Zweiter Aufzug Erster Auftritt (Die Szene: des Sultans Palast.) Saladin und Sittah spielen Schach. Sittah. Wo bist du, Saladin? Wie spielst du heut? Saladin. Nicht gut? Ich dächte doch. Sittah. Für mich; und kaum. Nimm diesen Zug zurück. Saladin. Warum? Sittah. Der Springer Wird unbedeckt. Saladin. Ist wahr. Nun so! Sittah. So zieh Ich in die Gabel. Saladin. Wieder wahr. – Schach dann! Sittah. Was hilft dir das? Ich setze vor: und du Bist, wie du warst. Saladin. Aus dieser Klemme seh Ich wohl, ist ohne Buße nicht zu kommen. Mag's! nimm den Springer nur. Sittah. Ich will ihn nicht. Ich geh vorbei. Saladin. Du schenkst mir nichts. Dir liegt An diesem Plane mehr, als an dem Springer. Sittah. Kann sein. Saladin. Mach deine Rechnung nur nicht ohne Den Wirt. Denn sieh! Was gilt's, das warst du nicht Vermuten? Sittah. Freilich nicht. Wie konnt' ich auch Vermuten, daß du deiner Königin So müde wärst? Saladin. Ich meiner Königin? Sittah. Ich seh nun schon: ich soll heut meine tausend Dinar', kein Naserinchen mehr gewinnen. Saladin. Wieso? Sittah. Frag noch! – Weil du mit Fleiß, mit aller Gewalt verlieren willst. – Doch dabei find Ich meine Rechnung nicht. Denn außer, daß Ein solches Spiel das unterhaltendste Nicht ist: gewann ich immer nicht am meisten Mit dir' wenn ich verlor? Wenn hast du mir Den Satz, mich des verlornen Spieles wegen Zu trösten, doppelt nicht hernach geschenkt? Saladin. Ei sieh! so hättest du ja wohl, wenn du Verlorst, mit Fleiß verloren, Schwesterchen? Sittah. Zum wenigsten kann gar wohl sein, daß deine Freigebigkeit, mein liebes Brüderchen, Schuld ist, daß ich nicht besser spielen lernen. Saladin. Wir kommen ab vom Spiele. Mach ein Ende! Sittah. So bleibt es? Nun dann: Schach! und doppelt Schach! Saladin. Nun freilich; dieses Abschach hab ich nicht Gesehn, das meine Königin zugleich Mit niederwirft. Sittah. War dem noch abzuhelfen? Laß sehn. Saladin. Nein, nein; nimm nur die Königin. Ich war mit diesem Steine nie recht glücklich. Sittah. Bloß mit dem Steine? Saladin. Fort damit! – Das tut Mir nichts. Denn so ist alles wiederum Geschützt. Sittah. Wie höflich man mit Königinnen Verfahren müsse: hat mein Bruder mich Zu wohl gelehrt. (Sie läßt sie stehen.) Saladin. Nimm, oder nimm sie nicht! Ich habe keine mehr. Sittah. Wozu sie nehmen? Schach! – Schach! Saladin. Nur weiter. Sittah. Schach! – und Schach! – und Schach! – Saladin. Und matt! Sittah. Nicht ganz; du ziehst den Springer noch Dazwischen; oder was du machen willst. Gleichviel! Saladin. Ganz recht! – Du hast gewonnen: und Al-Hafi zahlt. – Man la**' ihn rufen! gleich! Du hattest, Sittah, nicht so unrecht; ich War nicht so ganz beim Spiele; war zerstreut. Und dann: wer gibt uns denn die glatten Steine Beständig? die an nichts erinnern, nichts Bezeichnen. Hab ich mit dem Iman denn Gespielt? – Doch was? Verlust will Vorwand. Nicht Die umgeformten Steine, Sittah, sind's, Die mich verlieren machten: deine Kunst, Dein ruhiger und schneller Blick ... Sittah. Auch so Willst du den Stachel des Verlusts nur stumpfen. Genug, du warst zerstreut; und mehr als ich. Saladin. Als du? Was hätte dich zerstreuet? Sittah. Deine Zerstreuung freilich nicht! – O Saladin, Wenn werden wir so fleißig wieder spielen. Saladin. So spielen wir um so viel gieriger! – Ah! weil es wieder losgeht, meinst du? – Mag's! – Nur zu! – Ich habe nicht zuerst gezogen; Ich hätte gern den Stillestand aufs neue Verlängert; hätte meiner Sittah gern, Gern einen guten Mann zugleich verschafft. Und das muß Richards Bruder sein: er ist Ja Richards Bruder. Sittah. Wenn du deinen Richard Nur loben kannst! Saladin. Wenn unserm Bruder Melek Dann Richards Schwester wär' zu Teile worden: Ha! welch ein Haus zusammen! Ha, der ersten, Der besten Häuser in der Welt das beste! Du hörst, ich bin mich selbst zu loben, auch Nicht faul. Ich dünk mich meiner Freunde wert. Das hätte Menschen geben sollen! das! Sittah. Hab ich des schönen Traums nicht gleich gelacht? Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen. Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen. Denn Selbst das, was, noch von ihrem Stifter her, Mit Menschlichkeit den Aberglauben würzt, Das lieben sie, nicht weil es menschlich ist: Weil's Christus lehrt; weil's Christus hat getan. – Wohl ihnen, daß er so ein guter Mensch Noch war! Wohl ihnen, daß sie seine Tugend Auf Treu und Glaube nehmen können! – Doch Was Tugend? – Seine Tugend nicht; sein Name Soll überall verbreitet werden; soll Die Namen aller guten Menschen schänden, Verschlingen. Um den Namen, um den Namen Ist ihnen nur zu tun. Saladin. Du meinst: warum Sie sonst verlangen würden, daß auch ihr, Auch du und Melek, Christen hießet, eh' Als Ehgemahl ihr Christen lieben wolltet? Sittah. Jawohl! Als wär' von Christen nur, als Christen, Die Liebe zu gewärtigen, womit Der Schöpfer Mann und Männin ausgestattet! Saladin. Die Christen glauben mehr Armseligkeiten, Als daß sie die nicht auch noch glauben könnten! Und gleichwohl irrst du dich. – Die Tempelherren, Die Christen nicht, sind schuld: sind nicht, als Christen, Als Tempelherren schuld. Durch die allein Wird aus der Sache nichts. Sie wollen Acca, Das Richards Schwester unserm Bruder Melek Zum Brautschatz bringen müßte, schlechterdings Nicht fahren la**en. Daß des Ritters Vorteil Gefahr nicht laufe, spielen sie den Mönch, Den albern Mönch. Und ob vielleicht im Fluge Ein guter Streich gelänge: haben sie Des Waffenstillestandes Ablauf kaum Erwarten können. – Lustig! Nur so weiter! Ihr Herren, nur so weiter! – Mir schon recht! – Wär' alles sonst nur, wie es müßte. Sittah. Nun? Was irrte dich denn sonst? Was könnte sonst Dich aus der Fa**ung bringen? Saladin. Was von je Mich immer aus der Fa**ung hat gebracht. – Ich war auf Libanon, bei unserm Vater. Er unterliegt den Sorgen noch ... Sittah. O weh! Saladin. Er kann nicht durch; es klemmt sich allerorten; Es fehlt bald da, bald dort – Sittah. Was klemmt? was fehlt? Saladin. Was sonst, als was ich kaum zu nennen würd'ge? Was, wenn ich's habe, mir so überflüssig, Und hab ich's nicht, so unentbehrlich scheint. – Wo bleibt Al-Hafi denn? Ist niemand nach Ihm aus? – Das leidige, verwünschte Geld! – Gut, Hafi, daß du kömmst. Zweiter Auftritt Der Derwisch Al-Hafi. Saladin. Sittah. Al-Hafi. Die Gelder aus Ägypten sind vermutlich angelangt. Wenn's nur fein viel ist. Saladin. Hast du Nachricht? Al-Hafi. Ich? Ich nicht. Ich denke, daß ich hier sie in Empfang soll nehmen. Saladin. Zahl an Sittah tausend Dinare! (In Gedanken hin und her gebend.) Al-Hafi. Zahl! anstatt empfang! O schön! Das ist für Was noch weniger als Nichts. – An Sittah? – wiederum an Sittah? Und Verloren? – wiederum im Schach verloren? – Da steht es noch das Spiel! Sittah. Du gönnst mir doch Mein Glück? Al-Hafi (das Spiel betrachtend). Was gönnen? Wenn – Ihr wißt ja wohl. Sittah (ihm winkend). Bst! Hafi! bst! Al-Hafi (noch auf das Spiel gerichtet). Gönnt's Euch nur selber erst! Sittah. Al-Hafi; bst! Al-Hafi (zu Sittah). Die Weißen waren Euer? Ihr bietet Schach? Sittah. Gut, daß er nichts gehört. Al-Hafi. Nun ist der Zug an ihm? Sittah (ihm nähertretend). So sage doch, Daß ich mein Geld bekommen kann. Al-Hafi (noch auf das Spiel geheftet). Nun ja; Ihr sollt's bekommen, wie Ihr's stets bekommen. Sittah. Wie? bist du toll? Al-Hafi. Das Spiel ist ja nicht aus. Ihr habt ja nicht verloren, Saladin. Saladin (kaum hinhörend). Doch! doch! Bezahl! bezahl! Al-Hafi. Bezahl! bezahl! Da steht ja Eure Königin. Saladin (noch so). Gilt nicht; Gehört nicht mehr ins Spiel. Sittah. So mach und sag, Daß ich das Geld mir nur kann holen la**en. Al-Hafi (noch immer in das Spiel vertieft). Versteht sich, so wie immer. – Wenn auch schon; Wenn auch die Königin nichts gilt: Ihr seid Doch darum noch nicht matt. Saladin (tritt hinzu und wirft das Spiel um). Ich bin es; will Es sein. Al-Hafi. Ja so! – Spiel wie Gewinst! So wie Gewonnen, so bezahlt. Saladin (zu Sittah). Was sagt er? was? Sittah (von Zeit zu Zeit dem Hafi winkend). Du kennst ihn ja. Er sträubt sich gern; läßt gern Sich bitten; ist wohl gar ein wenig neidisch. – Saladin. Auf dich doch nicht? Auf meine Schwester nicht? Was hör ich, Hafi? Neidisch? du? Al-Hafi. Kann sein! Kann sein! – Ich hätt' ihr Hirn wohl lieber selbst; Wär' lieber selbst so gut, als sie. Sittah. Indes Hat er doch immer richtig noch bezahlt. Und wird auch heut bezahlen. Laß ihn nur! – Geh nur, Al-Hafi, geh! Ich will das Geld Schon holen la**en. Al-Hafi. Nein; ich spiele länger Die Mummerei nicht mit. Er muß es doch Einmal erfahren. Saladin. Wer? und was? Sittah. Al-Hafi! Ist dieses dein Versprechen? Hältst du so Mir Wort? Al-Hafi. Wie konnt' ich glauben, daß es so Weit gehen würde. Saladin. Nun? erfahr ich nichts? Sittah. Ich bitte dich, Al-Hafi; sei bescheiden. Saladin. Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah So feierlich, so warm bei einem Fremden, Bei einem Derwisch lieber, als bei mir, Bei ihrem Bruder, sich verbitten wollen. Al-Hafi, nun befehl ich. – Rede, Derwisch! Sittah. Laß eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir Nicht näher treten, als sie würdig ist. Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen. Und weil ich itzt das Geld nicht nötig habe; Weil itzt in Hafis Ka**e doch das Geld Nicht eben allzuhäufig ist: so sind Die Posten stehngeblieben. Aber sorgt Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder, Noch Hafi, noch der Ka**e schenken. Al-Hafi. Ja, Wenn's das nur wäre! das! Sittah. Und mehr dergleichen. – Auch das ist in der Ka**e stehngeblieben, Was du mir einmal ausgeworfen; ist Seit wenig Monden stehngeblieben. Al-Hafi. Noch Nicht alles. Saladin. Noch nicht? – Wirst du reden? Al-Hafi. Seit aus Ägypten wir das GeId erwarten, Hat sie ... Sittah (zu Saladin). Wozu ihn hören? Al-Hafi. Nicht nur nichts Bekommen ... Saladin. Gutes Mädchen! – Auch beiher Mit vorgeschossen. Nicht? Al-Hafi. Den ganzen Hof Erhalten; Euern Aufwand ganz allein Bestritten. Saladin. Ha! das, das ist meine Schwester! (Sie umarmend.) Sittah. Wer hatte, dies zu können, mich so reich Gemacht, als du, mein Bruder? Al-Hafi. Wird schon auch So bettelarm sie wieder machen, als Er selber ist. Saladin. Ich arm? der Bruder arm? Wenn hab ich mehr? wenn weniger gehabt? – Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, – und Einen Gott! Was brauch ich mehr? Wenn kann's an dem mir fehlen? Und doch, Al-Hafi, könnt' ich mit dir schelten. Sittah. Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater Auch seine Sorgen so erleichtern könnte! Saladin. Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit Auf einmal wieder nieder! – Mir, für mich Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm, Ihm fehlet; und in ihm uns allen. – Sagt, Was soll ich machen? – Aus Ägypten kommt Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt, Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig. – Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern, Mir gern gefallen la**en; wenn es mich, Bloß mich betrifft; bloß mich, und niemand sonst Darunter leidet. – Doch was kann das machen? Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muß ich doch haben. Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen. Ihm gnügt schon so mit wenigem genug; Mit meinem Herzen. – Auf den Überschuß Von deiner Ka**e, Hafi, hatt' ich sehr Gerechnet. Al-Hafi. Überschuß? – Sagt selber, ob Ihr mich nicht hättet spießen, wenigstens Mich drosseln la**en, wenn auf Überschuß Ich von Euch wär' ergriffen worden. Ja, Auf Unterschleif! das war zu wagen. Saladin. Nun, Was machen wir denn aber? – Konntest du Vorerst bei niemand andern borgen, als Bei Sittah? Sittah. Würd' ich dieses Vorrecht, Bruder, Mir haben nehmen la**en? Mir von ihm? Auch noch besteh ich drauf. Noch bin ich auf Dem Trocknen völlig nicht. Saladin. Nur völlig nicht! Das fehlte noch! – Geh gleich, mach Anstalt, Hafi! Nimm auf bei wem du kannst! und wie du kannst! Geh, borg, versprich. – Nur, Hafi, borge nicht Bei denen, die ich reich gemacht. Denn borgen Von diesen, möchte wiederfordern heißen. Geh zu den Geizigsten; die werden mir Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl, Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert. Al-Hafi. Ich kenne deren keine. Sittah. Eben fällt Mir ein, gehört zu haben, Hafi, daß Dein Freund zurückgekommen. Al-Hafi (betroffen). Freund? mein Freund? Wer wär' denn das? Sittah. Dein hochgepriesner Jude. Al-Hafi. Gepriesner Jude? hoch von mir? Sittah. Dem Gott, – Mich denkt des Ausdrucks noch recht wohl, des einst Du selber dich von ihm bedientest, – dem Sein Gott von allen Gütern dieser Welt Das Kleinst' und Größte so in vollem Maß Erteilet habe. – Al-Hafi. Sagt' ich so? – Was meint' Ich denn damit? Sittah. Das Kleinste: Reichtum. Und Das Größte: Weisheit. Al-Hafi. Wie? von einem Juden? Von einem Juden hätt' ich das gesagt? Sittah. Das hättest du von deinem Nathan nicht Gesagt? Al-Hafi. Ja so! von dem! vom Nathan! – Fiel Mir der doch gar nicht bei. – Wahrhaftig? Der Ist endlich wieder heimgekommen? Ei! So mag's doch gar so schlecht mit ihm nicht stehn. – Ganz recht: den nannt' einmal das Volk den Weisen! Den Reichen auch. Sittah. Den Reichen nennt es ihn Itzt mehr als je. Die ganze Stadt erschallt, Was für Kostbarkeiten, was