Friedrich Schiller - Don Carlos, Infant von Spanien - Kapitel 7 lyrics

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Friedrich Schiller - Don Carlos, Infant von Spanien - Kapitel 7 lyrics

Zweiter Akt. Im königlichen Palast zu Madrid. Erster Auftritt. König Philipp unter einem Thronhimmel. Herzog Alba in einiger Entfernung von dem König, mit bedecktem Haupt. Carlos. Carlos. Den Vortritt hat das Königreich. Sehr gerne Steht Carlos dem Minister nach. Er spricht Für Spanien – ich bin der Sohn des Hauses. (Er tritt mit einer Verbeugung zurück.) Philipp. Der Herzog bleibt, und der Infant mag reden. Carlos (sich gegen Alba wendend). So muß ich denn von Ihrer Großmuth, Herzog, Den König mir als ein Geschenk erbitten. Ein Kind – Sie wissen ja – kann Mancherlei An seinen Vater auf dem Herzen tragen, Das nicht für einen Dritten taugt. Der König Soll Ihnen unbenommen sein – ich will Den Vater nur für diese kurze Stunde. Philipp. Hier steht sein Freund. Carlos. Hab' ich es auch verdient, Den meinigen im Herzog zu vermuthen? Philipp. Auch je verdienen mögen? – Mir gefallen Die Söhne nicht, die beßre Wahlen treffen, Als ihre Väter. Carlos. Kann der Ritterstolz Des Herzogs Alba diesen Auftritt hören? So wahr ich lebe, den Zudringlichen, Der zwischen Sohn und Vater unberufen Sich einzudringen nicht erröthet, der In seines Nichts durchbohrendem Gefühle So dazustehen sich verdammt, möcht' ich Bei Gott – und gält's ein Diadem – nicht spielen. Philipp (verläßt seinen Sitz mit einem zornigen Blick auf den Prinzen). Entfernt Euch, Herzog! (Dieser geht nach der Hauptthüre, durch welche Carlos gekommen war; der König winkt ihm nach einer andern.) Nein, ins Kabinet, Bis ich Euch rufe. Zweiter Auftritt. König Philipp. Don Carlos. Carlos (geht, sobald der Herzog das Zimmer verla**en hat, auf den König zu und fällt vor ihm nieder, im Ausdruck der höchsten Empfindung). Jetzt mein Vater wieder, Jetzt wieder mein, und meinen besten Dank Für diese Gnade. – Ihre Hand, mein Vater. – O süßer Tag! – Die Wonne dieses Kusses War Ihrem Kinde lange nicht gegönnt. Warum von Ihrem Herzen mich so lange Verstoßen, Vater? Was hab' ich gethan? Philipp. Infant, dein Herz weiß nichts von diesen Künsten. Erspare sie, ich mag sie nicht. Carlos (aufstehend). Das war es! Da hör' ich Ihre Höflinge – Mein Vater! Es ist nicht gut, bei Gott! nicht Alles gut, Nicht Alles, was ein Priester sagt, nicht Alles, Was eines Priesters Creaturen sagen. Ich bin nicht schlimm, mein Vater – heißes Blut Ist meine Bosheit, mein Verbrechen Jugend. Schlimm bin ich nicht, schlimm wahrlich nicht – wenn auch Oft wilde Wallungen mein Herz verklagen, Mein Herz ist gut – Philipp. Dein Herz ist rein, ich weiß es, Wie dein Gebet. Carlos. Jetzt oder nie! – Wir sind allein. Der Etikette bange Scheidewand Ist zwischen Sohn und Vater eingesunken. Jetzt oder nie! Ein Sonnenstrahl der Hoffnung Glänzt in mir auf, und eine süße Ahnung Fliegt durch mein Herz – Der ganze Himmel beugt Mit Schaaren froher Engel sich herunter, Voll Rührung sieht der Dreimalheilige Dem großen schönen Auftritt zu! – Mein