Vorrede Eine Erklärung, wie sie einer Schrift in einer Vorrede nach der Gewohnheit vorausgeschickt wird – über den Zweck, den der Verfa**er sich in ihr vorgesetzt, sowie über die Veranla**ungen und das Verhältnis, worin er sie zu andern frühern oder gleichzeitigen Behandlungen desselben Gegenstandes zu stehen glaubt – scheint bei einer philosophischen Schrift nicht nur überflüssig, sondern um der Natur der Sache willen sogar unpa**end und zweckwidrig zu sein. Denn wie und was von Philosophie in einer Vorrede zu sagen schicklich wäre – etwa eine historische Angabe der Tendenz und des Standpunkts, des allgemeinen Inhalts und der Resultate, eine Verbindung von hin und her sprechenden Behauptungen und Versicherungen über das Wahre –, kann nicht für die Art und Weise gelten, in der die philosophische Wahrheit darzustellen sei. – Auch weil die Philosophie wesentlich im Elemente der Allgemeinheit ist, die das Besondere in sich schließt, so findet bei ihr mehr als bei andern Wissenschaften der Schein statt, als ob in dem Zwecke oder den letzten Resultaten die Sache selbst und sogar in ihrem vollkommenen Wesen ausgedrückt wäre, gegen welches die Ausführung eigentlich das Unwesentliche sei. In der allgemeinen Vorstellung hingegen, zum Beispiel was Anatomie sei, etwa die Kenntnis der Teile des Körpers nach ihrem unlebendigen Dasein betrachtet, ist man überzeugt, die Sache selbst, den Inhalt dieser Wissenschaft, noch nicht zu besitzen, sondern außerdem um das Besondere sich bemühen zu müssen. – Ferner ist bei einem solchen Aggregate von Kenntnissen, das den Namen Wissenschaft nicht mit Recht führt, eine Konversation über Zweck und dergleichen Allgemeinheiten nicht von der historischen und begrifflosen Weise verschieden, worin von dem Inhalte selbst, diesen Nerven, Muskeln und so fort, gesprochen wird. Bei der Philosophie hingegen würde die Ungleichheit entstehen, daß von einer solchen Weise Gebrauch gemacht, und diese doch von ihr selbst als unfähig, die Wahrheit zu fa**en, aufgezeigt würde. So wird auch durch die Bestimmung des Verhältnisses, das ein philosophisches Werk zu andern Bestrebungen über denselben Gegenstand zu haben glaubt, ein fremdartiges Interesse hereingezogen, und das, worauf es bei der Erkenntnis der Wahrheit ankommt, verdunkelt. So fest der Meinung der Gegensatz des Wahren und des Falschen wird, so pflegt sie auch entweder Beistimmung oder Widerspruch gegen ein vorhandenes philosophisches System zu erwarten, und in einer Erklärung über ein solches nur entweder das eine oder das andre zu sehen. Sie begreift die Verschiedenheit philosophischer Systeme nicht so sehr als die fortschreitende Entwicklung der Wahrheit, als sie in der Verschiedenheit nur den Widerspruch sieht. Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte, und man könnte sagen, daß jene von dieser widerlegt wird, ebenso wird durch die Frucht die Blüte für ein falsches Dasein der Pflanze erklärt, und als ihre Wahrheit tritt jene an die Stelle von dieser. Diese Formen unterscheiden sich nicht nur, sondern verdrängen sich auch als unverträglich miteinander. Aber ihre flüssige Natur macht sie zugleich zu Momenten der organischen Einheit, worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten, sondern eins so notwendig als das andere ist, und diese gleiche Notwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen aus. Aber der Widerspruch gegen ein philosophisches System pflegt teils sich selbst nicht auf diese Weise zu begreifen, teils auch weiß das auffa**ende Bewußtsein gemeinhin nicht, ihn von seiner Einseitigkeit zu befreien oder frei zu erhalten, und in der Gestalt des streitend und sich zuwider Scheinenden gegenseitig notwendige Momente zu erkennen. Die Foderung von dergleichen Erklärungen sowie die