Homer - Odyssee - Kapitel 11 lyrics

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Homer - Odyssee - Kapitel 11 lyrics

435 Aber indessen fuhr Eidothea tief in des Meeres Weiten Busen, und trug vier Robbenfelle von dannen, Welche sie frisch abzog; und entwarf die Täuschung des Vaters. Jedem höhlete sie ein Lager im Sande des Meeres, Saß und erwartete uns. Sobald wir die Göttin erreichten, 440 Legte sie uns nach der Reih', und hüllte jedem ein Fell um. Wahrlich die Lauer bekam uns fürchterlich! Bis zum Ersticken Quält' uns der tranichte Dunst der meergemästeten Robben! Denn wer ruhte wohl gerne bei Ungeheuern des Meeres? Aber die Göttin ersann zu unserer Rettung ein Labsal: 445 Denn sie strich uns allen Ambrosia unter die Nasen, Dessen lieblicher Duft des Tranes Gerüche vertilgte. Also lauerten wir den ganzen Morgen geduldig. Scharweis kamen die Robben nun aus dem Wa**er, und legten Nach der Reihe sich hin am rauschenden Ufer des Meeres. 450 Aber am Mittag kam der göttliche Greis aus dem Wa**er, Ging bei den feisten Robben umher, und zählte sie alle. Also zählt' er auch uns für Ungeheuer, und dachte Gar an keinen Betrug; dann legt' er sich selber zu ihnen. Plötzlich fuhren wir auf mit Geschrei, und schlangen die Hände 455 Schnell um den Greis; doch dieser vergaß der betrüglichen Kunst nicht. Erstlich ward er ein Leu mit fürchterlich wallender Mähne, Drauf ein Pardel, ein bläulicher Drach', und ein zürnender Eber, Floß dann als Wa**er dahin, und rauscht' als Baum in den Wolken. Aber wir hielten ihn fest mit unerschrockener Seele. 460 Als nun der zaubernde Greis ermüdete sich zu verwandeln, Da begann er selber mich anzureden, und fragte: Welcher unter den Göttern, Atreide, gab dir den Anschlag, Daß du mit Hinterlist mich Fliehenden fängst? Was bedarfst du? Also sprach er; und ich antwortete wieder, und sagte: 465 Alter, du weißt es, (warum verstellst du dich, dieses zu fragen?) Daß ich so lang' auf dieser Insel verweil', und nirgends ein Ausweg Aus dem Jammer sich zeigt, da das Herz den Genossen entschwindet! Drum verkündige mir, die Götter wissen ja alles! Wer der Unsterblichen hält mich hier auf, und hindert die Reise? 470 Und wie gelang ich heim auf dem fischdurchwimmelten Meere? Also sprach ich; der Greis antwortete wieder, und sagte: Aber du solltest auch Zeus und den andern unsterblichen Göttern Opfern, als du die Schiffe bestiegst, damit du geschwinder Deine Heimat erreichtest, die dunkle Woge durchsteuernd! 475 Denn dir verbeut das Schicksal, die Deinigen wieder zu sehen Und dein prächtiges Haus und deiner Väter Gefilde, Bis du wieder zurück zu des himmelernährten Ägyptos Wa**ern segelst, und dort mit heiligen Hekatomben Sühnst der Unsterblichen Zorn, die den weiten Himmel bewohnen: 480 Dann verleihn dir die Götter die Heimfahrt, welche du wünschest. Also sagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betrübnis, Weil er mir wieder befahl, auf dem dunkelwogenden Meere Nach dem Ägyptos zu schiffen, die weite gefährliche Reise. Aber ich faßte mich doch, und gab ihm dieses zur Antwort: 485 Göttlicher Greis, ich will ausrichten, was du befiehlest, Aber verkündige mir, und sage die lautere Wahrheit: Sind die Danaer all' unbeschädigt wiedergekehret, Welche Nestor und ich beim Scheiden in Troja verließen? Oder ward einer im Schiffe vom bittern Verderben ereilet, 490 Oder den Freunden im Arme, nachdem er den Krieg vollendet? Also sprach ich; und drauf antwortete jener, und sagte: Warum fragst du mich das, Sohn Atreus'? Du mußt nicht alles Wissen, noch meine Gedanken erforschen! Du möchtest nicht lange Dich der Tränen enthalten, wenn du das alles erführest! 