Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 4 lyrics

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Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 4 lyrics

Vierter Aufzug Erster Auftritt (Szene: in den Kreuzgängen des Klosters.) Der Klosterbruder und bald darauf der Tempelherr. Klosterbruder. Ja, ja! er hat schon recht, der Patriarch! Es hat mir freilich noch von alledem Nicht viel gelingen wollen, was er mir So aufgetragen. Warum trägt er mir Auch lauter solche Sachen auf? Ich mag Nicht fein sein; mag nicht überreden; mag Mein Näschen nicht in alles stecken; mag Mein Händchen nicht in allem haben. Bin Ich darum aus der Welt geschieden, ich Für mich; um mich für andre mit der Welt Noch erst recht zu verwickeln? Tempelherr (mit Hast auf ihn zukommend). Guter Bruder! Da seid Ihr ja. Ich hab Euch lange schon Gesucht. Klosterbruder. Mich, Herr? Tempelherr. Ihr kennt mich schon nicht mehr? Klosterbruder. Doch, doch! Ich glaubte nur, daß ich den Herrn In meinem Leben wieder nie zu sehn Bekommen würde. Denn ich hofft' es zu Dem lieben Gott. Der liebe Gott, der weiß, Wie sauer mir der Antrag ward, den ich Dem Herrn zu tun verbunden war. Er weiß, Ob ich gewünscht, ein offnes Ohr bei Euch Zu finden; weiß, wie sehr ich mich gefreut, Im Innersten gefreut, daß Ihr so rund Das alles, ohne viel Bedenken, von Euch wies't, was einem Ritter nicht geziemt. Nun kommt Ihr doch; nun hat's doch nachgewirkt! Tempelherr. Ihr wißt es schon, warum ich komme? Kaum Weiß ich es selbst. Klosterbruder. Ihr habt's nun überlegt; Habt nun gefunden, daß der Patriarch So unrecht doch nicht hat; daß Ehr' und Geld Durch seinen Anschlag zu gewinnen; daß Ein Feind ein Feind ist, wenn er unser Engel Auch siebenmal gewesen wäre. Das, Das habt Ihr nun mit Fleisch und Blut erwogen, Und kommt, und tragt Euch wieder an. Ach Gott! Tempelherr. Mein frommer, lieber Mann! gebt Euch zufrieden. Deswegen komm ich nicht; deswegen will Ich nicht den Patriarchen sprechen. Noch, Noch denk ich über jenen Punkt, wie ich Gedacht, und wollt' um alles in der Welt Die gute Meinung nicht verlieren, deren Mich ein so grader, frommer, lieber Mann Einmal gewürdiget. Ich komme bloß, Den Patriarchen über eine Sache Um Rat zu fragen ... Klosterbruder. Ihr den Patriarchen? Ein Ritter, einen Pfaffen? (Sich schüchtern umsehend.) Tempelherr. Ja; die Sach' Ist ziemlich pfäffisch. Klosterbruder. Gleichwohl fragt der Pfaffe Den Ritter nie, die Sache sei auch noch So ritterlich. Tempelherr. Weil er das Vorrecht hat, Sich zu vergehn; das unsereiner ihm Nicht sehr beneidet. Freilich, wenn ich nur Für mich zu handeln hätte; freilich, wenn Ich Rechenschaft nur mir zu geben hätte: Was braucht' ich Euers Patriarchen? Aber Gewisse Dinge will ich lieber schlecht, Nach andrer Willen, machen; als allein Nach meinem, gut. Zudem, ich seh nun wohl, Religion ist auch Partei; und wer Sich drob auch noch so unparteiisch glaubt, Hält, ohn' es selbst zu wissen, doch nur seiner Die Stange. Weil das einmal nun so ist: Wird's so wohl recht sein. Klosterbruder. Dazu schweig ich lieber. Denn ich versteh den Herrn nicht recht. Tempelherr. Und doch! (Laß sehn, warum mir eigentlich zu tun! Um Machtspruch oder Rat? Um lautern, oder Gelehrten Rat?) Ich dank Euch, Bruder; dank Euch für den guten Wink. Was Patriarch? Seid Ihr mein Patriarch! Ich will ja doch Den Christen mehr im Patriarchen, als Den Patriarchen in dem Christen fragen. Die Sach' ist die ... Klosterbruder. Nicht weiter, Herr, nicht weiter! Wozu? Der Herr verkennt mich. Wer viel weiß, Hat viel zu sorgen; und ich habe ja Mich einer Sorge nur gelobt. O gut! Hört! seht! Dort kömmt, zu meinem Glück, er selbst. Bleibt hier nur stehn. Er hat Euch schon erblickt. Zweiter Auftritt Der Patriarch, welcher mit allem geistlichen Pomp den einen Kreuzgang heraufkommt, und die Vorigen. Tempelherr. Ich wich' ihm lieber aus. Wär' nicht mein Mann! Ein dicker, roter, freundlicher Prälat! Und welcher Prunk! Klosterbruder. Ihr solltet ihn erst sehn Nach Hofe sich erheben. Itzo kömmt Er nur von einem Kranken. Tempelherr. Wie sich da Nicht Saladin wird schämen müssen! Patriarch (indem er näherkommt, winkt dem Bruder). Hier! Das ist ja wohl der Tempelherr. Was will Er? Klosterbruder. Weiß nicht. Patriarch (auf ihn zugehend, indem der Bruder und das Gefolge zurücktreten). Nun, Herr Ritter! Sehr erfreut, Den braven jungen Mann zu sehn! Ei, noch So gar jung! Nun, mit Gottes Hilfe, daraus Kann etwas werden. Tempelherr. Mehr, ehrwürd'ger Herr, Wohl schwerlich, als schon ist. Und eher noch, Was weniger. Patriarch. Ich