Friedrich Schiller - Wilhelm Tell - Kapitel 8 lyrics

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Friedrich Schiller - Wilhelm Tell - Kapitel 8 lyrics

Stauffacher: Die andern Völker tragen fremdes Joch, Sie haben sich dem Sieger unterworfen. Es leben selbst in unsern Landesmarken Der Sa**en viel, die fremde Pflichten tragen, Und ihre Knechtschaft erbt auf ihre Kinder. Doch wir, der alten Schweizer echter Stamm, Wir haben stets die Freiheit uns bewahrt. Nicht unter Fürsten bogen wir das Knie, Freiwillig wählten wir den Schirm der Kaiser. Rösselmann: Frei wählten wir des Reiches Schutz und Schirm, So steht's bemerkt in Kaiser Friedrichs Brief. Stauffacher: Denn herrenlos ist auch der Freiste nicht. Ein Oberhaupt muss sein, ein höchster Richter, Wo man das Recht mag schöpfen in dem Streit Drum haben unsre Väter für den Boden, Den sie der alten Wildnis abgewonnen, Die Ehr gegönnt dem Kaiser, der den Herrn Sich nennt der deutschen und der welschen Erde, Und wie die andern Freien seines Reichs Sich ihm zu edelm Waffendienst gelobt, Denn dieses ist der Freien einz'ge Pflicht, Das Reich zu schirmen, das sie selbst beschirmt. Melchtal: Was drüber ist, ist Merkmal eines Knechts. Stauffacher: Sie folgten, wenn der Heribann erging, Dem Reichspanier und schlugen seine Schlachten. Nach Welschland zogen sie gewappnet mit, Die Römerkron ihm auf das Haupt zu setzen. Daheim regierten sie sich fröhlich selbst Nach altem Brauch und eigenem Gesetz, Der höchste Blutbann war allein des Kaisers. Und dazu ward bestellt ein grosser Graf, Der hatte seinen Sitz nicht in dem Lande, Wenn Blutschuld kam, so rief man ihn herein, Und unter offnem Himmel, schlicht und klar, Sprach er das Recht und ohne Furcht der Menschen. Wo sind hier Spuren, da** wir Knechte sind? Ist einer, der es anders weiss, der rede! Im Hofe: Nein, so verhält sich alles wie Ihr sprecht, Gewaltherrschaft ward nie bei uns geduldet. Stauffacher: Dem Kaiser selbst versagten wir Gehorsam, Da er das Recht zugunst der Pfaffen bog. Denn als die Leute von dem Gotteshaus Einsiedeln uns die Alp in Anspruch nahmen, Die wir beweidet seit der Väter Zeit, Der Abt herfürzog einen alten Brief, Der ihm die herrenlose Wüste schenkte – Denn unser Dasein hatte man verhehlt – Da sprachen wir: »Erschlichen ist der Brief, Kein Kaiser kann was unser ist verschenken. Und wird uns Recht versagt vom Reich, wir können In unsern Bergen auch des Reichs entbehren.« – So sprachen unsere Väter! Sollen wir Des neuen Joches Schändlichkeit erdulden, Erleiden von dem fremden Knecht, was uns In seiner Macht kein Kaiser durfte bieten? – Wir haben diesen Boden uns erschaffen Durch unsrer Hände Fleiss, den alten Wald, Der sonst der Bären wilde Wohnung war, Zu einem Sitz für Menschen umgewandelt, Die Brut des Drachen haben wir getötet, Der aus den Sümpfen giftgeschwollen stieg, Die Nebeldecke haben wir zerrissen, Die ewig grau um diese Wildnis hing, Den harten Fels gesprengt, über den Abgrund Dem Wandersmann den sichern Steg geleitet, Unser ist durch tausendjährigen Besitz Der Boden – und der fremde Herrenknecht Soll kommen dürfen und uns Ketten schmieden, Und Schmach antun auf unsrer eignen Erde? Ist keine Hülfe gegen solchen Drang? Eine grosse Bewegung unter den Landleuten. Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht, Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, Wenn unerträglich wird die Last – greift er Hinauf getrosten Mutes in den Himmel, Und holt herunter seine ew'gen Rechte, Die droben hangen unveräusserlich Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst – Der alte Urstand der Natur kehrt wieder, Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht – Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben – Der Güter höchstes dürfen wir verteid'gen Gegen Gewalt – Wir stehn vor unser Land, Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder! Alle an ihre Schwerter schlagend: Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder! Rösselmann tritt in den Ring: Eh ihr zum Schwerte greift, bedenkt es wohl. Ihr könnt es friedlich mit dem Kaiser schlichten. Es kostet euch ein Wort und die Tyrannen, Die euch jetzt schwer bedrängen, schmeicheln euch. – Ergreift, was man euch oft geboten hat, Trennt euch vom Reich, erkennet