Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 7 lyrics

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Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 7 lyrics

Zweiter Auftritt Der Derwisch Al-Hafi. Saladin. Sittah. Al-Hafi. Die Gelder aus Ägypten sind vermutlich angelangt. Wenn's nur fein viel ist. Saladin. Hast du Nachricht? Al-Hafi. Ich? Ich nicht. Ich denke, daß ich hier sie in Empfang soll nehmen. Saladin. Zahl an Sittah tausend Dinare! (In Gedanken hin und her gebend.) Al-Hafi. Zahl! anstatt empfang! O schön! Das ist für Was noch weniger als Nichts. – An Sittah? – wiederum an Sittah? Und Verloren? – wiederum im Schach verloren? – Da steht es noch das Spiel! Sittah. Du gönnst mir doch Mein Glück? Al-Hafi das Spiel betrachtend). Was gönnen? Wenn – Ihr wißt ja wohl. Sittah (ihm winkend). Bst! Hafi! bst! Al-Hafi (noch auf das Spiel gerichtet). Gönnt's Euch nur selber erst! Sittah. Al-Hafi; bst! Al-Hafi (zu Sittah). Die Weißen waren Euer? Ihr bietet Schach? Sittah. Gut, daß er nichts gehört. Al-Hafi. Nun ist der Zug an ihm? Sittah (ihm nähertretend). So sage doch, Daß ich mein Geld bekommen kann. Al-Hafi (noch auf das Spiel geheftet). Nun ja; Ihr sollt's bekommen, wie Ihr's stets bekommen. Sittah. Wie? bist du toll? Al-Hafi. Das Spiel ist ja nicht aus. Ihr habt ja nicht verloren, Saladin. Saladin (kaum hinhörend). Doch! doch! Bezahl! bezahl! Al-Hafi. Bezahl! bezahl! Da steht ja Eure Königin. Saladin (noch so). Gilt nicht; Gehört nicht mehr ins Spiel. Sittah. So mach und sag, Daß ich das Geld mir nur kann holen la**en. Al-Hafi (noch immer in das Spiel vertieft). Versteht sich, so wie immer. – Wenn auch schon; Wenn auch die Königin nichts gilt: Ihr seid Doch darum noch nicht matt. Saladin (tritt hinzu und wirft das Spiel um). Ich bin es; will Es sein. Al-Hafi. Ja so! – Spiel wie Gewinst! So wie Gewonnen, so bezahlt. Saladin (zu Sittah). Was sagt er? was? Sittah (von Zeit zu Zeit dem Hafi winkend). Du kennst ihn ja. Er sträubt sich gern; läßt gern Sich bitten; ist wohl gar ein wenig neidisch. – Saladin. Auf dich doch nicht? Auf meine Schwester nicht? Was hör ich, Hafi? Neidisch? du? Al-Hafi. Kann sein! Kann sein! – Ich hätt' ihr Hirn wohl lieber selbst; Wär' lieber selbst so gut, als sie. Sittah. Indes Hat er doch immer richtig noch bezahlt. Und wird auch heut bezahlen. Laß ihn nur! – Geh nur, Al-Hafi, geh! Ich will das Geld Schon holen la**en. Al-Hafi. Nein; ich spiele länger Die Mummerei nicht mit. Er muß es doch Einmal erfahren. Saladin. Wer? und was? Sittah. Al-Hafi! Ist dieses dein Versprechen? Hältst du so Mir Wort? Al-Hafi. Wie konnt' ich glauben, daß es so Weit gehen würde. Saladin. Nun? erfahr ich nichts? Sittah. Ich bitte dich, Al-Hafi; sei bescheiden. Saladin. Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah So feierlich, so warm bei einem Fremden, Bei einem Derwisch lieber, als bei mir, Bei ihrem Bruder, sich verbitten wollen. Al-Hafi, nun befehl ich. – Rede, Derwisch! Sittah. Laß eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir Nicht näher treten, als sie würdig ist. Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen. Und weil ich itzt das Geld nicht nötig habe; Weil itzt in Hafis Ka**e doch das Geld Nicht eben allzuhäufig ist: so sind Die Posten stehngeblieben. Aber sorgt Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder, Noch Hafi, noch der Ka**e schenken. Al-Hafi. Ja, Wenn's das nur wäre! das! Sittah. Und mehr dergleichen. – Auch das ist in der Ka**e stehngeblieben, Was du mir einmal ausgeworfen; ist Seit wenig Monden stehngeblieben. Al-Hafi. Noch Nicht alles. Saladin. Noch nicht? – Wirst du reden? Al-Hafi. Seit aus Ägypten wir das GeId erwarten, Hat sie ... Sittah (zu Saladin). Wozu ihn hören? Al-Hafi. Nicht nur nichts Bekommen ... Saladin. Gutes Mädchen! – Auch beiher Mit vorgeschossen. Nicht? Al-Hafi. Den ganzen Hof Erhalten; Euern Aufwand ganz allein Bestritten. Saladin. Ha! das, das ist meine Schwester! (Sie umarmend.) Sittah. Wer hatte, dies zu können, mich so reich Gemacht, als du, mein Bruder? Al-Hafi. Wird schon auch So bettelarm sie wieder machen, als Er selber ist. Saladin. Ich arm? der Bruder arm? Wenn hab ich mehr? wenn weniger gehabt? – Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, – und Einen Gott! Was brauch ich mehr? Wenn kann's an dem mir fehlen? Und doch, Al-Hafi, könnt' ich mit dir schelten. Sittah. Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater Auch seine Sorgen so erleichtern könnte! Saladin. Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit Auf einmal wieder nieder! – Mir, für mich Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm, Ihm fehlet; und in ihm uns allen. – Sagt, Was soll ich machen? – Aus Ägypten kommt Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt, Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig. – Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern, Mir gern gefallen la**en; wenn es mich, Bloß mich betrifft; bloß mich, und niemand sonst Darunter leidet. – Doch was kann das machen? Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muß ich doch haben. Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen. Ihm gnügt schon so mit wenigem genug; Mit meinem Herzen. – Auf den Überschuß Von deiner Ka**e, Hafi, hatt' ich sehr Gerechnet. Al-Hafi. Überschuß? – Sagt selber, ob Ihr mich nicht hättet spießen, wenigstens Mich drosseln la**en, wenn auf Überschuß Ich von Euch wär' ergriffen worden. Ja, Auf Unterschleif! das war zu wagen. Saladin. Nun, Was machen wir denn aber? – Konntest du Vorerst bei niemand andern borgen, als Bei Sittah? Sittah. Würd' ich dieses Vorrecht, Bruder, Mir haben nehmen la**en? Mir von ihm? Auch noch besteh ich drauf. Noch bin ich auf Dem Trocknen völlig nicht. Saladin. Nur völlig nicht! Das fehlte noch! – Geh gleich, mach Anstalt, Hafi! Nimm auf bei wem du kannst! und wie du kannst! Geh, borg, versprich. – Nur, Hafi, borge nicht Bei denen, die ich reich gemacht. Denn borgen Von diesen, möchte wiederfordern heißen. Geh zu den Geizigsten; die werden mir Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl, Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert. Al-Hafi. Ich kenne deren keine. Sittah. Eben fällt Mir ein, gehört zu haben, Hafi, daß Dein Freund zurückgekommen. Al-Hafi (betroffen). Freund? mein Freund? Wer wär' denn das? Sittah. Dein hochgepriesner Jude. Al-Hafi. Gepriesner Jude? hoch von mir? Sittah. Dem Gott, – Mich denkt des Ausdrucks noch recht wohl, des einst Du selber dich von ihm bedientest, – dem Sein Gott von allen Gütern dieser Welt Das Kleinst' und Größte so in vollem Maß Erteilet habe. – Al-Hafi. Sagt' ich so? – Was meint' Ich denn damit? Sittah. Das Kleinste: Reichtum. Und Das Größte: Weisheit. Al-Hafi. Wie? von einem Juden? Von einem Juden hätt' ich das gesagt? Sittah. Das hättest du von deinem Nathan nicht Gesagt? Al-Hafi. Ja so! von dem! vom Nathan! – Fiel Mir der doch gar nicht bei. – Wahrhaftig? Der Ist endlich wieder heimgekommen? Ei! So mag's doch gar so schlecht mit ihm nicht stehn. – Ganz recht: den nannt' einmal das Volk den Weisen! Den Reichen auch. Sittah. Den Reichen nennt es ihn Itzt mehr als je. Die ganze Stadt erschallt, Was für Kostbarkeiten, was für Schätze Er mitgebracht. Al-Hafi. Nun, ist's der Reiche wieder: So wird's auch wohl der Weise wieder sein. Sittah. Was meinst du, Hafi, wenn du diesen angingst? Al-Hafi. Und was bei ihm? – Doch wohl nicht borgen? – Ja, Da kennt Ihr ihn. – Er borgen! – Seine Weisheit Ist eben, daß er niemand borgt. Sittah. Du hast Mir sonst doch ganz ein ander Bild von ihm Gemacht. Al-Hafi. Zur Not wird er Euch Waren borgen. Geld aber, Geld? Geld nimmermehr. – Es ist Ein Jude freilich übrigens, wie's nicht Viel Juden gibt. Er hat Verstand; er weiß Zu leben; spielt gut Schach. Doch zeichnet er Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten Von allen andern Juden aus. – Auf den, Auf den nur rechnet nicht. – Den Armen gibt Er zwar; und gibt vielleicht trotz Saladin. Wenn schon nicht ganz so viel; doch ganz so gern; Doch ganz so sonder Ansehn. Jud' und Christ Und Muselmann und Parsi, alles ist Ihm eins. Sittah. Und so ein Mann ... Saladin. Wie kommt es denn, Daß ich von diesem Manne nie gehört? ... Sittah. Der sollte Saladin nicht borgen? nicht Dem Saladin, der nur für andre braucht, Nicht sich? Al-Hafi. Da seht nun gleich den Juden wieder; Den ganz gemeinen Juden! – Glaubt mir's doch! – Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig, So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in Der Welt gesagt wird, zög' er lieber ganz Allein. Nur darum eben leiht er keinem, Damit er stets zu geben habe. Weil Die Mild' ihm im Gesetz geboten; die Gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht Die Mild' ihn zu dem ungefälligsten Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, daß ich Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige. Er ist zu allem gut: bloß dazu nicht; Bloß dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich Nur gehn, an andre Türen klopfen ... Da Besinn ich mich soeben eines Mohren, Der reich und geizig ist. – Ich geh; ich geh. Sittah. Was eilst du, Hafi? Saladin. Laß ihn! laß ihn!