Er fährt ein Zug durch die Zeit, der heißt Fortschritt
Da sitzen alle die drin, die sich nicht alles gefallen la**en
Die sich wehren, die gegen Missstände Sturm laufen
Die das Maul aufmachen und nicht nur an sich denken
Die was tun
Da sitzen Jugendliche drin, da sitzen Eltern drin
Kinder, Greise
Da sitzen Weiße drin, Schwarze, Rote, Gelbe
Da fahren alle Völker der Welt mit
Und während der Zug durch die Zeit fährt
Unterhalten die Leute sich drinnen
In den verschiedensten Sprachen und verstehen sich
Und sie denken alle an das Gleiche, nämlich
An ein menschenwürdiges Dasein
An ein Dasein, wo sich niemand mehr seiner Herkunft schämen muss
An ein Dasein, wo sich niemand mehr minderwertig vorkommen muss
Wo keine Träne mehr vor Wut oder Ohnmacht vergossen wird
Wo man in den Gesichtern allenfalls Lachfalten sieht
Und bei Dir im Abteil, da sitzen Jugendvertreter drin
Gewerkschafter, von Berufsverbot betroffene Genossen
Da sitzt eine alte Frau, die gegen Hitler im Untergrund gekämpft hat
Daneben ein Mann, der in Berlin bei der Novemberrevolution dabei war
Und schräg gegenüber, der Alte, sieht aus wie Marx
Und während ihr darüber redet, wie der Zug noch schneller fahren könnte
Rauscht draußen am Fenster die Zeit vorbei
Da fahren wir durch die Trümmer von Rom
Wo verzweifelte Patrizier sich jetzt selber die Füße küssen
Da fahren wir über die Schlachtfelder des Mittelalters
Wo verzweifelte Könige jetzt alleine Krieg führen
Da fahren wir über die Ländereien der Lehnsherren
Die sich jetzt verzweifelt selbst ausplündern
Da sehen wir die deutschen Fürsten, die jetzt selbst hungern
Da fahren wir vorbei an verfallenen Lustschlössern
An Sommerresidenzen, an Fluchtburgen
Da sehen wir Sklavenaufstände, Bauernunruhen, Französische Revolution
Unabhängigkeitskrieg in Amerika, Weberaufstand in Schlesien
Oktoberrevolution in Russland, Novemberrevolution in Deutschland
Vietcong, FRELIMO
Bewegung der Streitkräfte in Portugal
Zwischendurch hält der Zug an
Dann steigen wieder die fortschrittlichen Kräfte ihrer Zeit ein
Da siehst Du den Heine einsteigen, den Brecht, den Tucholsky
Da siehst Du all die vielen ganz normalen Leute einsteigen
Die einfach nichts anderes wollen, als Gerechtigkeit
Die einfach sagen: "Fortschritt"
"Das ist auch kürzere Arbeitszeit"
"Fortschritt"
"Das ist auch mehr Lohn, mehr Bildung, mehr Schulen, weniger Kasernen"
Und die sagen natürlich
"Wozu taugen Unternehmer, die Krisen nicht verhindern, sondern daran verdienen"
"Die den Fortschritt bremsen"
"Die die Schienen blockieren"
"Deren Verfa**ung Stiefel trägt"
"Deren Freiheit das Horst-Wessel-Lied pfeift"
Und immer mehr Leute steigen in den Zug
Und die Kapitalisten haben Angst, da** er weiterfährt
Und versuchen, Euch hinauszulocken
Und la**en Euch von ihren Realpolitikern Wirtschaftsmärchen erzählen
Und versprechen Euch haltbare Seifenblasen
Und Einbahnstraßen in beiden Richtungen
Und einen sozialen Kapitalismus
Doch die Leute im Zug lächeln hinaus
Und der Zug fährt langsam an
Wird schneller und schneller
Und ein Trittbrettfahrer nach dem anderen fliegt runter
Und die Reaktionäre werden in der Ferne immer kleiner
Und da nie gerecht werden kann, was auf Kosten Anderer geht
Da nie sozial werden kann, was nur Wenigen nützt
Da nie human werden kann, was über Leichen geht
Nie friedfertig, was am Krieg verdient
Nie menschlich, was unterdrückt
Nie fortschrittlich, was den Freiheitswillen bekämpft
Deshalb konnte niemand die Patrizier vor den Sklaven retten
Deshalb konnte niemand die Lehnsherren von den Leibeigenen retten
Niemand die Fürsten vor den Bauern
Niemand die Könige vorm Volk
Und niemand wird die Kapitalisten vor den Arbeitern retten können