielaminat, wo vor allem zwischen den Fugen immer noch jede Menge Blutspuren auch nach gründlicher Reinigung gut nachweisbar sind. Mit Hilfe von Luminol ist das ein Kinderspiel. In unserem vorliegenden Fall wurde das Blut nur notdürftig aufgewischt, da hatte es jemand sehr eilig. Die Spur führt vom Tresor weg nach dort hinten, und dann hier her, wo sich der größte Teil befindet, zumindest ist das vorab meine Theorie. Dann kann man die Spur nach hinten zur Hintertür verfolgen, aber da sind wir noch nicht ganz fertig. Ich dachte, es ist besser, wenn ich Sie rufe. Vor allem, nachdem uns der Besitzer Herr Mollenkopf dahingehend informiert hat, was aus dem Safe gestohlen wurde.“ Viktoria blickte ihn fragend an. „Das ist nun wirklich nicht meine Arbeit, Sie sehen ja selbst, was wir hier alles noch zu tun haben. Ich darf Sie also bitten, sich an die Arbeit zu machen. Meinen Bericht bekommen Sie so schnell wie möglich,“ verwies er die Kripo-Beamten mit einer Handbewegung an eine Gruppe von 5 Personen, die nur wenige Meter entfernt zusammenstanden und sie beobachteten. „Viktoria Untermaier, Kriminalpolizei, das sind die Kollegen Schwartz, Hiebler und Grössert. Sie sind der Inhaber?“ „Richtig, Herbert Mollenkopf mein Name. Ich habe heute Morgen sofort bemerkt, da** etwas nicht stimmt, denn die Hintertür war nur angelehnt. Dann bin ich hier hinein und habe den aufgebrochenen Safe entdeckt. Natürlich habe ich sofort die Polizei gerufen.“ Der 60-jährige, untersetzte und sehr gepflegte Mann schwitzte stark und wischte sich fortwährend den Schweiß mit einem Stofftaschentusch in dem gleichen Muster wie das seines Hemdes von der Stirn. Er hatte etwas arrogantes, fast unsympathisches an sich. „Was wurde gestohlen?“ „Das ist eine Katastrophe, eine richtige Katastrophe. Der Safe wurde aufgebrochen, alles ist weg.“ Herbert Mollenkopf war vollkommen aufgelöst, atmete schwer und hatte einen hochroten Kopf. „Jetzt setzen Sie sich erst mal, bevor Sie mir noch umkippen.“ Sie gingen in ein Nebenzimmer, das sich als Aufenthaltsraum der Angestellten herausstellte. Der Raum war sehr klein und mit einem Tisch und 3 Stühlen ausgestattet, an der Wand befand sich ein Waschbecken, neben dem in einem kleinen Schrank jede Menge Putzzeug untergebracht war. Auf dem Boden standen die Handtaschen der Angestellten und deren Jacken hingen über den Stühlen – kein Fenster, keine Kaffeemaschine, kein Bild oder Dekoartikel - hier machte es sicher keinen Spaß, Pause zu machen. Herbert Mollenkopf bemerkte den Blick von Frau Untermaier. „Die Toilette ist draußen im Treppenhaus, nicht da** Sie glauben, wir hätten so etwas nicht für die Angestellten, das ist Vorschrift. Natürlich wäre es praktischer, wenn alles beieinander wäre, aber das Gebäude ist sehr alt, schon seit über 100 Jahren im Familienbesitz und die Umbauarbeiten würden ein Vermögen verschlingen, ganz abgesehen von den Problemen mit dem Amt für Denkmalschutz.“ Viktoria interessierte sich keineswegs für diese Details. „Setzen wir uns. Was wurde gestohlen?“ „Die Einnahmen der letzten Tage, genau genommen 142.000 €. Dann noch eine Sammlung mit Goldmünzen im Wert von 20.000 € und der wertvolle Schmuck meiner Frau, deren Wert ich noch nicht kenne. Ich habe mich bereits mit der Versicherung in Verbindung gesetzt, die machen eine genaue Aufstellung.