wünsche wenigstens, Daß so ein frommer Ritter lange noch Der lieben Christenheit, der Sache Gottes Zu Ehr' und Frommen blühn und grünen möge! Das wird denn auch nicht fehlen, wenn nur fein Die junge Tapferkeit dem reifen Rate Des Alters folgen will! Womit wär' sonst Dem Herrn zu dienen? Tempelherr. Mit dem nämlichen, Woran es meiner Jugend fehlt: mit Rat. Patriarch. Recht gern! Nur ist der Rat auch anzunehmen. Tempelherr. Doch blindlings nicht? Patriarch. Wer sagt denn das? Ei freilich Muß niemand die Vernunft, die Gott ihm gab, Zu brauchen unterla**en, wo sie hin- Gehört. Gehört sie aber überall Denn hin? O nein! Zum Beispiel: wenn uns Gott Durch einen seiner Engel, ist zu sagen, Durch einen Diener seines Worts, ein Mittel Bekannt zu machen würdiget, das Wohl Der ganzen Christenheit, das Heil der Kirche, Auf irgendeine ganz besondre Weise Zu fördern, zu befestigen: wer darf Sich da noch unterstehn, die Willkür des, Der die Vernunft erschaffen, nach Vernunft Zu untersuchen? und das ewige Gesetz der Herrlichkeit des Himmels, nach Den kleinen Regeln einer eiteln Ehre Zu prüfen? Doch hiervon genug. Was ist Es denn, worüber unsern Rat für itzt Der Herr verlangt? Tempelherr. Gesetzt, ehrwürd'ger Vater, Ein Jude hätt' ein einzig Kind, es sei Ein Mädchen, das er mit der größten Sorgfalt Zu allem Guten auferzogen, das Er liebe mehr als seine Seele, das Ihn wieder mit der frömmsten Liebe liebe. Und nun würd' unsereinem hinterbracht, Dies Mädchen sei des Juden Tochter nicht; Er hab' es in der Kindheit aufgelesen, Gekauft, gestohlen, was Ihr wollt; man wisse, Das Mädchen sei ein Christenkind, und sei Getauft; der Jude hab' es nur als Jüdin Erzogen; la**' es nur als Jüdin und Als seine Tochter so verharren: sagt, Ehrwürd'ger Vater, was wär' hierbei wohl Zu tun? Patriarch. Mich schaudert! Doch zu allererst Erkläre sich der Herr, ob so ein Fall Ein Faktum oder eine Hypothes'. Das ist zu sagen: ob der Herr sich das Nur bloß so dichtet, oder ob's geschehn, Und fortfährt zu geschehn. Tempelherr. Ich, glaubte, das Sei eins, um Euer Hochehrwürden Meinung Bloß zu vernehmen. Patriarch. Eins? Da seh' der Herr Wie sich die stolze menschliche Vernunft Im Geistlichen doch irren kann. Mitnichten! Denn ist der vorgetragne Fall nur so Ein Spiel des Witzes: so verlohnt es sich Der Mühe nicht, im Ernst ihn durchzudenken. Ich will den Herrn damit auf das Theater Verwiesen haben, wo dergleichen pro Et contra sich mit vielem Beifall könnte Behandeln la**en. Hat der Herr mich aber Nicht bloß mit einer theatral'schen Schnurre Zum besten; ist der Fall ein Faktum; hätt' Er sich wohl gar in unsrer Diözes', In unsrer lieben Stadt Jerusalem Ereignet: ja alsdann Tempelherr. Und was alsdann? Patriarch. Dann wäre an dem Juden fördersamst Die Strafe zu vollziehn, die päpstliches Und kaiserliches Recht so einem Frevel, So einer Lastertat bestimmen. Tempelherr. So? Patriarch. Und zwar bestimmen obbesagte Rechte Dem Juden, welcher einen Christen zur Apostasie verführt, den Scheiterhaufen, Den Holzstoß Tempelherr. So? Patriarch. Und wieviel mehr dem Juden, Der mit Gewalt ein armes Christenkind Dem Bunde seiner Tauf' entreißt! Denn ist Nicht alles, was man Kindern tut, Gewalt? Zu sagen: ausgenommen, was die Kirch' An Kindern tut. Tempelherr. Wenn aber nun das Kind, Erbarmte seiner sich der Jude nicht, Vielleicht im Elend umgekommen wäre? Patriarch. Tut nichts! der Jude wird verbrannt! Denn besser, Es wäre hier im Elend umgekommen, Als daß zu seinem ewigen Verderben Es so gerettet ward. Zudem, was hat Der Jude Gott denn vorzugreifen? Gott Kann, wen er retten will, schon ohn' ihn retten. Tempelherr. Auch trotz ihm, sollt' ich meinen, selig machen. Patriarch. Tut nichts! der Jude wird verbrannt. Tempelherr. Das geht Mir nah'! Besonders, da man sagt, er habe Das Mädchen nicht sowohl in seinem, als Vielmehr in keinem Glauben auferzogen, Und sie von Gott nicht mehr nicht weniger Gelehrt, als der Vernunft genügt. Patriarch. Tut nichts! Der Jude wird verbrannt ... Ja, wär' allein Schon dieserwegen wert, dreimal verbrannt Zu werden! Was? ein Kind ohn' allen Glauben Erwachsen la**en? Wie? die große Pflicht, Zu glauben, ganz und gar ein Kind nicht lehren? Das ist zu arg! Mich wundert sehr, Herr Ritter, Euch selbst ... Tempelherr. Ehrwürd'ger Herr, das übrige, Wenn Gott will, in der Beichte. (Will gehn.) Patriarch. Was? mir nun Nicht einmal Rede stehn? Den Bösewicht, Den Juden mir nicht nennen? mir ihn nicht Zur Stelle schaffen? O da weiß ich Rat! Ich geh sogleich zum Sultan. Saladin, Vermöge der Kapitulation, Die