Friedrich Schiller - Wallenstein - Kapitel 13 lyrics

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Friedrich Schiller - Wallenstein - Kapitel 13 lyrics

Vierter Aufzug In des Bürgermeisters Hause zu Eger. Erster Auftritt bu*tler (der eben anlangt). Er ist herein. Ihn führte sein Verhängnis, Der Rechen ist gefallen hinter ihm, Und wie die Brücke, die ihn trug, beweglich Sich niederließ und schwebend wieder hob, Ist jeder Rettungsweg ihm abgeschnitten. Bis hieher, Friedland, und nicht weiter! sagt Die Schicksalsgöttin. Aus der böhmischen Erde Erhub sich dein bewundert Meteor, Weit durch den Himmel einen Glanzweg ziehend, Und hier an Böhmens Grenze muß es sinken! – Du hast die alten Fahnen abgeschworen, Verblendeter, und traust dem alten Glück! Den Krieg zu tragen in des Kaisers Länder, Den heil'gen Herd der Laren umzustürzen, Bewaffnest du die frevelhafte Hand. Nimm dich in acht! dich treibt der böse Geist Der Rache – daß dich Rache nicht verderbe! Zweiter Auftritt bu*tler und Gordon. Gordon. Seid Ihr's? O wie verlangt mich, Euch zu hören. Der Herzog ein Verräter! O mein Gott! Und flüchtig! Und sein fürstlich Haupt geächtet! Ich bitt Euch, General, sagt mir ausführlich, Wie alles dies zu Pilsen sich begeben? bu*tler. Ihr habt den Brief erhalten, den ich Euch Durch einen Eilenden vorausgesendet? Gordon. Und habe treu getan, wie Ihr mich hießt, Die Festung unbedenklich ihm geöffnet, Denn mir befiehlt ein kaiserlicher Brief, Nach Eurer Ordre blindlings mich zu fügen. Jedoch verzeiht! als ich den Fürsten selbst Nun sah, da fing ich wieder an, zu zweifeln. Denn wahrlich! nicht als ein Geächteter Trat Herzog Friedland ein in diese Stadt. Von seiner Stirne leuchtete wie sonst Des Herrschers Majestät, Gehorsam fordernd, Und ruhig, wie in Tagen guter Ordnung, Nahm er des Amtes Rechenschaft mir ab. Leutselig macht das Mißgeschick, die Schuld, Und schmeichelnd zum geringern Manne pflegt Gefallner Stolz herunter sich zu beugen; Doch sparsam und mit Würde wog der Fürst Mir jedes Wort des Beifalls, wie der Herr Den Diener lobt, der seine Pflicht getan. bu*tler. Wie ich Euch schrieb, so ist's genau geschehn. Es hat der Fürst dem Feinde die Armee Verkauft, ihm Prag und Eger öffnen wollen. Verla**en haben ihn auf dies Gerücht Die Regimenter alle bis auf fünfe, Die Terzkyschen, die ihm hieher gefolgt. Die Acht ist ausgesprochen über ihn, Und ihn zu liefern, lebend oder tot, Ist jeder treue Diener aufgefordert. Gordon. Verräter an dem Kaiser – solch ein Herr! So hochbegabt! O was ist Menschengröße! Ich sagt' es oft: das kann nicht glücklich enden; Zum Fallstrick ward ihm seine Größ' und Macht Und diese dunkelschwa*kende Gewalt. Denn um sich greift der Mensch, nicht darf man ihn Der eignen Mäßigung vertraun. Ihn hält In Schranken nur das deutliche Gesetz Und der Gebräuche tiefgetretne Spur. Doch unnatürlich war und neuer Art Die Kriegsgewalt in dieses Mannes Händen; Dem Kaiser selber stellte sie ihn gleich, Der stolze Geist verlernte, sich zu beugen. O schad um solchen Mann! denn keiner möchte Da feste stehen, mein ich, wo er fiel. bu*tler. Spart Eure Klagen, bis er Mitleid braucht, Denn jetzt noch ist der Mächtige zu fürchten. Die Schweden sind im Anmarsch gegen Eger, Und schnell, wenn wir's nicht rasch entschlossen hindern, Wird die Vereinigung geschehn. Das darf nicht sein! Es darf der Fürst nicht freien Fußes mehr Aus diesem Platz, denn Ehr' und Leben hab ich Verpfändet, ihn gefangen hier zu nehmen, Und Euer Beistand ist's, auf den ich rechne. Gordon. O hätt' ich nimmer diesen Tag gesehn! Aus seiner Hand empfing ich diese Würde, Er selber hat dies Schloß mir anvertraut, Das ich in seinen Kerker soll verwandeln. Wir Subalternen haben keinen Willen; Der freie