“ Das kam Viktoria doch sehr merkwürdig vor. „Sie sind versichert?“ „Selbstverständlich. Fragen Sie mich nicht, wie hoch die Versicherungsprämie ist, die ich selbstverständlich immer pünktlich bezahlt habe.“ „Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber normalerweise bringt man doch die Einnahmen täglich auf die Bank. Und warum haben Sie Goldmünzen und Schmuck Ihrer Frau hier im Safe Ihres Geschäftes aufbewahrt?“ „Ich habe das eben so gehandhabt und muss mich Ihnen gegenüber deshalb nicht rechtfertigen. Sie können die Bücher bezüglich der Einnahmen gerne prüfen, wenn Sie mir nicht glauben. Wir sind eines der besten Geschäfte am Platz und genießen hohes Ansehen. Meine Kunden sind keine Schnäppchenjäger, sondern gut situierte Personen aus der oberen Gesellschaftsschicht mit einem erlesenen Geschmack und natürlich mit einem Anspruch auf Qualität. Und außerdem handelt sich um mein Geschäft und meinen Safe, da kann ich doch reinlegen, was ich möchte.“ Ganz schön patzig, dieser Mollenkopf, aber Viktoria notierte die Angaben, an denen sie ihre Zweifel hatte. „Wir haben Blutspuren gefunden, und zwar ganz schön viele. Was können Sie mir darüber sagen?“ „Blutspuren? War es das, was Sie sich vorhin so interessiert angesehen haben? Nein, bei uns gibt es keine Blutspuren und die hat es auch noch nie gegeben, da müssen Sie sich irren, das ist nicht möglich.“ Das wiederum klang für Viktoria äußerst glaubhaft, vielleicht wusste er wirklich nichts davon. „Gab es in letzter Zeit irgendetwas Ungewöhnliches?“ „Was meinen Sie damit?“ „Sind Ihnen Kunden in oder vor dem Geschäft merkwürdig vorgekommen, bekamen Sie ungewöhnliche Post, irgendwelche dubiosen Anrufe?“ „Nein, nichts dergleichen. Obwohl ich zugeben muss, da** ich mich nicht sehr oft in dem Geschäftsraum aufhalte und mich um Kunden kümmere, es sei denn, es sind ganz außergewöhnlich gute Kunden. Meistens bin ich in meinem Büro, das sich hier im Haus im ersten Stock befindet.“ Viktoria hatte sich so etwas bereits gedacht, denn sie konnte sich diesen arroganten Mollenkopf nur sehr schwer als Verkäufer vorstellen. „Was ist hier noch in dem Haus untergebracht? Wohnen Sie hier auch?“ „Aber nein, ich und meine Frau wohnen nicht hier. Wie gesagt, ist das Haus schon sehr alt und wir haben uns deshalb vor knapp 20 Jahren ein Haus hier in Mühldorf gebaut, das wesentlich mehr Komfort und Bequemlichkeit bietet. Im Haus hier ist neben meinem Büro das meiner Sekretärin, das Lager, die Registratur und ein Raum mit Werbe- und Dekorationsmaterial. Die anderen Räume stehen längst leer. Früher war hier Platz für 3 Generationen: meine Eltern, Großeltern und meine Schwester, die leider schon verstorben ist, sowie natürlich für mich und meine Frau. Aber die Zeiten haben sich nun mal geändert.“ Er schien für einen Moment etwas wehmütig und die arrogante Fa**ade fiel, offenbar hatte er hier schöne Zeiten erlebt. „Was können Sie mir über Ihr Personal berichten? Ich habe 4 Damen gesehen.