Wie schön war's in unserm Städtchen
Vor noch garnicht langer Zeit
Ach, wie traulich und beschaulich
Weit enfernt von Zank und Streit
Denn im Kreise der Bekannten fand man stets den rechten Ton
Weil man wohlig-warm gebettet war im Schoß der Tradition
Bis dann neulich unvermittelt diese Eintracht jäh zerriss
Was uns alle sehr schockierte - da pa**ierte nämlich dies:
Dem Richard seine Frau hat SPD gewählt, und das sagt die auch und schämt sich nicht einmal!
Damit hat sie sich gesellschaftlich ja disqualifiziert! Na, die Sache ist doch wirklich ein Skandal!
Sowas will in unser'n Kreisen
Ja wahrhaftig etwas heißen!
Und ich sag' blos: Kinder, Kinder
Na, da steckt doch was dahinter!
Denn dem Richard seine Frau hat SPD gewählt, dabei ist sie doch ansonsten ganz normal
Freilich, wenn ich's recht bedenke, muss ich sagen: Sie hat immer schon so irgendwas gewisses
Sowas kritisches und mieses
Sowas hämisches subtiles
Sowas ausgesprochen schiefes
Sowas lauerndes und scheeles
Beinah' intelektuelles
Dabei ist sie wirklich reizend, nett und höflich jederzeit
Stets verlässlich
Und nicht hässlich
Herzensgut und hilfsbereit
Und nun hat sie leider Gottes SPD gewählt und es ist doch nun ganz klar, da** das die Freundschaft untergräbt!
Ein Segen nur, da** das ihr guter Vater nicht erfährt, denn das hätt' der alte Herr nicht überlebt!
Zwar ihr Mann, der Fabrikant
Gibt sich leidlich tolerant
Doch er hat so was gedrücktes -
Also, meiner Frau genügt es
Und sie sagt an jedem Teetisch:
"Na, die lebt doch nicht asketisch!
Nein, die liegt doch nunmal auf der schiefen Bahn
Und gleich daneben liegt bestimmt'n and'rer Mann!"
Na, hm, Gott, uns geht es ja nichts an, wir verzeih'n auch vieles gern -
Doch mit sowas könnten wir nicht mehr verkehr'n!