Mann, der mächtige allein Gehorcht dem schönen menschlichen Gefühl. Wir aber sind nur Schergen des Gesetzes, Des grausamen; Gehorsam heißt die Tugend, Um die der Niedre sich bewerben darf. bu*tler. Laßt Euch das enggebundene Vermögen Nicht leid tun. Wo viel Freiheit, ist viel Irrtum, Doch sicher ist der schmale Weg der Pflicht. Gordon. So hat ihn alles denn verla**en, sagt Ihr? Er hat das Glück von Tausenden gegründet, Denn königlich war sein Gemüt, und stets Zum Geben war die volle Hand geöffnet – (Mit einem Seitenblick auf bu*tlern.) Vom Staube hat er manchen aufgelesen, Zu hoher Ehr' und Würden ihn erhöht Und hat sich keinen Freund damit, nicht einen Erkauft, der in der Not ihm Farbe hielt! bu*tler. Hier lebt ihm einer, den er kaum gehofft. Gordon. Ich hab mich keiner Gunst von ihm erfreut. Fast zweifl' ich, ob er je in seiner Größe Sich eines Jugendfreunds erinnert hat – Denn fern von ihm hielt mich der Dienst, sein Auge Verlor mich in den Mauern dieser Burg, Wo ich, von seiner Gnade nicht erreicht, Das freie Herz im stillen mir bewahrte. Denn als er mich in dieses Schloß gesetzt, War's ihm noch Ernst um seine Pflicht; nicht sein Vertrauen täusch ich, wenn ich treu bewahre, Was meiner Treue übergeben ward. bu*tler. So sagt, wollt Ihr die Acht an ihm vollziehn, Mir Eure Hilfe leihn, ihn zu verhaften? Gordon (nach einem nachdenklichen Stillschweigen kummervoll). Ist es an dem – verhält sich's, wie Ihr sprecht – Hat er den Kaiser, seinen Herrn, verraten, Das Heer verkauft, die Festungen des Landes Dem Reichsfeind öffnen wollen – Ja, dann ist Nicht Rettung mehr für ihn – Doch es ist hart, Daß unter allen eben mich das Los Zum Werkzeug seines Sturzes muß erwählen. Denn Pagen waren wir am Hof zu Burgau Zu gleicher Zeit, ich aber war der ältre. bu*tler. Ich weiß davon. Gordon. Wohl dreißig Jahre sind's. Da strebte schon Der kühne Mut im zwanzigjähr'gen Jüngling. Ernst über seine Jahre war sein Sinn, Auf große Dinge männlich nur gerichtet. Durch unsre Mitte ging er stillen Geists, Sich selber die Gesellschaft; nicht die Lust, Die kindische, der Knaben zog ihn an; Doch oft ergriff's ihn plötzlich wundersam, Und der geheimnisvollen Brust entfuhr, Sinnvoll und leuchtend, ein Gedankenstrahl, Daß wir uns staunend ansahn, nicht recht wissend, Ob Wahnsinn, ob ein Gott aus ihm gesprochen. bu*tler. Dort war's, wo er zwei Stock hoch niederstürzte, Als er im Fensterbogen eingeschlummert, Und unbeschädigt stand er wieder auf. Von diesem Tag an, sagt man, ließen sich Anwandlungen des Wahnsinns bei ihm spüren. Gordon. Tiefsinn'ger wurd' er, das ist wahr, er wurde Katholisch. Wunderbar hatt' ihn das Wunder Der Rettung umgekehrt. Er hielt sich nun Für ein begünstigt und befreites Wesen, Und keck wie einer, der nicht straucheln kann, Lief er auf schwa*kem Seil des Lebens hin. Nachher führt' uns das Schicksal auseinander Weit, weit! Er ging der Größe kühnen Weg, Mit schnellem Schritt, ich sah ihn schwindelnd gehn, Ward Graf und Fürst und Herzog und Diktator, Und jetzt ist alles ihm zu klein, er streckt Die Hände nach der Königskrone aus Und stürzt in unermeßliches Verderben! bu*tler. Brecht ab. Er kommt. Dritter Auftritt Wallenstein im Gespräch mit dem Bürgermeister von Eger. Die Vorigen. Wallenstein. Ihr wart sonst eine freie Stadt? Ich seh, Ihr führt den halben Adler in dem Wappen. Warum den halben nur? Bürgermeister. Wir waren reichsfrei, Doch seit zweihundert Jahren ist die Stadt Der böhm'schen Kron' verpfändet. Daher rührt's, Daß wir nur noch den halben Adler führen. Der untre Teil ist kanzelliert, bis etwa Das Reich uns wieder einlöst. Wallenstein. Ihr verdientet Die Freiheit. Haltet euch nur brav. Gebt keinem Aufwieglervolk Gehör. Wie hoch seid ihr Besteuert? Bürgermeister (zuckt die Achseln). Daß wir's kaum erschwingen können. Die Garnison lebt auch auf unsre Kosten. Wallenstein. Ihr sollt erleichtert werden. Sagt mir an, Es sind noch Protestanten in der Stadt? (Bürgermeister stutzt.) Ja, ja. Ich weiß es. Es verbergen sich noch viele In diesen Mauern – ja! gesteht's nur frei – Ihr selbst – Nicht wahr? (Fixiert ihn mit den Augen. Bürgermeister erschrickt.) Seid ohne Furcht. Ich ha**e Die Jesuiten – Läg's an mir, sie wären längst Aus Reiches Grenzen – Meßbuch oder Bibel! Mir ist's all eins – Ich hab's der Welt bewiesen – In Glogau hab ich selber eine Kirch' Den Evangelischen erbauen la**en. – Hört, Bürgermeister – wie ist Euer Name? Bürgermeister. Pachhälbel, mein erlauchter Fürst. Wallenstein. Hört – aber sagt's nicht weiter, was ich Euch Jetzt im Vertraun eröffne. (Ihm die Hand auf die Achsel legend, mit einer gewissen Feierlichkeit.) Die Erfüllung Der Zeiten ist gekommen, Bürgermeister. Die Hohen werden fallen, und die Niedrigen Erheben sich – Behaltet's aber bei Euch! Die spanische Doppelherrschaft neiget sich Zu ihrem Ende, eine neue Ordnung Der Dinge führt sich ein – Ihr saht doch jüngst Am Himmel die drei Monde? Bürgermeister. Mit Entsetzen. Wallenstein. Davon sich zwei in blut'ge Dolchgestalt Verzogen und verwandelten. Nur einer, Der mittlere blieb stehn in seiner Klarheit. Bürgermeister. Wir zogen's auf den Türken. Wallenstein. Türken! Was? Zwei Reiche werden blutig untergehen Im Osten und im Westen, sag ich Euch, Und nur der lutherische Glaub' wird bleiben. (Er bemerkt die zwei andern.) Ein starkes Schießen war ja diesen Abend Zur linken Hand, als wir den Weg hieher Gemacht. Vernahm man's auch hier in der Festung? Gordon. Wohl hörten wir's, mein General. Es brachte Der Wind den Schall gerad von Süden her. bu*tler. Von Neustadt oder Weiden schien's zu kommen. Wallenstein. Das ist der Weg, auf dem die Schweden nahn. Wie stark ist die Besatzung? Gordon. Hundertachtzig Dienstfähige Mann, der Rest sind Invaliden. Wallenstein. Und wieviel stehn im Jochimstal? Gordon. Zweihundert Arkebusierer hab ich hingeschickt, Den Posten zu verstärken gegen die Schweden. Wallenstein. Ich lobe Eure Vorsicht. An den Werken Wird auch gebaut. Ich sah's bei der Hereinfahrt. Gordon. Weil uns der Rheingraf jetzt so nah bedrängt, Ließ ich noch zwei Pasteien schnell errichten. Wallenstein. Ihr seid genau in Eures Kaisers Dienst. Ich bin mit Euch zufrieden, Oberstleutnant. (Zu bu*tlern.) Der Posten in dem Jochimstal soll abziehn Samt allen, die dem Feind entgegenstehn. (Zu Gordon.) In Euren treuen Händen, Kommendant, Laß ich mein Weib, mein Kind und meine Schwester. Denn hier ist meines Bleibens nicht; nur Briefe Erwart ich, mit dem frühesten die Festung Samt allen Regimentern zu verla**en. Vierter Auftritt Vorige. Graf Terzky. Terzky. Willkommne Botschaft! Frohe Zeitungen! Wallenstein. Was bringst du? Terzky. Eine Schlacht ist vorgefallen Bei Neustadt, und die Schweden blieben Sieger. Wallenstein. Was sagst du? Woher kommt dir diese Nachricht? Terzky. Ein Landmann bracht' es mit von Tirschenreit, Nach Sonnenuntergang hab's angefangen, Ein kaiserlicher Trupp von Tachau her Sei eingebrochen in das schwed'sche Lager, Zwei Stunden hab' das Schießen angehalten, Und tausend Kaiserliche sei'n geblieben, Ihr Oberst mit, mehr wußt' er nicht zu sagen. Wallenstein. Wie käme kaiserliches Volk nach Neustadt? Der Altringer, er müßte Flügel haben, Stand gestern vierzehn Meilen noch von da; Des Gallas Völker sammeln sich zu Fraunberg Und sind noch nicht beisammen. Hätte sich Der Suys etwa so weit vorgewagt? Es kann nicht sein. (Illo erscheint.) Terzky. Wir werden's alsbald hören, Denn hier kommt Illo fröhlich und voll Eile. Fünfter Auftritt