Befriedigungen derselben scheinen vielleicht das Wesentliche zu betreiben. Worin könnte mehr das Innere einer philosophischen Schrift ausgesprochen sein als in den Zwecken und Resultaten derselben, und wodurch diese bestimmter erkannt werden als durch ihre Verschiedenheit von dem, was das Zeitalter sonst in derselben Sphäre hervorbringt? Wenn aber ein solches Tun für mehr als für den Anfang des Erkennens, wenn es für das wirkliche Erkennen gelten soll, ist es in der Tat zu den Erfindungen zu rechnen, die Sache selbst zu umgehen, und dieses beides zu verbinden, den Anschein des Ernstes und Bemühens um sie, und die wirkliche Ersparung desselben. – Denn die Sache ist nicht in ihrem Zwecke erschöpft, sondern in ihrer Ausführung, noch ist das Resultat das wirklicheGanze, sondern es zusammen mit seinem Werden; der Zweck für sich ist das unlebendige Allgemeine, wie die Tendenz das bloße Treiben, das seiner Wirklichkeit noch entbehrt, und das nackte Resultat ist der Leichnam, der sie hinter sich gela**en. – Ebenso ist die Verschiedenheit vielmehr die Grenze der Sache; sie ist da, wo die Sache aufhört, oder sie ist das, was diese nicht ist. Solche Bemühungen mit dem Zwecke oder den Resultaten, sowie mit den Verschiedenheiten und Beurteilungen des einen und des andern, sind daher eine leichtere Arbeit, als sie vielleicht scheinen. Denn statt mit der Sache sich zu befa**en, ist solches Tun immer über sie hinaus, statt in ihr zu verweilen und sich in ihr zu vergessen, greift solches Wissen immer nach einem Andern, und bleibt vielmehr bei sich selbst, als daß es bei der Sache ist und sich ihr hingibt. – Das leichteste ist, was Gehalt und Gediegenheit hat, zu beurteilen, schwerer, es zu fa**en, das schwerste, was beides vereinigt, seine Darstellung hervorzubringen. Der Anfang der Bildung und des Herausarbeitens aus der Unmittelbarkeit des substantiellen Lebens wird immer damit gemacht werden müssen, Kenntnisse allgemeiner Grundsätze und Gesichtspunkte zu erwerben, sich nur erst zu dem Gedanken der Sache überhaupt heraufzuarbeiten, nicht weniger sie mit Gründen zu unterstützen oder zu widerlegen, die konkrete und reiche Fülle nach Bestimmtheiten aufzufa**en, und ordentlichen Bescheid und ernsthaftes Urteil über sie zu erteilen zu wissen. Dieser Anfang der Bildung wird aber zunächst dem Ernste des erfüllten Lebens Platz machen, der in die Erfahrung der Sache selbst hineinführt, und wenn auch dies noch hinzukommt, daß der Ernst des Begriffs in ihre Tiefe steigt, so wird eine solche Kenntnis und Beurteilung in der Konversation ihre schickliche Stelle behalten. Die wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existiert, kann allein das wissenschaftliche System derselben sein. Daran mitzuarbeiten, daß die Philosophie der Form der Wissenschaft näher komme – dem Ziele, ihren Namen der Liebe zum Wissen ablegen zu können und wirkliches Wissen zu sein –, ist es, was ich mir vorgesetzt. Die innere Notwendigkeit, daß das Wissen Wissenschaft sei, liegt in seiner Natur, und die befriedigende Erklärung hierüber ist allein die Darstellung der Philosophie selbst. Die äußere Notwendigkeit aber, insofern sie, abgesehen von der Zufälligkeit der Person und der individuellen Veranla**ungen, auf eine allgemeine Weise gefaßt wird, ist da**elbe, was die innere, in der Gestalt, wie die Zeit das Dasein ihrer Momente vorstellt. Daß die Erhebung der Philosophie zur Wissenschaft an der Zeit ist, dies aufzuzeigen würde daher die einzig wahre Rechtfertigung der Versuche sein, die diesen Zweck haben, weil sie die Notwendigkeit desselben dartun, ja weil sie ihn zugleich ausführen würde. Indem die wahre Gestalt der Wahrheit in die Wissenschaftlichkeit gesetzt wird – oder, was da**elbe ist, indem die Wahrheit behauptet wird, an