Aesop - Der Fuchs und der Holzhacker (Kapitel 36-56) lyrics

Published

0 223 0

Aesop - Der Fuchs und der Holzhacker (Kapitel 36-56) lyrics

Zeus und das Kamel Ein Kamel, das einen Stier erblickte, welcher auf seine Hörner stolz war, beneidete diesen und wünschte sich denselben Schmuck; deshalb trat es vor Zeus und bat ihn gleichfalls um Hörner. Der Gott, welcher dem Tiere einen großen Körper und Stärke des Leibes, die ihm nötig waren, verliehen hatte, zürnte über die Unbescheidenheit desselben und versagte ihm nicht bloß die Hörner, sondem nahm ihm auch etwas von der Länge der Ohren hinweg. Viele verlieren, indem sie mehr zu gewinnen streben, dasjenige, was sie in Sicherheit genießen könnten. Der Löwe und der Bär Ein Fuchs war einmal auf Jagd gegangen, einen guten Bissen zu erbeuten. Er war noch nicht lange unterwegs, als er ein lautes Streiten vernahm. Ein Bär schlug mit seinen Tatzen nach einem Löwen und fauchte ihn wütend an: »Ich war der erste beim Hirschkalb. Die Beute gehört mir, ich habe sie gefangen.« »Nein!« brüllte der Löwe zornig zurück. »Du lügst! Ich war als erster hier, und darum gehört die Beute mir.« Er wehrte sich kräftig und schnappte mit seinen scharfen Zähnen nach dem Fell des Bären. Der Löwe und der Bär kämpften verbissen miteinander. Dem Fuchs erschien der Kampf endlos, denn nicht weit von ihm entfernt lag die Streitbeute, und er mußte sich zusammenreißen, daß er sich nicht gleich auf das Hirschkalb stürzte. Aber er war klug und sagte sich: »Sind die Streitenden erst erschöpft, so können sie mir nichts mehr anhaben.« Als der Bär und der Löwe nach unerbittlichem Kampf endlich kraftlos zusammenbrachen, waren sie tatsächlich nicht mehr fähig, sich zu rühren. Der Fuchs schritt an ihnen vorbei und holte sich die Beute. Er verneigte sich höflich und sagte: »Danke, meine Herren, sehr freundlich, wirklich sehr freundlich!« Lachend zog er mit dem Hirschkalb ab. Zwei Freunde und ein Bär Zwei Freunde gelobten sich gegenseitig, sich in allen Fällen treu beizustehen und Freud und Leid miteinander zu teilen. So traten sie ihre Wanderschaft an. Unvermutet kam ihnen auf einem engen Waldwege ein Bär entgegen. Vereint hätten sie ihn vielleicht bezwungen. Da aber dem einen sein Leben zu lieb war, verließ er, ebenso bald vergessend, was er kurz vorher versprochen hatte, seinen Freund und kletterte auf einen Baum. Als sich der andere nun verla**en sah, hatte er kaum noch Zeit, sich platt auf den Boden zu werfen und sich tot zu stellen, weil er gehört hatte, daß der Bär keine Toten verzehre. Der Bär kam nun herbei, beleckte dem Daliegenden die Ohren, warf ihn mit der Schnauze einige Male herum und trabte dann davon, weil er ihn für tot hielt. Sobald die Gefahr vorüber war, stieg jener vom Baume herab und fragte seinen Gefährten voll Neugierde, was ihm der Bär zugeflüstert habe? »Eine vortreffliche Warnung«, antwortete dieser, »nur schade, daß ich sie nicht früher gewußt habe.« Man solle sich nicht mit Menschen einla**en, die ihre Freunde in der Not verla**en. Jupiter und die Schlange Als Jupiter seine Vermählung feierte, brachten ihm alle Tiere Geschenke dar. Auch die Schlange kroch in den Himmel und trug eine Rose im Munde; doch als Jupiter sie erblickte, sprach er: »Gern und freudig nehme ich die Geschenke der übrigen an, aber von dir will ich nichts haben.« Die Geschenke der Schlechten sind unwillkommen. Das Lamm und der Wolf Ein Lämmchen löschte an einem Bache seinen Durst. Fern von ihm, aber näher der Quelle, tat ein Wolf das gleiche. Kaum erblickte er das Lämmchen, so schrie er: »Warum trübst du mir das Wa**er, das ich trinken will?« »Wie wäre das möglich«, erwiderte schüchtern das Lämmchen, »ich stehe hier unten und du so weit oben; das Wa**er fließt ja von dir zu mir; glaube mir, es kam mir nie in den Sinn, dir etwas Böses zu tun!