Illo. Die Vorigen. Illo (zu Wallenstein). Ein Reitender ist da und will dich sprechen. Terzky. Hat's mit dem Siege sich bestätigt? Sprich! Wallenstein. Was bringt er? Woher kommt er? Illo. Von dem Rheingraf, Und was er bringt, will ich voraus dir melden. Die Schweden stehn fünf Meilen nur von hier, Bei Neustadt hab' der Piccolomini Sich mit der Reiterei auf sie geworfen, Ein fürchterliches Morden sei geschehn, Doch endlich hab' die Menge überwältigt, Die Pappenheimer alle, auch der Max, Der sie geführt – sei'n auf dem Platz geblieben. Wallenstein. Wo ist der Bote? Bringt mich zu ihm. (Will abgehen. Indem stürzt Fräulein Neubrunn ins Zimmer, ihr folgen einige Bediente, die durch den Saal rennen.) Neubrunn. Hilfe! Hilfe! Illo und Terzky. Was gibt's? Neubrunn. Das Fräulein! – Wallenstein und Terzky. Weiß sie's? Neubrunn. Sie will sterben. (Eilt fort. Wallenstein und Terzky mit Illo ihr nach.) Sechster Auftritt bu*tler und Gordon. Gordon (erstaunt). Erklärt mir. Was bedeutete der Auftritt? bu*tler. Sie hat den Mann verloren, den sie liebte, Der Piccolomini war's, der umgekommen. Gordon. Unglücklich Fräulein! bu*tler. Ihr habt gehört, was dieser Illo brachte, Daß sich die Schweden siegend nahn. Gordon. Wohl hört' ich's. bu*tler. Zwölf Regimenter sind sie stark, und fünf Stehn in der Näh', den Herzog zu beschützen. Wir haben nur mein einzig Regiment, Und nicht zweihundert stark ist die Besatzung. Gordon. So ist's. bu*tler. Nicht möglich ist's, mit so geringer Mannschaft Solch einen Staatsgefangnen zu bewahren. Gordon. Das seh ich ein. bu*tler. Die Menge hätte bald das kleine Häuflein Entwaffnet, ihn befreit. Gordon. Das ist zu fürchten. bu*tler (nach einer Pause). Wißt! Ich bin Bürge worden für den Ausgang, Mit meinem Haupte haft ich für das seine, Wort muß ich halten, führ's wohin es will, Und ist der Lebende nicht zu bewahren, So ist – der Tote uns gewiß. Gordon. Versteh ich Euch? Gerechter Gott! Ihr könntet – bu*tler. Er darf nicht leben. Gordon. Ihr vermöchtet's? bu*tler. Ihr oder ich. Er sah den letzten Morgen. Gordon. Ermorden wollt Ihr ihn? bu*tler. Das ist mein Vorsatz. Gordon. Der Eurer Treu vertraut! bu*tler. Sein böses Schicksal! Gordon. Des Feldherrn heilige Person! bu*tler. Das war er! Gordon. O was er war, löscht kein Verbrechen aus! Ohn' Urteil? bu*tler. Die Vollstreckung ist statt Urteils. Gordon. Das wäre Mord und nicht Gerechtigkeit, Denn hören muß sie auch den Schuldigsten. bu*tler. Klar ist die Schuld, der Kaiser hat gerichtet, Und seinen Willen nur vollstrecken wir. Gordon. Den blut'gen Spruch muß man nicht rasch vollziehn, Ein Wort nimmt sich, ein Leben nie zurück. bu*tler. Der hurt'ge Dienst gefällt den Königen. Gordon. Zu Henkers Dienst drängt sich kein edler Mann. bu*tler. Kein mutiger erbleicht vor kühner Tat. Gordon. Das Leben wagt der Mut, nicht das Gewissen. bu*tler. Was? Soll er frei ausgehn, des Krieges Flamme, Die unauslöschliche, aufs neu entzünden? Gordon. Nehmt ihn gefangen, tötet ihn nur nicht, Greift blutig nicht dem Gnadenengel vor. bu*tler. Wär' die Armee des Kaisers nicht geschlagen, Möcht' ich lebendig ihn erhalten haben. Gordon. O warum schloß ich ihm die Festung auf! bu*tler. Der Ort nicht, sein Verhängnis tötet ihn. Gordon. Auf diesen Wällen wär' ich ritterlich, Des Kaisers Schloß verteidigend, gesunken. bu*tler. Und tausend brave Männer kamen um! Gordon. In ihrer Pflicht – das schmückt und ehrt den Mann; Doch schwarzen Mord verfluchte die Natur. bu*tler (eine Schrift hervorlangend). Hier ist das Manifest, das uns befiehlt, Uns seiner zu bemächtigen. Es ist an Euch Gerichtet, wie an mich. Wollt Ihr die Folgen tragen, Wenn er zum Feind entrinnt durch unsre Schuld? Gordon. Ich, der Ohnmächtige, o Gott! bu*tler. Nehmt