dem Begriffe allein das Element ihrer Existenz zu haben –, so weiß ich, daß dies im Widerspruch mit einer Vorstellung und deren Folgen zu stehen scheint, welche eine so große Anmaßung als Ausbreitung in der Überzeugung des Zeitalters hat. Eine Erklärung über diesen Widerspruch scheint darum nicht überflüssig; wenn sie auch hier weiter nichts als gleichfalls eine Versicherung, wie das, gegen was sie geht, sein kann. Wenn nämlich das Wahre nur in demjenigen oder vielmehr nur als dasjenige existiert, was bald Anschauung, bald unmittelbares Wissen des Absoluten, Religion, das Sein – nicht im Zentrum der göttlichen Liebe, sondern das Sein desselben selbst – genannt wird, so wird von da aus zugleich für die Darstellung der Philosophie vielmehr das Gegenteil der Form des Begriffs gefodert. Das Absolute soll nicht begriffen, sondern gefühlt und angeschaut, nicht sein Begriff, sondern sein Gefühl und Anschauung sollen das Wort führen und ausgesprochen werden. Wird die Erscheinung einer solchen Foderung nach ihrem allgemeinem Zusammenhange aufgefaßt, und auf die Stufe gesehen, worauf der selbstbewußte Geist gegenwärtig steht, so ist er über das substantielle Leben, das er sonst im Elemente des Gedankens führte, hinaus, – über diese Unmittelbarkeit seines Glaubens, über die Befriedigung und Sicherheit der Gewißheit, welche das Bewußtsein von seiner Versöhnung mit dem Wesen und dessen allgemeiner, der innern und äußern, Gegenwart besaß. Er ist nicht nur darüber hinausgegangen, in das andere Extrem der substanzlosen Reflexion seiner in sich selbst, sondern auch über diese. Sein wesentliches Leben ist ihm nicht nur verloren, er ist auch dieses Verlustes, und der Endlichkeit, die sein Inhalt ist, bewußt. Von den Trebern sich wegwendend, daß er im Argen liegt, bekennend und darauf schmähend, verlangt er nun von der Philosophie nicht sowohl das Wissen dessen, was er ist, als zur Herstellung jener Substantialität und der Gediegenheit des Seins erst wieder durch sie zu gelangen. Diesem Bedürfnisse soll sie also nicht so sehr die Verschlossenheit der Substanz aufschließen, und diese zum Selbstbewußtsein erheben – nicht so sehr ihr chaotisches Bewußtsein zur gedachten Ordnung und zur Einfachheit des Begriffes zurückbringen, als vielmehr die Sonderungen des Gedankens zusammenschütten, den unterscheidenden Begriff unterdrücken und das Gefühl des Wesens herstellen, nicht sowohl Einsicht als Erbauung gewähren. Das Schöne, Heilige, Ewige, die Religion und Liebe sind der Köder, der gefodert wird, um die Lust zum Anbeißen zu erwecken, nicht der Begriff, sondern die Ekstase, nicht die kalt fortschreitende Notwendigkeit der Sache, sondern die gärende Begeisterung soll die Haltung und fortleitende Ausbreitung des Reichtums der Substanz sein. Dieser Foderung entspricht die angestrengte und fast eifernd und gereizt sich zeigende Bemühung, die Menschen aus der Versunkenheit ins Sinnliche, Gemeine und Einzelne herauszureißen und ihren Blick zu den Sternen aufzurichten; als ob sie, des Göttlichen ganz vergessend, mit Staub und Wa**er, wie der Wurm, auf dem Punkte sich zu befriedigen stünden. Sonst hatten sie einen Himmel mit weitläufigem Reichtume von Gedanken und Bildern ausgestattet. Von allem, was ist, lag die Bedeutung in dem Lichtfaden, durch den es an den Himmel geknüpft war; an ihm, statt in dieser Gegenwart zu verweilen, glitt der Blick über sie hinaus, zum göttlichen Wesen, zu einer, wenn man so sagen kann, jenseitigen Gegenwart hinauf. Das Auge des Geistes mußte mit Zwang auf das Irdische gerichtet und bei ihm festgehalten werden; und es hat einer langen Zeit bedurft, jene Klarheit, die nur das Überirdische hatte, in die Dumpfheit und Verworrenheit, worin der Sinn des Diesseitigen lag, hineinzuarbeiten, und