“ „Das ist zum einen Frau Heidi Schmidt. Sie ist meine Sekretärin und rechte Hand, sie hat, ebenso wie ich, auch nichts mit dem Verkauf zu tun. Heidi arbeitet schon seit vielen Jahren bei uns, genauer gesagt seit 16 Jahren. Sie ist sehr tüchtig, loyal und zuverlässig – ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde. Und dann haben wir noch die Käthe Hiendlmaier, sie ist am längsten in unserem Betrieb. Wir haben zusammen hier bei meinem seligen Herrn Vater gelernt und sie ist ebenfalls äußerst tüchtig und zuverlässig – die Leitung der Geschäftsräume liegt eigentlich in ihren Händen. Sie versteht es, mit Kunden umzugehen und sie genießt mein uneingeschränktes Vertrauen. Und dann ist da noch Petra Knabel. Sie ist die jüngste in unserem Team, 29 Jahre alt und erst seit 1 ½ Jahren bei uns. Mit ihr komme ich nicht immer gut zurecht, denn ihre modernen Ansichten und ständigen Verbesserungsvorschläge nerven gewaltig.“ Viktoria schrieb eifrig mit und wartete, doch Herbert Mollenkopf sah sie nur an. „Bis jetzt zähle ich 3 Frauen, draußen standen aber 4?“ „Jetzt verstehe ich, entschuldigen Sie bitte, wo war ich nur mit meinen Gedanken, das Ganze nimmt mich doch ganz schön mit. Ich habe meine eigene Frau völlig vergessen.“ „Und was ist die Aufgabe Ihrer Frau?“ „Sie kümmert sich um alles, was so anfällt, denn für den Verkauf ist sie kaum zu gebrauchen – viel zu schüchtern und zurückhaltend. Viele Jahre habe ich versucht, ihr den Verkauf und den Umgang mit den Kunden näher zu bringen, leider erfolglos. Ich hätte seinerzeit wirklich mehr auf meine Eltern hören sollen, die haben mir gleich gesagt, da** Alexandra nichts für das Geschäft ist. Aber was soll ich Ihnen sagen? Die Liebe war damals eben stärker.“ Das sollte gefühlvoll und liebevoll klingen, ging aber völlig in die Hosen. Viktoria merkte sofort, da** Frau Alexandra Mollenkopf das schwarze Schaf hier war. Und so, wie Herbert Mollenkopf über diese Heidi Schmidt sprach, lief etwas zwischen den beiden, da hätte sie alles drauf verwettet. „Ich habe immer noch nicht ganz verstanden, was die Aufgabe Ihrer Frau hier genau ist. Nach Ihrer Beschreibung ist Frau Schmidt Ihre rechte Hand und Frau Hiendlmaier und Frau Knabel sind für den Verkauf zuständig. Ich kenne mich im Einzelhandel nicht aus, aber was bleibt denn da noch übrig?“ „Herrgott nochmal, Sie wollen aber alles genau wissen, obwohl ich nicht verstehe, was das mit dem Einbruch zu tun hat. Aber meinetwegen: meine Frau macht eben alles, was sonst noch so anfällt: sie geht zur Bank, zur Post, räumt die Regale ein, bringt die Kleidung von den Kabinen wieder zu den Kleiderständern, putzt, kocht Kaffee.“ Viktoria war sprachlos, wie selbstverständlich Herbert Mollenkopf über die Arbeit seiner Frau sprach, und wie teilnahmslos seine Miene dabei war – diese Ehe war offensichtlich schon lange am Ende und wurde nur wegen dem Geschäft aufrechterhalten. „Können Sie mir sagen, wann Sie mit Ihrer Arbeit fertig sind? Ich würde gerne das Geschäft öffnen, denn wir sind mitten im Winterschlussverkauf und die erste Frühjahrsmode ist bereits eingetroffen.“ Dieser Mensch war wirklich unglaublich und mit einem Kopfschütteln und ohne eine Antwort ließ sie ihn zurück. Zwischenzeitlich liefen die Befragungen der Angestellten und Frau Mollenkopfs. Hans Hiebler hatte sich sofort die äußerst hübsche und sehr aufreizend gekleidete Heidi Schmidt vorgenommen und sich mit ihr etwas abseits gestellt, um die Spurensicherung nicht bei ihrer Arbeit zu behindern. „Wann sind Sie heute gekommen?