Unter der Linde Es war an einem Morgen, Die Vöglein sangen süß, Und übern Rasen wallte Das schönste Blumenvließ. Das Börnlein mir zur Seite Sprang leise, leise fort, Mit halbgeschloßnem Auge Saß ich und lauschte dort. Ich sah die Schmetterlinge Sich jagen durch das Licht, Und der Libelle Flügel Mir zittern am Gesicht; Still saß ich, wie gestorben, Und ließ mir's wohlig sein, Und mich mit Blütenflocken Vom Lindenzweig bestreun. Mein Sitz war dicht am Wege, Ich konnte ruhig spähn; Doch mich, verhüllt vom Strauche, Mich hat man nicht gesehn; Wenn knarrend Wagen rollten, Dann drang zu mir der Staub, Und wenn die Vöglein hüpften, Dann zitterte das Laub. Und nahe mir am Hange 'ne alte Buche stand, Um die der ernste Eppich Sich hoch und höher wand. Sein düstres Grün umrankte Noch manchen kranken Zweig; Doch die gesunden spielten Wie doppelt grün und reich. Es war im Maienmonde, Die Blätter atlaszart; Wie hast du, alter Knabe, So frisches Herz bewahrt? Auf einer Seite trauernd Und auf der andern licht, Zeigst du auf grauer Säule Ein Jan*sangesicht. Und eines Freundes dacht' ich, Deß Locken grau und lind, Ein armes Wrack sein Körper Und ach, sein Herz ein Kind; Mich dünkt', ich sah ihn starren Mit Tränen in ein Grab, Und seitwärts Blumen streuen In eine Wieg' hinab. Da weckten Rinderglocken Mich aus den Phantasein; Ein wüster Staubeswirbel Drang durchs Gebüsch hinein, Und mit Geschrei und Schelten Riß Ast und Efeustab Der Treiberknecht vom Baume Und trieb sein Vieh bergab. Ich hörte lang sein Toben Und seinen wüsten Schrei; Doch horch, was trabt so neckend, So drall und knapp herbei? Das Ränzel auf dem Rücken, Barett im blonden Haar, Kam ein Student gepfiffen, Ein lustiger Scholar. » O pescator dell' onde!« Es gellt mir dicht am Ohr; Nun stand er an der Buche, Er hob den Arm empor, Verbrämt sein schlichtes Käpplein Mit Lindenzweiges Zier, Und pfeifend trägt er weiter Sein flatterndes Zimier. Glück auf, mein frischer Junge, Gott gönn' dir Luft und Raum! Wie gern die schmucke Flagge Dir gönnt der heitre Baum; Er ist kein schlimmer Alter, Dem in verdorrter Brust Das Herz vor Ärger zittert Bei blanker Jugend Lust. Doch still, was naht sich wieder? Ein Husten, kurz und hohl, Es schlürft den Anger nieder – Die Schritte kenn' ich wohl! Es ist der Buche Zwilling, Mein greiser, siecher Freund, Auf dessen Haupt so flammend Die Maiensonne scheint. Nun stand er an dem Baume, Lugt' unterm Zelt hinaus, Wie roch er so behaglich An seinem Veilchenstrauß. Nun sucht' er an der Rinde, Er spähte um und um Und lachte ganz verstohlen Und sah verschüchtert um. Dort fand ich tiefe Risse Und dachte Frostes Spalt; Doch wären's Namenszüge, Vermorscht und adamsalt? Nun schlägt er einen Nagel, Er hängt sein Kränzchen auf, Mich dünkt, ich sah erröten Ihn an die Stirn hinauf. O, konntest du mich ahnen, Mein grauer Lysias, In deinem ganzen Leben Wärst du nicht wieder blaß. Doch wer dein spotten könnte, Du Herz voll Kindessinn, Das wär' gewiß kein Mädchen Und keine Dichterin.