die Aufmerksamkeit auf das Gegenwärtige als solches, welche Erfahrung genannt wurde, interessant und geltend zu machen. – Jetzt scheint die Not des Gegenteils vorhanden, der Sinn so sehr in das Irdische festgewurzelt, daß es gleicher Gewalt bedarf, ihn darüber zu erheben. Der Geist zeigt sich so arm, daß er sich, wie in der Sandwüste der Wanderer nach einem einfachen Trunk Wa**er, nur nach dem dürftigen Gefühle des Göttlichen überhaupt für seine Erquickung zu sehnen scheint. An diesem, woran dem Geiste genügt, ist die Größe seines Verlustes zu ermessen. Diese Genügsamkeit des Empfangens oder Sparsamkeit des Gebens ziemt jedoch der Wissenschaft nicht. Wer nur die Erbauung sucht, wer seine irdische Mannigfaltigkeit des Daseins und des Gedankens in Nebel einzuhüllen und nach dem unbestimmten Genusse dieser unbestimmten Göttlichkeit verlangt, mag zusehen, wo er dies findet; er wird leicht selbst sich etwas vorzuschwärmen und damit sich aufzuspreizen die Mittel finden. Die Philosophie aber muß sich hüten, erbaulich sein zu wollen. Noch weniger muß diese Genügsamkeit, die auf die Wissenschaft Verzicht tut, darauf Anspruch machen, daß solche Begeisterung und Trübheit etwas Höheres sei als die Wissenschaft. Dieses prophetische Reden meint gerade so recht im Mittelpunkte und der Tiefe zu bleiben, blickt verächtlich auf die Bestimmtheit (den Horos) und hält sich absichtlich von dem Begriffe und der Notwendigkeit entfernt, als von der Reflexion, die nur in der Endlichkeit hause. Wie es aber eine leere Breite gibt, so auch eine leere Tiefe, wie eine Extension der Substanz, die sich in endliche Mannigfaltigkeit ergießt, ohne Kraft, sie zusammenzuhalten – so ist dies eine gehaltlose Intensität, welche als lautere Kraft ohne Ausbreitung sich haltend, da**elbe ist, was die Oberflächlichkeit. Die Kraft des Geistes ist nur so groß als ihre Äußerung, seine Tiefe nur so tief, als er in seiner Auslegung sich auszubreiten und sich zu verlieren getraut. – Zugleich wenn dies begrifflose substantielle Wissen die Eigenheit des Selbsts in dem Wesen versenkt zu haben und wahr und heilig zu philosophieren vorgibt, so verbirgt es sich, daß es, statt dem Gotte ergeben zu sein, durch die Verschmähung des Maßes und der Bestimmung vielmehr nur bald in sich selbst die Zufälligkeit des Inhalts, bald in ihm die eigne Willkür gewähren läßt. – Indem sie sich dem ungebändigten Gären der Substanz überla**en, meinen sie, durch die Einhüllung des Selbstbewußtseins und Aufgeben des Verstands, die Seinen zu sein, denen Gott die Weisheit im Schlafe gibt; was sie so in der Tat im Schlafe empfangen und gebären, sind darum auch Träume. Es ist übrigens nicht schwer, zu sehen, daß unsre Zeit eine Zeit der Geburt und des Übergangs zu einer neuen Periode ist. Der Geist hat mit der bisherigen Welt seines Daseins und Vorstellens gebrochen und steht im Begriffe, es in die Vergangenheit hinab zu versenken, und in der Arbeit seiner Umgestaltung. Zwar ist er nie in Ruhe, sondern in immer fortschreitender Bewegung begriffen. Aber wie beim Kinde nach langer stiller Ernährung der erste Atemzug jene Allmählichkeit des nur vermehrenden Fortgangs abbricht – ein qualitativer Sprung – und itzt das Kind geboren ist, so reift der sich bildende Geist langsam und stille der neuen Gestalt entgegen, löst ein Teilchen des Baues seiner vorgehenden Welt nach dem andern auf, ihr wa*ken wird nur durch einzelne Symptome angedeutet; der Leichtsinn wie die Langeweile, die im Bestehenden einreißen, die unbestimmte Ahnung eines Unbekannten sind Vorboten, daß etwas anderes im Anzuge ist. Dies allmähliche Zerbröckeln, das die Physiognomie des Ganzen nicht veränderte, wird durch den Aufgang unterbrochen, der, ein Blitz, in einem Male das Gebilde der neuen Welt hinstellt.