Östreichs Hoheit – Auf der Mauer: Was sagt der Pfarrer? Wir zu Östreich schwören! Am Bühel: Hört ihn nicht an! Winkelried: Das rät uns ein Verräter, Ein Feind des Landes! Reding: Ruhig Eidgenossen! Sewa: Wir Östreich huldigen, nach solcher Schmach! Von der Flüe: Wir uns abtrotzen la**en durch Gewalt, Was wir der Güte weigerten! Meier: Dann wären Wir Sklaven und verdienten es zu sein! Auf der Mauer: Der sei gestossen aus dem Recht der Schweizer, Wer von Ergebung spricht an Österreich! – Landammann, ich bestehe drauf, dies sei Das erste Landsgesetz, das wir hier geben. Melchtal: So sei's. Wer von Ergebung spricht an Östreich, Soll rechtlos sein und aller Ehren bar, Kein Landmann nehm ihn auf an seinem Feuer. Alle heben die rechte Hand auf: Wir wollen es, das sei Gesetz! Reding nach einer Pause: Es ist's. Rösselmann: Jetzt seid ihr frei, ihr seid's durch dies Gesetz, Nicht durch Gewalt soll Österreich ertrotzen Was es durch freundlich Werben nicht erhielt – Jost von Weiler: Zur Tagesordnung, weiter. Reding: Eidgenossen! Sind alle sanften Mittel auch versucht? Vielleicht weiss es der König nicht, es ist Wohl gar sein Wille nicht, was wir erdulden. Auch dieses letzte sollten wir versuchen, Erst unsre Klage bringen vor sein Ohr, Eh wir zum Schwerte greifen. Schrecklich immer Auch in gerechter Sache ist Gewalt, Gott hilft nur dann, wenn Menschen nicht mehr helfen. Stauffacher zu Konrad Hunn: Nun ist's an Euch, Bericht zu geben. Redet. Konrad Hunn: Ich war zu Rheinfeld an des Kaisers Pfalz, Wider der Vögte harten Druck zu klagen, Den Brief zu holen unsrer alten Freiheit, Den jeder neue König sonst bestätigt. Die Boten vieler Städte fand ich dort, Vom schwäb'schen Lande und vom Lauf des Rheins, Die all erhielten ihre Pergamente, Und kehrten freudig wieder in ihr Land. Mich, euren Boten, wies man an die Räte, Und die entliessen mich mit leerem Trost: »Der Kaiser habe diesmal keine Zeit, Er würde sonst einmal wohl an uns denken.« – Und als ich traurig durch die Säle ging Der Königsburg, da sah ich Herzog Hansen In einem Erker weinend stehn, um ihn Die edeln Herrn von Wart und Tegerfeld. Die riefen mir und sagten: »Helft euch selbst, Gerechtigkeit erwartet nicht vom König. Beraubt er nicht des eignen Bruders Kind, Und hinterhält ihm sein gerechtes Erbe? Der Herzog fleht' ihn um sein Mütterliches, Er habe seine Jahre voll, es wäre Nun Zeit, auch Land und Leute zu regieren. Was ward ihm zum Bescheid? Ein Kränzlein setzt' ihm Der Kaiser auf: das sei die Zier der Jugend.« Auf der Mauer: Ihr habt's gehört. Recht und Gerechtigkeit Erwartet nicht vom Kaiser! Helft euch selbst! Reding: Nichts andres bleibt uns übrig. Nun gebt Rat, Wie wir es klug zum frohen Ende leiten. Walther Fürst tritt in den Ring: Abtreiben wollen wir verha**ten Zwang, Die alten Rechte, wie wir sie ererbt Von unsern Vätern, wollen wir bewahren, Nicht ungezügelt nach dem Neuen greifen. Dem Kaiser bleibe, was des Kaisers ist, Wer einen Herrn hat, dien ihm pflichtgemäss. Meier: Ich trage Gut von Österreich zu Lehen. Walther Fürst: Ihr fahret fort, Östreich die Pflicht zu leisten. Jost von Weiler: Ich steure an die Herrn von Rappersweil. Walther Fürst: Ihr fahret fort, zu zinsen und zu steuern. Rösselmann: Der grossen Frau zu Zürch bin ich vereidet. Walther Fürst: Ihr gebt dem Kloster was des Klosters ist. Stauffacher: Ich trage keine Lehen als des Reichs. Walther Fürst: Was sein muss, das geschehe, doch nicht drüber. Die Vögte wollen wir mit ihren Knechten Verjagen und die festen Schlösser brechen, Doch wenn es sein mag, ohne Blut. Es sehe Der Kaiser, da** wir notgedrungen nur Der Ehrfurcht fromme Pflichten abgeworfen. Und sieht er uns in unsern Schranken bleiben, Vielleicht besiegt er staatsklug seinen Zorn, Denn bill'ge Furcht erwecket sich ein Volk, Das mit dem Schwerte in der Faust sich mässigt. Reding: Doch la**et hören! Wie vollenden wir's? Es hat der Feind die Waffen in der Hand, Und nicht fürwahr in Frieden wird er weichen. Stauffacher: Er wird's, wenn er in Waffen uns erblickt, Wir überraschen ihn, eh er sich rüstet. Meier: Ist bald gesprochen, aber schwer getan. Uns ragen in dem Land zwei feste Schlösser, Die geben Schirm dem Feind und werden furchtbar, Wenn uns der König in das Land sollt fallen. Rossberg und Sarnen