für Schätze Er mitgebracht. Al-Hafi. Nun, ist's der Reiche wieder: So wird's auch wohl der Weise wieder sein. Sittah. Was meinst du, Hafi, wenn du diesen angingst? Al-Hafi. Und was bei ihm? – Doch wohl nicht borgen? – Ja, Da kennt Ihr ihn. – Er borgen! – Seine Weisheit Ist eben, daß er niemand borgt. Sittah. Du hast Mir sonst doch ganz ein ander Bild von ihm Gemacht. Al-Hafi. Zur Not wird er Euch Waren borgen. Geld aber, Geld? Geld nimmermehr. – Es ist Ein Jude freilich übrigens, wie's nicht Viel Juden gibt. Er hat Verstand; er weiß Zu leben; spielt gut Schach. Doch zeichnet er Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten Von allen andern Juden aus. – Auf den, Auf den nur rechnet nicht. – Den Armen gibt Er zwar; und gibt vielleicht trotz Saladin. Wenn schon nicht ganz so viel; doch ganz so gern; Doch ganz so sonder Ansehn. Jud' und Christ Und Muselmann und Parsi, alles ist Ihm eins. Sittah. Und so ein Mann ... Saladin. Wie kommt es denn, Daß ich von diesem Manne nie gehört? ... Sittah. Der sollte Saladin nicht borgen? nicht Dem Saladin, der nur für andre braucht, Nicht sich? Al-Hafi. Da seht nun gleich den Juden wieder; Den ganz gemeinen Juden! – Glaubt mir's doch! – Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig, So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in Der Welt gesagt wird, zög' er lieber ganz Allein. Nur darum eben leiht er keinem, Damit er stets zu geben habe. Weil Die Mild' ihm im Gesetz geboten; die Gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht Die Mild' ihn zu dem ungefälligsten Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, daß ich Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige. Er ist zu allem gut: bloß dazu nicht; Bloß dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich Nur gehn, an andre Türen klopfen ... Da Besinn ich mich soeben eines Mohren, Der reich und geizig ist. – Ich geh; ich geh. Sittah. Was eilst du, Hafi? Saladin. Laß ihn! laß ihn! Dritter Auftritt Sittah. Saladin. Sittah. Eilt Er doch, als ob er mir nur gern entkäme! Was heißt das? – Hat er wirklich sich in ihm Betrogen, oder – möcht' er uns nur gern Betrügen? Saladin. Wie? das fragst du mich? Ich weiß Ja kaum, von wem die Rede war; und höre Von euerm Juden, euerm Nathan heut Zum erstenmal. Sittah. Ist's möglich? daß ein Mann Dir so verborgen blieb, von dem es heißt, Er habe Salomons und Davids Gräber Erforscht, und wisse deren Siegel durch Ein mächtiges geheimes Wort zu lösen? Aus ihnen bring' er dann von Zeit zu Zeit Die unermeßlichen Reichtümer an Den Tag, die keinen mindern Quell verrieten. Saladin. Hat seinen Reichtum dieser Mann aus Gräbern, So waren's sicherlich nicht Salomons, Nicht Davids Gräber. Narren lagen da Begraben! Sittah. Oder Bösewichter! – Auch Ist seines Reichtums Quelle weit ergiebiger, Weit unerschöpflicher, als so ein Grab Voll Mammon. Saladin. Denn er handelt; wie ich hörte. Sittah. Sein Saumtier treibt auf allen Straßen, zieht Durch alle Wüsten; seine Schiffe liegen In allen Häfen. Das hat mir wohl eh' Al-Hafi selbst gesagt; und voll Entzücken Hinzugefügt, wie groß, wie edel dieser Sein Freund anwende, was so klug und emsig Er zu erwerben für zu klein nicht achte. Hinzugefügt, wie frei von Vorurteilen Sein Geist; sein Herz wie offen jeder Tugend, Wie eingestimmt mit jeder Schönheit sei. Saladin. Und itzt sprach Hafi doch so ungewiß, So kalt von ihm. Sittah. Kalt nun wohl nicht; verlegen. Als halt' er's für gefährlich, ihn zu loben, Und woll' ihn unverdient doch auch nicht tadeln. – Wie? oder wär' es wirklich so, daß selbst Der Beste seines Volkes seinem Volke Nicht ganz entfliehen kann? daß wirklich sich Al-Hafi seines Freunds von dieser Seite Zu schämen hätte? – Sei dem, wie ihm wolle! – Der Jude sei mehr oder weniger Als Jud', ist er nur reich: genug für uns! Saladin. Du willst ihm aber doch das Seine mit Gewalt nicht nehmen, Schwester? Sittah. Ja, was heißt Bei dir Gewalt? Mit Feu'r und Schwert? Nein, nein, Was braucht es mit den Schwachen für Gewalt, Als ihre Schwäche? – Komm vor itzt nur mit In meinen Haram, eine Sängerin Zu hören, die ich gestern erst gekauft. Es reift indes bei mir vielleicht ein Anschlag, Den ich auf diesen Nathan habe. – Komm! Vierter Auftritt (Szene: vor dem Hause des Nathan, wo es an die Palmen stößt.) Recha und Nathan kommen heraus. Zu ihnen Daja. Recha. Ihr habt Euch sehr verweilt, mein Vater. Er Wird kaum