Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 31 lyrics

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Gotthold Ephraim Lessing - Nathan Der Weise - Kapitel 31 lyrics

Siebenter Auftritt Nathan und der Klosterbruder. Nathan. (Ich bliebe Rechas Vater Doch gar zu gern! – Zwar kann ich's denn nicht bleiben, Auch wenn ich aufhör, es zu heißen? – Ihr, Ihr selbst werd ich's doch immer auch noch heißen, Wenn sie erkennt, wie gern ich's wäre.) – Geh! – Was ist zu Euern Diensten, frommer Bruder? Klosterbruder. Nicht eben viel. – Ich freue mich, Herr Nathan, Euch annoch wohl zu sehn. Nathan. So kennt Ihr mich? Klosterbruder. Je nu; wer kennt Euch nicht? Ihr habt so manchem Ja Euern Namen in die Hand gedrückt. Er steht in meiner auch, seit vielen Jahren. Nathan (nach seinem Beutel langend). Kommt, Bruder, kommt; ich frisch ihn auf. Klosterbruder. Habt Dank! Ich würd' es Ärmern stehlen; nehme nichts. – Wenn Ihr mir nur erlauben wollt, ein wenig Euch meinen Namen aufzufrischen. Denn Ich kann mich rühmen, auch in Eure Hand Etwas gelegt zu haben, was nicht zu Verachten war. Nathan. Verzeiht! – Ich schäme mich – Sagt, was? – und nehmt zur Buße siebenfach Den Wert desselben von mir an. Klosterbruder. Hört doch Vor allen Dingen, wie ich selber nur Erst heut an dies mein Euch vertrautes Pfand Erinnert worden. Nathan. Mir vertrautes Pfand? Klosterbruder. Vor kurzem saß ich noch als Eremit Auf Quarantana, unweit Jericho. Da kam arabisch Raubgesindel, brach Mein Gotteshäuschen ab und meine Zelle Und schleppte mich mit fort. Zum Glück entkam Ich noch und floh hierher zum Patriarchen, Um mir ein ander Plätzchen auszubitten, Allwo ich meinem Gott in Einsamkeit Bis an mein selig Ende dienen könne. Nathan. Ich steh auf Kohlen, guter Bruder. Macht Es kurz. Das Pfand! das mir vertraute Pfand! Klosterbruder. Sogleich, Herr Nathan. – Nun, der Patriarch Versprach mir eine Siedelei auf Tabor, Sobald als eine leer; und hieß inzwischen Im Kloster mich als Laienbruder bleiben. Da bin ich itzt, Herr Nathan; und verlange Des Tags wohl hundertmal auf Tabor. Denn Der Patriarch braucht mich zu allerlei, Wovor ich großen Ekel habe. Zum Exempel: Nathan. Macht, ich bitt Euch! Klosterbruder. Nun, es kömmt! – Da hat ihm jemand heut ins Ohr gesetzt: Es lebe hier herum ein Jude, der Ein Christenkind als seine Tochter sich Erzöge. Nathan. Wie? (Betroffen.) Klosterbruder. Hört mich nur aus! – Indem Er mir nun aufträgt, diesem Juden stracks, Wo möglich, auf die Spur zu kommen, und Gewaltig sich ob eines solchen Frevels Erzürnt, der ihm die wahre Sünde wider Den heil'gen Geist bedünkt; – das ist, die Sünde, Die aller Sünden größte Sünd' uns gilt, Nur daß wir, Gott sei Dank, so recht nicht wissen, Worin sie eigentlich besteht: – da wacht Mit einmal mein Gewissen auf; und mir Fällt bei, ich könnte selber wohl vor Zeiten Zu dieser unverzeihlich großen Sünde Gelegenheit gegeben haben. – Sagt: Hat Euch ein Reitknecht nicht vor achtzehn Jahren Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen? Nathan. Wie das? – Nun freilich – allerdings – Klosterbruder. Ei, seht Mich doch recht an! – Der Reitknecht, der bin ich. Nathan. Seid ihr? Klosterbruder. Der Herr, von welchem ich's Euch brachte, War – ist mir recht – ein Herr von Filnek. – Wolf Von Filnek! Nathan. Richtig! Klosterbruder. Weil die Mutter kurz Vorher gestorben war; und sich der Vater Nach – mein ich – Gazza plötzlich werfen mußte, Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte: So sandt' er's Euch. Und traf ich Euch damit Nicht in Darun? Nathan. Ganz recht! Klosterbruder. Es wär' kein Wunder, Wenn mein Gedächtnis mich betrög'. Ich habe Der braven Herrn so viel gehabt; und diesem Hab ich nur gar zu kurze Zeit gedient. Er blieb bald drauf bei Askalon: und war Wohl sonst ein lieber Herr. Nathan. Ja wohl! Ja wohl! Dem ich so viel, so viel zu danken habe! Der mehr als einmal mich dem Schwert entrissen! Klosterbruder. O schön! So werd't Ihr seines Töchterchens Euch um so lieber angenommen haben. Nathan. Das könnt Ihr denken. Klosterbruder. Nun, wo ist es denn? Es ist doch wohl nicht etwa gar gestorben? – Laßt's lieber nicht gestorben sein! – Wenn sonst Nur niemand um die Sache weiß: so hat Es gute Wege. Nathan. Hat es? Klosterbruder. Traut mir, Nathan! Denn seht, ich denke so! Wenn an das Gute, Das ich zu tun vermeine, gar zu nah Was gar zu Schlimmes grenzt: so tu ich lieber Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar So ziemlich zuverlässig kennen, aber Bei weiten nicht das Gute. – War ja wohl Natürlich; wenn das Christentöchterchen Recht gut von Euch erzogen werden sollte: Daß Ihr's als Euer eigen Töchterchen Erzögt. – Das hättet Ihr mit aller Lieb' Und Treue nun getan, und müßtet so Belohnet werden? Das will mir nicht ein. Ei freilich, klüger hättet Ihr getan; Wenn Ihr die Christin durch die zweite Hand Als Christin auferziehen la**en: aber So hättet Ihr das Kindchen Eures Freunds Auch nicht geliebt. Und Kinder brauchen Liebe, Wär's eines wilden Tieres Lieb' auch nur, In solchen Jahren mehr, als Christentum. Zum Christentume hat's noch immer Zeit. Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm Vor Euern Augen aufgewachsen ist, So blieb's vor Gottes Augen, was es war. Und ist denn nicht das ganze Christentum Aufs Judentum gebaut? Es hat mich oft Geärgert, hat mir Tränen g'nug gekostet, Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten, Daß unser Herr ja selbst ein Jude war. Nathan. Ihr, guter Bruder, müßt mein Fürsprach sein, Wenn Haß und Gleisnerei sich gegen mich Erheben sollten, – wegen einer Tat – Ah, wegen einer Tat! – Nur Ihr, Ihr sollt Sie wissen! – Nehmt sie aber mit ins Grab! Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht, Sie jemand andern zu erzählen. Euch Allein erzähl ich sie. Der frommen Einfalt Allein erzähl ich sie. Weil die allein Versteht, was sich der gottergebne Mensch Für Taten abgewinnen kann. Klosterbruder. Ihr seid Gerührt, und Euer Auge steht voll Wa**er? Nathan. Ihr traft mich mit dem Kinde zu Darun. Ihr wißt wohl aber nicht, daß wenig Tage Zuvor, in Gath die Christen alle Juden Mit Weib und Kind ermordet hatten; wißt Wohl nicht, daß unter diesen meine Frau Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich Befunden, die in meines Bruders Hause, Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt Verbrennen müssen. Klosterbruder. Allgerechter! Nathan. Als Ihr kamt, hatt' ich drei Tag' und Nächt' in Asch' Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. – Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet, Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht; Der Christenheit den unversöhnlichsten Haß zugeschworen – Klosterbruder. Ach! Ich glaub's Euch wohl! Nathan. Doch nun kam die Vernunft allmählich wieder. Sie sprach mit sanfter Stimm': »und doch ist Gott! Doch war auch Gottes Ratschluß das! Wohlan! Komm! übe, was du längst begriffen hast, Was sicherlich zu üben schwerer nicht, Als zu begreifen ist, wenn du nur willst. Steh auf!