« »Ei, sieh doch! Du machst es gerade, wie dein Vater vor sechs Monaten; ich erinnere mich noch sehr wohl, daß auch du dabei warst, aber glücklich entkamst, als ich ihm für sein Schmähen das Fell abzog!« »Ach, Herr!« flehte das zitternde Lämmchen, »ich bin ja erst vier Wochen alt und kannte meinen Vater gar nicht, so lange ist er schon tot; wie soll ich denn für ihn büßen.« »Du Unverschämter!« so endigt der Wolf mit erheuchelter Wut, indem er die Zähne fletschte. »Tot oder nicht tot, weiß ich doch, daß euer ganzes Geschlecht mich ha**et, und dafür muß ich mich rächen.« Ohne weitere Umstände zu machen, zerriß er das Lämmchen und verschlang es. Das Gewissen regt sich selbst bei dem größten Bösewichte; er sucht doch nach Vorwand, um da**elbe damit bei Begehung seiner Schlechtigkeiten zu beschwichtigen. Des Löwen Anteil Löwe, Esel und Fuchs schlossen einen Bund und gingen zusammen auf die Jagd. Als sie nun reichlich Beute gemacht hatten, befahl der Löwe dem Esel, diese unter sie zu verteilen. Der machte drei gleiche Teile und forderte den Löwen auf, sich selbst einen davon zu wählen. Da aber wurde der Löwe wild, zerriß den Esel und befahl nun dem Fuchs zu teilen. Der nun schob fast die ganze Beute auf einen großen Haufen zusammen und ließ für sich selbst nur ein paar kleine Stücke über. Da schmunzelte der Löwe: »Ei, mein Bester, wer hat dich so richtig teilen gelehrt?« Huhn und Eier Eine arme Frau hatte nur ein Huhn, aber das war ihre Freude, denn es legte täglich ein Ei. Da sprach sie bei sich: »Gutes Tierchen, wenn ich dir doppeltes Futter gebe, dann legst du mir bestimmt jeden Tag zwei Eier!« Sie tat so in ihrer Unvernunft. Da wurde das Huhn fett und immer fetter und legte schließlich überhaupt nicht mehr. Der Löwe, der Fuchs und der Esel Ein Löwe, ein Fuchs und ein Esel gingen miteinander auf die Jagd, nachdem sie vorher ein**eworden waren, den Raub ganz gleich unter sich zu verteilen. Ihre Beute war groß. Der Esel erhielt vom Löwen den Befehl zur Teilung, die er auch so gewissenhaft als möglich veranstaltete, und bat dann den Löwen, zu wählen. Allein ergrimmt zerriß ihn der Löwe und übertrug dem Fuchs eine neue Teilung. Dieser häufte alles zusammen, legte den Esel obenauf und erbat sich nur etwas Weniges für seine Mühe. »Schön, mein Freund«, sagte der Löwe, »sage mir doch, wer hat dich so schön teilen gelehrt?« »Das Schicksal des Esels«, war seine Antwort. Unfälle des Nebenmenschen sollen uns witzigen. Die Stadt- und die Landmaus Eine Landmaus hatte ihre Freundin, eine Stadtmaus, zu sich eingeladen und empfing sie in ihrer sehr bescheidenen Wohnung aufs freundlichste. Um ihren Mangel der sehr verwöhnten Städterin nicht merken zu la**en, hatte sie alles, was das Landleben Gutes bot, herbeigeschafft und aufgetischt. Da waren frische Erbsen, getrocknete Traubenkerne, Hafer und auch ein Stückchen Speck, wovon die Landmaus nur bei außergewöhnlichen Gelegenheiten aß. Mit großer Genugtuung überschaute sie ihre Tafel und unterließ nicht, ihrer Freundin unablässig zuzusprechen. Aber die Stadtmaus, durch die vielen gewohnten Leckereien verwöhnt, beroch und benagte die Speisen nur sehr wenig und stellte sich der Höflichkeit halber so, als wenn es ihr schmecke, konnte aber doch nicht umhin die Gastgeberin merken zu la**en, daß alles sehr wenig nach ihrem Geschmack gewesen sei. »Du bist eine recht große Törin«, sprach sie zu ihr, »daß du hier so kümmerlich dein Leben fristest, während du es in der Stadt so glänzend führen könntest wie ich. Gehe mit mir in die Stadt unter Menschen, dort hast du Vergnügen und Überfluß.