noch mehr zu treffen sein. Nathan. Nun, nun; Wenn hier, hier untern Palmen schon nicht mehr: Doch anderwärts. – Sei itzt nur ruhig. – Sieh! Kömmt dort nicht Daja auf uns zu? Recha. Sie wird Ihn ganz gewiß verloren haben. Nathan. Auch Wohl nicht. Recha. Sie würde sonst geschwinder kommen. Nathan. Sie hat uns wohl noch nicht gesehn ... Recha. Nun sieht Sie uns. Nathan. Und doppelt ihre Schritte. Sieh! Sei doch nur ruhig! ruhig! Recha. Wolltet Ihr Wohl eine Tochter, die hier ruhig wäre? Sich unbekümmert ließe, wessen Wohltat Ihr Leben sei? Ihr Leben, – das ihr nur So lieb, weil sie es Euch zuerst verdanket. Nathan. Ich möchte dich nicht anders, als du bist: Auch wenn ich wüßte, daß in deiner Seele Ganz etwas anders noch sich rege. Recha. Was, Mein Vater? Nathan. Fragst du mich? so schüchtern mich? Was auch in deinem Innern vorgeht, ist Natur und Unschuld. Laß es keine Sorge Dir machen. Mir, mir macht es keine. Nur Versprich mir: wenn dein Herz vernehmlicher Sich einst erklärt, mir seiner Wünsche keinen Zu bergen. Recha. Schon die Möglichkeit, mein Herz Euch lieber zu verhüllen, macht mich zittern. Nathan. Nichts mehr hiervon! Das ein für allemal Ist abgetan. – Da ist ja Daja. – Nun? Daja. Noch wandelt er hier untern Palmen; und Wird gleich um jene Mauer kommen. – Seht, Da kömmt er! Recha. Ah! und scheinet unentschlossen, Wohin? ob weiter? ob hinab? ob rechts? Ob links? Daja. Nein, nein; er macht den Weg ums Kloster Gewiß noch öfter; und dann muß er hier Vorbei. – Was gilt's? Recha. Recht! recht! – Hast du ihn schon Gesprochen? Und wie ist er heut? Daja. Wie immer. Nathan. So macht nur, daß er Euch hier nicht gewahr Wird. Tretet mehr zurück. Geht lieber ganz Hinein. Recha. Nur einen Blick noch! – Ah! die Hecke, Die mir ihn stiehlt. Daja. Kommt! kommt! Der Vater hat Ganz recht. Ihr lauft Gefahr, wenn er Euch sieht, Daß auf der Stell' er umkehrt. Recha. Ah! die Hecke! Nathan. Und kömmt er plötzlich dort aus ihr hervor: So kann er anders nicht, er muß Euch sehn. Drum geht doch nur! Daja. Kommt! kommt! Ich weiß ein Fenster, Aus dem wir sie bemerken können. Recha. Ja? (Beide hinein.) Fünfter Auftritt Nathan und bald darauf der Tempelherr. Nathan. Fast scheu ich mich des Sonderlings. Fast macht Mich seine rauhe Tugend stutzen. Daß Ein Mensch doch einen Menschen so verlegen Soll machen können! – Ha! er kömmt. – Bei Gott! Ein Jüngling wie ein Mann. Ich mag ihn wohl Den guten, trotz'gen Blick! den prallen Gang! Die Schale kann nur bitter sein: der Kern Ist's sicher nicht. – Wo sah ich doch dergleichen? – Verzeihet, edler Franke ... Tempelherr. Was? Nathan. Erlaubt ... Tempelherr. Was, Jude? was? Nathan. Daß ich mich untersteh, Euch anzureden. Tempelherr. Kann ich's wehren? Doch Nur kurz. Nathan. Verzieht, und eilet nicht so stolz, Nicht so verächtlich einem Mann vorüber, Den Ihr auf ewig Euch verbunden habt. Tempelherr. Wie das? – Ah, fast errat ich's. Nicht? Ihr seid ... Nathan. Ich heiße Nathan; bin des Mädchens Vater, Das Eure Großmut aus dem Feu'r gerettet; Und komme ... Tempelherr. Wenn zu danken: – spart's! Ich hab Um diese Kleinigkeit des Dankes schon Zu viel erdulden müssen. – Vollends Ihr, Ihr seid mir gar nichts schuldig. Wußt' ich denn, Daß dieses Mädchen Eure Tochter war? Es ist der Tempelherren Pflicht, dem ersten Dem besten beizuspringen, dessen Not Sie sehn. Mein Leben war mir ohnedem In diesem Augenblicke lästig. Gern, Sehr gern ergriff ich die Gelegenheit, Es für ein andres Leben in die Schanze Zu schlagen: für ein andres – wenn's auch nur Das Leben einer Jüdin wäre. Nathan. Groß! Groß und abscheulich! – Doch die Wendung läßt Sich denken. Die bescheidne Größe flüchtet Sich hinter das Abscheuliche, um der Bewundrung auszuweichen. – Aber wenn Sie so das Opfer der Bewunderung Verschmäht: was für ein Opfer denn verschmäht Sie minder? – Ritter, wenn Ihr hier nicht fremd Und nicht gefangen wäret, würd' ich Euch So dreist nicht fragen. Sagt, befehlt: womit Kann man Euch dienen? Tempelherr. Ihr? Mit nichts. Nathan. Ich bin Ein reicher Mann. Tempelherr. Der reichre Jude war Mir nie der beßre Jude. Nathan. Dürft Ihr denn Darum nicht nützen, was demungeachtet Er Beßres hat? nicht seinen Reichtum nützen? Tempelherr. Nun gut, das will ich auch nicht ganz verreden; Um meines Mantels willen nicht. Sobald Der ganz und gar verschlissen; weder Stich Noch Fetze länger halten will: komm ich Und borge mir bei Euch zu einem