Friedrich Schiller - Wallenstein - Kapitel 3 lyrics

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Friedrich Schiller - Wallenstein - Kapitel 3 lyrics

Erster Aufzug Ein alter gotischer Saal auf dem Rathause zu Pilsen, mit Fahnen und anderm Kriegsgeräte dekoriert Erster Auftritt Illo mit bu*tler, und Isolani. Illo. Spät kommt Ihr – Doch Ihr kommt! Der weite Weg, Graf Isolan, entschuldigt Euer Säumen. Isolani. Wir kommen auch mit leeren Händen nicht! Es ward uns angesagt bei Donauwerth, Ein schwedischer Transport sei unterwegs Mit Proviant, an die sechshundert Wagen. – Den griffen die Kroaten mir noch auf, Wir bringen ihn. Illo. Er kommt uns grad zupaß, Die stattliche Versammlung hier zu speisen. bu*tler. Es ist schon lebhaft hier, ich seh's. Isolani. Ja, ja, Die Kirchen selber liegen voll Soldaten, (sich umschauend) Auch auf dem Rathaus, seh ich, habt ihr euch Schon ziemlich eingerichtet – Nun! nun! der Soldat Behilft und schickt sich, wie er kann! Illo. Von dreißig Regimentern haben sich Die Obersten zusammen schon gefunden, Den Terzky trefft Ihr hier, den Tiefenbach, Colalto, Götz, Maradas, Hinnersam, Auch Sohn und Vater Piccolomini – Ihr werdet manchen alten Freund begrüßen. Nur Gallas fehlt uns noch und Altringer. bu*tler. Auf Gallas wartet nicht. Illo (stutzt). Wieso? Wißt Ihr – Isolani (unterbricht ihn). Max Piccolomini hier? Oh! führt mich zu ihm. Ich seh ihn noch – es sind jetzt zehen Jahr – Als wir bei Dessau mit dem Mansfeld schlugen, Den Rappen sprengen von der Brücke herab Und zu dem Vater, der in Nöten war, Sich durch der Elbe reißend Wa**er schlagen. Da sproßt' ihm kaum der erste Flaum ums Kinn, Jetzt, hör ich, soll der Kriegsheld fertig sein. Illo. Ihr sollt ihn heut noch sehn. Er führt aus Kärnten Die Fürstin Friedland her und die Prinzessin, Sie treffen diesen Vormittag noch ein. bu*tler. Auch Frau und Tochter ruft der Fürst hieher? Er ruft hier viel zusammen. Isolani. Desto besser. Erwartet' ich doch schon von nichts als Märschen Und Batterien zu hören und Attacken; Und siehe da! der Herzog sorgt dafür, Daß auch was Holdes uns das Aug' ergötze. Illo (der nachdenkend gestanden, zu bu*tlern, den er ein wenig auf die Seite führt). Wie wißt Ihr, daß Graf Gallas außen bleibt? bu*tler (mit Bedeutung). Weil er auch mich gesucht zurückzuhalten. Illo (warm). Und Ihr seid fest geblieben? (Drückt ihm die Hand.) Wackrer bu*tler! bu*tler. Nach der Verbindlichkeit, die mir der Fürst Noch kürzlich aufgelegt – Illo. Ja, Generalmajor! Ich gratuliere! Isolani. Zum Regiment, nicht wahr, das ihm der Fürst Geschenkt? Und noch dazu da**elbe, hör ich, Wo er vom Reiter hat heraufgedient? Nun, das ist wahr! dem ganzen Korps gereicht's Zum Sp**n, zum Beispiel, macht einmal ein alter Verdienter Kriegsmann seinen Weg. bu*tler. Ich bin verlegen, Ob ich den Glückwunsch schon empfangen darf, – Noch fehlt vom Kaiser die Bestätigung. Isolani. Greif zu! greif zu! Die Hand, die Ihn dahin Gestellt, ist stark genug, Ihn zu erhalten, Trotz Kaiser und Ministern. Illo. Wenn wir alle So gar bedenklich wollten sein! Der Kaiser gibt uns nichts – vom Herzog Kommt alles, was wir hoffen, was wir haben. Isolani (zu Illo). Herr Bruder! Hab ich's schon erzählt? Der Fürst Will meine Kreditoren kontentieren, Will selber mein Ka**ier sein künftighin, Zu einem ordentlichen Mann mich machen. Und das ist nun das dritte Mal, bedenk' Er! Daß mich der Königlichgesinnte vom Verderben rettet und zu Ehren bringt. Illo. Könnt' er nur immer, wie er gerne wollte! Er schenkte Land und Leut an die Soldaten. Doch wie verkürzen sie in Wien ihm nicht den Arm, Beschneiden, wo