er beschworen, muß uns, muß uns schützen; Bei allen Rechten, allen Lehren schützen, Die wir zu unsrer Allerheiligsten Religion nur immer rechnen dürfen! Gottlob! wir haben das Original. Wir haben seine Hand, sein Siegel. Wir! Auch mach ich ihm gar leicht begreiflich, wie Gefährlich selber für den Staat es ist, Nichts glauben! Alle bürgerliche Bande Sind aufgelöset, sind zerrissen, wenn Der Mensch nichts glauben darf. Hinweg! hinweg Mit solchem Frevel! ... Tempelherr. Schade, daß ich nicht Den trefflichen Sermon mit beßrer Muße Genießen kann! Ich bin zum Saladin Gerufen. Patriarch. Ja? Nun so Nun freilich Dann Tempelherr. Ich will den Sultan vorbereiten, wenn Es Eurer Hochehrwürden so gefällt. Patriarch. Oh, oh! Ich weiß, der Herr hat Gnade funden Vor Saladin! Ich bitte meiner nur Im Besten bei ihm eingedenk zu sein. Mich treibt der Eifer Gottes lediglich. Was ich zuviel tu, tu ich ihm. Das wolle Doch ja der Herr erwägen! Und nicht wahr, Herr Ritter? das vorhin Erwähnte von Dem Juden, war nur ein Problema? ist Zu sagen Tempelherr. Ein Problema. (Geht ab.) Patriarch. (Dem ich tiefer Doch auf den Grund zu kommen suchen muß. Das wär' so wiederum ein Auftrag für Den Bruder Bonafides.) Hier, mein Sohn! (Er spricht im Abgehn mit dem Klosterbruder.) Dritter Auftritt (Szene: ein Zimmer im Palaste des Saladin, in welches von Sklaven eine Menge Beutel getragen, und auf dem Boden nebeneinandergestellt werden.) Saladin und bald darauf Sittah. Saladin (der dazukömmt). Nun wahrlich! das hat noch kein Ende. Ist Des Dings noch viel zurück? Ein Sklave. Wohl noch die Hälfte. Saladin. So tragt das übrige zu Sittah. Und Wo bleibt Al-Hafi? Das hier soll sogleich Al-Hafi zu sich nehmen. Oder ob Ich's nicht vielmehr dem Vater schicke? Hier Fällt mir es doch nur durch die Finger. Zwar Man wird wohl endlich hart; und nun gewiß Soll's Künste kosten, mir viel abzuzwacken. Bis wenigstens die Gelder aus Ägypten Zur Stelle kommen, mag das Armut sehn, Wie's fertig wird! Die Spenden bei dem Grabe, Wenn die nur fortgehn! Wenn die Christenpilger Mit leeren Händen nur nicht abziehn dürfen! Wenn nur Sittah. Was soll nun das? Was soll das Geld Bei mir? Saladin. Mach dich davon bezahlt; und leg Auf Vorrat, wenn was übrigbleibt. Sittah. Ist Nathan Noch mit dem Tempelherrn nicht da? Saladin. Er sucht Ihn aller Orten. Sittah. Sieh doch, was ich hier, Indem mir so mein alt Geschmeide durch Die Hände geht, gefunden. (Ihm ein klein Gemälde zeigend.) Saladin. Ha! mein Bruder! Das ist er, ist er! War er! war er! ah! Ah wackrer lieber Junge, daß ich dich So früh verlor! Was hätt' ich erst mit dir, An deiner Seit' erst unternommen! Sittah, Laß mir das Bild. Auch kenn ich's schon: er gab Es deiner ältern Schwester, seiner Lilla, Die eines Morgens ihn so ganz und gar Nicht aus den Armen la**en wollt'. Es war Der letzte, den er ausritt. Ah, ich ließ Ihn reiten, und allein! Ah, Lilla starb Vor Gram, und hat mir's nie vergeben, daß Ich so allein ihn reiten la**en. Er Blieb weg! Sittah. Der arme Bruder! Saladin. Laß nur gut Sein! Einmal bleiben wir doch alle weg! Zudem, wer weiß? Der Tod ist's nicht allein, Der einem Jüngling seiner Art das Ziel Verrückt. Er hat der Feinde mehr; und oft Erliegt der Stärkste gleich dem Schwächsten. Nun, Sei wie ihm sei! Ich muß das Bild doch mit Dem jungen Tempelherrn vergleichen; muß Doch sehn, wieviel mich meine Phantasie Getäuscht. Sittah. Nur darum bring ich's. Aber gib Doch, gib! Ich will dir das wohl sagen; das Versteht ein weiblich Aug' am besten. Saladin (zu einem Türsteher, der hereintritt). Wer Ist da? der Tempelherr? Er komm'! Sittah. Euch nicht Zu stören: ihn mit meiner Neugier nicht Zu irren (Sie setzt sich seitwärts auf einen Sofa und läßt den Schleier fallen.) Saladin. Gut so! gut! (Und nun sein Ton! Wie der wohl sein wird! Assads Ton Schläft auch wohl wo in meiner Seele noch!) Vierter Auftritt Der Tempelherr und Saladin. Tempelherr. Ich, dein Gefangner, Sultan ... Saladin. Mein Gefangner? Wem ich das Leben schenke, werd ich dem Nicht auch die Freiheit schenken? Tempelherr. Was dir ziemt Zu tun, ziemt mir, erst zu vernehmen, nicht Vorauszusetzen. Aber, Sultan, Dank, Besondern Dank dir für mein Leben zu Beteuern, stimmt mit meinem Stand und meinem Charakter nicht. Es steht in allen Fällen Zu deinen Diensten wieder. Saladin. Brauch es nur Nicht wider mich! Zwar ein paar Hände mehr, Die gönnt' ich meinem Feinde gern. Allein Ihm so ein Herz auch mehr zu gönnen, fällt Mir schwer. Ich habe mich mit dir in nichts Betrogen, braver junger Mann! Du bist Mit Seel' und