neuen, Tuch oder Geld. – Seht nicht mit eins so finster! Noch seid Ihr sicher; noch ist's nicht so weit Mit ihm. Ihr seht; er ist so ziemlich noch Im Stande. Nur der eine Zipfel da Hat einen garstigen Fleck; er ist versengt. Und das bekam er, als ich Eure Tochter Durchs Feuer trug. Nathan (der nach dem Zipfel greift und ihn betrachtet). Es ist doch sonderbar, Daß so ein böser Fleck, daß so ein Brandmal Dem Mann ein beßres Zeugnis redet, als Sein eigner Mund. Ich möcht' ihn küssen gleich – Den Flecken! – Ah, verzeiht! – Ich tat es ungern. Tempelherr. Was? Nathan. Eine Träne fiel darauf. Tempelherr. Tut nichts! Er hat der Tropfen mehr. – (Bald aber fängt Mich dieser Jud' an zu verwirren.) Nathan. Wärt Ihr wohl so gut, und schicktet Euern Mantel Auch einmal meinem Mädchen? Tempelherr. Was damit? Nathan. Auch ihren Mund an diesen Fleck zu drücken. Denn Eure Kniee selber zu umfa**en, Wünscht sie nun wohl vergebens. Tempelherr. Aber, Jude – Ihr heißet Nathan? – Aber, Nathan – Ihr Setzt Eure Worte sehr – sehr gut – sehr spitz – Ich bin betreten – Allerdings – ich hätte ... Nathan. Stellt und verstellt Euch, wie Ihr wollt. Ich find Auch hier Euch aus. Ihr wart zu gut, zu bieder, Um höflicher zu sein. – Das Mädchen, ganz Gefühl; der weibliche Gesandte, ganz Dienstfertigkeit; der Vater weit entfernt – Ihr trugt für ihren guten Namen Sorge; Floht ihre Prüfung; floht, um nicht zu siegen. Auch dafür dank ich Euch – Tempelherr. Ich muß gestehn, Ihr wißt, wie Tempelherren denken sollten. Nathan. Nur Tempelherren? sollten bloß? und bloß Weil es die Ordensregeln so gebieten? Ich weiß, wie gute Menschen denken; weiß, Daß alle Länder gute Menschen tragen. Tempelherr. Mit Unterschied, doch hoffentlich? Nathan. Jawohl; An Farb', an Kleidung, an Gestalt verschieden. Tempelherr. Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort. Nathan. Mit diesem Unterschied ist's nicht weit her. Der große Mann braucht überall viel Boden; Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerschlagen Sich nur die Äste. Mittelgut, wie wir, Find't sich hingegen überall in Menge. Nur muß der eine nicht den andern mäkeln. Nur muß der Knorr den Knuppen hübsch vertragen. Nur muß ein Gipfelchen sich nicht vermessen, Daß es allein der Erde nicht entschossen. Tempelherr. Sehr wohl gesagt! – Doch kennt Ihr auch das Volk, Das diese Menschenmäkelei zuerst Getrieben? Wißt Ihr, Nathan, welches Volk Zuerst das auserwählte Volk sich nannte? Wie? wenn ich dieses Volk nun, zwar nicht haßte, Doch wegen seines Stolzes zu verachten, Mich nicht entbrechen könnte? Seines Stolzes; Den es auf Christ und Muselmann vererbte, Nur sein Gott sei der rechte Gott! – Ihr stutzt, Daß ich, ein Christ, ein Tempelherr, so rede? Wenn hat, und wo die fromme Raserei, Den bessern Gott zu haben, diesen bessern Der ganzen Welt als besten auf zudringen, In ihrer schwärzesten Gestalt sich mehr Gezeigt, als hier, als itzt? Wem hier, wem itzt Die Schuppen nicht vom Auge fallen ... Doch Sei blind, wer will! – Vergeßt, was ich gesagt; Und laßt mich! (Will gehen.) Nathan. Ha! Ihr wißt nicht, wie viel fester Ich nun mich an Euch drängen werde. – Kommt, Wir müssen, müssen Freunde sein! – Verachtet Mein Volk so sehr Ihr wollt. Wir haben beide Uns unser Volk nicht auserlesen. Sind Wir unser Volk? Was heißt denn Volk? Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, Als Mensch? Ah! wenn ich einen mehr in Euch Gefunden hätte, dem es gnügt, ein Mensch Zu heißen! Tempelherr. Ja, bei Gott, das habt Ihr, Nathan! Das habt Ihr! – Eure Hand! – Ich schäme mich, Euch einen Augenblick verkannt zu haben. Nathan. Und ich bin stolz darauf. Nur das Gemeine Verkennt man selten. Tempelherr. Und das Seltene Vergißt man schwerlich. – Nathan, ja; Wir müssen, müssen Freunde werden. Nathan. Sind Es schon. – Wie wird sich meine Recha freuen! – Und ah! welch eine heitre Ferne schließt Sich meinen Blicken auf! – Kennt sie nur erst. Tempelherr. Ich brenne vor Verlangen. – Wer stürzt dort Aus Euerm Hause? Ist's nicht ihre Daja? Nathan. Jawohl. So ängstlich? Tempelherr. Unsrer Recha ist Doch nichts begegnet? Sechster Auftritt Die Vorigen und Daja eilig. Daja. Nathan! Nathan! Nathan. Nun? Daja. Verzeihet, edler Ritter, daß ich Euch Muß unterbrechen. Nathan. Nun, was ist's? Tempelherr. Was ist's? Daja. Der Sultan hat geschickt. Der Sultan will Euch sprechen. Gott, der Sultan! Nathan. Mich? der Sultan? Er wird