sie können, ihm die Flügel! – Da! diese neuen, saubern Forderungen, Die dieser Questenberger bringt! bu*tler. Ich habe mir Von diesen kaiserlichen Forderungen auch Erzählen la**en – doch ich hoffe, Der Herzog wird in keinem Stücke weichen. Illo. Von seinem Recht gewißlich nicht, wenn nur nicht – Vom Platze! bu*tler (betroffen). Wißt Ihr etwas? Ihr erschreckt mich. Isolani (zugleich). Wir wären alle ruiniert! Illo. Brecht ab! Ich sehe unsern Mann dort eben kommen Mit Gen'ralleutnant Piccolomini. bu*tler (den Kopf bedenklich schüttelnd). Ich fürchte, Wir gehn nicht von hier, wie wir kamen. Zweiter Auftritt Vorige. Octavio Piccolomini. Questenberg. Octavio (noch in der Entfernung). Wie? Noch der Gäste mehr? Gestehn Sie, Freund! Es brauchte diesen tränenvollen Krieg, So vieler Helden ruhmgekrönte Häupter In eines Lagers Umkreis zu versammeln. Questenberg. In kein Friedländisch Heereslager komme, Wer von dem Kriege Böses denken will. Beinah vergessen hätt' ich seine Plagen, Da mir der Ordnung hoher Geist erschienen, Durch die er, weltzerstörend, selbst besteht, Das Große mir erschienen, das er bildet. Octavio. Und siehe da! ein tapfres Paar, das würdig Den Heldenreihen schließt; Graf Isolan Und Obrist bu*tler. – Nun, da haben wir Vor Augen gleich das ganze Kriegeshandwerk. (bu*tlern und Isolani präsentierend.) Es ist die Stärke, Freund, und Schnelligkeit. Questenberg (zu Octavio). Und zwischen beiden der erfahrne Rat. Octavio (Questenbergen an jene vorstellend). Den Kammerherrn und Kriegsrat Questenberg, Den Überbringer kaiserlicher Befehle, Der Soldaten großen Gönner und Patron Verehren wir in diesem würdigen Gaste. (Allgemeines Stillschweigen.) Illo (nähert sich Questenbergen). Es ist das erste Mal nicht, Herr Minister, Daß Sie im Lager uns die Ehr' erweisen. Questenberg. Schon einmal sah ich mich vor diesen Fahnen. Illo. Und wissen Sie, wo das gewesen ist? Zu Znaym war's, in Mähren, wo Sie sich Von Kaisers wegen eingestellt, den Herzog Um Übernahm' des Regiments zu flehen. Questenberg. Zu flehn, Herr General? So weit ging weder Mein Auftrag, daß ich wüßte, noch mein Eifer. Illo. Nun! Ihn zu zwingen, wenn Sie wollen. Ich Erinnre mich's recht gut – Graf Tilly war Am Lech aufs Haupt geschlagen – offen stand Das Bayerland dem Feind – nichts hielt ihn auf, Bis in das Herz von Östreich vorzudringen. Damals erschienen Sie und Werdenberg Vor unserm Herrn, mit Bitten in ihn stürmend Und mit der kaiserlichen Ungnad' drohend, Wenn sich der Fürst des Jammers nicht erbarme. Isolani (tritt dazu). Ja, ja! 's ist zu begreifen, Herr Minister, Warum Sie sich bei Ihrem heut'gen Auftrag An jenen alten just nicht gern erinnern. Questenberg. Wie sollt' ich nicht! Ist zwischen beiden doch Kein Widerspruch! Damalen galt es, Böhmen Aus Feindes Hand zu reißen, heute soll ich's Befrein von seinen Freunden und Beschützern. Illo. Ein schönes Amt! Nachdem wir dieses Böhmen, Mit unserm Blut, dem Sachsen abgefochten, Will man zum Dank uns aus dem Lande werfen. Questenberg. Wenn es nicht bloß ein Elend mit dem andern Vertauscht soll haben, muß das arme Land Von Freund und Feindes Geißel gleich befreit sein. Illo. Ei was! Es war ein gutes Jahr, der Bauer kann Schon wieder geben. Questenberg. Ja, wenn Sie von Herden Und Weideplätzen reden, Herr Feldmarschall – Isolani. Der Krieg ernährt den Krieg. Gehn Bauern drauf, Ei, so gewinnt der Kaiser mehr Soldaten. Questenberg. Und wird um so viel Untertanen ärmer! Isolani. Pah! Seine Untertanen sind wir alle! Questenberg. Mit Unterschied, Herr Graf! Die einen füllen Mit nützlicher Geschäftigkeit den Beutel, Und