« Die Landmaus war bald entschlossen und machte sich zum Mitgehen bereit. Schnell hatten sie die Stadt erreicht, und die Städterin führte sie nun in einen Palast, in welchem sie sich hauptsächlich aufzuhalten pflegte; sie gingen in den Speisesaal, wo sie noch die Überbleibsel eines herrlichen Abendschmauses vorfanden. Die Stadtmaus führte ihre Freundin nun zu einem prachtvollen, mit Damast überzogenen Sessel, bat sie, Platz zu nehmen, und legte ihr von den leckeren Speisen vor. Lange nötigen ließ sich die Landmaus nicht, sondern verschlang mit Heißhunger die ihr dargereichten Leckerbissen. Ganz entzückt war sie davon und wollte eben in Lobsprüche ausbrechen, als sich plötzlich die Flügeltüren öffneten und eine Schar Diener hereinstürzte. um die Reste des Mahles zu verzehren. Bestürzt und zitternd flohen beide Freundinnen, und die Landmaus, unbekannt in dem großen Hause, rettete sich noch mit Mühe in eine Ecke der Stube. Kaum hatte sich die Dienerschaft entfernt, als sie auch schon wieder hervorkroch und noch vor Schrecken zitternd zu ihrer Freundin sprach: »Lebe wohl! Einmal und nie wieder! Lieber will ich meine ärmliche Nahrung in Frieden genießen, als hier bei den ausgesuchtesten Speisen schwelgen und stets für mein Leben fürchten müssen.« Genügsamkeit und Zufriedenheit macht glücklicher als Reichtum und Überfluß unter großen Sorgen. Die Taube und die Krähe Eine Taube brüstete sich unter andern Vögeln mit ihrer Fruchtbarkeit: »Ich brüte«, sagte sie, »jährlich acht bis zwölf Junge aus, atze sie, lehre sie fressen und fliegen, fliege mit ihnen auf die Kornfelder und lebe froh mit Kindern, Enkeln und Urenkeln, während ihr andern Vögel kaum ein Paar aushecket!« »Still!« sagte eine Krähe, die dies mit anhörte, »prahle doch ja nicht mit einem Gegenstand, der dir so unendlich viel Kummer und Leid verursacht! So viele Junge du hast, so viele Male hast du Trauer anzulegen. Kaum haben sie die ersten Federn, so sind sie auch schon auf den Tafeln der Menschen.« So ist's im Leben: Kurze Freud, viel Leid und doch halten die Freuden unserem Gedächtnis länger nach. Der Hund und der Wolf Es war in einem strengen Winter. Ein Wolf hatte schon seit Tagen vom Hunger geplagt den Wald durchzogen und nach Nahrung gesucht. Jeder Bissen hätte ihn erfreuen können, selbst der Rest einer verwesenden Maus, so ausgehungert war er. Ein mageres Hündchen lief im unvorsichtigerweise über den Weg. Es bibberte vor Furcht und Kälte. »Du kommst mir wie gerufen«, freute sich der Wolf und packte den ängstlichen Dreikäsehoch beim Fell. »Halt, lieber Wolf, nicht so unüberlegt, siehst du denn nicht, wie ausgezehrt ich bin? Du mußt dich ja vor mir ekeln« »Quatsch keinen Unsinn, ich bin nicht wählerisch«, knurrte der Wolf verärgert. »Du bringst dich um den besten Bissen deines Lebens!« kläffte das Hündchen. »Du müßtest mich erst einmal sehen, wenn ich mich morgen von den unzähligen Köstlichkeiten des Hochzeitsmahls gemästet habe. Morgen werde ich wohlgenährt sein und strotzen vor Fett. Denn dann heiratet die Tochter meines Herrn einen steinreichen Gutsbesitzer. Speisen gibt es dort, Speisen! Feinster Rehbraten, würziger Schinken, Kalbsnieren und Hammelkeulen, Rindsbraten und duftende Mettwürste!« Der pfiffige Köter machte dem Wolf den Mund wäßrig mit einer endlosen Aufzählung auserwählter Leckereien. »Das wäre ein Essen für dich«, schloß er seine Schilderung, »und nicht meine miese Figur von heute. Komm morgen nacht auf unseren Hof, dann will ich dir dienen. Aber sei leise, mein Herr hat gute Ohren.« Der Wolf war ganz verrückt geworden von all den herrlichen Speisen, die der kleine Schlauberger ihm vorgesponnen hatte. Er ging auf den Vorschlag des Hündchens ein und ließ es laufen. In der folgenden Nacht schlich er behutsam auf den Hof, um ein Festmahl zu halten. Der kleine Hund lag auf einem Vordach und rief: »Willkommen, lieber Wolf! Ich freue mich, daß du meine Einladung angenommen hast. Warte einen Augenblick, ich will meinem Herrn sofort Bescheid geben, damit er kommt und dich festlich bewirtet.