495 Siehe, gefallen sind viele davon, und viele noch übrig; Aber nur zween Heerführer der erzgepanzerten Griechen Raffte die Heimfahrt hin; in der Feldschlacht warest du selber. Einer der Lebenden wird im weiten Meere gehalten. Ajas versank in die See mit den langberuderten Schiffen. 500 Anfangs rettete zwar den Scheiternden Poseidaon Aus den Fluten des Meers an die großen gyräischen Felsen. Dort wär' Athenens Feind dem verderbenden Schicksal entronnen, Hätte der Lästerer nicht voll Übermutes geprahlet, Daß er den Göttern zum Trotz den stürmenden Wogen entflöhe. 505 Aber Poseidon vernahm die stolzen Worte des Prahlers, Und ergriff mit der nervichten Faust den gewaltigen Dreizack, Schlug den gyräischen Fels; und er spaltete schnell voneinander. Eine der Trümmern blieb, die andre stürzt' in die Fluten, Wo der Achaier saß, und die Gotteslästerung ausstieß; 510 Und er versank ins unendliche hochaufwogende Weltmeer. So fand Ajas den Tod, ersäuft von der salzigen Welle. Zwar dein Bruder entfloh der schrecklichen Rache der Göttin Samt den gebogenen Schiffen; ihn schützte die mächtige Here. Aber als er sich jetzo dem Vorgebirge Maleia 515 Näherte, rafft' ihn der wirbelnde Sturm und schleuderte plötzlich Ihn, den Jammernden, weit in das fischdurchwimmelte Weltmeer, An die äußerste Küste, allwo vor Zeiten Thyestes Hatte gewohnt, und jetzo Thyestes' Sohn Ägisthos. Aber ihm schien auch hier die Heimfahrt glücklich zu enden; 520 Denn die Götter wandten den Sturm, und trieben ihn heimwärts. Freudig sprang er vom Schiff ans vaterländische Ufer, Küßt' und umarmte sein Land, und heiße Tränen entstürzten Seiner Wange, vor Freude, die Heimat wieder zu sehen. Ihn erblickte der Wächter auf einer erhabenen Warte, 525 Von Ägisthos bestellt, der zwei Talente des Goldes Ihm zum Lohne versprach. Ein Jahr lang hielt er schon Wache, Daß er nicht heimlich käm', und stürmende Tapferkeit übte. Eilend lief er zur Burg, und brachte dem Könige Botschaft; Und Ägisthos gedachte sogleich des schlauen Betruges. 530 Zwanzig tapfere Männer erlas er im Volk, und verbarg sie; Auf der anderen Seite gebot er, ein Mahl zu bereiten. Jetzo ging er, und lud Agamemnon, den Hirten der Völker, Prangend mit Rossen und Wagen, sein Herz voll arger Entwürfe; Führte den nichts argwöhnenden Mann ins Haus, und erschlug ihn 535 Unter den Freuden des Mahls: so erschlägt man den Stier an der Krippe! Keiner entrann dem Tode vom ganzen Gefolg' Agamemnons, Und von Ägisthos keiner; sie stürzten im blutigen Saale. Also sagte der Greis. Mir brach das Herz vor Betrübnis: Weinend saß ich im Sande des Meers, und wünschte nicht länger 540 Unter den Lebenden hier das Licht der Sonne zu schauen. Aber als ich mein Herz durch Weinen und Wälzen erleichtert, Da erhub er die Stimme, der graue untrügliche Meergott: Weine nicht immerdar, Sohn Atreus', hemme die Tränen; Denn wir können damit nichts bessern! Aber versuche 545 Jetzt, aufs eiligste wieder dein Vaterland zu erreichen. Jenen findest du noch lebendig, oder Orestes Tötet ihn schon vor dir: dann kommst du vielleicht zum Begräbnis. Also sprach er, und stärkte mein edles Herz in dem Busen, So bekümmert ich war, durch seine frohe Verheißung. 