andre wissen nur ihn brav zu leeren. Der Degen hat den Kaiser arm gemacht; Der Pflug ist's, der ihn wieder stärken muß. bu*tler. Der Kaiser wär' nicht arm, wenn nicht so viel – Blutigel saugten an dem Mark des Landes. Isolani. So arg kann's auch nicht sein. Ich sehe ja, (indem er sich vor ihn hinstellt und seinen Anzug mustert) Es ist noch lang nicht alles Gold gemünzt. Questenberg. Gottlob! Noch etwas weniges hat man Geflüchtet – vor den Fingern der Kroaten. Illo. Da! der Slawata und der Martinitz, Auf die der Kaiser, allen guten Böhmen Zum Ärgernisse, Gnadengaben häuft – Die sich vom Raube der vertriebnen Bürger mästen – Die von der allgemeinen Fäulnis wachsen, Allein im öffentlichen Unglück ernten – Mit königlichem Prunk dem Schmerz des Landes Hohnsprechen – die und ihresgleichen laßt Den Krieg bezahlen, den verderblichen, Den sie allein doch angezündet haben. bu*tler. Und diese Landschmarutzer, die die Füße Beständig unterm Tisch des Kaisers haben, Nach allen Benefizen hungrig schnappen, Die wollen dem Soldaten, der vorm Feind liegt, Das Brot vorschneiden und die Rechnung streichen. Isolani. Mein Lebtag denk ich dran, wie ich nach Wien Vor sieben Jahren kam, um die Remonte Für unsre Regimenter zu betreiben, Wie sie von einer Antecamera Zur andern mich herumgeschleppt, mich unter Den Schranzen stehen la**en, stundenlang, Als wär' ich da, ums Gnadenbrot zu betteln. Zuletzt – da schickten sie mir einen Kapuziner, Ich dacht', es wär' um meiner Sünden willen! Nein doch, das war der Mann, mit dem Ich um die Reiterpferde sollte handeln. Ich mußt' auch abziehn unverrichteter Ding'. Der Fürst nachher verschaffte mir in drei Tagen, Was ich zu Wien in dreißig nicht erlangte. Questenberg. Ja, ja! Der Posten fand sich in der Rechnung, Ich weiß, wir haben noch daran zu zahlen. Illo. Es ist der Krieg ein roh, gewaltsam Handwerk. Man kommt nicht aus mit sanften Mitteln, alles Läßt sich nicht schonen. Wollte man's erpa**en, Bis sie zu Wien aus vierundzwanzig Übeln Das kleinste ausgewählt, man paßte lange! – Frisch mitten durchgegriffen, das ist besser! Reiß' dann, was mag! – Die Menschen, in der Regel, Verstehen sich aufs Flicken und aufs Stückeln Und finden sich in ein verhaßtes Müssen Weit besser als in eine bittre Wahl. Questenberg. Ja, das ist wahr! Die Wahl spart uns der Fürst. Illo. Der Fürst trägt Vatersorge für die Truppen, Wir sehen, wie's der Kaiser mit uns meint. Questenberg. Für jeden Stand hat er ein gleiches Herz Und kann den einen nicht dem andern opfern. Isolani. Drum stößt er uns zum Raubtier in die Wüste, Um seine teuren Schafe zu behüten. Questenberg (mit Hohn). Herr Graf! Dies Gleichnis machen Sie – nicht ich. Illo. Doch wären wir, wofür der Hof uns nimmt, Gefährlich war's, die Freiheit uns zu geben. Questenberg (mit Ernst). Genommen ist die Freiheit, nicht gegeben, Drum tut es not, den Zaum ihr anzulegen. Illo. Ein wildes Pferd erwarte man zu finden. Questenberg. Ein beßrer Reiter wird's besänftigen. Illo. Es trägt den einen nur, der es gezähmt. Questenberg. Ist es gezähmt, so folgt es einem Kinde. Illo. Das Kind, ich weiß, hat man ihm schon gefunden. Questenberg. Sie kümmre nur die Pflicht und nicht der Name. bu*tler (der sich bisher mit Piccolomini seitwärts gehalten, doch mit sichtbarem Anteil an dem Gespräch, tritt näher). Herr Präsident! Dem Kaiser steht in Deutschland Ein stattlich Kriegsvolk da, es kantonieren In diesem Königreich wohl dreißigtausend, Wohl sechzehntausend Mann in Schlesien; Zehn Regimenter stehn am Weserstrom, Am Rhein und Main; in Schwaben bieten sechs, In Bayern zwölf den Schwedischen