Einer wie Viele und Viele wie Einer Ich klage nicht den Mann, der fällt Ein Markstein dem erkämpften Land, Der seines Schicksals Becher hält, Ihn mischend mit entschloßner Hand, Nicht, der entgegentritt dem Sturm Und weiß, daß er die Eiche bricht; Wer war so reich wie Götz im Turm, Wie Morus vor dem Blutgericht? Ich klage nicht den Mann, der stirbt, Von Welt und eigner Glut verzehrt, Ihn, dem des Halmes Frucht verdirbt Und den des Himmels Manna nährt; Correggio nicht, der siech und falb Die Kupferheller heimgebracht, Cervantes, der verhungert halb Ob seines Pansa noch gelacht. Sie sind des Unglücks Fürsten, sind Die Mächtigen im weiten Blau, Sie fühlen, daß ihr Odem rinnt Entzündend um der Erde Bau; Daß aus der Grabesscholle gern Die Ernte freudig schießt und voll, Und daß zerfallen muß der Kern, Wenn sich die Ceder strecken soll. Ihn klag' ich, dessen Liebe groß Und dessen Gabe arm und klein, Den, wie die Glut das dürre Moos, Zehrt jener Strahlen Widerschein; Ihn, der des Funkens Irren fühlt Verheerend in der Adern Bau, Und den die Welle dann verspült, Ein Aschenhäuflein, dünn und grau. O, Eure Zahl ist Legion! Ihr Halbgesegneten, wo scheu Ins Herz der Genius geflohn, Und öde ließ die Phantasei; Ihr, die Euch möchtet flügellos Erchwingen mit des Sehnens Hauch, Und wieder an der Erde Schoß Sinkt wie ein kranker Nebelrauch. Nicht klag' ich Euch, weil Ihr gering, Nicht weil ihr ärmlich und versiecht; Ich weiß es, daß der Zauberring Euch unbewußt am Finger liegt; O, reich seid Ihr und wißt es nicht, Denn reich ist nur der Träume Land; O, stark seid Ihr und wißt es nicht, Denn stark ist nur der Liebe Hand. Wenn Ihr an Eurem Pulte neigt An Eurer öden Staffelei, Um Euch des Himmels Odem steigt Und in Euch der Beklemmung Schrei; Wenn zitternd nach dem Ideal Ihr Eure heißen Arme streckt, Und kaum für Euer täglich Mahl Den Halm die nächsten Furche weckt: Dann seid als der Poet Ihr mehr, Der seines Herzens Blut verkauft, Mehr als der stolze Künstler, der Zur Heiligen die Hetäre tauft; Was Ihr verschweigt, ist lieblicher, Als je des Dichters Glut genährt, Was Ihr begrabt, ist heiliger, Als Farb' und Pinsel je verklärt. Mir gab Natur ein kühnes Herz, Ich senke nicht so leicht den Blick; Mich drückt nicht Größe niederwärts, Drängt keine fremde Hand zurück; Nie hat des Ruhmes Strahlenkranz An fremder Stirne mich gegrämt; Doch vor so stiller Augen Glanz Hab' ich mich hundertmal geschämt. Weinende Quellen, wo sich rollt Das Sonnenbild im Wellenbann, Glühende Stufen, wo das Gold Nicht aus der Schlacke scheiden kann, Ich klag' um Euch, weil Ihr betrübt, Weil Euch das Herz von Tränen schwillt, Unwissend Sel'ge, weil Ihr liebt Und zweifelt an der Gottheit Bild. Wacht, wacht ob Eurem stillen Schatz, Laßt uns das sonnenöde Land, Laßt uns den freien Bühnenplatz Und sterbt im Winkel unbekannt; Einst wißt Ihr, was in Euch gelebt, Und was in dem, der Euch gehöhnt; Einst, wenn der Strahlengott sich hebt Und wenn die Memnonssäule tönt.