Vater! Versöhnung! (Er fällt ihm zu Füßen.) Philipp. Laß mich und steh auf! Carlos. Versöhnung! Philipp (will sich von ihm losreißen.) Zu kühn wird mir dies Gaukelspiel – Carlos. Zu kühn Die Liebe deines Kindes? Philipp. Vollends Thränen? Unwürd'ger Anblick! – Geh aus meinen Augen. Carlos. Jetzt oder nie! – Versöhnung, Vater! Philipp. Weg Aus meinen Augen! Komm mit Schmach bedeckt Aus meinen Schlachten, meine Arme sollen Geöffnet sein, dich zu empfangen – So Verwerf' ich dich. – Die feige Schuld allein Wird sich in solchen Quellen schimpflich waschen. Wer zu bereuen nicht erröthet, wird Sich Reue nie ersparen. Carlos. Wer ist das? Durch welchen Mißverstand hat dieser Fremdling Zu Menschen sich verirrt? – Die ewige Beglaubigung der Menschheit sind ja Thränen, Sein Aug' ist trocken, ihn gebar kein Weib – O, zwingen Sie die nie benetzten Augen, Noch zeitig Thränen einzulernen, sonst, Sonst möchten Sie's in einer harten Stunde Noch nachzuholen haben. Philipp. Denkst du den schweren Zweifel deines Vaters Mit schönen Worten zu erschüttern? Carlos. Zweifel? Ich will ihn tilgen, diesen Zweifel – will Mich hängen an das Vaterherz, will reißen, Will mächtig reißen an dem Vaterherzen, Bis dieses Zweifels felsenfeste Rinde Von diesem Herzen niederfällt. – Wer sind sie, Die mich aus meines Königs Gunst vertrieben? Was bot der Mönch dem Vater für den Sohn? Was wird ihm Alba für ein kinderlos Verscherztes Leben zur Vergütung geben? Sie wollen Liebe? – Hier in diesem Busen Springt eine Quelle, frischer, feuriger, Als in den trüben, sumpfigsten Behältern, Die Philipps Gold erst öffnen muß. Philipp. Vermeßner, Halt ein! – Die Männer, die du wagst zu schmähn, Sind die geprüften Diener meiner Wahl, Und du wirst sie verehren. Carlos. Nimmermehr. Ich fühle mich. Was Ihre Alba leisten, Das kann auch Carl, und Carl kann mehr. Was fragt Ein Miethling nach dem Königreich, das nie Sein eigen sein wird? – Was bekümmert's den, Wenn Philipps graue Haare weiß sich färben? Ihr Carlos hätte Sie geliebt. – Mir graut Vor dem Gedanken, einsam und allein, Auf einem Thron allein zu sein. – Philipp (von diesen Worten ergriffen, steht nachdenkend und in sich gekehrt. Nach einer Pause). Ich bin allein. Carlos (mit Lebhaftigkeit und Wärme auf ihn zugehend). Sie sind's gewesen. Ha**en Sie mich nicht mehr, Ich will Sie kindlich, will Sie feurig lieben, Nur ha**en Sie mich nicht mehr. – Wie entzückend Und süß ist es, in einer schönen Seele Verherrlicht uns zu fühlen, es zu wissen, Daß unsre Freude fremde Wangen röthet, Daß unsre Angst in fremdem Busen zittert, Daß unsre Leiden fremde Augen wässern! Wie schön ist es und herrlich, Hand in Hand Mit einem theuern, vielgeliebten Sohn Der Jugend Rosenbahn zurück zu eilen, Des Lebens Traum noch einmal durchzuträumen! Wie groß und süß, in seines Kindes Tugend Unsterblich, unvergänglich fortzudauern, Wohlthätig für Jahrhunderte! – Wie schön, Zu pflanzen, was ein lieber Sohn einst erntet, Zu sammeln, was ihm wuchern wird, zu ahnen, Wo hoch sein Dank einst flammen wird! – Mein Vater, Von diesem Erdenparadiese schwiegen Sehr weislich ihre