die Spitze. Nicht zu gedenken der Besatzungen, Die an der Grenz' die festen Plätze schirmen. All dieses Volk gehorcht Friedländischen Hauptleuten. Die 's befehligen, sind alle In eine Schul' gegangen, eine Milch Hat sie ernährt, ein Herz belebt sie alle. Fremdlinge stehn sie da auf diesem Boden, Der Dienst allein ist ihnen Haus und Heimat. Sie treibt der Eifer nicht fürs Vaterland, Denn Tausende, wie mich, gebar die Fremde. Nicht für den Kaiser, wohl die Hälfte kam Aus fremdem Dienst feldflüchtig uns herüber, Gleichgültig, unterm Doppeladler fechtend Wie unterm Löwen und den Lilien. Doch alle führt an gleich gewalt'gem Zügel Ein einziger, durch gleiche Lieb' und Furcht Zu einem Volke sie zusammenbindend. Und wie des Blitzes Funke sicher, schnell, Geleitet an der Wetterstange, läuft, Herrscht sein Befehl vom letzten fernen Posten, Der an die Dünen branden hört den Belt, Der in der Etsch fruchtbare Täler sieht, Bis zu der Wache, die ihr Schilderhaus Hat aufgerichtet an der Kaiserburg. Questenberg. Was ist der langen Rede kurzer Sinn? bu*tler. Daß der Respekt, die Neigung, das Vertraun, Das uns dem Friedland unterwürfig macht, Nicht auf den ersten besten sich verpflanzt, Den uns der Hof aus Wien herübersendet. Uns ist in treuem Angedenken noch, Wie das Kommando kam in Friedlands Hände. War's etwa kaiserliche Majestät, Die ein gemachtes Heer ihm übergab, Den Führer nur gesucht zu ihren Truppen? – Noch gar nicht war das Heer. Erschaffen erst Mußt' es der Friedland, er empfing es nicht, Er gab's dem Kaiser! Von dem Kaiser nicht Erhielten wir den Wallenstein zum Feldherrn. So ist es nicht, so nicht! Vom Wallenstein Erhielten wir den Kaiser erst zum Herrn, Er knüpft uns, er allein, an diese Fahnen. Octavio (tritt dazwischen). Es ist nur zur Erinnerung, Herr Kriegsrat, Daß Sie im Lager sind und unter Kriegern. – Die Kühnheit macht, die Freiheit den Soldaten. – Vermöcht' er keck zu handeln, dürft' er nicht Keck reden auch? – Eins geht ins andre drein. – Die Kühnheit dieses würd'gen Offiziers, (auf bu*tlern zeigend) Die jetzt in ihrem Ziel sich nur vergriff, Erhielt, wo nichts als Kühnheit retten konnte, Bei einem furchtbarn Aufstand der Besatzung Dem Kaiser seine Hauptstadt Prag. (Man hört von fern eine Kriegsmusik.) Illo. Das sind sie! Die Wachen salutieren – Dies Signal Bedeutet uns, die Fürstin sei herein. Octavio (zu Questenberg). So ist auch mein Sohn Max zurück. Er hat sie Aus Kärnten abgeholt und hergeleitet. Isolani (zu Illo). Gehn wir zusammen hin, sie zu begrüßen? Illo. Wohl! Laßt uns gehen. Oberst bu*tler, kommt! (Zum Octavio.) Erinnert Euch, daß wir vor Mittag noch Mit diesem Herrn beim Fürsten uns begegnen. Dritter Auftritt Octavio und Questenberg, die zurückbleiben. Questenberg (mit Zeichen des Erstaunens). Was hab ich hören müssen, Gen'ralleutnant! Welch zügelloser Trotz! Was für Begriffe! – Wenn dieser Geist der allgemeine ist – Octavio. Drei Viertel der Armee vernahmen Sie. Questenberg. Weh uns! Wo dann ein zweites Heer gleich finden, Um dieses zu bewachen! – Dieser Illo, fürcht ich, Denkt noch viel schlimmer, als er spricht. Auch dieser bu*tler Kann seine böse Meinung nicht verbergen. Octavio. Empfindlichkeit – gereizter Stolz – nichts weiter! – Diesen bu*tler geb ich noch nicht auf; ich weiß, Wie dieser böse Geist zu bannen ist. Questenberg (voll Unruh' auf und ab gehend). Nein! das ist schlimmer, oh! viel schlimmer, Freund! Als wir's in Wien uns hatten träumen la**en. Wir sahen's nur mit Höflingsaugen an, Die von dem Glanz des Throns geblendet waren; Den Feldherrn hatten wir noch nicht gesehn, Den allvermögenden, in