Homer - Ilias - Kapitel 77 lyrics

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Homer - Ilias - Kapitel 77 lyrics

405 Ihm antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher: Wenn du denn ein Genoß des Peleiaden Achilleus Bist; wohlan so verkünde mir ganz die lautete Wahrheit: Ob noch dort bei den Schiffen mein Sohn ist, oder Achilleus Schon in Stücke zerhaun den gierigen Hunden ihn vorwarf. 410 Wieder begann dagegen der tätige Argoswürger: Greis, noch nicht wird jener den Hunden ein Fraß, noch den Vögeln; Sondern er liegt noch dort im Schiff des edlen Achilleus, So im Gezelte gestreckt; und schon den zwölften der Morgen Lieget er, ohne daß Moder ihm schadete, noch des Gewürmes 415 Reger Schwarm, der gierig erschlagene Männer verzehret. Immer zwar um das Grab des trautesten Freundes Patroklos Schleift er ihn mitleidslos, wann der heilige Morgen emporsteigt; Doch nicht schändet er ihn. Mit Bewunderung sähest du selber, Wie er so frisch und tauig, umher vom Blute gereinigt, 420 Daliegt, nirgend befleckt, und die Wunden sich alle geschlossen, Die ihn durchbohrt, so viel' auch das Erz auf jenen gezucket. Also walten des edelen Sohns die seligen Götter Dir im Tode sogar; denn geliebt war er jenen von Herzen. Jener sprach's; froh hörte der Greis, und erwiderte also: 425 Kind, wie gut, wenn der Mensch den Unsterblichen bringt die Geschenke Seiner Pflicht! So vergaß mein Sohn auch, ach da er lebte, Nie im Palast der Götter, die hoch den Olympos bewohnen; Drum gedenken sie sein auch selbst in des Todes Verhängnis. Aber wohlan, nimm jetzo von mir den stattlichen Becher, 430 Dann verleihe mir Schutz, und geleite mich hin mit den Göttern, Bis ich komm' ins Gezelt des Peleiaden Achilleus. Wieder begann dagegen der tätige Argoswürger: Greis, umsonst versuchst du mich Jüngeren; nimmer gehorch' ich, Daß ich deine Geschenk', ohn' Achilleus' Wissen, empfange. 435 Jenen scheu' ich im Herzen, und zittere, ihn zu berauben, Ehrfurchtsvoll, daß nicht ein Übel hinfort mir begegne. Gern dich brächt' ich indes bis selbst zur gepriesenen Argos, Sorgsam im rüstigen Schiff, und sorgsam zu Fuß dich geleitend; Keiner auch würd', achtlos des Geleitenden, wider dich annahn. 440 Also der Bringer des Heils, und ins Rossegeschirr sich erhebend, Faßt' er die Geißel geschwind' und das schöne Gezäum in die Hände, Und gab edelen Mut den Rossen zugleich und den Mäulern. Als sie nunmehr die Mauer der Schiff' und den Graben erreichten, Fanden sie dort die Hüter am Abendschmaus noch beschäftigt. 445 Doch sie betaute mit Schlaf der bestellende Argoswürger All', und öffnete schleunig das Tor, wegdrängend die Riegel, Führte dann Priamos ein, und die schönen Geschenk' auf der Lastfuhr. Als sie nunmehr das Gezelt des Peleiaden erreichten, Welches hoch dem Beherrscher die Myrmidonen erbauet, 450 Zimmernd der Tannen Gebälk, und obenher es bedecket Mit grauwolligem Schilf, aus sumpfigen Wiesen gesammelt: Ringsum bauten sie dann den geräumigen Hof dem Beherrscher Dicht von gereiheten Pfählen, und nur ein tannener Riegel Hemmte die Pfort'; es schoben ihn vor drei starke Achaier, 455 Und drei schoben zurück den mächtigen Riegel des Tores, Anderer; nur Achilleus vermocht' allein ihn zu schieben: Jetzo öffnete schnell der Bringer des Heils Hermeias, Führte den Greis ins Geheg' und das edle Geschenk für Achilleus, Stieg dann herab vom Wagen zur Erd', und redete also: 460 Greis, dir bin ich hieher ein unsterblicher Gott gekommen, Hermes, den zum Geleiter dir selbst der Vater gesendet. Aber wohlan, nun will ich hinweggehn, eh' ich Achilleus Angesichte genaht; denn unanständig ja wär' es, Wenn ein unsterblicher Gott für Sterbliche sorgte so sichtbar. 