Ihr's auf Euch. Steht für die Folgen ein! Mag werden draus was will! Ich leg's auf Euch. Gordon. O Gott im Himmel! bu*tler. Wißt Ihr andern Rat, Des Kaisers Meinung zu vollziehen? Sprecht! Denn stürzen, nicht vernichten will ich ihn. Gordon. O Gott! Was sein muß, seh ich klar wie Ihr, Doch anders schlägt das Herz in meiner Brust. bu*tler. Auch dieser Illo, dieser Terzky dürfen Nicht leben, wenn der Herzog fällt. Gordon. O nicht um diese tut mir's leid. Sie trieb Ihr schlechtes Herz, nicht die Gewalt der Sterne. Sie waren's, die in seine ruh'ge Brust Den Samen böser Leidenschaft gestreut, Die mit fluchwürdiger Geschäftigkeit Die Unglücksfrucht in ihm genährt – Mag sie Des bösen Dienstes böser Lohn ereilen! bu*tler. Auch sollen sie im Tod ihm gleich voran. Verabred't ist schon alles. Diesen Abend Bei eines Gastmahls Freuden wollten wir Sie lebend greifen und im Schloß bewahren. Viel kürzer ist es so. Ich geh sogleich, Die nötigen Befehle zu erteilen. Siebenter Auftritt Vorige. Illo und Terzky. Terzky. Nun soll's bald anders werden! Morgen ziehn Die Schweden ein, zwölftausend tapfre Krieger. Dann grad auf Wien. He! Lustig, Alter! Kein So herb Gesicht zu solcher Freudenbotschaft! Illo. Jetzt ist's an uns, Gesetze vorzuschreiben Und Rach' zu nehmen an den schlechten Menschen, Den schändlichen, die uns verla**en. Einer Hat's schon gebüßt, der Piccolomini. Ging's allen so, die's übel mit uns meinen! Wie schwer trifft dieser Schlag das alte Haupt! Der hat sein ganzes Leben lang sich abgequält, sein altes Grafenhaus zu fürsten, Und jetzt begräbt er seinen einz'gen Sohn! bu*tler. Schad ist's doch um den heldenmüt'gen Jüngling, Dem Herzog selbst ging's nah, man sah es wohl. Illo. Hört, alter Freund! Das ist es, was mir nie Am Herrn gefiel, es war mein ew'ger Zank, Er hat die Welschen immer vorgezogen. Auch jetzo noch, ich schwör's bei meiner Seele, Säh' er uns alle lieber zehnmal tot, Könnt' er den Freund damit ins Leben rufen. Terzky. Still! Still! Nicht weiter! Laß die Toten ruhn! Heut gilt es, wer den andern niedertrinkt, Denn Euer Regiment will uns bewirten. Wir wollen eine lust'ge Faßnacht halten, Die Nacht sei einmal Tag, bei vollen Gläsern Erwarten wir die schwed'sche Avantgarde. Illo. Ja, laßt uns heut noch guter Dinge sein, Denn heiße Tage stehen uns bevor. Nicht ruhn soll dieser Degen, bis er sich In östereich'schem Blute satt gebadet. Gordon. Pfui, welche Red' ist das, Herr Feldmarschall, Warum so wüten gegen Euren Kaiser – bu*tler. Hofft nicht zu viel von diesem ersten Sieg. Bedenkt, wie schnell des Glückes Rad sich dreht, Denn immer noch sehr mächtig ist der Kaiser. Illo. Der Kaiser hat Soldaten, keinen Feldherrn, Denn dieser König Ferdinand von Ungarn Versteht den Krieg nicht – Gallas? Hat kein Glück Und war von jeher nur ein Heerverderber. Und diese Schlange, der Octavio, Kann in die Fersen heimlich wohl verwunden, Doch nicht in offner Schlacht dem Friedland stehn. Terzky. Nicht fehlen kann's uns, glaubt mir's nur. Das Glück Verläßt den Herzog nicht; bekannt ist's ja, Nur unterm Wallenstein kann Östreich siegen. Illo. Der Fürst wird ehestens ein großes Heer Beisammen haben, alles drängt sich, strömt Herbei zum alten Ruhme seiner Fahnen. Die alten Tage seh ich wiederkehren, Der Große wird er wieder, der er war – Wie werden sich die Toren dann ins Aug' Geschlagen haben, die ihn jetzt verließen! Denn Länder schenken wird er seinen Freunden Und treue Dienste kaiserlich belohnen. Wir aber sind in seiner Gunst die nächsten. (Zu Gordon.) Auch Eurer wird er dann gedenken, wird Euch Aus diesem Neste ziehen, Eure Treu In einem höhern Posten glänzen la**en. Gordon. Ich bin vergnügt, verlange höher nicht Hinauf: wo große Höh', ist große Tiefe. Illo. Ihr habt