seinem Lager. Hier ist's ganz anders! Hier ist kein Kaiser mehr. Der Fürst ist Kaiser! Der Gang, den ich an Ihrer Seite jetzt Durchs Lager tat, schlägt meine Hoffnung nieder. Octavio. Sie sehn nun selbst, welch ein gefährlich Amt Es ist, das Sie vom Hof mir überbrachten – Wie mißlich die Person, die ich hier spiele. Der leiseste Verdacht des Generals, Er würde Freiheit mir und Leben kosten Und sein verwegenes Beginnen nur Beschleunigen. Questenberg. Wo war die Überlegung, Als wir dem Rasenden das Schwert vertraut Und solche Macht gelegt in solche Hand! Zu stark für dieses schlimmverwahrte Herz War die Versuchung! Hätte sie doch selbst Dem bessern Mann gefährlich werden müssen! Er wird sich weigern, sag ich Ihnen, Der kaiserlichen Ordre zu gehorchen. – Er kann's und wird's. – Sein unbestrafter Trotz Wird unsre Ohnmacht schimpflich offenbaren. Octavio. Und glauben Sie, daß er Gemahlin, Tochter Umsonst hieher ins Lager kommen ließ, Gerade jetzt, da wir zum Krieg uns rüsten? Daß er die letzten Pfänder seiner Treu' Aus Kaisers Landen führt, das deutet uns Auf einen nahen Ausbruch der Empörung. Questenberg. Weh uns! und wie dem Ungewitter stehn, Das drohend uns umzieht von allen Enden? Der Reichsfeind an den Grenzen, Meister schon Vom Donaustrom, stets weiter um sich greifend – Im innern Land des Aufruhrs Feuerglocke – Der Bauer in Waffen – alle Stände schwürig – Und die Armee, von der wir Hilf' erwarten, Verführt, verwildert, aller Zucht entwohnt – Vom Staat, von ihrem Kaiser losgerissen, Vom Schwindelnden die schwindelnde geführt, Ein furchtbar Werkzeug, dem verwegensten Der Menschen blind gehorchend hingegeben – Octavio. Verzagen wir auch nicht zu früh, mein Freund! Stets ist die Sprache kecker als die Tat, Und mancher, der in blindem Eifer jetzt Zu jedem Äußersten entschlossen scheint, Findet unerwartet in der Brust ein Herz, Spricht man des Frevels wahren Namen aus. Zudem – ganz unverteidigt sind wir nicht. Graf Altringer und Gallas, wissen Sie, Erhalten in der Pflicht ihr kleines Heer – Verstärken es noch täglich. – Überraschen Kann er uns nicht, Sie wissen, daß ich ihn Mit meinen Horchern rings umgeben habe; Vom kleinsten Schritt erhalt ich Wissenschaft Sogleich – ja, mir entdeckt's sein eigner Mund. Questenberg. Ganz unbegreiflich ist's, daß er den Feind nicht merkt An seiner Seite. Octavio. Denken Sie nicht etwa, Daß ich durch Lügenkünste, gleisnerische Gefälligkeit in seine Gunst mich stahl, Durch Heuchelworte sein Vertrauen nähre. Befiehlt mir gleich die Klugheit und die Pflicht, Die ich dem Reich, dem Kaiser schuldig bin, Daß ich mein wahres Herz vor ihm verberge, Ein falsches hab ich niemals ihm geheuchelt! Questenberg. Es ist des Himmels sichtbarliche Fügung. Octavio. Ich weiß nicht, was es ist – was ihn an mich Und meinen Sohn so mächtig zieht und kettet. Wir waren immer Freunde, Waffenbrüder; Gewohnheit, gleichgeteilte Abenteuer Verbanden uns schon frühe – doch ich weiß Den Tag zu nennen, wo mit einemmal Sein Herz mir aufging, sein Vertrauen wuchs. Es war der Morgen vor der Lützner Schlacht – Mich trieb ein böser Traum, ihn aufzusuchen, Ein ander Pferd zur Schlacht ihm anzubieten. Fern von den Zelten, unter einem Baum Fand ich ihn eingeschlafen. Als ich ihn Erweckte, mein Bedenken ihm erzählte, Sah er mich lange staunend an; drauf fiel er Mir um den Hals und zeigte eine Rührung, Wie jener kleine Dienst sie gar nicht wert war. Seit jenem Tag verfolgt mich sein Vertrauen In gleichem Maß, als ihn das meine flieht. Questenberg. Sie ziehen Ihren Sohn doch ins Geheimnis? Octavio. Nein! Questenberg. Wie? auch