465 Geh du hinein, und die Kniee des Peleionen umfa**end, Flehe bei seinem Vater ihn an, und der lockigen Mutter, Und dem geliebtesten Sohne; damit du das Herz ihm erregest. Dieses gesagt, nun eilte hinweg zum hohen Olympos Hermes; doch Priamos sprang vom Rossegeschirr auf die Erde, 470 Ließ dann Idäos im Hofe zurück, daß bleibend der Herold Ross' und Mäuler bewahrt', und eilte gerad' in die Wohnung, Dort wo Achilleus saß, der Göttliche. Jenen daheim nun Fand er; es saßen getrennt die Seinigen; aber allein zween, Held Automedon nur, und Alkimos, Sprößling des Ares, 475 Dieneten jenem gesellt; er ruhete kaum von der Mahlzeit, Satt der Speis' und des Tranks, und vor ihm stand noch die Tafel. Ein nun ging unbemerkt Held Priamos, und ihm genahet Stand er, umschlang dem Peleiden die Knie', und küßt ihm die Hände, Ach die entsetzlichen Würger, die viel der Söhn' ihm gemordet! 480 Wie wenn ein Mann, belastet mit Blutschuld, der in der Heimat Einen Bürger erschlug, zum anderen Volke sich rettet, In des Begüterten Haus, und erstaunt ihn jeder betrachtet: Also staunt' Achilleus, den göttlichen Priamos schauend. Auch die übrigen staunten, und sahn einander ins Antlitz. 485 Aber flehend begann der erhabene Priamos also: Deines Vaters gedenk', o göttergleicher Achilleus, Sein, der bejahrt ist wie ich, an der traurigen Schwelle des Alters! Und vielleicht, daß jenen auch rings umwohnende Völker Drängen, und niemand ist, vor Jammer und Weh ihn zu schirmen. 490 Aber doch, wann jener von dir dem Lebenden höret, Freut er sich innig im Geist, und hofft von Tage zu Tage, Wiederzusehn den trautesten Sohn, heimkehrend von Troja. Ich unglücklicher Mann! die tapfersten Söhn' erzeugt' ich Weit in Troja umher, und nun ist keiner mir übrig! 495 Fünfzig hatt' ich der Söhn', als Argos Menge daherzog: Ihrer neunzehn wurden von einer Mutter geboren, Und die anderen zeugt' ich mit Nebenfraun im Palaste. Vielen davon zwar löste der stürmende Ares die Glieder; Doch der mein einziger war, der die Stadt und uns alle beschirmte, 500 Diesen erschlugst du jüngst, da er kämpfte den Kampf für die Heimat, Hektor! Für ihn nun komm' ich herab zu den Schiffen Achaias, Ihn zu erkaufen von dir, und bring' unendliche Lösung. Scheue die Götter demnach, o Peleid', und erbarme dich meiner, Denkend des eigenen Vaters! ich bin noch werter des Mitleids! 505 Duld' ich doch, was keiner der sterblichen Erdebewohner: Ach zu küssen die Hand, die meine Kinder getötet! Sprach's, und erregt' in jenem des Grams Sehnsucht um den Vater; Sanft bei der Hand anfa**end, zurück ihn drängt' er, den Alten. Beide nun eingedenk: der Greis des tapferen Hektors, 510 Weinete laut, vor den Füßen des Peleionen sich windend: Aber Achilleus weinte den Vater jetzo, und wieder Seinen Freund; es erscholl von Jammertönen die Wohnung. Aber nachdem sich gesättigt des Grams der edle Achilleus, Und aus der Brust ihm entfloh der Wehmut süßes Verlangen; 515 Sprang er vom Sessel empor, bei der Hand den Alten erhebend, Voll Mitleids mit dem grauenden Haupt, und dem grauenden Barte; Und er begann zu jenem, und sprach die geflügelten Worte: Armer, fürwahr viel hast du des Wehs im Herzen erduldet! Welch ein Mut, so allein zu der Danaer Schiffen zu wandeln, 520 Jenem Mann vor die Augen, der dir so viel und so tapfre Söhn' erschlug! Du trägst ja ein eisernes Herz in dem Busen! Aber wohlan, nun setz' auf den Sessel dich; laß uns den Kummer Jetzt in der Seel' ein wenig beruhigen, herzlich betrübt zwar. Denn wir schaffen ja nichts mit unserer starrenden Schwermut. 