Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 19 lyrics

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Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 19 lyrics

Fünfter Auftritt Saladin und Nathan. Saladin. Tritt näher, Jude! – Näher! – Nur ganz her! Nur ohne Furcht! Nathan. Die bleibe deinem Feinde! Saladin. Du nennst dich Nathan? Nathan. Ja. Saladin. Den weisen Nathan? Nathan. Nein. Saladin. Wohl! nennst du dich nicht; nennt dich das Volk. Nathan. Kann sein; das Volk! Saladin. Du glaubst doch nicht, daß ich Verächtlich von des Volkes Stimme denke? – Ich habe längst gewünscht, den Mann zu kennen, Den es den Weisen nennt. Nathan. Und wenn es ihn Zum Spott so nennte? Wenn dem Volke weise Nichts weiter wär' als klug? und klug nur der, Der sich auf seinen Vorteil gut versteht? Saladin. Auf seinen wahren Vorteil, meinst du doch? Nathan. Dann freilich wär' der Eigennützigste Der Klügste. Dann wär' freilich klug und weise Nur eins. Saladin. Ich höre dich erweisen, was Du widersprechen willst. – Des Menschen wahre Vorteile, die das Volk nicht kennt, kennst du. Hast du zu kennen wenigstens gesucht; Hast drüber nachgedacht: das auch allein Macht schon den Weisen. Nathan. Der sich jeder dünkt Zu sein. Saladin. Nun der Bescheidenheit genug! Denn sie nur immerdar zu hören, wo Man trockene Vernunft erwartet, ekelt. (Er springt auf.) Laß uns zur Sache kommen! Aber, aber Aufrichtig, Jud', aufrichtig! Nathan. Sultan, ich Will sicherlich dich so bedienen, daß Ich deiner fernern Kundschaft würdig bleibe. Saladin. Bedienen? wie? Nathan. Du sollst das Beste haben Von allem; sollst es um den billigsten Preis haben. Saladin. Wovon sprichst du? doch wohl nicht Von deinen Waren? – Schachern wird mit dir Schon meine Schwester. (Das der Horcherin!) – Ich habe mit dem Kaufmann nichts zu tun. Nathan. So wirst du ohne Zweifel wissen wollen, Was ich auf meinem Wege von dem Feinde, Der allerdings sich wieder reget, etwa Bemerkt, getroffen? – Wenn ich unverhohlen ... Saladin. Auch darauf bin ich eben nicht mit dir Gesteuert. Davon weiß ich schon, so viel Ich nötig habe. – Kurz-, – Nathan. Gebiete, Sultan. Saladin. Ich heische deinen Unterricht in ganz Was anderm; ganz was anderm. – Da du nun So weise bist: so sage mir doch einmal – Was für ein Glaube, was für ein Gesetz Hat dir am meisten eingeleuchtet? Nathan. Sultan, Ich bin ein Jud'. Saladin. Und ich ein Muselmann. Der Christ ist zwischen uns. – Von diesen drei Religionen kann doch eine nur Die wahre sein. – Ein Mann, wie du, bleibt da Nicht stehen, wo der Zufall der Geburt Ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt, Bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern. Wohlan! so teile deine Einsicht mir Dann mit. Laß mich die Gründe hören, denen Ich selber nachzugrübeln, nicht die Zeit Gehabt. Laß mich die Wahl, die diese Gründe Bestimmt, – versteht sich, im Vertrauen – wissen, Damit ich sie zu meiner mache. Wie? Du stutzest? wägst mich mit dem Auge? – Kann Wohl sein, daß ich der erste Sultan bin, Der eine solche Grille hat; die mich Doch eines Sultans eben nicht so ganz Unwürdig dünkt. – Nicht wahr? – So rede doch! Sprich! – Oder willst du einen Augenblick, Dich zu bedenken? Gut, ich geb ihn dir. (Ob sie wohl horcht? Ich will sie doch belauschen; Will hören, ob ich's recht gemacht. –) Denk nach. Geschwind denk nach! Ich säume nicht, zurück- Zukommen. (Er geht in das Nebenzimmer, nach welchem sich Sittah begeben.)