Leib mein Assad. Sieh! ich könnte Dich fragen: wo du denn die ganze Zeit Gesteckt? in welcher Höhle du geschlafen? In welchem Ginnistan, von welcher guten Div diese Blume fort und fort so frisch Erhalten worden? Sich! ich könnte dich Erinnern wollen, was wir dort und dort Zusammen ausgeführt. Ich könnte mit Dir zanken, daß du ein Geheimnis doch Vor mir gehabt! Ein Abenteuer mir Doch unterschlagen: Ja das könnt' ich; wenn Ich dich nur säh', und nicht auch mich. Nun, mag's! Von dieser süßen Träumerei ist immer Doch so viel wahr, daß mir in meinem Herbst Ein Assad wieder blühen soll. Du bist Es doch zufrieden, Ritter? Tempelherr. Alles, was Von dir mir kömmt, sei was es will das lag Als Wunsch in meiner Seele. Saladin. Laß uns das Sogleich versuchen. Bliebst du wohl bei mir? Um mir? Als Christ, als Muselmann: gleichviel! Im weißen Mantel, oder Jamerlonk; Im Tulban, oder deinem Filze: wie Du willst! Gleichviel! Ich habe nie verlangt, Daß allen Bäumen eine Rinde wachse. Tempelherr. Sonst wärst du wohl auch schwerlich, der du bist: Der Held, der lieber Gottes Gärtner wäre. Saladin. Nun dann; wenn du nicht schlechter von mir denkst: So wären wir ja halb schon richtig? Tempelherr Ganz! Saladin (ihm die Hand bietend). Ein Wort? Tempelherr (einschlagend). Ein Mann! Hiermit empfange mehr Als du mir nehmen konntest. Ganz der Deine! Saladin. Zuviel Gewinn für einen Tag! zuviel! Kam er nicht mit? Tempelherr. Wer? Saladin. Nathan. Tempelherr (frostig). Nein. Ich kam Allein. Saladin. Welch eine Tat von dir! Und welch Ein weises Glück, daß eine solche Tat Zum Besten eines solchen Mannes ausschlug. Tempelherr. Ja, ja! Saladin. So kalt? Nein, junger Mann! wenn Gott Was Gutes durch uns tut, muß man so kalt Nicht sein! selbst aus Bescheidenheit so kalt Nicht scheinen wollen! Tempelherr. Daß doch in der Welt Ein jedes Ding so manche Seiten hat! Von denen oft sich gar nicht denken läßt, Wie sie zusammenpa**en! Saladin. Halte dich Nur immer an die best', und preise Gott! Der weiß, wie sie zusammenpa**en. Aber, Wenn du so schwierig sein willst, junger Mann: So werd auch ich ja wohl auf meiner Hut Mich mit dir halten müssen? Leider bin Auch ich ein Ding von vielen Seiten, die Oft nicht so recht zu pa**en scheinen mögen. Tempelherr. Das schmerzt! Denn Argwohn ist so wenig sonst Mein Fehler Saladin. Nun, so sage doch, mit wem Du's hast? Es schien ja gar, mit Nathan. Wie? Auf Nathan Argwohn? du? Erklär dich! sprich! Komm, gib mir deines Zutrauns erste Probe. Tempelherr. Ich habe wider Nathan nichts. Ich zürn Allein mit mir Saladin. Und über was? Tempelherr. Daß mir Geträumt, ein Jude könn' auch wohl ein Jude Zu sein verlernen; daß mir wachend so Geträumt. Saladin. Heraus mit diesem wachen Traume! Tempelherr. Du weißt von Nathans Tochter, Sultan. Was Ich für sie tat, das tat ich, weil ich's tat. Zu stolz, Dank einzuernten, wo ich ihn Nicht säete, verschmäht' ich Tag für Tag, Das Mädchen noch einmal zu sehn. Der Vater War fern; er kömmt; er hört; er sucht mich auf; Er dankt; er wünscht, daß seine Tochter mir Gefallen möge; spricht von Aussicht, spricht Von heitern Fernen. Nun, ich la**e mich Beschwatzen, komme, sehe, finde wirklich Ein Mädchen ... Ah, ich muß mich schämen, Sultan! Saladin. Dich schämen? daß ein Judenmädchen auf Dich Eindruck machte: doch wohl nimmermehr? Tempelherr. Daß diesem Eindruck, auf das liebliche Geschwätz des Vaters hin, mein rasches Herz So wenig Widerstand entgegensetzte! Ich Tropf! ich sprang zum zweitenmal ins Feuer. Denn nun warb ich, und nun ward ich verschmäht. Saladin. Verschmäht? Tempelherr. Der weise Vater schlägt nun wohl Mich platterdings nicht aus. Der weise Vater Muß aber doch sich erst erkunden, erst Besinnen. Allerdings! Tat ich denn das Nicht auch? Erkundete, besann ich denn Mich erst nicht auch, als sie im Feuer schrie? Fürwahr! bei Gott! Es ist doch gar was Schönes, So weise, so bedächtig sein! Saladin. Nun, nun! So sieh doch einem Alten etwas nach! Wie lange können seine Weigerungen Denn dauern? Wird er denn von dir verlangen, Daß du erst Jude werden sollst? Tempelherr. Wer weiß! Saladin. Wer weiß? der diesen Nathan besser kennt. Tempelherr. Der Aberglaub', in dem wir aufgewachsen, Verliert, auch wenn wir ihn erkennen, darum Doch seine Macht nicht über uns. Es sind Nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten. Saladin. Sehr reif bemerkt! Doch Nathan wahrlich, Nathan ... Tempelherr. Der Aberglauben schlimmster ist, den seinen Für den erträglichern zu halten ... Saladin. Mag Wohl sein! Doch Nathan..., Tempelherr. Dem allein Die blöde