“ „Ich kam fast zeitgleich mit Herbert, ich meine natürlich mit Herrn Mollenkopf.“ Frau Schmidt war es sehr peinlich, da** sie sich gleich mit ihrem ersten Satz verplappert hatte und die Vertrautheit zwischen ihr und dem Chef mehr als offensichtlich war. Hans Hiebler reagierte nicht darauf und dachte sich nur seinen Teil, denn in seinen vielen Berufsjahren ist ihm schon weit Schlimmeres begegnet und ihm war eigentlich nichts mehr fremd – für ihn war sowieso schon vollkommen klar: Mollenkopf und Frau Schmidt waren liiert. Bereits vorhin hatte er bemerkt, da** die beiden sehr vertraut miteinander sprachen und umgingen, er hatte einen guten Blick für solche Kleinigkeiten. Mit seinen 52 Jahren und der 1,80 m großen, sportlichen Figur war Hans Hiebler eine imposante und auffällige Erscheinung, und ein absoluter Frauenheld. Aber seit dem Tod seiner letzten Freundin , der sich als Mordfall herausstellte und an dessen Aufklärung er selbst mitgewirkt hatte, hielt er sich Frauen gegenüber zurück und wollte nur noch seine Ruhe haben. Die Gerichtsverhandlung des Täters stand in wenigen Wochen bevor, zu der er vor 3 Tagen die Zeugenvorladung bekommen hatte. Er schlief sehr schlecht, denn die schrecklichen Ereignisse und Bilder waren wieder sehr lebendig und ließen ihm keine Ruhe. Der Tod seiner Doris, der noch nicht lange her war, schmerzte ihn immer noch sehr, denn sie wäre für ihn die richtige Frau gewesen, davon war er ganz fest überzeugt. Sie war grundehrlich, bescheiden, witzig und überaus herzlich gewesen, alles Eigenschaften, die Heidi Schmidt nicht besaß. Er musste die Gedanken an seine Doris wegwischen und sich zwingen, sich seiner Arbeit zu widmen, was ihm aufgrund seines Verlustes sehr schwer fiel. „Was ist genau Ihre Aufgabe?“ „Ich bin die Sekretärin und arbeite mit Herrn Mollenkopf in dessen Büro, Sie wissen schon: Einkauf, Buchhaltung und so weiter, das übliche eben. Im Ladengeschäft bin ich nur selten und pflege keinerlei Umgang mit Kunden – es sei denn, es handelt sich um eine besondere Kundschaft, dann kümmern wir uns natürlich persönlich.“ „Aha. Und was sind besondere Kunden?“ Hans ärgerte sich über diese Ungleichbehandlung, denn für ihn ist es undenkbar, Kunden in verschiedene Kategorien und Wertigkeiten einzuteilen. Geld ist Geld, ganz gleich, von wem man es bekommt. „Die Frau Bürgermeister kommt sehr gerne zu uns, und einige wichtige Personen der Mühldorfer Gesellschaft. Erst kürzlich hatten wir einen Schlagersänger bei uns, den Namen kann ich Ihnen natürlich nicht nennen, denn Diskretion ist bei uns oberstes Gebot. Für diesen erlesenen Kundenkreis sperren wir schon mal für eine Stunde das Geschäft zu oder sind auch gerne bereit, nach Ladenschluss zu arbeiten.“ Heidi Schmidt sprach so, als würde auch ihr der Laden gehören. „Dann sind Sie also mit Herrn Mollenkopf liiert?“ Frau Schmidt errötete, diese Frage war ihr sehr unangenehm. „Aber nein, wo denken Sie denn hin. Das dort hinten ist Frau Mollenkopf, ich bin hier nur die Sekretärin.