« Und er bellte aus Leibeskräften. Sofort schlugen auch die Wachthunde an, und der Herr stürmte bald darauf aus dem Haus, um die Hunde loszula**en. Aber der Wolf war schon laut schimpfend geflüchtet. Die Schlange und der Landmann Eine Schlange, welche ihren Verschlupf im Vorhofe eines Landmannes hatte, tötete dessen kleines Kind, worüber die Eltern in tiefe Trauer gerieten. In seiner Betrübnis ergriff der Vater ein Beil und wollte die Schlange, sobald sie hervorkäme, totschlagen. Wie sie nun den Kopf ein wenig herausstreckte, wollte er schnell auf sie loshauen, allein er verfehlte sie und traf nur die Öffnung ihres Schlupfwinkels. Nachdem sich die Schlange wieder in ihr Loch zurückgezogen hatte, glaubte der Landmann, sie denke nicht mehr an die Beleidigung, nahm Brot und Salz und setzte es vor die Höhle. Die Schlange aber zischte ganz fein und sprach. »Nun und nimmer kann Zutrauen und Freundschaft zwischen uns bestehen, solange ich den Stein sehe und du das Grab deines Kindes.« Die Fabel lehrt, daß niemand Haß und Rache vergißt, solange er ein Denkmal dessen, was ihn in Betrübnis versetzte, vor Augen hat. Knaben und Frösche Einige mutwillige Knaben machten sich eines Tages die größte Freude daraus, an einem Teiche jeden Frosch, so wie er hervortauchte, mit Steinen zu bewerfen. je mehr Frösche sie verwundeten, je größer und lauter wurde das Geschrei, bis endlich ein alter Frosch auftauchte und ihnen zurief: »Kinder, bedenkt doch, was ihr tut, daß ihr uns armen Tiere, die euch nichts Böses taten, quält und schuldlos tötet.« Dies machte die Knaben aufmerksam, sie dachten darüber nach und gingen beschämt nach Hause. Quäle nie ein Tier zum Scherz, Denn es fühlt wie du den Schmerz. Der Adler und die Schildkröte Eine Schildkröte bat einen Adler, ihr Unterricht im Fliegen zu geben. Der Adler suchte es ihr auszureden, aber je mehr er sich bemühte, ihr das Törichte ihres Wunsches klarzumachen, desto mehr beharrte sie darauf. Ihrer dringenden Bitten müde, nahm der Adler sie endlich in die Luft und ließ sie ungefähr turmhoch herabstürzen; zerschmettert lag sie auf der Erde und mußte so ihre Torheit büßen. Trachte nicht nach Dingen, die die Natur dir versagt hat; was die Natur versagt, kann niemand geben. Der Eber und der Fuchs Ein Fuchs sah einen Eber seine Hauer an einem Eichstamme wetzen und fragte ihn, was er da mache, da er doch keine Not, keinen Feind vor sich sehe? »Wohl wahr«, antwortete der Eber, »aber gerade deswegen rüste ich mich zum Streit; denn wenn der Feind da ist, dann ist es Zeit zum Kampf, nicht mehr Zeit zum Zähnewetzen.« Bereite dich im Glück auf das künftige Unglück; sammle und rüste in guten Tagen auf die schlimmern. Der Löwe und die Ziege Auf einem sehr steilen Felsen erblickte ein Löwe eine Ziege. »Komm doch«, rief er ihr zu, »auf diese schöne fette Wiese herab, wo du die trefflichsten Gräser und Kräuter findest, während du dort oben darbest.« »Ich danke dir schön für dein Anerbieten«, sprach die kluge Ziege, die wohl die Absicht des Löwen erkannte. »Dir liegt mehr an meinem Fleisch als an meinem Hunger. Hier oben bin ich vor dir sicher, während du mich dort unten sofort verschlingen würdest.« Trau, schau, wem? Der Löwe und der Esel Der Löwe und der Esel schlossen ein Bündnis und gingen miteinander auf die Jagd. Zufällig kamen sie zu einer Höhle, in welcher wilde Ziegen waren. Der Löwe blieb beim Ausgange derselben stehen und bemächtigte sich der Herauskommenden, während der Esel in die Höhle trat und ein solches Geschrei machte, daß die erschreckten Tiere herausflohen. Nachdem der Löwe die meisten ergriffen hatte, trat der Esel ins Freie und fragte seinen Gefährten, ob er nicht tapfer gekämpft und die Ziegen ordentlich herausgescheucht habe. Der Löwe antwortete ihm: »Ich selbst hätte mich gefürchtet, wenn ich nicht gewußt hätte, daß du ein Esel bist.