Menschheit zu vertrauen, bis Sie hellern Wahrheitstag gewöhne; dem Allein ... Saladin. Gut! Aber Nathan! Nathans Los Ist diese Schwachheit nicht. Tempelherr. So dacht' ich auch! ... Wenn gleichwohl dieser Ausbund aller Menschen So ein gemeiner Jude wäre, daß Er Christenkinder zu bekommen suche, Um sie als Juden aufzuziehn: wie dann? Saladin. Wer sagt ihm so was nach? Tempelherr. Das Mädchen selbst, Mit welcher er mich körnt, mit deren Hoffnung Er gern mir zu bezahlen schiene, was Ich nicht umsonst für sie getan soll haben: Dies Mädchen selbst ist seine Tochter nicht; Ist ein verzettelt Christenkind. Saladin. Das er Dem ungeachtet dir nicht geben wollte? Tempelherr (heftig). Woll' oder wolle nicht! Er ist entdeckt. Der tolerante Schwätzer ist entdeckt! Ich werde hinter diesen jüd'schen Wolf Im philosoph'schen Schafpelz Hunde schon Zu bringen wissen, die ihn zausen sollen! Saladin (ernst). Sei ruhig, Christ! Tempelherr. Was? ruhig Christ? Wenn Jud' Und Muselmann, auf Jud', auf Muselmann Bestehen: soll allein der Christ den Christen Nicht machen dürfen? Saladin (noch ernster). Ruhig, Christ! Tempelherr (gela**en). Ich fühle Des Vorwurfs ganze Last, die Saladin In diese Silbe preßt! Ah, wenn ich wüßte, Wie Assad, Assad sich an meiner Stelle Hierbei genommen hätte! Saladin. Nicht viel besser! Vermutlich ganz so brausend! Doch, wer hat Denn dich auch schon gelehrt, mich so wie er Mit einem Worte zu bestechen? Freilich Wenn alles sich verhält, wie du mir sagest: Kann ich mich selber kaum in Nathan finden. Indes, er ist mein Freund, und meiner Freunde Muß keiner mit dem andern hadern. Laß Dich weisen! Geh behutsam! Gib ihn nicht Sofort den Schwärmern deines Pöbels preis! Verschweig, was deine Geistlichkeit, an ihm Zu rächen, mir so nahe legen würde! Sei keinem Juden, keinem Muselmanne Zum Trotz ein Christ! Tempelherr. Bald wär's damit zu spät! Doch dank der Blutbegier des Patriarchen, Des Werkzeug mir zu werden graute! Saladin. Wie? Du kamst zum Patriarchen eher, als Zu mir? Tempelherr. Im Sturm der Leidenschaft, im Wirbel Der Unentschlossenheit! Verzeih! Du wirst Von deinem Assad, fürcht ich, ferner nun Nichts mehr in mir erkennen wollen. Saladin. Wär' Es diese Furcht nicht selbst! Mich dünkt, ich weiß, Aus welchen Fehlern unsre Tugend keimt. Pfleg diese ferner nur, und jene sollen Bei mir dir wenig schaden. Aber geh! Such du nun Nathan, wie er dich gesucht; Und bring ihn her. Ich muß euch doch zusammen Verständigen. Wär' um das Mädchen dir Im Ernst zu tun: sei ruhig. Sie ist dein! Auch soll es Nathan schon empfinden, daß Er ohne Schweinefleisch ein Christenkind Erziehen dürfen! Geh! (Der Tempelherr geht ab, und Sittah verläßt den Sofa.) Fünfter Auftritt Saladin und Sittah. Sittah. Ganz sonderbar! Saladin. Gelt, Sittah? Muß mein Assad nicht ein braver, Ein schöner junger Mann gewesen sein? Sittah. Wenn er so war, und nicht zu diesem Bilde Der Tempelherr vielmehr gesessen! Aber Wie hast du doch vergessen können dich Nach seinen Eltern zu erkundigen? Saladin. Und insbesondre wohl nach seiner Mutter? Ob seine Mutter hierzulande nie Gewesen sei? Nicht wahr? Sittah. Das machst du gut! Saladin. Oh, möglicher wär' nichts! Denn Assad war Bei hübschen Christendamen so willkommen, Auf hübsche Christendamen so erpicht, Daß einmal gar die Rede ging Nun, nun; Man spricht nicht gern davon. Genug; ich hab Ihn wieder! will mit allen seinen Fehlern, Mit allen Launen seines weichen Herzens Ihn wieder haben! Oh! das Mädchen muß Ihm Nathan geben. Meinst du nicht? Sittah. Ihm geben? Ihm la**en! Saladin. Allerdings! Was hätte Nathan, Sobald er nicht ihr Vater ist, für Recht Auf sie? Wer ihr das Leben so erhielt, Tritt einzig in die Rechte des, der ihr Es gab. Sittah. Wie also, Saladin? wenn du Nur gleich das Mädchen zu dir nähmst? Sie nur Dem unrechtmäßigen Besitzer gleich Entzögest? Saladin. Täte das wohl not? Sittah. Not nun Wohl eben nicht! Die liebe Neubegier Treibt mich allein, dir diesen Rat zu geben. Denn von gewissen Männern mag ich gar Zu gern, so bald wie möglich, wissen, was Sie für ein Mädchen lieben können. Saladin. Nun, So schick und laß sie holen. Sittah. Darf ich, Bruder? Saladin. Nur schone Nathans! Nathan muß durchaus Nicht glauben, daß man mit Gewalt ihn von Ihr trennen wolle. Sittah. Sorge nicht. Saladin. Und ich, Ich muß schon selbst sehn, wo Al-Hafi bleibt. Sechster Auftritt (Szene: die offne Flur in Nathans Hause, gegen die Palmen zu; wie im ersten Auftritte des ersten Aufzuges. Ein Teil der Waren und Kostbarkeiten liegt ausgekramt, deren ebendaselbst gedacht wird.) Nathan