Homer - Odyssee - Kapitel 46 lyrics

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Homer - Odyssee - Kapitel 46 lyrics

405 Und Antinoos rief, und gab ihm dieses zur Antwort: Jüngling von trotziger Red' und verwegenem Mute, was sagst du? Schenkten so vieles, wie ich, ihm auch die übrigen Freier, In drei Monden würd' er dies Haus nicht wieder besuchen! Also sprach er, und hob den Schemel unter dem Tische 410 Drohend empor, auf welchem die Füße des Schmausenden ruhten. Aber die andern gaben ihm all', und füllten den Ranzen Ihm mit Fleisch und Brot. Und jetzo wollte Odysseus Wieder zur Schwelle gehn, der Achaier Geschenke zu kosten; Aber er stellte sich erst vor Antinoos' Tafel, und sagte: 415 Lieber, beschenke mich auch! Du scheinst mir nicht der Geringste, Sondern ein edler Achaier, du hast ein königlich Ansehn: Darum mußt du mir auch mehr Speise geben, als andre; Und ich werde dein Lob in allen Landen verkünden. Denn auch ich war ehmals ein glücklicher Mann, und Bewohner 420 Eines reichen Palastes, und gab dem irrenden Fremdling Oftmals, wer er auch war, und welche Not ihn auch drängte; Und unzählige Knechte besaß ich, und andere Güter, Die man zum Überfluß und zur Pracht der Reichen erfodert. Aber das nahm mir Zeus nach seinem heiligen Ratschluß; 425 Denn er verleitete mich, mit küstenumirrenden Räubern Weit nach Ägyptos zu schiffen, um mein Verderben zu finden. Und ich legte die Schiff' im Strom Ägyptos vor Anker; Dringend ermahnt' ich jetzo die lieben Reisegefährten, An dem Gestade zu bleiben, und unsere Schiffe zu hüten, 430 Und versendete Wachen umher auf die Höhen des Landes. Aber sie wurden vom Trotz und Übermute verleitet, Daß sie ohne Verzug der Ägypter schöne Gefilde Plünderten, ihre Weiber gefangen führten, die Männer Und unmündigen Kinder ermordeten. Und ihr Geschrei kam 435 Schnell in die Stadt. Sobald der Morgen sich rötete, zogen Streiter zu Roß und zu Fuße daher, und vom blitzenden Erze Strahlte das ganze Gefilde. Der Donnerer Zeus Kronion Sendete meinen Gefährten die schändliche Flucht, und es wagte Keiner dem Feinde zu stehn; denn ringsum drohte Verderben. 440 Viele töteten sie mit ehernen Lanzen, und viele Schleppten sie lebend hinweg zu harter sklavischer Arbeit. Aber nach Kypros schenkten sie mich dem begegnenden Fremdling Dmetor, Jasos' Sohne, dem mächtigen Herrscher in Kypros. Und von dannen komm' ich nun hier, mit Kummer beladen. 445 Und Antinoos rief, und gab ihm dieses zur Antwort: Welch ein Himmlischer straft uns mit dieser Plage des Gastmahls? Stelle dich dort in die Mitte, und hebe dich weg von der Tafel, Daß du mir nicht ein herbes Ägyptos und Kypros erblickest! Ha du bist mir der frechste, der unverschämteste Bettler! 450 Gehst nach der Reihe bei allen umher; und ohne Bedenken Geben sie dir! Wozu auch so sparsam, oder so ängstlich, Fremdes Gut zu verschenken, wo man so reichlich versorgt ist! Weichend erwiderte drauf der erfindungsreiche Odysseus: Götter, wie wenig gleichen dein Herz und deine Gestalt sich! 455 Von dem Deinigen schenkst du dem Darbenden schwerlich ein Salzkorn, Da du an fremdem Tische dich nicht erbarmst, ein wenig Mir von der Speise zu geben, womit du so reichlich versorgt bist! Also sprach er; da ward Antinoos' Herz noch erboster; Drohend blickt' er ihn an, und sprach die geflügelten Worte: 460 Nun so sollst du gewiß auf diesem Saale nicht wieder Unbeschädigt entrinnen, da du noch Schmähungen redest! Sprach's, und warf mit dem Schemel die rechte Schulter Odysseus' Dicht am Gelenke des Halses. Er aber stand, wie ein Felsen, Fest, und wa*kte nicht von Antinoos' mächtigem Wurfe; 465 Sondern schüttelte schweigend das Haupt, und sann auf Verderben; Ging dann zur Schwelle zurück, und setzte sich, legte den Ranzen Voll von Speise nieder, und sprach zu der Freier Versammlung: Höret mich an, ihr Freier der weitgepriesenen Fürstin, Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet. 470 Nicht der mindeste Schmerz noch Kummer beuget die Seele Eines Mannes, der, streitend für seine Güter, vom Feinde Wunden empfängt, für die Herden der Rinder und wollichten Schafe: Doch Antinoos warf mich wegen des traurigen Hungers, Welcher den elenden Menschen so vielen Kummer verursacht! 