muss bezwungen sein, Eh man ein Schwert erhebt in den drei Landen. Stauffacher: Säumt man so lang, so wird der Feind gewarnt, Zu viele sind's, die das Geheimnis teilen. Meier: In den Waldstätten findt sich kein Verräter. Rösselmann: Der Eifer auch, der gute, kann verraten. Walther Fürst: Schiebt man es auf, so wird der Twing vollendet In Altdorf und der Vogt befestigt sich. Meier: Ihr denkt an euch. Sigrist: Und ihr seid ungerecht. Meier auffahrend: Wir ungerecht! Das darf uns Uri bieten! Reding: Bei eurem Eide! Ruh! Meier: Ja, wenn sich Schwyz Versteht mit Uri, müssen wir wohl schweigen. Reding: Ich muss euch weisen vor der Landsgemeinde, Da** ihr mit heft'gem Sinn den Frieden stört! Stehn wir nicht alle für dieselbe Sache? Winkelried: Wenn wir's verschieben bis zum Fest des Herrn Dann bringt's die Sitte mit, da** alle Sa**en Dem Vogt Geschenke bringen auf das Schloss, So können zehen Männer oder zwölf Sich unverdächtig in der Burg versammeln, Die führen heimlich spitz'ge Eisen mit, Die man geschwind kann an die Stäbe stecken, Denn niemand kommt mit Waffen in die Burg. Zunächst im Wald hält dann der grosse Haufe, Und wenn die andern glücklich sich des Tors Ermächtiget, so wird ein Horn geblasen, Und jene brechen aus dem Hinterhalt, So wird das Schloss mit leichter Arbeit unser. Melchtal: Den Rossberg übernehm ich zu ersteigen, Denn eine Dirn des Schlosses ist mir hold, Und leicht betör ich sie, zum nächtlichen Besuch die schwa*ke Leiter mir zu reichen, Bin ich droben erst, zieh ich die Freunde nach. Reding: Ist's aller Will, da** verschoben werde? Die Mehrheit erhebt die Hand. Stauffacher zählt die Stimmen: Es ist ein Mehr von zwanzig gegen zwölf! Walther Fürst: Wenn am bestimmten Tag die Burgen fallen, So geben wir von einem Berg zum andern Das Zeichen mit dem Rauch, der Landsturm wird Aufgeboten, schnell, im Hauptort jedes Landes, Wenn dann die Vögte sehn der Waffen Ernst, Glaubt mir, sie werden sich des Streits begeben, Und gern ergreifen friedliches Geleit, Aus unsern Landesmarken zu entweichen. Stauffacher: Nur mit dem Gessler fürcht ich schweren Stand, Furchtbar ist er mit Reisigen umgeben, Nicht ohne Blut räumt er das Feld, ja selbst Vertrieben bleibt er furchtbar noch dem Land, Schwer ist's und fast gefährlich, ihn zu schonen. Baumgarten: Wo's halsgefährlich ist, da stellt mich hin, Dem Tell verdank ich mein gerettet Leben, Gern schlag ich's in die Schanze für das Land, Mein' Ehr hab ich beschützt, mein Herz befriedigt. Reding: Die Zeit bringt Rat. Erwartet's in Geduld. Man muss dem Augenblick auch was vertrauen. – Doch seht, indes wir nächtlich hier noch tagen, Stellt auf den höchsten Bergen schon der Morgen Die glühnde Hochwacht aus – Kommt, la**t uns scheiden, Eh uns des Tages Leuchten überrascht. Walther Fürst: Sorgt nicht, die Nacht weicht langsam aus den Tälern. Alle haben unwillkürlich die Hüte abgenommen und betrachten mit stiller Sammlung die Morgenröte. Rösselmann: Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüsst Von allen Völkern, die tief unter uns Schweratmend wohnen in dem Qualm der Städte, La**t uns den Eid des neuen Bundes schwören. – Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, In keiner Not uns trennen und Gefahr. Alle sprechen es nach mit erhobenen drei Fingern. – Wir wollen frei sein wie die Väter waren, Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben. Wie oben. – Wir wollen trauen auf den höchsten Gott Und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen. Wie oben. Die Landleute umarmen einander. Stauffacher: Jetzt gehe jeder seines Weges still Zu seiner Freundschaft und Genoßsame, Wer Hirt ist, wintre ruhig seine Herde, Und werb im stillen Freunde für den Bund, – Was noch bis dahin muss erduldet werden, Erduldet's! La**t die Rechnung der Tyrannen Anwachsen, bis ein Tag die allgemeine Und die besondre Schuld auf einmal zahlt. Bezähme jeder die gerechte Wut, Und spare für das Ganze seine Rache, Denn Raub begeht am allgemeinen Gut, Wer selbst sich hilft in seiner eignen Sache. Indem sie zu drei verschiednen Seiten in grösster Ruhe abgehen, fällt das Orchester mit einem prachtvollen Schwung ein, die leere Szene bleibt noch eine Zeitlang offen und zeigt das Schauspiel der aufgehenden Sonne über den Eisgebirgen.