und Daja. Daja. Oh, alles herrlich! alles auserlesen! Oh, alles wie nur Ihr es geben könnt. Wo wird der Silberstoff mit goldnen Ranken Gemacht? Was kostet er? Das nenn ich noch Ein Brautkleid! Keine Königin verlangt Es besser. Nathan. Brautkleid? Warum Brautkleid eben? Daja. Je nun! Ihr dachtet daran freilich nicht, Als Ihr ihn kauftet. Aber wahrlich, Nathan, Der und kein andrer muß es sein! Er ist Zum Brautkleid wie bestellt. Der weiße Grund; Ein Bild der Unschuld: und die goldnen Ströme, Die allerorten diesen Grund durchschlängeln; Ein Bild des Reichtums. Seht Ihr? Allerliebst! Nathan. Was witzelst du mir da? Von wessen Brautkleid Sinnbilderst du mir so gelehrt? Bist du Denn Braut? Daja. Ich? Nathan. Nun wer denn? Daja. Ich? lieber Gott! Nathan. Wer denn? Von wessen Brautkleid sprichst du denn? Das alles ist ja dein, und keiner andern. Daja. Ist mein? Soll mein sein? Ist für Recha nicht? Nathan. Was ich für Recha mitgebracht, das liegt In einem andern Ballen. Mach! nimm weg! Trag deine Siebensachen fort! Daja. Versucher! Nein, wären es die Kostbarkeiten auch Der ganzen Welt! Nicht rühr an! wenn Ihr mir Vorher nicht schwört, von dieser einzigen Gelegenheit, dergleichen Euch der Himmel Nicht zweimal schicken wird, Gebrauch zu machen. Nathan. Gebrauch? von was? Gelegenheit? wozu? Daja. O stellt Euch nicht so fremd! Mit kurzen Worten! Der Tempelherr liebt Recha: gebt sie ihm, So hat doch einmal Eure Sünde, die Ich länger nicht verschweigen kann, ein Ende. So kömmt das Mädchen wieder unter Christen; Wird wieder, was sie ist; ist wieder, was Sie ward: und Ihr, Ihr habt mit all dem Guten, Was wir Euch nicht genug verdanken können, Nicht Feuerkohlen bloß auf Euer Haupt Gesammelt. Nathan. Doch die alte Leier wieder? Mit einer neuen Saite nur bezogen, Die, fürcht ich, weder stimmt noch hält. Daja. Wieso? Nathan. Mir wär' der Tempelherr schon recht. Ihm gönnt' Ich Recha mehr als einem in der Welt. Allein ... Nun, habe nur Geduld. Daja. Geduld? Geduld ist Eure alte Leier nun Wohl nicht? Nathan. Nur wenig Tage noch Geduld! ... Sieh doch! Wer kömmt denn dort? Ein Klosterbruder? Geh, frag ihn was er will. Daja. Was wird er wollen? (Sie geht auf ihn zu und fragt.) Nathan. So gib! und eh' er bittet. (Wüßt' ich nur Dem Tempelherrn erst beizukommen, ohne Die Ursach' meiner Neugier ihm zu sagen! Denn wenn ich sie ihm sag', und der Verdacht Ist ohne Grund: so hab ich ganz umsonst Den Vater auf das Spiel gesetzt.) Was ist's? Daja. Er will Euch sprechen. Nathan. Nun, so laß ihn kommen; Und geh indes. Siebenter Auftritt Nathan und der Klosterbruder. Nathan. (Ich bliebe Rechas Vater Doch gar zu gern! Zwar kann ich's denn nicht bleiben, Auch wenn ich aufhör, es zu heißen? Ihr, Ihr selbst werd ich's doch immer auch noch heißen, Wenn sie erkennt, wie gern ich's wäre.) Geh! Was ist zu Euern Diensten, frommer Bruder? Klosterbruder. Nicht eben viel. Ich freue mich, Herr Nathan, Euch annoch wohl zu sehn. Nathan. So kennt Ihr mich? Klosterbruder. Je nu; wer kennt Euch nicht? Ihr habt so manchem Ja Euern Namen in die Hand gedrückt. Er steht in meiner auch, seit vielen Jahren. Nathan (nach seinem Beutel langend). Kommt, Bruder, kommt; ich frisch ihn auf. Klosterbruder. Habt Dank! Ich würd' es Ärmern stehlen; nehme nichts. Wenn Ihr mir nur erlauben wollt, ein wenig Euch meinen Namen aufzufrischen. Denn Ich kann mich rühmen, auch in Eure Hand Etwas gelegt zu haben, was nicht zu Verachten war. Nathan. Verzeiht! Ich schäme mich Sagt, was? und nehmt zur Buße siebenfach Den Wert desselben von mir an. Klosterbruder. Hört doch Vor allen Dingen, wie ich selber nur Erst heut an dies mein Euch vertrautes Pfand Erinnert worden. Nathan. Mir vertrautes Pfand? Klosterbruder. Vor kurzem saß ich noch als Eremit Auf Quarantana, unweit Jericho. Da kam arabisch Raubgesindel, brach Mein Gotteshäuschen ab und meine Zelle Und schleppte mich mit fort. Zum Glück entkam Ich noch und floh hierher zum Patriarchen, Um mir ein ander Plätzchen auszubitten, Allwo ich meinem Gott in Einsamkeit Bis an mein selig Ende dienen könne. Nathan. Ich steh auf Kohlen, guter Bruder. Macht Es kurz. Das Pfand! das mir vertraute Pfand! Klosterbruder. Sogleich, Herr Nathan. Nun, der Patriarch Versprach mir eine Siedelei auf Tabor, Sobald als eine leer; und hieß inzwischen Im Kloster mich als Laienbruder bleiben. Da bin ich itzt, Herr Nathan; und verlange Des Tags wohl hundertmal auf Tabor. Denn Der Patriarch braucht mich zu allerlei, Wovor ich großen Ekel habe. Zum Exempel: Nathan. Macht, ich bitt Euch! Klosterbruder. Nun, es kömmt! Da