475 Aber beschützt auch die Armen der Götter und Göttinnen Rache, Dann ereile der Tod Antinoos vor der Vermählung! Und Eupeithes' Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort: Fremdling, sitze geruhig und iß, oder gehe von hinnen; Daß dich die Jünglinge nicht bei den Händen und Füßen, du Schwätzer, 480 Durch den Palast fortschleppen, und deine Glieder zerreißen! Also sprach er; allein die übrigen zürnten ihm heftig. Also redete mancher der übermütigen Freier: Übel, Antinoos, tatst du, den armen Fremdling zu werfen! Unglückseliger! wenn er nun gar ein Himmlischer wäre! 485 Denn oft tragen die Götter entfernter Fremdlinge Bildung; Unter jeder Gestalt durchwandern sie Länder und Städte, Daß sie den Frevel der Menschen und ihre Frömmigkeit schauen. Also sprachen die Freier; allein er verachtete solches. Aber Telemachos schwoll das Herz von großer Betrübnis. 490 Als er ihn warf: doch netzt' ihm keine Träne die Wangen; Sondern er schüttelte schweigend das Haupt, und sann auf Verderben. Auch in der Kammer vernahm es die kluge Penelopeia, Als man ihn warf im Saal, und redete unter den Weibern: Also treffe dich selbst der bogenberühmte Apollon! 495 Aber die Schaffnerin Eurynome gab ihr zur Antwort: Ja! wenn die Sache, mein Kind, nach unsern Wünschen geschehe, Keiner von diesen erlebte die goldene Röte des Morgens! Ihr antwortete drauf die kluge Penelopeia: Mutter, verhaßt sind mir alle, denn alle trachten nach Unglück! 500 Aber Antinoos gleicht doch am meisten dem schwarzen Verhängnis! Denn es wa*ket im Saal ein unglückseliger Fremdling Bittend umher bei den Männern; ihn zwingt der äußerste Mangel. Und die übrigen füllten ihm alle den Ranzen mit Gaben; Er nur warf ihm am Hals auf die rechte Schulter den Schemel. 505 Also redete sie, umringt von dienenden Weibern, Sitzend in ihrer Kammer. Nun aß der edle Odysseus; Und sie berief zu sich den edlen Hirten, und sagte: Eile schnell in den Saal, Eumäos, und heiße den Fremdling Zu mir kommen. Ich möcht' ihn ein wenig sprechen und fragen: 510 Ob er etwa gehört von dem leidengeübten Odysseus, Oder ihn selber gesehn; denn er scheint viel Länder zu kennen. Ihr antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine: Schwiegen nur die Achaier, o Königin, drinnen im Saale, Wahrlich er würde dein Herz durch seine Reden erfreuen! 515 Denn ich hatt' ihn bei mir drei Tag' und Nächt' in der Hütte, Wo er zuerst ankam, nachdem er vom Schiffe geflohn war; Und doch hat er mir nicht sein Leiden alles erzählet. So aufmerksam ein Mann den gottbegeisterten Sänger Anschaut, welcher die Menschen mit reizenden Liedern erfreuet; 520 Voller Begierde horcht die Versammlung seinem Gesange: Eben so rührt' er mein Herz, da er bei mir saß in der Hütte. Und er saget, er sei durch seinen Vater ein Gastfreund Von Odysseus, und wohne in Kreta, Minos' Geburtsland; Und von dannen komm' er nun hier, durch mancherlei Trübsal 525 Weiter und weiter gewälzt; auch hab' er gehört, daß Odysseus Nahe bei uns im fetten Gebiet der thesprotischen Männer Leb', und mit großem Gut heimkehre zu seinem Palaste. Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: Geh, und ruf ihn hieher, damit er mir selber erzähle. 530 Jene mögen indes vor der Türe sitzen und scherzen, Oder auch dort im Saale, da ihre Herzen vergnügt sind. Denn ihr eigenes Gut liegt unversehrt in den Häusern, Speise und süßer Wein, und nähret bloß das Gesinde. Aber sie schalten von Tage zu Tag' in unserem Hause, 535 Schlachten unsere Rinder und Schaf' und gemästeten Ziegen Für den üppigen Schmaus, und schweigen im funkelnden Weine Ohne Scheu; und alles wird leer: denn es fehlt uns ein solcher Mann, wie Odysseus war, die Plage vom Hause zu wenden. Käm' Odysseus zurück in seine Heimat, er würde 540 Bald mit seinem Sohne den Frevel der Männer bestrafen! Also sprach sie; da nieste Telemachos laut, und ringsum Scholl vom Getöse der Saal. Da lächelte Penelopeia, Wandte sich schnell zu Eumäos, und sprach die geflügelten Worte: Gehe mir gleich in den Saal, Eumäos, und rufe den Fremdling! 