« – Ich stand! und rief zu Gott: ich will! Willst du nur, daß ich will! – Indem stiegt Ihr Vom Pferd, und überreichtet mir das Kind, In Euern Mantel eingehüllt. – Was Ihr Mir damals sagtet; was ich Euch: hab ich Vergessen. Soviel weiß ich nur; ich nahm Das Kind, trug's auf mein Lager, küßt' es, warf Mich auf die Knie und schluchzte: Gott! auf Sieben Doch nun schon Eines wieder! Klosterbruder. Nathan! Nathan! Ihr seid ein Christ! – Bei Gott, Ihr seid ein Christ! Ein beßrer Christ war nie! Nathan. Wohl uns! Denn was Mich Euch zum Christen macht, das macht Euch mir Zum Juden! – Aber laßt uns länger nicht Einander nur erweichen. Hier braucht's Tat! Und ob mich siebenfache Liebe schon Bald an dies einz'ge fremde Mädchen band, Ob der Gedanke mich schon tötet, daß Ich meine sieben Söhn' in ihr aufs neue Verlieren soll: – wenn sie von meinen Händen Die Vorsicht wieder fodert, – ich gehorche! Klosterbruder. Nun vollends! – Eben das bedacht' ich mich So viel, Euch anzuraten! Und so hat's Euch Euer guter Geist schon angeraten! Nathan. Nur muß der erste beste mir sie nicht Entreißen wollen! Klosterbruder. Nein, gewiß nicht! Nathan. Wer Auf sie nicht größre Rechte hat, als ich, Muß frühere zum mind'sten haben – Klosterbruder. Freilich! Nathan. Die ihm Natur und Blut erteilen. Klosterbruder. So Mein ich es auch! Nathan. Drum nennt mir nur geschwind Den Mann, der ihr als Bruder oder Ohm, Als Vetter oder sonst als Sipp' verwandt.- Ihm will ich sie nicht vorenthalten – Sie, Die jedes Hauses, jedes Glaubens Zierde Zu sein erschaffen und erzogen ward. – Ich hoff, Ihr wißt von diesem Euern Herrn Und dem Geschlechte dessen, mehr als ich. Klosterbruder. Das, guter Nathan, wohl nun schwerlich! – Denn Ihr habt ja schon gehört, daß ich nur gar Zu kurze Zeit bei ihm gewesen. Nathan. Wißt Ihr denn nicht wenigstens, was für Geschlechts Die Mutter war? – War sie nicht eine Stauffin? Klosterbruder. Wohl möglich! – Ja, mich dünkt. Nathan. Hieß nicht ihr Bruder Conrad von Stauffen? – und war Tempelherr? Klosterbruder. Wenn mich's nicht trügt. Doch halt! Da fällt mir ein, Daß ich vom sel'gen Herrn ein Büchelchen Noch hab. Ich zog's ihm aus dem Busen, als Wir ihn bei Askalon verscharrten. Nathan. Nun? Klosterbruder. Es sind Gebete drin. Wir nennen's ein Brevier. – Das, dacht' ich, kann ein Christenmensch Ja wohl noch brauchen. – Ich nun freilich nicht Ich kann nicht lesen – Nathan. Tut nichts! – Nur zur Sache. Klosterbruder. In diesem Büchelchen stehn vorn und hinten, Wie ich mir sagen la**en, mit des Herrn Selbsteigner Hand, die Angehörigen Von ihm und ihr geschrieben. Nathan. O erwünscht! Geht! lauft! holt mir das Büchelchen. Geschwind! Ich bin bereit mit Gold es aufzuwiegen; Und tausend Dank dazu! Eilt! lauft! Klosterbruder. Recht gern! Es ist Arabisch aber, was der Herr Hineingeschrieben. (Ab.) Nathan. Einerlei! Nur her! – Gott! wenn ich doch das Mädchen noch behalten, Und einen solchen Eidam mir damit Erkaufen könnte! – Schwerlich wohl! – Nun, fall' Es aus, wie's will! – Wer mag es aber denn Gewesen sein, der bei dem Patriarchen So etwas angebracht? Das muß ich doch Zu fragen nicht vergessen. – Wenn es gar Von Daja käme?