warnen wollen Sie ihn nicht, In welcher schlimmen Hand er sich befinde? Octavio. Ich muß ihn seiner Unschuld anvertrauen. Verstellung ist der offnen Seele fremd, Unwissenheit allein kann ihm die Geistesfreiheit Bewahren, die den Herzog sicher macht. Questenberg (besorglich). Mein würd'ger Freund! Ich hab die beste Meinung Vom Oberst Piccolomini – doch – wenn – Bedenken Sie – Octavio. Ich muß es darauf wagen – Still! Da kommt er. Vierter Auftritt Max Piccolomini. Octavio Piccolomini. Questenberg. Max. Da ist er ja gleich selbst. Willkommen, Vater! (Er umarmt ihn. Wie er sich umwendet, bemerkt er Questenbergen und tritt kalt zurück.) Beschäftigt, wie ich seh? Ich will nicht stören. Octavio. Wie, Max? Sieh diesen Gast doch näher an. Aufmerksamkeit verdient ein alter Freund; Ehrfurcht gebührt dem Boten deines Kaisers. Max (trocken). Von Questenberg! Willkommen, wenn was Gutes Ins Hauptquartier Sie herführt. Questenberg (hat seine Hand gefaßt). Ziehen Sie Die Hand nicht weg, Graf Piccolomini, Ich fa**e sie nicht bloß von meinetwegen, Und nichts Gemeines will ich damit sagen. (Beider Hände fa**end.) Octavio – Max Piccolomini! Heilbringend, vorbedeutungsvolle Namen! Nie wird das Glück von Österreich sich wenden, Solang zwei solche Sterne, segenreich Und schützend, leuchten über seinen Heeren. Max. Sie fallen aus der Rolle, Herr Minister, Nicht Lobens wegen sind Sie hier, ich weiß, Sie sind geschickt, zu tadeln und zu schelten – Ich will voraus nichts haben vor den andern. Octavio (zu Max). Er kommt vom Hofe, wo man mit dem Herzog Nicht ganz so wohl zufrieden ist als hier. Max. Was gibt's aufs neu denn an ihm auszustellen? Daß er für sich allein beschließt, was er Allein versteht? Wohl! daran tut er recht, Und wird's dabei auch sein Verbleiben haben. – Er ist nun einmal nicht gemacht, nach andern Geschmeidig sich zu fügen und zu wenden, Es geht ihm wider die Natur, er kann's nicht. Geworden ist ihm eine Herrscherseele, Und ist gestellt auf einen Herrscherplatz. Wohl uns, daß es so ist! Es können sich Nur wenige regieren, den Verstand Verständig brauchen – Wohl dem Ganzen, findet Sich einmal einer, der ein Mittelpunkt Für viele tausend wird, ein Halt; – sich hinstellt Wie eine feste Säul', an die man sich Mit Lust mag schließen und mit Zuversicht. So einer ist der Wallenstein, und taugte Dem Hof ein andrer besser – der Armee Frommt nur ein solcher. Questenberg. Der Armee! Jawohl! Max. Und eine Lust ist's, wie er alles weckt Und stärkt und neu belebt um sich herum, Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe Gleich deutlicher sich wird in seiner Nähe! Jedwedem zieht er seine Kraft hervor, Die eigentümliche, und zieht sie groß, Läßt jeden ganz das bleiben, was er ist, Er wacht nur drüber, daß er's immer sei Am rechten Ort; so weiß er aller Menschen Vermögen zu dem seinigen zu machen. Questenberg. Wer spricht ihm ab, daß er die Menschen kenne, Sie zu gebrauchen wisse! Überm Herrscher Vergißt er nur den Diener ganz und gar, Als wär' mit seiner Würd' er schon geboren. Max. Ist er's denn nicht? Mit jeder Kraft dazu Ist er's, und mit der Kraft noch obendrein, Buchstäblich zu vollstrecken die Natur, Dem Herrschtalent den Herrschplatz zu erobern. Questenberg. So kommt's zuletzt auf seine Großmut an, Wieviel wir überall noch gelten sollen! Max. Der seltne Mann will seltenes Vertrauen. Gebt ihm den Raum, das Ziel wird er sich setzen. Questenberg. Die Proben geben's. Max. Ja! so sind sie! Schreckt Sie alles gleich, was eine Tiefe hat; Ist ihnen nirgends wohl, als wo's recht flach ist. Octavio (zu Questenberg). Ergeben Sie sich nur in