545 Siehst du nicht, wie mein Sohn mir alle Worte beniest hat? Ja nun werde der Tod das unvermeidliche Schicksal Aller Freier, und keiner entfliehe dem blutigen Tode! Eins verkünd' ich dir noch, bewahre dieses im Herzen: Wann ich merke, daß jener mir lautere Wahrheit erzählet, 550 Will ich mit schönen Gewanden, mit Rock und Mantel, ihn kleiden. Sprach's; und der Sauhirt eilte, sobald er die Rede vernommen, Trat vor Odysseus hin, und sprach die geflügelten Worte: Fremder Vater, dich läßt die kluge Penelopeia Rufen, Telemachos' Mutter; denn ihre Seele gebeut ihr, 555 Wegen des Mannes zu fragen, um den sie so herzlich betrübt ist. Wann sie merkt, daß du ihr lautere Wahrheit erzählest, Will sie mit Rock und Mantel dich kleiden, die du am meisten Nötig hast. Denn Speise, den Hunger zu stillen, erlangst du Leicht durch Betteln im Volk; es gebe dir jeder nach Willkür. 560 Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus: Gern erzählt' ich nun gleich, Eumäos, die lautere Wahrheit Vor Ikarios' Tochter, der klugen Penelopeia. Denn viel weiß ich von ihm: wir duldeten gleiches Verhängnis. Aber ich fürchte nur der bösen Freier Versammlung, 565 Deren Trotz und Gewalt den eisernen Himmel erreichet. Denn jetzt eben, da jener mich warf, daß der Schmerz mich betäubte, Mich, der kein Böses tat, und bittend im Saale herumging; Hat mich Telemachos weder, noch irgend ein andrer verteidigt. Sage denn Penelopeien, sie möcht' in ihren Gemächern 570 Harren, wie sehr sie verlangt, bis erst die Sonne gesunken. Alsdann frage sie mich nach ihres Mannes Zurückkunft, Nahe beim Feuer mich setzend; denn meine Kleider sind elend. Dieses weißt du auch selbst; du warst mein erster Beschützer. Sprach's; und der Sauhirt eilte, sobald er die Rede vernommen. 575 Als er die Schwelle betrat, da fragte Penelopeia: Bringst du ihn nicht, Eumäos, warum bedenkt sich der Fremdling? Hält ihn etwa die Furcht vor Gewalttat, oder die Scham ab, Durch den Palast zu gehn? Ein schamhafter Bettler ist elend! Ihr antwortetest du, Eumäos, Hüter der Schweine: 580 Was er sagt, hat Grund; so würd' auch ein anderer denken, Um den Trotz zu vermeiden der übermütigen Männer. Darum bittet er, harre, bis erst die Sonne gesunken. Auch für dich selber ist der Abend bequemer, o Fürstin, Daß du den fremden Mann allein befragest und hörest. 585 Ihm antwortete drauf die kluge Penelopeia: Wer der Fremdling auch sei, so denkt er nicht unvernünftig; Denn an keinem Orte, den sterbliche Menschen bewohnen, Üben trotzige Männer so ausgela**ene Greuel! Also redete sie. Drauf ging der treffliche Sauhirt 590 Zu der Freier Versammlung, da sein Gewerbe bestellt war; Und er neigte das Haupt zu Telemachos, redete leise, Daß es die andern nicht hörten, und sprach die geflügelten Worte: Lieber, ich gehe nun weg, die Schwein' und das andre zu hüten, Dein und mein Vermögen; du sorg' indessen für dieses. 595 Aber vor allen erhalte dich selbst, und siehe dich wohl vor, Daß dir kein Böses geschehe: denn viele sinnen auf Unglück. Doch Zeus rotte sie aus, bevor sie uns Schaden bereitet! Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen: Väterchen, also geschehe; doch warte bis gegen den Abend. 600 Morgen früh komm wieder, und bring' die gemästeten Opfer; Für das übrige laß mich und die Unsterblichen sorgen. Sprach's; und der Sauhirt setzte sich auf den zierlichen Sessel. Und nachdem er sein Herz mit Trank und Speise gesättigt, Eilt' er zurück zu den Schweinen, den Hof des Hauses verla**end, 605 Wo die schwelgenden Freier sich schon beim Tanz und Gesange Freuten; denn jetzo neigte der Tag sich gegen den Abend.