525 Also bestimmten die Götter der elenden Sterblichen Schicksal, Bang' in Gram zu leben; allein sie selber sind sorglos. Denn es stehn zwei Fässer gestellt an der Schwelle Kronions, Voll das eine von Gaben des Wehs, das andre des Heiles. Wem nun vermischt austeilet der donnerfrohe Kronion, 530 Solcher trifft abwechselnd ein böses Los, und ein gutes. Wem er allein des Wehs austeilt, den verstößt er in Schande; Und herznagende Not auf der heiligen Erde verfolgt ihn, Daß, nicht Göttern geehrt noch Sterblichen, bang' er umherirrt. Also verliehn zwar Peleus die ewigen glänzende Gaben 535 Seit der Geburt; denn hoch vor allen Menschen gesegnet Ragt' er an Hab' und Macht, der Myrmidonen Beherrscher; Ja dem sterblichen Manne vermähleten jene die Göttin. Aber auch Unheil gab ihm ein Himmlischer; denn er versagt' ihm Edle Söhn' im Palaste gezeugt zu künftiger Herrschaft. 540 Einen Sohn nur zeugt' er, der früh hinwelkt, und sogar nicht Pflegen des Alternden kann; denn weit entfernt von der Heimat Sitz' ich in Troja hier, dich selbst und die Deinen betrübend. Dich auch priesen, o Greis, vordem glückselig die Völker: Alles, was Lesbos dort, des Makars Insel, begrenzet, 545 Phrygia dort, und hier der unendliche Hellespontos, Das beherrschest du, Greis, durch Macht und Söhne verherrlicht. Aber nachdem dies Leid dir gesandt die Uranionen, Tobt dir stets um die Mauern von Schlacht und Männerermordung. Duld' es, und jammere nicht so unablässig im Herzen; 550 Denn doch nichts gewinnst du, um deinen Sohn dich betrübend, Noch erweckest du ihn; eh' schaffst du dir anderen Kummer! Ihm antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher: Setze mich nicht auf den Sessel, o Liebling Zeus', da noch Hektor Liegt in deinem Gezelt, unbeerdiget! Eilig erla**' ihn, 555 Daß ich mit Augen ihn seh', und du empfahe die Lösung, Reichliche, die wir gebracht. Du geneuß des Gutes, und kehre Heim in das Vaterland, nachdem du zuerst mir vergönnet, Lebend annoch zu schauen das Licht der strahlenden Sonne. Finster schaut' und begann der mutige Renner Achilleus: 560 Nicht mehr jetzt mich gereizet, o Greis! Ich gedenke ja selber, Hektor dir zu erla**en; denn Zeus entsandte mir Botschaft, Meine Gebärerin Thetys, erzeugt vom alternden Meergott. Auch erkenn' ich im Geist, o Priamos, ohne zu zweifeln, Daß ein Gott dich geführt zu dem hurtigen Schiffen Achaias. 565 Denn nicht wagt' es fürwahr ein Sterblicher, wär' er auch Jüngling, Her ins Lager zu kommen; auch nie entschlich' er den Wächtern, Noch eröffnet' er leicht die Riegel unserer Tore. Drum laß ab, noch mehr mein bekümmertes Herz zu erregen; Denn sonst möcht' ich, o Greis, auch dein nicht schonen im Zelte, 570 Wie demütig du flehst, und Zeus' Gebote verletzen. Jener sprach's; bang' hört' es der Greis, und gehorchte der Rede. Aber Achilleus sprang, wie ein Löw', aus der Pforte der Wohnung Nicht er allein; ihm folgten zugleich zween wackre Genossen, Held Automedon dort, und Alkimos, welche vor allen 575 Ehrete Peleus' Sohn, nach dem abgeschiednen Patroklos. Und sie entlösten dem Joch die Rosse zugleich und die Mäuler; Dann herein auch führend des Königes tönenden Herold, Setzten sie ihn auf dem Sessel; und drauf vom zierlichen Wagen Huben sie Hektors Lösegeschenk, unendliches Wertes. 580 Zween nur ließ man der Mäntel, und einen köstlichen Leibrock, Daß er die Leich' in Gewande gehüllt dargäbe zur Heimfahrt. Jener berief die Mägd', und hieß sie waschen und salben Hektors Leib, doch entfernt, und ungesehn von dem Vater; Daß nicht tobte der Zorn in Priamos' traurender Seele, 585 Schaut' er den Sohn, und eifernd Achilleus' Herz er erregte, Daß ihn selbst er erschlüg', und Zeus' Gebote verletzte. Als nunmehr ihn gewaschen die Mägd' und mit Öle gesalbet, Dann mit dem köstlichen Mantel ihn wohl umhüllt, und dem Leibrock; Hub ihn Achilleus selbst auf ein hingebreitetes Lager; 590 Und ihn erhoben die Freund' auf den zierlichen Wagen der Mäuler. Jener nunmehr wehklagt', und rief dem teuren Genossen: Zürne mir nicht, Patroklos, noch eifere, hörest du etwa Auch in Aïdes' Nacht, daß ich Hektors Leich' ihm zurückgab, Der ihn gezeugt; denn nicht unwürdige Lösung mir bracht' er. 595 Dir auch weih' ich davon zum Geschenk ein gebührendes Anteil.