Hanns Dieter Hüsch - Subjektiver Bericht von der Vernichtung eines Alleinunterhalters während eines Somerfestes unter Akademikern in einer Kleinstadt des Westens lyrics

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Hanns Dieter Hüsch - Subjektiver Bericht von der Vernichtung eines Alleinunterhalters während eines Somerfestes unter Akademikern in einer Kleinstadt des Westens lyrics

Spoken prose: Ich will Ihnen was sagen Ich bin's ja selbt in Schuld Ich finde die Leute immer so nett - Am Telefon! Ich kann so schlecht Nein sagen! "Machen Sie doch eine Tombola!", sage ich immer "Machen Sie doch eine Tombola! Oder holen Sie aus ihrem eigenen Kreis ein paar begabte Menschen zusammen! Trommel Sie sich eine Laienspielschaar zuhauf Und machen Sie ein paar lokale Witze, blankerdings Über den Bürgermeister und den Schulrat Oder über die schlechte Kan*lisation! Und la**en Sie eine Damenrede halten, hinterrücks - Und zu Anfang natürlich eine Polonaise durch alle Restaurationsräume! Holen Sie sich eine gute Band, die alles quer durch den Garten spielt Oder la**en Sie alles und zahlen das ganze Geld für Anneliese Rothenberger! Ob die kommt? Weiß ich doch nicht! Dann machen Sie eben nur eine Tombola! Ich weiß ja, da** Sie etwas mit Niveau haben wollen - Stuhlreihen haben Sie keine - schon schlecht! Freies Essen und Getränke - wie darf ich das verstehen? Akademiker - angehende - da versteht es sich von selbst! Nein, ich bin in ihrer Stadt noch nie gewesen! Wo liegt das - muss ich umsteigen? Gleichzeitig Abschlussfest - aha - mit Angehörigen Beamtenstadt - oje - aber doch aufgeschlossen, an Tischen! Und sie meinen, da** ich mit meinen Sachen in den Tanzpausen - In den Tantpausen? In den Tanzpausen!" Ich bin's ja selbt in Schuld Ich finde die Leute immer so nett - Am Telefon! Und steige ich dann aus dem Zug krieg ich meist das große Frieren Da steht ein junger Mann, nett, und hält mich wohl für Otto Höpfner! Der Saal ist dann dementsprechend: Hufeisenform - Das ist für mich ein Brandzeichen! Hufeisenform - Wissen Sie was das bedeutet? Die Tische sind in Form eines Hufeisens aufgestellt In der Mitte nichts - gähnende Leere, sprich Tanzfläche! "Na", dachte ich mir, "das sind ja alles, das sind doch sicher, sagen wir mal Das sollten eigentlich doch alles Leute sein, die doch wenigstens vom Grips her Eigentlich schon manches auf dem Kasten, sollten das doch alles sein! Wenn auch an Tischen, sollten die meisten doch wohl gewisse Dinge Die man ja voraussetzt, wenn man in einem solchen Kreis, der sich ja nicht von ungefähr So da** man doch bei aller Stimmung und wenn die Mikrofone funktionieren Da** man dann - nicht wahr - auch dazu beiträgt!" Ich packe also meinen Notenständer aus, da erhalte ich schon frohe Botschaft! Der junge nette Mann kommt auf mich zu und sagt: "Sie müssten dann bitte noch ansagen: Eine Mädchengruppemit einer Letkiss-Formation Eine Mädchengruppemit einer Swing-Formation Eine Mädchengruppemit einer Slop-Formation Und eine gemischte Mädchen- und Jungengruppe mit einer Rumba-Formation - Alles einstudiert von Fräulein Beckmann - die aber nicht genannt werden möchte!" "Warum denn nicht?", sage ich "Ach