III. Aufsätze von Hauser. [Fußnote]
Der Gang, den Hausers geistige Entwicklung nahm, läßt sich sehr wohl an den schriftlichen Versuchen nachweisen, die ich (Daumer) von ihm in Händen habe. Im Herbste des Jahres 1828 ließ ich ihn kleine Aufsätze über beliebige Gegenstände fertigen, die ihm sodann verbessert wurden. Ein paar von diesen, die ich ganz so fehlerhaft, wie er sie schrieb, hersetze, sind folgende. Sie sind das erste, was er schriftlich entwarf, und er erscheint darin noch ganz als Kind.
I.
»Gestern hat mir der Herr Baron von Schaeuerl einen Köstlichen Ring gebracht daß ich noch keine so große Freude gehabt habe, als wie gestern und dieser Ring soll ein Andenken sein so lange ich lebe so vergesse ich den Herrn Baron von Schaeuerl nicht weil er mir ein so schönes Andenken gegeben hat.«
II.
»Gestern bin ich auf der Peterheide gewesen da habe ich recht viele Menschen gesehen und viele andere Sachen auch Affen die haben viele Künsten gemacht aber diese sind abscheuliche Tiere und ich habe auch Hunde gesehen die haben Tanzen können und haben schöne Kleider angehabt, die sind recht schön gewesen.«
III.
»Vor etliche wochen habe ich von Gartenkreß mein Namen gesähet und dieser ist recht schön gekommen der hat mir ein solche Freude gemacht das ich es nicht sagen kann und da ist einer in Garten herein gekommen hat viele Birn fortgetragen der hat mir meinen Namen Zertreten da habe ich geweint dann hat Herr Professor gesagt ich soll ihn wieder machen, ich habe ihn gemacht den andern Morgen haben mir wieder die Katzen Zertreten.«
Ich veranlaßte ihn noch im Jahre 1828, eine Geschichte seiner Schicksale zu schreiben. Von dieser – wie er denn überhaupt seine Aufsätze endlos umzuarbeiten pflegte – sind mehrere Anfänge vorhanden. Der erste lautet so:
»Die Geschichte von
Kaspar Hauser ich will es selbst schreiben, wie hart es mir ergangen hat. Da wo ich immer eingespirt war in diesen Gefängniß da war es mir recht gut vorkommen, weil ich von der Welt nichts gewußt habe und so lange ich eingespirt war und keinen Menschen niemals gesehen habe. Ich habe zwei hölzerne Pferd und ein Hund gehabt, mit diesen habe ich immer gespielt, aber ich kann es nicht sagen, ob ich den ganzen Tag gespielt habe oder eine Woche ich wußte nicht was ein Tag oder eine Woche ist, und ich will es beschreiben wie es ausgesehen hat in dem Gefängniß da war ein Stroh darin« usw.
Ein anderer Anfang ist folgender:
»Diese Geschichte von Kaspar Hauser, will ich selber schreiben. Wie ich in den Gefängniß gelebt habe, und beschreibe wie es ausgesehen hat und alles was bei mir darin gewesen ist« usw. Von einem dritten Versuche, vom Februar 1829, worin schon eine gebildetere, doch noch sehr natürliche und naive Schreibart erscheint, ist folgendes ein Stück.
»Diese Lebensbeschreibung von meinen vorigen Zustand nach der Erinnerung geschrieben. [Fußnote]
Folgende Reime, die er im Frühling des Jahres 1829 an einem Tage, an welchem er sich vorzüglich wohl befand und einer heitern Zukunft entgegensah, niederschrieb, sind noch ganz in seiner ersten natürlichen Sprache verfaßt:
»Mein erstes Jahr begrüß ich heut
In Dank und Liebe hocherfreut,
Von vieler Noth und Last gedrückt,
Von heute an genieß ich was mein Herz entzückt,
Und fühl auch jetzt mich neu beglückt.
In meinem ersten Jahre steh ich nun,
Da gibts erstaunlich viel zu thun,
Zum Schreiben und zum Mahlen,
Zum Rechnen oft mit Zahlen.
Gott wollte, daß ich sehe, wies in der Welt hergeht,
Und zu lesen, was in den Büchern steht,
Und anzubauen mein Gartenbeet. [Fußnote] Gott wird die Kraft mir geben in Jugendtagen,
Um die Klugen auszufragen.
Jetzt muß ich mich vorbereiten,
Täglich fortzuschreiten;
Ein Schritt ist nicht gar viel,
Doch führt er mich noch zu mein' erwünschten Ziel.«
Nun aber geriet er in seinen Aufsätzen in sentimentale Schwülstigkeit und Geziertheit, ein Durchgangspunkt der Bildung, an welchen andere geraten, wenn sie die Zeit der Kindheit schon weit hinter sich liegen haben, zu dem aber Hauser aus der Periode der Kindheit und des Knabenalters schon im zweiten Entwicklungsjahre seines neubegonnenen Lebens übertrat«. (Mein obengenannter Freund schrieb in dieser Beziehung an Hauser: »Sie haben die verschiedenen Alter, vom Kinde bis zum Jüngling, in einer so kurzen Zeit durchlaufen, daß man Ihr Leben mit einer Alpenreise vergleichen kann, die in dem Zeitraum von wenigen Tagen, ja oft von wenigen Stunden, die Erscheinungen der verschiedenen Jahreszeiten vor dem Blick vorüberführt.« D.) In einem Briefe schrieb er damals unter anderem: »der Wonnemonat wäre bald mein Sterbemonat geworden.« (Er war durch einen eingesogenen Duft schwer erkrankt. D.) Einem neuen Entwurf der Lebensgeschichte gab er folgenden gesuchten Eingang:
»Lebensgeschichte von Kaspar Hauser in Nürnberg.
Welcher Erwachsene gedachte nicht mit trauriger Rührung an mein unschuldige Einsperrung für meine jungen Jahre, die ich in meiner blühtesten (blühendsten) Lebenszeit zugebracht habe. Das sich so manche Jugend das Leben erfreuet hat, in entzückenden goldenen Träumen und Vergnügen lebten da meine Natur noch gar nicht erweckt war« usw.