gutem, Freund! Mit dem da werden Sie nicht fertig. Max. Da rufen sie den Geist an in der Not, Und grauet ihnen gleich, wenn er sich zeigt. Das Ungemeine soll, das Höchste selbst Geschehn wie das Alltägliche. Im Felde, Da dringt die Gegenwart – Persönliches Muß herrschen, eignes Auge sehn. Es braucht Der Feldherr jedes Große der Natur, So gönne man ihm auch, in ihren großen Verhältnissen zu leben. Das Orakel In seinem Innern, das lebendige – Nicht tote Bücher, alte Ordnungen, Nicht modrigte Papiere soll er fragen. Octavio. Mein Sohn! Laß uns die alten, engen Ordnungen Gering nicht achten! Köstlich unschätzbare Gewichte sind's, die der bedrängte Mensch An seiner Dränger raschen Willen band; Denn immer war die Willkür fürchterlich – Der Weg der Ordnung, ging' er auch durch Krümmen, Er ist kein Umweg. Grad aus geht des Blitzes, Geht des Kanonballs fürchterlicher Pfad – Schnell, auf dem nächsten Wege, langt er an, Macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen. Mein Sohn! Die Straße, die der Mensch befährt, Worauf der Segen wandelt, diese folgt Der Flüsse Lauf, der Täler freien Krümmen, Umgeht das Weizenfeld, den Rebenhügel, Des Eigentums gemeßne Grenzen ehrend – So führt sie später, sicher doch zum Ziel. Questenberg. Oh! hören Sie den Vater – hören Sie Ihn, der ein Held ist und ein Mensch zugleich. Octavio. Das Kind des Lagers spricht aus dir, mein Sohn. Ein fünfzehnjähr'ger Krieg hat dich erzogen, – Du hast den Frieden nie gesehn! Es gibt Noch höhern Wert, mein Sohn, als kriegerischen; Im Kriege selber ist das Letzte nicht der Krieg. Die großen, schnellen Taten der Gewalt, Des Augenblicks erstaunenswerte Wunder, Die sind es nicht, die das Beglückende, Das ruhig, mächtig Dauernde erzeugen. In Hast und Eile bauet der Soldat Von Leinwand seine leichte Stadt, da wird Ein augenblicklich Brausen und Bewegen, Der Markt belebt sich, Straßen, Flüsse sind Bedeckt mit Fracht, es rührt sich das Gewerbe. Doch eines Morgens plötzlich siehet man Die Zelte fallen, weiter rückt die Horde, Und ausgestorben, wie ein Kirchhof, bleibt Der Acker, das zerstampfte Saatfeld liegen, Und um des Jahres Ernte ist's getan. Max. Oh! laß den Kaiser Friede machen, Vater! Den blut'gen Lorbeer geb ich hin mit Freuden Fürs erste Veilchen, das der März uns bringt, Das duftige Pfand der neuverjüngten Erde. Octavio. Wie wird dir? Was bewegt dich so auf einmal? Max. Ich hab den Frieden nie gesehn? – Ich hab ihn Gesehen, alter Vater, eben komm ich – Jetzt eben davon her – es führte mich Der Weg durch Länder, wo der Krieg nicht hin – Gekommen – oh! das Leben, Vater, Hat Reize, die wir nie gekannt. – Wir haben Des schönen Lebens öde Küste nur Wie ein umirrend Räubervolk befahren, Das, in sein dumpfig-enges Schiff gepreßt, Im wüsten Meer mit wüsten Sitten haust, Vom großen Land nichts als die Buchten kennt, Wo es die Diebeslandung wagen darf. Was in den innern Tälern Köstliches Das Land verbirgt, oh! davon – davon ist Auf unsrer wilden Fahrt uns nichts erschienen. Octavio (wird aufmerksam). Und hätt' es diese Reise dir gezeigt? Max. Es war die erste Muße meines Lebens. Sag mir, was ist der Arbeit Ziel und Preis, Der peinlichen, die mir die Jugend stahl, Das Herz mir öde ließ und unerquickt Den Geist, den keine Bildung noch geschmücket? Denn dieses Lagers lärmendes Gewühl, Der Pferde Wiehern, der Trompete Schmettern, Des Dienstes immer gleichgestellte Uhr, Die Waffenübung, das Kommandowort – Dem Herzen gibt es nichts, dem lechzenden. Die Seele fehlt dem nichtigen Geschäft – Es gibt ein andres Glück und andre Freuden. Octavio. Viel lerntest du auf diesem kurzen