550 Und ich redet' ihn an, und sprach die geflügelten Worte: Dieser Schicksal weiß ich nunmehr. Doch nenne den Dritten, Welchen man noch lebendig im weiten Meere zurückhält, Oder auch tot. Verschweige mir nicht die traurige Botschaft! Also sprach ich; und drauf antwortete jener, und sagte: 555 Das ist der Sohn Laertes, der Ithakas Fluren bewohnet. Ihn sah ich auf der Insel die bittersten Tränen vergießen, In dem Hause der Nymphe Kalypso, die mit Gewalt ihn Hält; und er sehnt sich umsonst nach seiner heimischen Insel; Denn es gebricht ihm dort an Ruderschiffen und Männern, 560 Über den weiten Rücken des Meeres ihn zu geleiten. Aber dir bestimmt, o Geliebter von Zeus, Menelaos, Nicht das Schicksal den Tod in der rossenährenden Argos; Sondern die Götter führen dich einst an die Enden der Erde, In die elysische Flur, wo der bräunliche Held Radamanthus 565 Wohnt, und ruhiges Leben die Menschen immer beseligt: (Dort ist kein Schnee, kein Winterorkan, kein gießender Regen; Ewig wehn die Gesäusel des leiseatmenden Westes, Welche der Ocean sendet, die Menschen sanft zu kühlen:) Weil du Helena hast, und Zeus als Eidam dich ehret. 570 Also sprach er, und sprang in des Meeres hochwallende Woge. Aber ich ging zu den Schiffen mit meinen tapfern Genossen, Schweigend, und viele Gedanken bewegten des Gehenden Seele. Als wir jetzo das Schiff und des Meeres Ufer erreichten, Da bereiteten wir das Mahl. Die ambrosische Nacht kam; 575 Und wir lagerten uns ans rauschenden Ufer des Meeres. Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte, Zogen wir erst die Schiffe hinab in die heilige Meersflut, Stellten die Masten empor, und spannten die schwellenden Segel, Traten dann selber ins Schiff, und setzten uns hin auf die Bänke, 580 Saßen in Reihn, und schlugen die graue Woge mit Rudern. Und ich fuhr zum Strome des himmelgenährten Ägyptos, Landete dort, und brachte den Göttern heilige Opfer. Und nachdem ich den Zorn der unsterblichen Götter gesühnet, Häuft' ich ein Grabmal auf, Agamemnon zum ewigen Nachruhm. 585 Als ich dieses vollbracht, entschifften wir. Günstige Winde Sandten mir jetzo die Götter, und führten mich schnell zu der Heimat. Aber ich bitte dich, Lieber, verweil in meinem Palaste, Bis der elfte der Tage vorbei ist, oder der zwölfte. Alsdann send' ich dich heim, und schenke dir köstliche Gaben: 590 Drei der mutigsten Rosse, und einen prächtigen Wagen; Auch ein schönes Gefäß, damit du den ewigen Göttern Opfer gießest, und dich beständig meiner erinnerst. Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen: Atreus' Sohn, berede mich nicht, hier länger zu bleiben. 595 Denn ich säße mit Freuden bei dir ein ganzes Jahr lang, Ohne mich jemals heim nach meinen Eltern zu sehnen: Siehe mit solchem Entzücken erfüllt mich deine Erzählung Und dein Gespräch! Allein unwillig harren die Freunde In der göttlichen Pylos; und du verweilst mich noch länger. 600 Hast du mir ein Geschenk bestimmt, so sei es ein Kleinod. Rosse nützen mir nicht in Ithaka; darum behalte Selber diese zur Pracht: du beherrschest flache Gefilde, Überwachsen mit Klee und würzeduftendem Galgan, Und mit Weizen und Spelt und weißer fruchtbarer Gerste. 605 Aber in Ithaka fehlt es an weiten Ebnen und Wiesen; Ziegen nährt sie: doch lieb' ich sie nicht, als irgend ein Roßland. Keine der Inseln im Meer' ist mutigen Rossen zur Laufbahn Oder zur Weide bequem, und Ithaka minder als alle. Lächelnd hörte den Jüngling der Rufer im Streit Menelaos, 610 Faßte Telemachos Hand, und sprach mit freundlicher Stimme: Edles Geblütes bist du, mein Sohn; das zeuget die Rede! Gerne will ich dir denn die Geschenke verändern; ich kann's ja! Von den Schätzen, soviel ich in meinem Hause bewahre, Geb' ich dir zum Geschenk das schönste und köstlichste Kleinod: 615 Gebe dir einen Kelch von künstlicherhobener Arbeit, Aus geläutertem Silber, gefaßt mit goldenem Rande; Und ein Werk von Hephästos! Ihn gab der Sidonier König Phädimos mir, der Held, der einst in seinem Palaste Mich Heimkehrenden pflegte. Den will ich jetzo dir schenken.