Mönche. Philipp (nicht ohne Rührung). O, mein Sohn, Mein Sohn! du brichst dir selbst den Stab. Sehr reizend Malst du ein Glück, das – du mir nie gewährtest. Carlos. Das richte der Allwissende! – Sie selbst, Sie schlossen mich, wie aus dem Vaterherzen, Von Ihres Scepters Anteil aus. Bis jetzt, Bis diesen Tag – o, war das gut, war's billig? – Bis jetzt mußt' ich, der Erbprinz Spaniens, In Spanien ein Fremdling sein, Gefangner Auf diesem Grund, wo ich einst Herr sein werde. War das gerecht, war's gütig? – O, wie oft, Wie oft, mein Vater, sah ich schamroth nieder, Wenn die Gesandten fremder Potentaten, Wenn Zeitungsblätter mir das Neueste Vom Hofe zu Aranjuez erzählten! Philipp. Zu heftig braust das Blut in deinen Adern. Du würdest nur zerstören. Carlos. Geben Sie Mir zu zerstören, Vater. – Heftig braust's In meine Adern – Dreiundzwanzig Jahre, Und nichts für die Unsterblichkeit gethan! Ich bin erwacht, ich fühle mich. – Mein Ruf Zum Königsthron pocht, wie ein Gläubiger, Aus meinem Schlummer mich empor, und alle Verlornen Stunden meiner Jugend mahnen Mich laut wie Ehrenschulden. Er ist da, Der große, schöne Augenblick, der endlich Des hohen Pfundes Zinsen von mir fordert: Mich ruft die Weltgeschichte, Ahnenruhm Und des Gerüchtes donnernde Posaune. Nun ist die Zeit gekommen, mir des Ruhmes Glorreiche Schranken aufzuthun. – Mein König, Darf ich die Bitte auszusprechen wagen, Die mich hieher geführt? Philipp. Noch eine Bitte? Entdecke sie. Carlos. Der Aufruhr in Brabant Wächst drohend an. Der Starrsinn der Rebellen Heischt starke, kluge Gegenwehr. Die Wuth Der Schwärmer zu bezähmen, soll der Herzog Ein Heer nach Flandern führen, von dem König Mit souveräner Vollmacht ausgestattet. Wie ehrenvoll ist dieses Amt, wie ganz Dazu geeignet, Ihren Sohn im Tempel Des Ruhmes einzuführen! – Mir, mein König, Mir übergeben Sie das Heer. Mich lieben Die Niederländer; ich erkühne mich, Mein Blut für ihre Treue zu verbürgen. Philipp. Du redest, wie ein Träumender. Dies Amt Will einen Mann und keinen Jüngling – Carlos. Will Nur einen Menschen, Vater, und das ist Das Einzige, was Alba nie gewesen. Philipp. Und Schrecken bändigt die Empörung nur. Erbarmung hieße Wahnsinn. – Deine Seele Ist weich, mein Sohn, der Herzog wird gefürchtet – Steh ab von deiner Bitte. Carlos. Schicken Sie Mich mit dem Heer nach Flandern, wagen Sie's Auf meine weiche Seele. Schon der Name Des königlichen Sohnes, der voraus Vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert, Wo Herzog Albas Henker nur verheeren. Aus meinen Knieen bitt' ich drum. Es ist Die erste Bitte meines Lebens – Vater, Vertrauen Sie mir Flandern – Philipp (den Infanten mit einem durchdringenden Blick betrachtend). Und zugleich Mein bestes Kriegsheer deiner Herrschbegierde? Das Messer meinem Mörder? Carlos. O mein Gott! Bin ich nicht weiter, und ist das die Frucht Von dieser längst erbetnen großen Stunde? (Nach einigem Nachdenken, mit gemildertem Ernst.) Antworten Sie mir sanfter! Schicken Sie Mich so nicht weg! Mit dieser übeln Antwort Möcht' ich nicht gern entla**en sein, nicht gern Entla**en sein mit diesem