nein!", sagt Fräulein Beckmann, "bitte nicht!" "Aber Fräulein Beckmann", sage ich, "das ist doch dummes Zeug!" "Ich mamache das doch nur so nebenbei, bitte nicht!" "Aber dann doch erst recht", sage ich, "wenn Sie alles nebenbei machen! Das ist doch dummes Zeug, Fräulein Beckmann!" "Ich habe es zwar einstudiert, aber ich möchte doch lieber im Hintergrund bleiben!" Sagt Fräulein Beckmann! Auf der Bühne fummelt eine Beat-Band an ihren Verstärkern herum Von den Musikern erfahre ich, da** auch noch das deutsche Amateurmeisterpaar In den Lateinamerikanischen Tänzen auftritt - Man hätte doch eine Tombola machen sollen! Aber, wie gesagt, ich bin's ja selbt in Schuld! Ich könnte jetzt zu Hause sitzten - es ist Samstag Aber ich sitze nich zu Hause! Der Saal füllt sich nur langsam mit geladenen Gästen Und dann tut der nette junge Mann kund und zu wissen: "Und Nun! Viel Spaß! Mit Hanns Günter Hüsch!" "Meine sehr verehrten Damen und Herren Ich freue mich, da** auch ich heute hier in Ihrem Kreise..." "Lauter!" "Öh, also mit meinen selbstgewirkten Werken Aber leider ist ja bei Ihnen von Aufmerksamkeit nicht viel zu merken Sie haben's ja auch nicht nötig, denn Sie sind gaz von selber gebildet Und wenn Sie nicht zuhören wollen oder können Aber rennen Sie mir bitte nicht dauernd über die Tanzfläche Ich habe ja gerade erst angefangen! Vielleicht, da** Ihnen die nächste Nummer besser gefällt - " Aber - was sich da unten abspielte, war eben eine ganz andere Welt - Die Leute wollten unter sich sein! Das sah ich dann auch ein und gab die Bühne frei für die Kapelle! Und dann ging's los - ist ja auch schön, soll ja auch sein! Wozu hat man denn ein rechtes und ein linkes Bein! "... hören Sie mal, sie können wohl Dreiviertel-Takt nicht von Sechsachtel-Takt unterscheiden!" "Das geht Sie garnichts an, Sie Sonntagstänzer, Sie!" "Sie haben mich einen Sonntagstänzer genannt? Das wird Sie teuer zu stehen kommen!" "Mein Herr, mit Ihnen rede ich nicht mehr!" "Wir sprechen uns noch, Lümmel!" "Lackaffe!" "Haben gnädige Frau den Mond von Soho schon gesehen?" "Gestern konnte man Kammersänger Prey wieder mit Schubert umgehen hören!" "Flegel!" "Strauchdieb!" "Schöner Scherz das, ausgerechnet mit ihnen an einem Tisch sitzen zu müssen!" "Sie können sich ja unter den Tisch setzen!" "Das könnte Ihnen, so pa**en! Mich hat noch niemand volltrunken geseh'n - nicht mal meine Frau!" "Dann wird's aber Zeit, Exzellenz!" "Marketendersitten! Marketendersitten!" "Oh, schönes Fräulein, man hat zu Tombola aufgerufen! Vielleicht ist ein Frosch in mir versteckt Und wenn Sie mich gegen die Wand werfen, kömmt gar ein Könidssohn dabei heraus, hahahaha! Und sollten wir die große Auswahl haben, so kommt Euch das all zugut Denn ich bin nur ein armer Wandergesell!" "Was gewonnen!" "Einen Kamm. Und sie?" "Eine Rolle Drops!" "Was ist das wieder für eine Musik? Überhaupt, die alten Tänze werden einfach totgeschwiegen! Keinen Walzer habe ich früher ausgela**en! Nun gibt's doch nur noch dieses amerikanische Zeug! Und dieses Gehopse - schrecklich! Singen kann ja auch heute keiner mehr!" "Es will ja keiner mehr was lernen, Mutter!" "Ganz allerliebst, ihr Fräulein Tochter, sie