hier weiter nichts mehr zu bestellen, Denn morgen ziehn die Schweden in die Festung. Kommt, Terzky. Es wird Zeit zum Abendessen. Was meint Ihr? La**en wir die Stadt erleuchten, Dem Schwedischen zur Ehr', und wer's nicht tut, Der ist ein Spanischer und ein Verräter. Terzky. Laßt das. Es wird dem Herzog nicht gefallen. Illo. Was! Wir sind Meister hier, und keiner soll sich Für kaiserlich bekennen, wo wir herrschen. – Gut Nacht, Gordon. Laßt Euch zum letztenmal Den Platz empfohlen sein, schickt Runden aus, Zur Sicherheit kann man das Wort noch ändern. Schlag zehn bringt Ihr dem Herzog selbst die Schlüssel, Dann seid Ihr Eures Schließeramtes quitt, Denn morgen ziehn die Schweden in die Festung. Terzky (im Abgehen zu bu*tler). Ihr kommt doch auch aufs Schloß? bu*tler. Zu rechter Zeit. (Jene gehen ab.) Achter Auftritt bu*tler und Gordon. Gordon (ihnen nachsehend). Die Unglückseligen! Wie ahnungslos Sie in das ausgespannte Mordnetz stürzen In ihrer blinden Siegestrunkenheit! – Ich kann sie nicht beklagen. Dieser Illo, Der übermütig freche Bösewicht, Der sich in seines Kaisers Blut will baden! bu*tler. Tut, wie er Euch befohlen. Schickt Patrouillen Herum, sorgt für die Sicherheit der Festung; Sind jene oben, schließ ich gleich die Burg, Daß in der Stadt nichts von der Tat verlaute! Gordon (ängstlich). O eilt nicht so! Erst sagt mir – bu*tler. Ihr vernahmt's, Der nächste Morgen schon gehört den Schweden. Die Nacht nur ist noch unser, sie sind schnell, Noch schneller wollen wir sein – Lebet wohl. Gordon. Ach Eure Blicke sagen mir nichts Gutes. Versprechet mir – bu*tler. Der Sonne Licht ist unter, Herabsteigt ein verhängnisvoller Abend – Sie macht ihr Dünkel sicher. Wehrlos gibt sie Ihr böser Stern in unsre Hand, und mitten In ihrem trunknen Glückeswahne soll Der scharfe Stahl ihr Leben rasch zerschneiden. Ein großer Rechenkünstler war der Fürst Von jeher, alles wußt' er zu berechnen, Die Menschen wußt' er, gleich des Brettspiels Steinen, Nach seinem Zweck zu setzen und zu schieben, Nicht Anstand nahm er, andrer Ehr' und Würde Und guten Ruf zu würfeln und zu spielen. Gerechnet hat er fort und fort, und endlich Wird doch der Kalkul irrig sein; er wird Sein Leben selbst hineingerechnet haben, Wie jener dort in seinem Zirkel fallen. Gordon. O seiner Fehler nicht gedenket jetzt! An seine Größe denkt, an seine Milde, An seines Herzens liebenswerte Züge, An alle Edeltaten seines Lebens, Und laßt sie in das aufgehobne Schwert Als Engel bittend, gnadeflehend fallen. bu*tler. Es ist zu spät. Nicht Mitleid darf ich fühlen, Ich darf nur blutige Gedanken haben. (Gordons Hand fa**end.) Gordon! Nicht meines Ha**es Trieb – Ich liebe Den Herzog nicht und hab dazu nicht Ursach' – Doch nicht mein Haß macht mich zu seinem Mörder. Sein böses Schicksal ist's. Das Unglück treibt mich, Die feindliche Zusammenkunft der Dinge. Es denkt der Mensch die freie Tat zu tun, Umsonst! Er ist das Spielwerk nur der blinden Gewalt, die aus der eignen Wahl ihm schnell Die furchtbare Notwendigkeit erschafft. Was hälf's ihm auch, wenn mir für ihn im Herzen Was redete – Ich muß ihn dennoch töten. Gordon. O wenn das Herz Euch warnt, folgt seinem Triebe! Das Herz ist Gottes Stimme, Menschenwerk Ist aller Klugheit künstliche Berechnung. Was kann aus blut'ger Tat Euch Glückliches Gedeihen? O aus Blut entspringt nicht Gutes! Soll sie die Staffel Euch zur Größe bauen? O glaubt das nicht – Es kann der Mord bisweilen Den Königen, der Mörder nie gefallen. bu*tler. Ihr wißt nicht. Fragt nicht. Warum mußten auch Die Schweden siegen und so eilend nahn! Gern überließ ich ihn des Kaisers Gnade, Sein Blut nicht will ich. Nein, er möchte leben. Doch meines Wortes Ehre muß ich lösen. Und sterben muß er, oder – hört