hat ihm jemand heut ins Ohr gesetzt: Es lebe hier herum ein Jude, der Ein Christenkind als seine Tochter sich Erzöge. Nathan. Wie? (Betroffen.) Klosterbruder. Hört mich nur aus! Indem Er mir nun aufträgt, diesem Juden stracks, Wo möglich, auf die Spur zu kommen, und Gewaltig sich ob eines solchen Frevels Erzürnt, der ihm die wahre Sünde wider Den heil'gen Geist bedünkt; das ist, die Sünde, Die aller Sünden größte Sünd' uns gilt, Nur daß wir, Gott sei Dank, so recht nicht wissen, Worin sie eigentlich besteht: da wacht Mit einmal mein Gewissen auf; und mir Fällt bei, ich könnte selber wohl vor Zeiten Zu dieser unverzeihlich großen Sünde Gelegenheit gegeben haben. Sagt: Hat Euch ein Reitknecht nicht vor achtzehn Jahren Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen? Nathan. Wie das? Nun freilich allerdings Klosterbruder. Ei, seht Mich doch recht an! Der Reitknecht, der bin ich. Nathan. Seid ihr? Klosterbruder. Der Herr, von welchem ich's Euch brachte, War ist mir recht ein Herr von Filnek. Wolf Von Filnek! Nathan. Richtig! Klosterbruder. Weil die Mutter kurz Vorher gestorben war; und sich der Vater Nach mein ich Gazza plötzlich werfen mußte, Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte: So sandt' er's Euch. Und traf ich Euch damit Nicht in Darun? Nathan. Ganz recht! Klosterbruder. Es wär' kein Wunder, Wenn mein Gedächtnis mich betrög'. Ich habe Der braven Herrn so viel gehabt; und diesem Hab ich nur gar zu kurze Zeit gedient. Er blieb bald drauf bei Askalon: und war Wohl sonst ein lieber Herr. Nathan. Ja wohl! Ja wohl! Dem ich so viel, so viel zu danken habe! Der mehr als einmal mich dem Schwert entrissen! Klosterbruder. O schön! So werd't Ihr seines Töchterchens Euch um so lieber angenommen haben. Nathan. Das könnt Ihr denken. Klosterbruder. Nun, wo ist es denn? Es ist doch wohl nicht etwa gar gestorben? Laßt's lieber nicht gestorben sein! Wenn sonst Nur niemand um die Sache weiß: so hat Es gute Wege. Nathan. Hat es? Klosterbruder. Traut mir, Nathan! Denn seht, ich denke so! Wenn an das Gute, Das ich zu tun vermeine, gar zu nah Was gar zu Schlimmes grenzt: so tu ich lieber Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar So ziemlich zuverlässig kennen, aber Bei weiten nicht das Gute. War ja wohl Natürlich; wenn das Christentöchterchen Recht gut von Euch erzogen werden sollte: Daß Ihr's als Euer eigen Töchterchen Erzögt. Das hättet Ihr mit aller Lieb' Und Treue nun getan, und müßtet so Belohnet werden? Das will mir nicht ein. Ei freilich, klüger hättet Ihr getan; Wenn Ihr die Christin durch die zweite Hand Als Christin auferziehen la**en: aber So hättet Ihr das Kindchen Eures Freunds Auch nicht geliebt. Und Kinder brauchen Liebe, Wär's eines wilden Tieres Lieb' auch nur, In solchen Jahren mehr, als Christentum. Zum Christentume hat's noch immer Zeit. Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm Vor Euern Augen aufgewachsen ist, So blieb's vor Gottes Augen, was es war. Und ist denn nicht das ganze Christentum Aufs Judentum gebaut? Es hat mich oft Geärgert, hat mir Tränen g'nug gekostet, Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten, Daß unser Herr ja selbst ein Jude war. Nathan. Ihr, guter Bruder, müßt mein Fürsprach sein, Wenn Haß und Gleisnerei sich gegen mich Erheben sollten, wegen einer Tat Ah, wegen einer Tat! Nur Ihr, Ihr sollt Sie wissen! Nehmt sie aber mit ins Grab! Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht, Sie jemand andern zu erzählen. Euch Allein erzähl ich sie. Der frommen Einfalt Allein erzähl ich sie. Weil die allein Versteht, was sich der gottergebne Mensch Für Taten abgewinnen kann. Klosterbruder. Ihr seid Gerührt, und Euer Auge steht voll Wa**er? Nathan. Ihr traft mich mit dem Kinde zu Darun. Ihr wißt wohl aber nicht, daß wenig Tage Zuvor, in Gath die Christen alle Juden Mit Weib und Kind ermordet hatten; wißt Wohl nicht, daß unter diesen meine Frau Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich Befunden, die in meines Bruders Hause, Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt Verbrennen müssen. Klosterbruder. Allgerechter! Nathan. Als Ihr kamt, hatt' ich drei Tag' und Nächt' in Asch' Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet, Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht; Der Christenheit den unversöhnlichsten Haß zugeschworen Klosterbruder. Ach! Ich glaub's Euch wohl! Nathan. Doch nun kam die Vernunft allmählich wieder. Sie sprach mit sanfter Stimm': »und doch ist Gott! Doch war auch Gottes Ratschluß das! Wohlan! Komm! übe, was du längst begriffen hast, Was sicherlich zu üben schwerer nicht, Als zu begreifen ist, wenn du nur willst. Steh auf!