tanzt wie eine Elfe im Unterholz!" "Das hat sie von ihrer Frau Mama - sie leitet den Enwicklungsdienst in Unganda!" "Jetzt warte ich schon geschlagene fünfviertlel Stunde auf mein Würstchen mit Kartoffelsalat!" "Nein, ich habe diesen Wein nicht bestellt, ich habe Nummer zwölf bestellt! Wie bitte? Ach, Sie haben's hier wohl nicht nötig - Aber es kommen auch noch mal andere Zeiten! Es kommen auch noch mal... Sehr richtig! Wenn man das gewusst hätte, man kann ja schließlich nicht dauernd Konfetti essen! Verla**en Sie sich drauf, es kommen auch noch mal andere Zeiten!" "Sehen Sie, und dann habe ich zu Herrn Doktor Klinker-Emden vor zwei Jahren gesagt, seine Frau hätte meiner Frau gar nichts zu befehlen - vor zwei Jahren! Und seit díeser Zeit " "Wenn Sie wollen, gnädige Frau, stehle ich von allen Tischen die Salzstangen und baue uns in einer stillen Ecke ein Knusper-Knusper-Häuschen!" "Kommen Sie rasch in die Küche, da gibt's warmes Wa**er!" "Rotwein ist ja nicht totzukriegen!" "Oder das Kleid gleich in ein Mehlfa** stecken!" "Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre Dame!" "Man wird ja wohl noch kondolieren dürfen!" "Ich schlage Ihnen gleich sämtliche Luftballons un die Ohren!" "Hat man - hat man so was schon gesehen - das ist nun der Dank!" "Das geht Sie doch garnichts an, Sie Asphalt-Gorilla!" "Am bestem, wir gehen gleich draußen vor die Tür!" "Bitte schön, bitte schön - ich hab sowieso die Nase voll! Ober zahen!" "Musik!" Als ich nach dem Tanz dann noch mal versuchte Meine Worte an den Mann und die Frau zu bringen, war es schon zu spät Und ich merkte dann, wes Geistes Kinder sich da unten tummelten Da** man doch die meisten Leute überschätzt Gerade die, wo man tagein, tagaus von Disziplin und Bildung schwätzt! Und ich musste meine Sprüche in den Pausen sagen So als wäre niemand da Und ich musste mich dann ständig fragen Ist es eigentlich wahr, da** du hier oben hinter einem Mikrophon Und da unten viele Leute mit Niveau und gymnasialer Tradition Und da** niemand zuhört, weil - ich weiß es nicht warum - Jedenfalls, ein außerordentlich böses Publikum! Ich sage das so - vielleicht ist es zu subjektiv Aber komisch, es ging alles schief! Darum meide ich in Zukunft Bälle Bälle auch für Intellektuelle - Mögen sie gesellschaftlich ereignisreich und exquisit sein - Doch es muss noch irgendwo ein Unteschied sein! Doch da ist kein Unterschied! Wenn die Band 'La Bostella' spielt Die Gesellschaft dann am Boden wühlt: "Laaaaaa la lalla-lalla lallaaaaa!" Dann ist der Höhepunkt des Balles - Dummheit, Dummheit über alles! Dann ist der Höhepunkt des Festes Und dann geht man schön nach Haus' und lässt es Einfach als gewsen hinter sich! Ich bin allerdings in eine zu einer ganz umgebauten Mühle reingefallen Und das musste sein Denn ich seh' es ein - Nein, ich seh' es immer noch nicht ein Was die sogenannte Qualitätsgesellschaft eigentlich so rechtens ausmacht - Feine Leute, feine Leute - wiklich, feine Leute! Nein, da kenn' ich ein paar kleine Leute Die kapieren auch nicht alles Aber keinesfalles Sind sie so blasiert Da** man friert! Doch - Ich bin's ja selbt in Schuld Ich finde die Leute immer so nett! Am Telefon!