und wißt! – Ich bin entehrt, wenn uns der Fürst entkommt. Gordon. O solchen Mann zu retten – bu*tler (schnell). Was? Gordon. Ist eines Opfers wert – Seid edelmütig! Das Herz und nicht die Meinung ehrt den Mann. bu*tler (kalt und stolz). Er ist ein großer Herr, der Fürst – Ich aber Bin nur ein kleines Haupt, das wollt Ihr sagen. Was liegt der Welt dran, meint Ihr, ob der niedrig Geborene sich ehret oder schändet, Wenn nur der Fürstliche gerettet wird. – Ein jeder gibt den Wert sich selbst. Wie hoch ich Mich selbst anschlagen will, das steht bei mir. So hoch gestellt ist keiner auf der Erde, Daß ich mich selber neben ihm verachte. Den Menschen macht sein Wille groß und klein, Und weil ich meinem treu bin, muß er sterben. Gordon. O einen Felsen streb ich zu bewegen! Ihr seid von Menschen menschlich nicht gezeugt. Nicht hindern kann ich Euch, ihn aber rette Ein Gott aus Eurer fürchterlichen Hand. (Sie gehen ab.) Neunter Auftritt Ein Zimmer bei der Herzogin. Thekla in einem Sessel, bleich, mit geschloßnen Augen. Herzogin und Fräulein von Neubrunn um sie beschäftigt. Wallenstein und die Gräfin im Gespräch. Wallenstein. Wie wußte sie es denn so schnell? Gräfin. Sie scheint Unglück geahnt zu haben. Das Gerücht Von einer Schlacht erschreckte sie, worin Der kaiserliche Oberst sei gefallen. Ich sah es gleich. Sie flog dem schwedischen Kurier entgegen und entriß ihm schnell Durch Fragen das unglückliche Geheimnis. Zu spät vermißten wir sie, eilten nach, Ohnmächtig lag sie schon in seinen Armen. Wallenstein. So unbereitet mußte dieser Schlag Sie treffen! Armes Kind! – Wie ist's? Erholt sie sich? (Indem er sich zur Herzogin wendet.) Herzogin. Sie schlägt die Augen auf. Gräfin. Sie lebt! Thekla (sich umschauend). Wo bin ich? Wallenstein (tritt zu ihr, sie mit seinen Armen aufrichtend). Komm zu dir, Thekla. Sei mein starkes Mädchen! Sieh deiner Mutter liebende Gestalt Und deines Vaters Arme, die dich halten. Thekla (richtet sich auf). Wo ist er? Ist er nicht mehr hier? Herzogin. Wer, meine Tochter? Thekla. Der dieses Unglückswort aussprach – Herzogin. O denke nicht daran, mein Kind! Hinweg Von diesem Bilde wende die Gedanken. Wallenstein. Laßt ihren Kummer reden! Laßt sie klagen! Mischt eure Tränen mit den ihrigen. Denn einen großen Schmerz hat sie erfahren; Doch wird sie's überstehn, denn meine Thekla Hat ihres Vaters unbezwungnes Herz. Thekla. Ich bin nicht krank. Ich habe Kraft, zu stehn. Was weint die Mutter? Hab ich sie erschreckt? Es ist vorüber, ich besinne mich wieder. (Sie ist aufgestanden und sucht mit den Augen im Zimmer.) Wo ist er? Man verberge mir ihn nicht. Ich habe Stärke gnug, ich will ihn hören. Herzogin. Nein, Thekla! Dieser Unglücksbote soll Nie wieder unter deine Augen treten. Thekla. Mein Vater – Wallenstein. Liebes Kind! Thekla. Ich bin nicht schwach, Ich werde mich auch bald noch mehr erholen. Gewähren Sie mir eine Bitte. Wallenstein. Sprich! Thekla. Erlauben Sie, daß dieser fremde Mann Gerufen werde! daß ich ihn allein Vernehme und befrage. Herzogin. Nimmermehr! Gräfin. Nein! Das ist nicht zu raten! Gib's nicht zu! Wallenstein. Warum willst du ihn sprechen, meine Tochter? Thekla. Ich bin gefaßter, wenn ich alles weiß. Ich will nicht hintergangen sein. Die Mutter Will mich nur schonen. Ich will nicht geschont sein. Das Schrecklichste ist ja gesagt, ich kann Nichts Schrecklichers mehr hören. Gräfin und Herzogin (zu Wallenstein). Tu es nicht! Thekla. Ich wurde überrascht von meinem Schrecken, Mein Herz verriet mich bei dem fremden Mann, Er war ein Zeuge meiner Schwachheit, ja, Ich sank in seine Arme – das beschämt mich. Herstellen muß ich mich in seiner Achtung, Und sprechen muß ich ihn, notwendig, daß Der fremde Mann nicht ungleich von mir