“ Ja genau, dachte sich Hans, aber er konnte dieses überhebliche, dumme Geplapper nicht mehr ertragen und musste den Redeschwall bremsen, was ihm mit dem Frontalangriff auch gelang, denn nun stand sie völlig errötet und beinahe eingeschüchtert vor ihm, von dem selbstbewussten, beinahe künstlichen Auftreten war keine Spur mehr. „Ist Ihnen in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches aufgefallen?“ Sie überlegte lange, während sie immer noch um Fa**ung rang. „Nein, mir ist nichts aufgefallen.“ „Da sie ja auch im Büro arbeiten, wissen Sie sicher, was sich in dem Safe befand bzw. was gestohlen wurde?“ „Ja natürlich weiß ich das. Bargeld in Höhe von 142.000 €, die Goldmünzen im Wert von ca. 20.000 € und der Schmuck von Frau Mollenkopf. Herbert, entschuldigen Sie, ich meine natürlich Herr Mollenkopf hat bereits mit der Versicherung gesprochen, die eine genaue Aufstellung über die einzelnen Stücke und deren Wert erstellt.“ Das klang für Hans absolut abgesprochen und auch ihm kamen diese Wertgegenstände und die hohe Summe Bargeld sehr unglaubwürdig vor. Offensichtlich bemerkte Heidi Schmidt, da** Hans Hiebler ihr nicht glaubte. „Sie können gerne die Bücher einsehen und alles überprüfen. Wir sind ehrbare, angesehene Menschen, und keine Betrüger.“ Hans konnte nicht einschätzen, ob sie nun log, oder nicht. Aber das alles würden sie später überprüfen, jetzt wollte er nur Fakten sammeln. „Was können Sie mir über das Blut sagen?“ „Blut? Welches Blut?“ Sie schrie beinahe und schien überrascht – oder war es nur Unsicherheit? „Vielen dank Frau Schmidt, wenn wir noch Fragen haben, kommen wir wieder auf Sie zu.“ Werner Grössert hatte die Befragung von Käthe Hiendlmaier übernommen, die er persönlich kannte. „Guten Morgen Herr Grössert, der Anzug steht Ihnen ausgezeichnet.“ „Danke Frau Hiendlmaier, den haben auch Sie ausgesucht. Anfangs war ich skeptisch, ob mir die Farbe steht, aber auch meine Frau ist begeistert.“ „Wie geht es Ihrer Frau? Ist sie immer noch in Bad Reichenhall in der Klinik?“ Werner Grössert nickte. Die Frau des 38-jährigen, 1,75 m großen, sehr gepflegten und überaus modisch gekleideten Mannes litt unter einer schweren Hautallergie, die in Schüben stärker auftrat und sie daher zwang, immer wieder in Spezialkliniken behandelt zu werden. Aber es ging ihr deutlich besser, sie durfte heute die Klinik wieder verla**en und kam endlich wieder nach Hause, wodurch Werner Grössert sehr gute Laune hatte und für heute Abend extra einen Tisch in einem noblen Restaurant reserviert hatte. Grösserts Frau war von seinen Eltern, angesehene Rechtsanwälte in Mühldorf, nicht sehr gerne gesehen, was auch für die Wahl seines Berufes galt, denn eigentlich wollten sie, da** ihr Werner die Anwaltskanzlei einmal übernehmen würde – stattdessen wurde er nur Polizist, in ihren Augen ein sozialer Abstieg, der nur sehr schwer zu ertragen war und wofür sie sich vor ihren Freunden, Mandanten und innerhalb der Familie durchaus schämten. Auch Grösserts Eltern waren Stammkunden in Mollenkopfs Geschäft, daher wussten auch alle über die Familienverhältnisse Bescheid, denn Werners Eltern nahmen bezüglich ihrer ungeliebten Schwiegertochter und der Berufswahl des Sohnes kein Blatt vor den Mund. „Wann sind Sie heute gekommen?“ „Etwa gegen halb 9, Herbert und Frau Schmidt waren bereits hier, die beiden sind immer die ersten.