begierig sein, zu sehen, was Ich Neues mitgebracht. Sag nur, es sei Noch wenig oder gar nichts ausgepackt. Daja. Nein, nein; er will nichts sehen; will Euch sprechen, Euch in Person, und bald; sobald Ihr könnt. – Nathan. Ich werde kommen. – Geh nur wieder, geh! Daja. Nehmt ja nicht übel auf, gestrenger Ritter – Gott, wir sind so bekümmert, was der Sultan Doch will. Nathan. Das wird sich zeigen. Geh nur, geh! Siebenter Auftritt Nathan und der Tempelherr. Tempelherr. So kennt Ihr ihn noch nicht? – ich meine, von Person. Nathan. Den Saladin? Noch nicht. Ich habe Ihn nicht vermieden, nicht gesucht zu kennen. Der allgemeine Ruf sprach viel zu gut Von ihm, daß ich nicht lieber glauben wollte, Als sehn. Doch nun, – wenn anders dem so ist, Hat er durch Sparung Eures Lebens ... Tempelherr. Ja; Dem allerdings ist so. Das Leben, das ich leb, ist sein Geschenk. Nathan. Durch das er mir Ein doppelt, dreifach Leben schenkte. Dies Hat alles zwischen uns verändert; hat Mit eins ein Seil mir umgeworfen, das Mich seinem Dienst auf ewig fesselt. Kaum, Und kaum, kann ich es nun erwarten, was Er mir zuerst befehlen wird. Ich bin Bereit zu allem; bin bereit ihm zu Gestehn, daß ich es Euertwegen bin. Tempelherr. Noch hab ich selber ihm nicht danken können: Sooft ich auch ihm in den Weg getreten. Der Eindruck, den ich auf ihn machte, kam So schnell, als schnell er wiederum verschwunden. Wer weiß, ob er sich meiner gar erinnert. Und dennoch muß er, einmal wenigstens, Sich meiner noch erinnern, um mein Schicksal Ganz zu entscheiden. Nicht genug, daß ich Auf sein Geheiß noch bin, mit seinem Willen Noch leb: ich muß nun auch von ihm erwarten, Nach wessen Willen ich zu leben habe. Nathan. Nicht anders; um so mehr will ich nicht säumen. – Es fällt vielleicht ein Wort, das mir, auf Euch Zu kommen, Anlaß gibt. – Erlaubt, verzeiht – Ich eile – Wenn, wenn aber sehn wir Euch Bei uns? Tempelherr. Sobald ich darf. Nathan. Sobald Ihr wollt. Tempelherr. Noch heut. Nathan. Und Euer Name? – muß ich bitten. Tempelherr. Mein Name war – ist Curd von Stauffen. – Curd! Nathan. Von Stauffen? – Stauffen? – Stauffen? Tempelherr. Warum fällt Euch das so auf? Nathan. Von Stauffen? – Des Geschlechts Sind wohl noch mehrere ... Tempelherr. O ja! hier waren, Hier faulen des Geschlechts schon mehrere. Mein Oheim selbst, – mein Vater will ich sagen, Doch warum schärft sich Euer Blick auf mich Je mehr und mehr? Nathan. O nichts! o nichts! Wie kann Ich Euch zu sehn ermüden? Tempelherr. Drum verlaß Ich Euch zuerst. Der Blick des Forschers fand Nicht selten mehr, als er zu finden wünschte. Ich fürcht ihn, Nathan. Laßt die Zeit allmählich, Und nicht die Neugier, unsre Kundschaft machen. (Er geht.) Nathan (der ihm mit Erstaunen nachsieht). »Der Forscher fand nicht selten mehr, als er Zu finden wünschte.« – Ist es doch, als ob In meiner Seel' er lese! – Wahrlich ja; Das könnt' auch mir begegnen. – Nicht allein Wolfs Wuchs, Wolfs Gang: auch seine Stimme. So, Vollkommen so, warf Wolf sogar den Kopf; Trug Wolf sogar das Schwert im Arm'; strich Wolf Sogar die Augenbraunen mit der Hand, Gleichsam das Feuer seines Blicks zu bergen. Wie solche tiefgeprägte Bilder doch Zu Zeiten in uns schlafen können, bis Ein Wort, ein Laut sie weckt. – Von Stauffen! – Ganz redet, ganz recht; Filnek und Stauffen. – Ich will das bald genauer wissen; bald. Nur erst zum Saladin. – Doch wie? lauscht dort Nicht Daja? – Nun so komm nur näher, Daja. Achter Auftritt Daja. Nathan. Nathan. Was gilt's? nun drückt's euch beiden schon das Herz, Noch ganz was anders zu erfahren, als Was Saladin mir will. Daja. Verdenkt Ihr's ihr? Ihr fingt soeben an, vertraulicher Mit ihm zu sprechen: als des Sultans Botschaft Uns von dem Fenster scheuchte. Nathan. Nun, so sag Ihr nur, daß sie ihn jeden Augenblick Erwarten darf. Daja. Gewiß? gewiß? Nathan. Ich kann Mich doch auf dich verla**en, Daja? Sei Auf deiner Hut; ich bitte dich. Es soll Dich nicht gereuen. Dein Gewissen selbst Soll seine Rechnung dabei finden. Nur Verdirb mir nichts in meinem Plane. Nur Erzähl und frage mit Bescheidenheit, Mit Rückhalt ... Daja. Daß Ihr doch noch erst so was Erinnern könnt! – Ich geh; geht Ihr nur auch. Denn seht! ich glaube gar, da kömmt vom Sultan Ein zweiter Bot', Al-Hafi, Euer Derwisch. (Geht ab.) Neunter Auftritt Nathan. Al-Hafi. Al-Hafi. Ha! ha! zu Euch wollt' ich nun eben wieder. Nathan. Ist's denn so eilig? Was verlangt er