« Diejenigen, welche sich Kundigen gegenüber rühmen, setzen sich mit Recht dem Gelächter aus. Die wilde Ziege und der Weinstock Eine wilde Ziege flüchtete sich, von Hunden verfolgt, in einen Weinberg und verbarg sich unter den Blättern eines Weinstockes. Die Hunde stürzten vorbei, und sie entging ihren Verfolgern. Kaum glaubte sie sich außer Gefahr, als sie sich auch schon über die Reben hermachte und die Blätter fraß, die kurz vorher sie so treulich versteckt hatten. Dieses Geräusch machte den Jäger aufmerksam, der etwas zurückgeblieben war. Er entdeckte auch bald die Ziege und erlegte sie. »Ach!« seufzte sie sterbend, »mit Recht habe ich diese Strafe verdient, weil ich meinen Beschützer mit schnödem Undank belohnte.« Es ist das größte Unrecht, Wohltaten mit Übel zu vergelten; der Undankbare entgeht selten der verdienten Strafe. Die Krähe und die Vögel Jupiter wollte den Vögeln einen König geben und setzte einen Tag fest, an welchem sie zusammenkommen sollten. Die Krähe sammelte im Bewußtsein ihrer Häßlichkeit die Federn, welche den andern Vögeln ausgefallen waren, und bekleidete sich mit denselben. Als nun der bestimmte Tag kam, ging sie in ihrem bunten Schmucke in die Versammlung. Doch da sie Jupiter wegen ihrer Schönheit zum Könige erwählen wollte, rissen ihr die erzürnten Vögel die Federn aus, indem ein jeder diejenigen herauszupfte, welche ihm zugehörten. So war die Krähe bald wieder nichts anderes, als was sie ursprünglich gewesen war, nämlich eine häßliche Krähe. Auch jene Menschen, die sich durch fremde Macht erhoben haben und sich nun ihres Reichtums brüsten, gewähren, wenn jeder zurückfordert, was ihm gebührt, einen kläglichen Anblick und sind dann nichts mehr, als was sie früher waren. Vom Fuchs und Hahn Ein hungriger Fuchs kam einstmals in ein Dorf und fand einen Hahn; zu dem sprach er also: »O mein Herr Hahn, welche schöne Stimme hat dein Herr Vater gehabt! Ich bin darum zu dir hierher gekommen, daß ich deine Stimme hören möchte. Darum bitt ich dich, daß du mir singst mit lauter Stimme, damit ich hören möge, ob du eine schönere Stimme habest oder dein Vater.« Da erschwang der Hahn sein Gefieder, und mit geschlossenen Augen fing er an, auf das lauteste zu krähen. Indem sprang der Fuchs auf und fing ihn und trug ihn in den Wald. Als das die Bauern gewahr wurden, liefen sie dem Fuchs nach und schrien: »Der Fuchs trägt unsern Hahn fort!« Als der Hahn das hörte, sprach er zu dem Fuchs: »Hörst du, Herr Fuchs, was die groben Bauern sagen? Sprich du zu ihnen: ›Ich trage meinen Hahn und nicht den euern‹.« Da ließ der Fuchs den Hahn aus dem Maule und sprach: »Ich trage meinen Hahn und nicht den euern.« Indem flog der Hahn auf einen Baum und sprach: »Du lügst, Herr Fuchs, du lügst, ich bin des Bauern, nicht dein.« Da schlug der Fuchs sich selbst mit den Händen aufs Maul und sprach: »O du böses Maul, wieviel schwätzest du? Wieviel redest du Unnützes? Hättest du jetzt nicht geredet, so hättest du deinen Raub nicht verloren.« Die Krähe und andere Vögel Eine eitle Krähe wollte schöner sein, als sie wirklich war, und zierte sich mit allerlei bunten Federn von andern Vögeln, hauptsächlich von Pfauen. Allein um die Eitelkeit zu bestrafen und ihr Eigentumsrecht auszuüben, fielen diese über sie her und entrissen ihr nicht nur die geraubten Federn, sondern auch einen Teil ihrer eigenen. Armseliger wie vorher, stand sie nun wieder da, ein Spott der ihrigen und eine Warnung für alle Eitlen. Prahle nie mit erborgtem Schimmer, Spott ist sonst dein Lohn.