schweren Herzen. Behandeln Sie mich gnädiger. Es ist Mein dringendes Bedürfniß, ist mein letzter, Verzweifelter Versuch – ich kann's nicht fa**en, Nicht standhaft tragen wie ein Mann, daß Sie Mir Alles, Alles, Alles so verweigern. Jetzt la**en Sie mich von sich. Unerhört, Von tausend süßen Ahnungen betrogen, Geh' ich aus Ihrem Angesicht. – Ihr Alba Und Ihr Domingo werden siegreich thronen, Wo jetzt Ihr Kind im Staub geweint. Die Schaar Der Höflinge, die bebende Grandezza, Der Mönche sünderbleiche Zunft war Zeuge, Als Sie mir feierlich Gehör geschenkt. Beschämen Sie mich nicht! So tödtlich, Vater, Verwunden Sie mich nicht, dem frechen Hohn Des Hofgesindes schimpflich mich zu opfern, Daß Fremdlinge von Ihrer Gnade schwelgen, Ihr Carlos nichts erbitten kann. Zum Pfande, Daß Sie mich ehren wollen, schicken Sie Mich mit dem Heer nach Flandern. Philipp. Wiederhole Dies Wort nicht mehr, bei deines Königs Zorn. Carlos. Ich wage meines Königs Zorn und bitte Zum letzten Mal – Vertrauen Sie mir Flandern. Ich soll und muß aus Spanien. Mein Hiersein Ist Athemholen unter Henkershand – Schwer liegt der Himmel zu Madrid auf mir, Wie das Bewußtsein eines Mords. Nur schnelle Veränderung des Himmels kann mich heilen. Wenn Sie mich retten wollen – schicken Sie Mich ungesäumt nach Flandern. Philipp (mit erzwungener Gela**enheit). Solche Kranke Wie du, mein Sohn, verlangen gute Pflege Und wohnen unterm Aug' des Arzts. Du bleibst In Spanien; der Herzog geht nach Flandern. Carlos (außer sich). O, jetzt umringt mich, gute Geister – Philipp (der einen Schritt zurücktritt). Halt! Was wollen diese Mienen sagen? Carlos (mit schwa*kender Stimme). Vater, Unwiderruflich bleibt's bei der Entscheidung? Philipp. Sie kam vom König. Carlos. Mein Geschäft ist aus. (Geht ab in heftiger Bewegung.) Dritter Auftritt. Philipp bleibt eine Zeitlang in düstres Nachdenken versunken stehen – endlich geht er einige Schritte im Saal auf und nieder. Alba nähert sich verlegen. Philipp. Seid jede Stunde des Befehls gewärtig, Nach Brüssel abzugehen. Alba. Alles steht Bereit, mein König. Philipp. Eure Vollmacht liegt Versiegelt schon im Kabinet. Indessen Nehmt Euren Urlaub von der Königin Und zeiget Euch zum Abschied dem Infanten. Alba. Mit den Geberden eines Wüthenden Sah ich ihn eben diesen Saal verla**en. Auch Eure königliche Majestät Sind außer sich und scheinen tief bewegt – Vielleicht der Inhalt des Gesprächs? Philipp (nach einigem Auf- und Niedergehen). Der Inhalt War Herzog Alba. (Der König bleibt mit dem Aug' auf ihm haften, finster.) – Gerne mag ich hören, Daß Carlos meine Räthe haßt, doch mit Verdruß entdeck' ich, daß er sie verachtet. Alba (entfärbt sich und will auffahren). Philipp. Jetzt keine Antwort. Ich erlaube Euch, Den Prinzen zu versöhnen. Alba. Sire! Philipp. Sagt an: Wer war es doch, der mich zum ersten Mal Vor meines Sohnes schwarzem Anschlag warnte? Da hört' ich Euch und nicht auch ihn. Ich will Die Probe wagen, Herzog. Künftighin Steht Carlos meinem Throne näher. Geht. (Der König begibt sich in das Kabinet. Der Herzog entfernt sich durch eine andere Thüre.)