Heinrich Heine - Atta Troll - Kapitel 23 lyrics

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Heinrich Heine - Atta Troll - Kapitel 23 lyrics

Kaput XXI. Argonauten ohne Schiff, Die zu Fuß gehn im Gebirge,, Und anstatt des goldnen Fließes Nur ein Bärenfell erzielen – Ach! wir sind nur arme Teufel, Helden von modernem Zuschnitt, Und kein kla**ischer Poet Wird uns im Gesang verew'gen! Und wir haben doch erlitten Große Nöthen! Welcher Regen Überfiel uns ans der Koppe, Wo kein Baum und kein Fiaker! Wolkenbruch! (Das Bruchband, platzte.) Kübelweis stürzt' es herunter! Jason ward gewiss auf Kolchis Nicht durchnässt von solchem Sturzbad. »Einen Regenschirm! ich gebe Sechsunddreißig Könige Jetzt für einen Regenschirm!« Rief ich, und das Wa**er troff. Sterbensmüde, sehr verdrießlich, Wie begossne Pudel kamen Wir in später Nacht zurück Nach der hohen Hexenhütte. Dort am lichten Feuerherde Saß Uraka und sie kämmte Ihren großen, dicken Mops. Diesem gab sie schnell den Laufpaß, Um mit uns sich zu beschäft'gen. Sie bereitete mein Lager, Löste mir die Espardillen, unbequeme Fußzeug, Half mir beim Entkleiden, zog mir Auch die Hosen aus; sie klebten Mir am Beine, eng und treu, Wie die Freundschaft eines Tölpels. »Einen Schlafrock! Sechsunddreißig Könige, für einen trocknen Schlafrock!« rief ich, und es dampfte Mir das na**e Hemd am Leibe. Fröstelnd, zähneklappernd stand ich Eine Weile an dem Herde. Wie betäubt vom Feuer sank ich Endlich nieder auf die Streu. Könnt' nicht schlafen. Blinzelnd schaut' ich Nach der Hex', die am Kamin saß Und den Oberleib des Sohnes, Den sie ebenfalls entkleidet, Auf dem Schoß hielt. Ihr zur Seite, Aufrecht, stand der dicke Mops, Und in seinen Vorderpfoten Hielt er sehr geschickt ein Töpfchen. Aus dem Töpfchen nahm Uraka Rothes Fett, bestrich damit Ihres Sohnes Brust und Rippen, Rieb sie hastig, zitternd hastig. Und derweil sie rieb und salbte, Summte sie ein Wiegenliedchen, Näselnd sein; dazwischen seltsam Knisterten des Herdes Flammen. Wie ein Leichnam, gelb und knöchern Lag der Sohn im Schoß der Mutter; Todestraurig, weit geöffnet Starren seine bleichen Augen. Ist er wirklich ein Verstorbner, Dem die Mutterliebe nächtlich Mit der stärksten Hexensalbe Ein verzaubert Leben einreibt? – Wunderlicher Fieberhalbschlaf! Wo die Glieder bleiern müde Wie gebunden, und die Sinne Überreizt und gräßlich wach! Wie der Kräuterduft im Zimmer Mich gepeinigt! Schmerzlich grübelnd Sann ich nach, wo ich Dergleichen Schon gerochen? Sann vergebens. Wie der Windzug im Kamine Mich geängstigt! Klang wie Ächzen Von getrocknet armen Seelen – Schienen wohlbekannte Stimmen. Doch zumeist ward ich gequält Von den ausgestopften Vögeln, Die, auf einem Brett, zu Häupten Neben meinem Lager standen. Langsam schauerlich bewegten Sie die Flügel, und sie beugten Sich zu mir herab mit langen Schnäbeln, die wie Menschennasen. Ach! wo hab' ich solche Nasen Schon gesehn? War es zu Hamburg Oder Frankfurt, in der Ga**e? Qualvoll dämmernd die Erinnrung! Endlich übermannte gänzlich Mich der Schlaf, und an die Stelle Wachender Phantasmen trat Ein gesunder, fester Traum. Und mir träumte, da** die Hütte Plötzlich ward zu einem Ballsaal, Der von Säulen hochgetragen Und erhellt nun Girandolen. Unsichtbare Musikanten Spielten aus Robert-le-Diable Die verruchten Nonnentänze; Ging dort ganz allein spazieren. Endlich aber öffnen sich Weit die Pforten, und es kommen, Langsam feierlichen Schrittes, Gar verwunderliche Gäste. Lauter Bären und Gespenster! Aufrecht wandelnd, führt ein jeder Von den Bären ein Gespenst, Das vermummt im weißen Grabtuch. Solcherweis gepaart, begannen Sie zu walzen auf und nieder Durch den Saal. Kurioser Anblick! Zum Erschrecken und zum Lachen! Denn den plumpen Bären ward es Herzlich sauer, Schritt zu halten Mit den weißen Luftgebilden, Die sich wirbelnd leicht bewegten. Unerbittlich fortgerissen Wurden jene armen Bestien, Und ihr Schnaufen überdröhnte Fast den Brummba** des Orchesters. Manchmal walzten sich die Paare Auf den Leib, und dem Gespenste, Das ihn anstieß, gab der Bär Ein'ge Tritte in den Hintern. Manchmal auch, im Tanzgetümmel, Riß der Bär das Leichenlacken Von dem Haupt des Tanzgenossen; Kam ein Todtenkopf zum Vorschein. Endlich aber jauchzten schmetternd Die Trompeten und die Cymbeln, Und es donnerten die Pauken, Und es kam die Galoppade. Diese träumt' ich nicht zu Ende – Denn ein ungeschlachter Bär Trat mir auf die Hühneraugen, Daß ich aufschrie und erwachte.