“ Werner Grössert kannte Käthe Hiendlmaier schon von klein auf, denn sie hatte nicht nur hier gelernt, sondern wohnte damals auch nicht weit von seinem Elternhaus weg, sehr oft kreuzten sich auch außerhalb des Geschäfts ihre Wege. Schon von je her kaufte er beinahe seine komplette Garderobe hier bei Mollenkopf und war immer sehr zufrieden – dabei war es ihm natürlich ebenfalls nicht entgangen, da** Mollenkopf und Frau Schmidt ein Verhältnis hatten, überhaupt wusste das jeder in Mühldorf, obwohl sich die beiden alle erdenkliche Mühe gaben, das Ganze geheim zu halten. „Ist Ihnen in letzter Zeit irgendetwas aufgefallen?“ „Nein, es war alles so wie immer. Ist das nicht schrecklich, da** gerade wir ausgeraubt wurden?“ „Wie meinen Sie das?“ Sie sah sich um und flüsterte beinahe. „Wissen Sie nicht, da** das Geschäft sehr schlecht da steht? Vor allem, seit das neue Geschäft gegenüber eröffnet hat. Unsere frühere Kollegin Jutta Tauscher hat sich doch tatsächlich selbständig gemacht und mit einem Kompagnon das Geschäft genau gegenüber eröffnet, eine direkte Konkurrenz zu Mollenkopf, nicht nur vom Standort, sondern auch vom Warenangebot. Die Jutta war immer sehr geschickt im Umgang mit Mode und den Kunden. Ich war ein Mal in dem Geschäft drin, als Jutta gerade wegfuhr – und was soll ich sagen? Ein Super-Geschäft: modern, sauber, hell und freundlich. Natürlich habe ich den einen oder anderen Stammkunden gesehen, wie er in das neue Geschäft gegenüber ging – aber das habe ich Herbert natürlich nicht erzählt, da** würde ihm einen Schlag versetzen.“ Auch Werner Grössert hatte schon von dem neuen Geschäft gehört und hatte vor, sich selbst dort umzusehen, denn Jutta Tauscher kannte er natürlich ebenfalls seit vielen Jahren und schätzte auch ihren Mode-Geschmack. Seine Frau war nur ein einziges Mal hier gewesen und dann nie wieder, denn Frau Hiendlmaier hatte sie zu offensichtlich ausgequetscht und wollte mit ihr über die Schwiegereltern tratschen, was Frau Grössert sehr unangenehm war – sie kaufte ihre Kleidung hauptsächlich über Kataloge oder im Internet, denn mit ihrer Hautallergie hatte sie sehr große Hemmungen und vermied es, da** fremde Personen damit konfrontiert wurden und sie sich damit zeigen musste. „Sie meinen also, da** Mode-Mollenkopf finanzielle Engpässe hat?“ „Ich denke, über diese Phase sind wir schon lange drüber. Wenn Sie mich fragen, stehen wir schon kurz vor der Schließung. Aber bitte, das wissen Sie natürlich nicht von mir.“ „Natürlich nicht. Falls notwendig, werden wir die Bücher entsprechend prüfen. Noch eine Frage bezüglich des Einbruchs, Frau Hiendlmaier. Der Safe wurde aufgebrochen, wissen Sie, was gestohlen wurde?“ „Nein, damit habe ich schon seit vielen Jahren nichts mehr zu tun. Früher habe ich mich immer um die Tageseinnahmen gekümmert, sie abgezählt, in den Safe gelegt und zur Bank gebracht. Aber seit Frau Schmidt hier ist, hat sie das übernommen. Und seit einigen Jahren haben nur noch Herbert und Frau Schmidt Zugang zum Safe, nicht einmal die Chefin, das muss man sich mal vorstellen.“ „Also haben Sie auch keine Vorstellung, was in diesem Safe aufbewahrt wurde? Sie haben nichts mitbekommen und niemals einen Blick reinwerfen können?“ „Nein.“