Zweiter Auftritt Der Patriarch, welcher mit allem geistlichen Pomp den einen Kreuzgang heraufkommt, und die Vorigen. Tempelherr. Ich wich' ihm lieber aus. – Wär' nicht mein Mann! Ein dicker, roter, freundlicher Prälat! Und welcher Prunk! Klosterbruder. Ihr solltet ihn erst sehn Nach Hofe sich erheben. Itzo kömmt Er nur von einem Kranken. Tempelherr. Wie sich da Nicht Saladin wird schämen müssen! Patriarch (indem er näherkommt, winkt dem Bruder). Hier! – Das ist ja wohl der Tempelherr. Was will Er? Klosterbruder. Weiß nicht. Patriarch (auf ihn zugehend, indem der Bruder und das Gefolge zurücktreten). Nun, Herr Ritter! – Sehr erfreut, Den braven jungen Mann zu sehn! – Ei, noch So gar jung! – Nun, mit Gottes Hilfe, daraus Kann etwas werden. Tempelherr. Mehr, ehrwürd'ger Herr, Wohl schwerlich, als schon ist. Und eher noch, Was weniger. Patriarch. Ich wünsche wenigstens, Daß so ein frommer Ritter lange noch Der lieben Christenheit, der Sache Gottes Zu Ehr' und Frommen blühn und grünen möge! Das wird denn auch nicht fehlen, wenn nur fein Die junge Tapferkeit dem reifen Rate Des Alters folgen will! – Womit wär' sonst Dem Herrn zu dienen? Tempelherr. Mit dem nämlichen, Woran es meiner Jugend fehlt: mit Rat. Patriarch. Recht gern! – Nur ist der Rat auch anzunehmen. Tempelherr. Doch blindlings nicht? Patriarch. Wer sagt denn das? – Ei freilich Muß niemand die Vernunft, die Gott ihm gab, Zu brauchen unterla**en, – wo sie hin- Gehört. – Gehört sie aber überall Denn hin? – O nein! – Zum Beispiel: wenn uns Gott Durch einen seiner Engel, – ist zu sagen, Durch einen Diener seines Worts, – ein Mittel Bekannt zu machen würdiget, das Wohl Der ganzen Christenheit, das Heil der Kirche, Auf irgendeine ganz besondre Weise Zu fördern, zu befestigen: wer darf Sich da noch unterstehn, die Willkür des, Der die Vernunft erschaffen, nach Vernunft Zu untersuchen? und das ewige Gesetz der Herrlichkeit des Himmels, nach Den kleinen Regeln einer eiteln Ehre Zu prüfen? – Doch hiervon genug. – Was ist Es denn, worüber unsern Rat für itzt Der Herr verlangt? Tempelherr. Gesetzt, ehrwürd'ger Vater, Ein Jude hätt' ein einzig Kind, – es sei Ein Mädchen, – das er mit der größten Sorgfalt Zu allem Guten auferzogen, das Er liebe mehr als seine Seele, das Ihn wieder mit der frömmsten Liebe liebe. Und nun würd' unsereinem hinterbracht, Dies Mädchen sei des Juden Tochter nicht; Er hab' es in der Kindheit aufgelesen, Gekauft, gestohlen, – was Ihr wollt; man wisse, Das Mädchen sei ein Christenkind, und sei Getauft; der Jude hab' es nur als Jüdin Erzogen; la**' es nur als Jüdin und Als seine Tochter so verharren: – sagt, Ehrwürd'ger Vater, was wär' hierbei wohl Zu tun? Patriarch. Mich schaudert! – Doch zu allererst Erkläre sich der Herr, ob so ein Fall Ein Faktum oder eine Hypothes'. Das ist zu sagen: ob der Herr sich das Nur bloß so dichtet, oder ob's geschehn, Und fortfährt zu geschehn. Tempelherr. Ich, glaubte, das Sei eins, um Euer Hochehrwürden Meinung Bloß zu vernehmen. Patriarch. Eins? – Da seh' der Herr Wie sich die stolze menschliche Vernunft Im Geistlichen doch irren kann. – Mitnichten! Denn ist der vorgetragne Fall nur so Ein Spiel des Witzes: so verlohnt es sich Der Mühe nicht, im Ernst ihn durchzudenken. Ich will den Herrn damit auf das Theater Verwiesen haben, wo dergleichen pro Et contra sich mit vielem Beifall könnte Behandeln la**en. – Hat der Herr mich aber