« Ich stand! und rief zu Gott: ich will! Willst du nur, daß ich will! Indem stiegt Ihr Vom Pferd, und überreichtet mir das Kind, In Euern Mantel eingehüllt. Was Ihr Mir damals sagtet; was ich Euch: hab ich Vergessen. Soviel weiß ich nur; ich nahm Das Kind, trug's auf mein Lager, küßt' es, warf Mich auf die Knie und schluchzte: Gott! auf Sieben Doch nun schon Eines wieder! Klosterbruder. Nathan! Nathan! Ihr seid ein Christ! Bei Gott, Ihr seid ein Christ! Ein beßrer Christ war nie! Nathan. Wohl uns! Denn was Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir Zum Juden! Aber laßt uns länger nicht Einander nur erweichen. Hier braucht's Tat! Und ob mich siebenfache Liebe schon Bald an dies einz'ge fremde Mädchen band, Ob der Gedanke mich schon tötet, daß Ich meine sieben Söhn' in ihr aufs neue Verlieren soll: wenn sie von meinen Händen Die Vorsicht wieder fodert, ich gehorche! Klosterbruder. Nun vollends! Eben das bedacht' ich mich So viel, Euch anzuraten! Und so hat's Euch Euer guter Geist schon angeraten! Nathan. Nur muß der erste beste mir sie nicht Entreißen wollen! Klosterbruder. Nein, gewiß nicht! Nathan. Wer Auf sie nicht größre Rechte hat, als ich, Muß frühere zum mind'sten haben Klosterbruder. Freilich! Nathan. Die ihm Natur und Blut erteilen. Klosterbruder. So Mein ich es auch! Nathan. Drum nennt mir nur geschwind Den Mann, der ihr als Bruder oder Ohm, Als Vetter oder sonst als Sipp' verwandt.- Ihm will ich sie nicht vorenthalten Sie, Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde Zu sein erschaffen und erzogen ward. Ich hoff, Ihr wißt von diesem Euern Herrn Und dem Geschlechte dessen, mehr als ich. Klosterbruder. Das, guter Nathan, wohl nun schwerlich! Denn Ihr habt ja schon gehört, daß ich nur gar Zu kurze Zeit bei ihm gewesen. Nathan. Wißt Ihr denn nicht wenigstens, was für Geschlechts Die Mutter war? War sie nicht eine Stauffin? Klosterbruder. Wohl möglich! Ja, mich dünkt. Nathan. Hieß nicht ihr Bruder Conrad von Stauffen? und war Tempelherr? Klosterbruder. Wenn mich's nicht trügt. Doch halt! Da fällt mir ein, Daß ich vom sel'gen Herrn ein Büchelchen Noch hab. Ich zog's ihm aus dem Busen, als Wir ihn bei Askalon verscharrten. Nathan. Nun? Klosterbruder. Es sind Gebete drin. Wir nennen's ein Brevier. Das, dacht' ich, kann ein Christenmensch Ja wohl noch brauchen. Ich nun freilich nicht Ich kann nicht lesen Nathan. Tut nichts! Nur zur Sache. Klosterbruder. In diesem Büchelchen stehn vorn und hinten, Wie ich mir sagen la**en, mit des Herrn Selbsteigner Hand, die Angehörigen Von ihm und ihr geschrieben. Nathan. O erwünscht! Geht! lauft! holt mir das Büchelchen. Geschwind! Ich bin bereit mit Gold es aufzuwiegen; Und tausend Dank dazu! Eilt! lauft! Klosterbruder. Recht gern! Es ist Arabisch aber, was der Herr Hineingeschrieben. (Ab.) Nathan. Einerlei! Nur her! Gott! wenn ich doch das Mädchen noch behalten, Und einen solchen Eidam mir damit Erkaufen könnte! Schwerlich wohl! Nun, fall' Es aus, wie's will! Wer mag es aber denn Gewesen sein, der bei dem Patriarchen So etwas angebracht? Das muß ich doch Zu fragen nicht vergessen. Wenn es gar Von Daja käme? Achter Auftritt Daja und Nathan. Daja (eilig und verlegen). Denkt doch, Nathan! Nathan. Nun? Daja. Das arme Kind erschrak wohl recht darüber! Da schickt ... Nathan. Der Patriarch? Daja. Des Sultans Schwester, Prinzessin Sittah ... Nathan. Nicht der Patriarch? Daja. Nein, Sittah! Hört Ihr nicht! Prinzessin Sittah Schickt her, und läßt sie zu sich holen? Nathan. Wen? Läßt Recha holen? Sittah läßt sie holen? Nun; wenn sie Sittah holen läßt, und nicht Der Patriarch ... Daja. Wie kommt Ihr denn auf den? Nathan. So hast du kürzlich nichts von ihm gehört? Gewiß nicht? Auch ihm nichts gesteckt? Daja. Ich? ihm? Nathan. Wo sind die Boten? Daja. Vorn. Nathan. Ich will sie doch Aus Vorsicht selber sprechen. Komm! Wenn nur Vom Patriarchen nichts dahintersteckt. (Ab.) Daja. Und ich ich fürchte ganz was anders noch. Was gilt's? die einzige vermeinte Tochter So eines reichen Juden wär' auch wohl Für einen Muselmann nicht übel? Hui, Der Tempelherr ist drum. Ist drum: wenn ich Den zweiten Schritt nicht auch noch wage; nicht Auch ihr noch selbst entdecke, wer sie ist! Getrost! Laß mich den ersten Augenblick, Den ich allein sie habe, dazu brauchen! Und der wird sein vielleicht nun eben, wenn Ich sie begleite. So ein erster Wink Kann unterwegens wenigstens nicht schaden. Ja, ja! Nur zu! Itzt oder nie! Nur zu! (Ihm nach.)