Weg, mein Sohn! Max. O schöner Tag! wenn endlich der Soldat Ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit, Zum frohen Zug die Fahnen sich entfalten, Und heimwärts schlägt der sanfte Friedensmarsch. Wenn alle Hüte sich und Helme schmücken Mit grünen Maien, dem letzten Raub der Felder! Der Städte Tore gehen auf, von selbst, Nicht die Petarde braucht sie mehr zu sprengen; Von Menschen sind die Wälle rings erfüllt, Von friedlichen, die in die Lüfte grüßen – Hell klingt von allen Türmen das Geläut, Des blut'gen Tages frohe Vesper schlagend. Aus Dörfern und aus Städten wimmelnd strömt Ein jauchzend Volk, mit liebend emsiger Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd – Da schüttelt, froh des noch erlebten Tags, Dem heimgekehrten Sohn der Greis die Hände. Ein Fremdling tritt er in sein Eigentum, Das längstverlaßne, ein; mit breiten Ästen Deckt ihn der Baum bei seiner Wiederkehr, Der sich zur Gerte bog, als er gegangen, Und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen, Die er einst an der Amme Brust verließ. Oh! glücklich, wem dann auch sich eine Tür, Sich zarte Arme sanft umschlingend öffnen – Questenberg (gerührt). Oh! daß Sie von so ferner, ferner Zeit, Und nicht von morgen, nicht von heute sprechen! Max (mit Heftigkeit sich zu ihm wendend). Wer sonst ist schuld daran als ihr in Wien? – Ich will's nur frei gestehen, Questenberg! Als ich vorhin Sie stehen sah, es preßte Der Unmut mir das Innerste zusammen – Ihr seid es, die den Frieden hindern, ihr! Der Krieger ist's, der ihn erzwingen muß. Dem Fürsten macht ihr 's Leben sauer, macht Ihm alle Schritte schwer, ihr schwärzt ihn an – Warum? Weil an Europas großem Besten Ihm mehr liegt als an ein paar Hufen Landes, Die Östreich mehr hat oder weniger – Ihr macht ihn zum Empörer und, Gott weiß! Zu was noch mehr, weil er die Sachsen schont, Beim Feind Vertrauen zu erwecken sucht, Das doch der einz'ge Weg zum Frieden ist; Denn hört der Krieg im Kriege nicht schon auf, Woher soll Friede kommen? – Geht nur, geht! Wie ich das Gute liebe, haß ich euch – Und hier gelob ich's an, verspritzen will ich Für ihn, für diesen Wallenstein, mein Blut, Das letzte meines Herzens, tropfenweis, eh' daß Ihr über seinen Fall frohlocken sollt! (Er geht ab.) Fünfter Auftritt Questenberg. Octavio Piccolomini. Questenberg. O weh uns! Steht es so? (Dringend und ungeduldig.) Freund, und wir la**en ihn in diesem Wahn Dahingehn, rufen ihn nicht gleich Zurück, daß wir die Augen auf der Stelle Ihm öffnen? Octavio (aus einem tiefen Nachdenken zu sich kommend). Mir hat er sie jetzt geöffnet, Und mehr erblick ich, als mich freut. Questenberg. Was ist es, Freund? Octavio. Fluch über diese Reise! Questenberg. Wieso? Was ist es? Octavio. Kommen Sie! Ich muß Sogleich die unglückselige Spur verfolgen, Mit meinen Augen sehen – Kommen Sie – (Will ihn fortführen.) Questenberg. Was denn? Wohin? Octavio (pressiert). Zu ihr! Questenberg. Zu – Octavio (korrigiert sich). Zum Herzog! Gehn wir. Oh! ich fürchte alles. Ich seh' das Netz geworfen über ihn, Er kommt mir nicht zurück, wie er gegangen. Questenberg. Erklären Sie mir nur – Octavio. Und konnt' ich's nicht Vorhersehn? Nicht die Reise hintertreiben? Warum verschwieg ich's ihm? – Sie hatten recht, Ich mußt' ihn warnen – Jetzo ist's zu spät. Questenberg. Was ist zu spät? Besinnen Sie sich, Freund, Daß Sie in lauter Rätseln zu mir reden. Octavio (gefaßter). Wir gehn zum Herzog. Kommen Sie. Die Stunde Rückt auch heran, die er zur Audienz Bestimmt hat. Kommen Sie! – Verwünscht! dreimal verwünscht sei diese Reise! (Er führt ihn weg. Der Vorhang fällt.)