Nicht bloß mit einer theatral'schen Schnurre Zum besten; ist der Fall ein Faktum; hätt' Er sich wohl gar in unsrer Diözes', In unsrer lieben Stadt Jerusalem Ereignet: – ja alsdann – Tempelherr. Und was alsdann? Patriarch. Dann wäre an dem Juden fördersamst Die Strafe zu vollziehn, die päpstliches Und kaiserliches Recht so einem Frevel, So einer Lastertat bestimmen. Tempelherr. So? Patriarch. Und zwar bestimmen obbesagte Rechte Dem Juden, welcher einen Christen zur Apostasie verführt, – den Scheiterhaufen, Den Holzstoß – Tempelherr. So? Patriarch. Und wieviel mehr dem Juden, Der mit Gewalt ein armes Christenkind Dem Bunde seiner Tauf' entreißt! Denn ist Nicht alles, was man Kindern tut, Gewalt? – Zu sagen: – ausgenommen, was die Kirch' An Kindern tut. Tempelherr. Wenn aber nun das Kind, Erbarmte seiner sich der Jude nicht, Vielleicht im Elend umgekommen wäre? Patriarch. Tut nichts! der Jude wird verbrannt! – Denn besser, Es wäre hier im Elend umgekommen, Als daß zu seinem ewigen Verderben Es so gerettet ward. – Zudem, was hat Der Jude Gott denn vorzugreifen? Gott Kann, wen er retten will, schon ohn' ihn retten. Tempelherr. Auch trotz ihm, sollt' ich meinen, – selig machen. Patriarch. Tut nichts! der Jude wird verbrannt. Tempelherr. Das geht Mir nah'! Besonders, da man sagt, er habe Das Mädchen nicht sowohl in seinem, als Vielmehr in keinem Glauben auferzogen, Und sie von Gott nicht mehr nicht weniger Gelehrt, als der Vernunft genügt. Patriarch. Tut nichts! Der Jude wird verbrannt ... Ja, wär' allein Schon dieserwegen wert, dreimal verbrannt Zu werden! – Was? ein Kind ohn' allen Glauben Erwachsen la**en? – Wie? die große Pflicht, Zu glauben, ganz und gar ein Kind nicht lehren? Das ist zu arg! Mich wundert sehr, Herr Ritter, Euch selbst ... Tempelherr. Ehrwürd'ger Herr, das übrige, Wenn Gott will, in der Beichte. (Will gehn.) Patriarch. Was? mir nun Nicht einmal Rede stehn? – Den Bösewicht, Den Juden mir nicht nennen? – mir ihn nicht Zur Stelle schaffen? – O da weiß ich Rat! Ich geh sogleich zum Sultan. – Saladin, Vermöge der Kapitulation, Die er beschworen, muß uns, muß uns schützen; Bei allen Rechten, allen Lehren schützen, Die wir zu unsrer Allerheiligsten Religion nur immer rechnen dürfen! Gottlob! wir haben das Original. Wir haben seine Hand, sein Siegel. Wir! – Auch mach ich ihm gar leicht begreiflich, wie Gefährlich selber für den Staat es ist, Nichts glauben! Alle bürgerliche Bande Sind aufgelöset, sind zerrissen, wenn Der Mensch nichts glauben darf. – Hinweg! hinweg Mit solchem Frevel! ... Tempelherr. Schade, daß ich nicht Den trefflichen Sermon mit beßrer Muße Genießen kann! Ich bin zum Saladin Gerufen. Patriarch. Ja? – Nun so – Nun freilich – Dann – Tempelherr. Ich will den Sultan vorbereiten, wenn Es Eurer Hochehrwürden so gefällt. Patriarch. Oh, oh! – Ich weiß, der Herr hat Gnade funden Vor Saladin! – Ich bitte meiner nur Im Besten bei ihm eingedenk zu sein. – Mich treibt der Eifer Gottes lediglich. Was ich zuviel tu, tu ich ihm. – Das wolle Doch ja der Herr erwägen! – Und nicht wahr, Herr Ritter? das vorhin Erwähnte von Dem Juden, war nur ein Problema? – ist Zu sagen – Tempelherr. Ein Problema. (Geht ab.) Patriarch. (Dem ich tiefer Doch auf den Grund zu kommen suchen muß. Das wär' so wiederum ein Auftrag für Den Bruder Bonafides.) – Hier, mein Sohn! (Er spricht im Abgehn mit dem Klosterbruder.)