Ich saß auf einem Stein
Und schlug Bein über Bein
Den Ellenbogen stützt' ich drauf
Die Hand nahm Kopf und Wange auf
Meine Gedanken flogen!
Großer Poet, Walther von der Vogelweide
Swer daz vergaeze, der taete mir leide!
Du bist, was deine Lieder sind, mehr wissen wir nicht von dir, Poet
Dein Leben erhellt Geschichte nur, die im Historienbuch steht!
Wo Falschheit und Faustrecht regierten, Unrecht den Ha** gebar
Wo selbst die hohe Geistlichkeit nicht immer edel war
Und mit ewiger Verdammnis der Seele Weib und Mann willfährig genarrt
Und deine Liederbrüder noch minneselig im Süßholzraspeln verharrt
Erkanntest du, singender Dichter und kamst mit scharfem Ton zum Gefecht:
Wo die Herrschenden im Streite liegen, geht's den Beherrschten schlecht!
Großer Poet, Walther von der Vogelweide
Swer daz vergaeze, der taete mir leide!
Heut' hochgelobt, je nach Laune der Gönner bei Hofe glänzend geehrt
Und morgen verfemt und als Gesindel schnöd' vor die Tür gekehrt
Auf Stellungssuche, lebenslang um die Gunst der Herrn zu bitten
Da hat dir, Rechtloser, die Selbstzensur das Dichten oft arg beschnitten
Und doch schlug manch' pra**endem Herrn bei Tische dein Singen auf den Magen
Denn, setzte er dich ins Unrecht, hast du ihm deine Kunst voll' Zorn um die Ohren geschlagen
Dieses aber hieß: Weiterzieh'n, Wandervogel und Weitersingen
Im nächsten Käfig der Abhängigkeit - doch mit ungebrochenen Schwingen!
Großer Poet, Walther von der Vogelweide
Swer daz vergaeze, der taete mir leide!
Minnesang: Die hêre Dame in eisige Höhe zu dichten
Während schicksalsergeben der Sänger sich schmachtend übt im Verzichten!
Du warst sie leid zu besingen, Frauen, stumm, gefühllos, keusch und gut
Du gabst ihnen Sprache und zeigtest, auch sie waren aus Fleisch und Blut!
Sommerwonne und Kuscheln und Kosen im kühlenden Schatten der Linde
Und gleich sein, ob Mann, ob Frau, ob Herre oder Gesinde
So hast du Mädchen von niederem Stand zu hêren frouwen erhoben -
Wie sollten die feinen Leute dich für solchen Misston loben?
Großer Poet, Walther von der Vogelweide
Swer daz vergaeze, der taete mir leide!
Im Herbst deines Lebens, als dir endlich ein Herr das ersehnte Lehen gibt
Hat die neue Geborgenheit dir nicht den Sinn für den Zustand der Welt getrübt!
Wohl vierzig Jahr' gesungen, gerungen, gelitten, gestritten, belacht
Nicht hochgeboren, hast du mit schmerzvoller Beharrlichkeit deine Geschichte gamacht!
Ferner Sangesbruder, Walther, du wirst bis heut' verehrt
Wie tröstlich, zu wissen, da** man solche wie dich immer wieder hört!
Auf revolutionären Ton verstand'st du dich nicht und trugst dennoch dazu bei
In Menschen etwas in Bewegung zu bringen, mit Singen! Tandaradei!