denn Von mir? Al-Hafi. Wer? Nathan. Saladin. Ich komm, ich komme. Al-Hafi. Zu wem? Zum Saladin? Nathan. Schickt Saladin Dich nicht? Al-Hafi. Mich? nein. Hat er denn schon geschickt? Nathan. Ja freilich hat er. Al-Hafi. Nun, so ist es richtig. Nathan. Was? was ist richtig? Al-Hafi. Daß ... ich bin nicht schuld; Gott weiß, ich bin nicht schuld. Was hab ich nicht Von Euch gesagt, gelogen, um es abzuwenden! Nathan. Was abzuwenden? Was ist richtig? Al-Hafi. Daß Nun Ihr sein Defterdar geworden. Ich Bedaur' Euch. Doch mit ansehn will ich's nicht. Ich geh von Stund an; geh. Ihr habt es schon Gehört, wohin; und wißt den Weg. Habt Ihr Des Wegs was zu bestellen, sagt: ich bin Zu Diensten. Freilich muß es mehr nicht sein, Als was ein Nackter mit sich schleppen kann. Ich geh, sagt bald. Nathan. Besinn dich doch, Al-Hafi. Besinn dich, daß ich noch von gar nichts weiß. Was plauderst du denn da? Al-Hafi. Ihr bringt sie doch Gleich mit, die Beutel? Nathan. Beutel? Al-Hafi. Nun, das Geld, Das Ihr dem Saladin vorschießen sollt. Nathan. Und weiter ist es nichts? Al-Hafi. Ich sollt' es wohl Mit ansehn, wie er Euch von Tag zu Tag Aushöhlen wird bis auf die Zehen? Sollt' Es wohl mit ansehn, daß Verschwendung aus Der weisen Milde sonst nie leeren Scheuern So lange borgt, und borgt, und borgt, bis auch Die armen eingebornen Mäuschen drin Verhungern? Bildet Ihr vielleicht Euch ein, Wer Euers Gelds bedürftig sei, der werde Doch Euerm Rate wohl auch folgen? Ja; Er Rate folgen! Wenn hat Saladin Sich raten la**en? Denkt nur, Nathan, was Mir eben itzt mit ihm begegnet. Nathan. Nun? Al-Hafi. Da komm ich zu ihm, eben daß er Schach Gespielt mit seiner Schwester. Sittah spielt Nicht übel; und das Spiel, das Saladin Verloren glaubte, schon gegeben hatte, Das stand noch ganz so da. Ich seh Euch hin, Und sehe, daß das Spiel noch lange nicht Verloren. Nathan. Ei! das war für dich ein Fund! Al-Hafi. Er durfte mit dem König an den Bauer Nur rücken, auf ihr Schach. Wenn ich's Euch gleich Nur zeigen könnte! Nathan. O ich traue dir! Al-Hafi. Denn so bekam der Roche Feld: und sie War hin. Das alles will ich ihm nun weisen Und ruf ihn. Denkt! ... Nathan. Er ist nicht deiner Meinung? Al-Hafi. Er hört mich gar nicht an, und wirft verächtlich Das ganze Spiel in Klumpen. Nathan. Ist das möglich? Al-Hafi. Und sagt: er wolle matt nun einmal sein; Er wolle! Heißt das spielen? Nathan. Schwerlich wohl; Heißt mit dem Spielen spielen. Al-Hafi. Gleichwohl galt Es keine taube Nuß. Nathan. Geld hin, Geld her! Das ist das wenigste. Allein dich gar Nicht anzuhören! über einen Punkt Von solcher Wichtigkeit dich nicht einmal Zu hören! deinen Adlerblick nicht zu Bewundern! das, das schreit um Rache; nicht? Al-Hafi. Ach was! Ich sage Euch das nur, damit Ihr sehen könnt, was für ein Kopf er ist. Kurz, ich, ich halt's mit ihm nicht länger aus. Da lauf ich nun bei allen schmutz'gen Mohren Herum, und frage, wer ihm borgen will. Ich, der ich nie für mich gebettelt habe, Soll nun für andre borgen. Borgen ist Viel besser nicht als betteln: so wie leihen, Auf Wucher leihen, nicht viel besser ist, Als stehlen. Unter meinen Ghebern, an Dem Ganges, brauch ich beides nicht, und brauche Das Werkzeug beider nicht zu sein. Am Ganges, Am Ganges nur gibt's Menschen. Hier seid Ihr Der einzige, der noch so würdig wäre, Daß er am Ganges lebte. Wollt Ihr mit? Laßt ihm mit eins den Plunder ganz im Stiche, Um den es ihm zu tun. Er bringt Euch nach Und nach doch drum. So wär' die Plackerei Auf einmal aus. Ich schaff Euch einen Delk. Kommt! kommt! Nathan. Ich dächte zwar, das blieb' uns ja Noch immer übrig. Doch, Al-Hafi, will Ich's überlegen. Warte ... Al-Hafi. Überlegen? Nein, so was überlegt sich nicht. Nathan. Nur bis Ich von dem Sultan wiederkomme; bis Ich Abschied erst ... Al-Hafi. Wer überlegt, der sucht Bewegungsgründe, nicht zu dürfen. Wer Sich Knall und Fall, ihm selbst zu leben, nicht, Entschließen kann, der lebet andrer Sklav' Auf immer. Wie Ihr wollt! Lebt wohl! wie's Euch Wohl dünkt. Mein Weg liegt dort; und Eurer da. Nathan. Al-Hafi! Du wirst selbst doch erst das Deine Berichtigen? Al-Hafi. Ach Possen! Der Bestand Von meiner Ka**' ist nicht des Zählens wert; Und meine Rechnung bürgt Ihr oder Sittah. Lebt wohl! (Ab.) Nathan (ihm nachsehend). Die bürg ich! Wilder, guter, edler Wie nenn ich ihn? Der wahre Bettler ist Doch einzig und allein der wahre König! (Von einer andern Seite ab.)