denke. Wallenstein. Ich finde, sie hat recht – und bin geneigt, Ihr diese Bitte zu gewähren. Ruft ihn. (Fräulein Neubrunn geht hinaus.) Herzogin. Ich, deine Mutter, aber will dabei sein. Thekla. Am liebsten spräch' ich ihn allein. Ich werde Alsdann um so gefaßter mich betragen. Wallenstein (zur Herzogin). Laß es geschehn. Laß sie's mit ihm allein Ausmachen. Es gibt Schmerzen, wo der Mensch Sich selbst nur helfen kann, ein starkes Herz Will sich auf seine Stärke nur verla**en. In ihrer, nicht an fremder Brust muß sie Kraft schöpfen, diesen Schlag zu überstehn. Es ist mein starkes Mädchen; nicht als Weib, Als Heldin will ich sie behandelt sehn. (Er will gehen.) Gräfin (hält ihn). Wo gehst du hin? Ich hörte Terzky sagen, Du denkest morgen früh von hier zu gehn, Uns aber hierzula**en. Wallenstein. Ja, ihr bleibt Dem Schutze wackrer Männer übergeben. Gräfin. O nimm uns mit dir, Bruder! Laß uns nicht In dieser düstern Einsamkeit dem Ausgang Mit sorgendem Gemüt entgegenharren. Das gegenwärt'ge Unglück trägt sich leicht, Doch grauenvoll vergrößert es der Zweifel Und der Erwartung Qual dem weit Entfernten. Wallenstein. Wer spricht von Unglück? Beßre deine Rede. Ich hab ganz andre Hoffnungen. Gräfin. So nimm uns mit. O laß uns nicht zurück In diesem Ort der traurigen Bedeutung, Denn schwer ist mir das Herz in diesen Mauern, Und wie ein Totenkeller haucht mich's an, Ich kann nicht sagen, wie der Ort mir widert. O führ uns weg! Komm, Schwester, bitt ihn auch, Daß er uns fortnimmt! Hilf mir, liebe Nichte. Wallenstein. Des Ortes böse Zeichen will ich ändern: Er sei's, der mir mein Teuerstes bewahrte. Neubrunn (kommt zurück). Der schwed'sche Herr! Wallenstein. Laßt sie mit ihm allein. (Ab.) Herzogin (zu Thekla). Sieh, wie du dich entfärbtest! Kind, du kannst ihn Unmöglich sprechen. Folge deiner Mutter. Thekla. Die Neubrunn mag denn in der Nähe bleiben. (Herzogin und Gräfin gehen ab.) Zehnter Auftritt Thekla. Der schwedische Hauptmann. Fräulein Neubrunn. Hauptmann (naht sich ehrerbietig). Prinzessin – ich – muß um Verzeihung bitten, Mein unbesonnen rasches Wort – Wie konnt' ich – Thekla (mit edelm Anstand). Sie haben mich in meinem Schmerz gesehn, Ein unglücksvoller Zufall machte Sie Aus einem Fremdling schnell mir zum Vertrauten. Hauptmann. Ich fürchte, daß Sie meinen Anblick ha**en, Denn meine Zunge sprach ein traurig Wort. Thekla. Die Schuld ist mein. Ich selbst entriß es Ihnen, Sie waren nur die Stimme meines Schicksals. Mein Schrecken unterbrach den angefangnen Bericht. Ich bitte drum, daß Sie ihn enden. Hauptmann (bedenklich). Prinzessin, es wird Ihren Schmerz erneuern. Thekla. Ich bin darauf gefaßt – Ich will gefaßt sein. Wie fing das Treffen an? Vollenden Sie. Hauptmann. Wir standen, keines Überfalls gewärtig, Bei Neustadt schwach verschanzt in unserm Lager, Als gegen Abend eine Wolke Staubes Aufstieg vom Wald her, unser Vortrab fliehend Ins Lager stürzte, rief: der Feind sei da. Wir hatten eben nur noch Zeit, uns schnell Aufs Pferd zu werfen, da durchbrachen schon, In vollem Rosseslauf dahergesprengt, Die Pappenheimer den Verhack; schnell war Der Graben auch, der sich ums Lager zog, Von diesen stürm'schen Scharen überflogen. Doch unbesonnen hatte sie der Mut Vorausgeführt den andern, weit dahinten War noch das Fußvolk, nur die Pappenheimer waren Dem kühnen Führer kühn gefolgt. – (Thekla macht eine Bewegung. Der Hauptmann hält einen Augenblick inne, bis sie ihm einen Wink gibt, fortzufahren.) Von vorn und von den Flanken faßten wir Sie jetzo mit der ganzen Reiterei Und drängten sie zurück zum Graben, wo Das Fußvolk, schnell geordnet, einen Rechen Von Piken ihnen starr entgegenstreckte. Nicht vorwärts konnten sie, auch nicht zurück, Gekeilt in drangvoll fürchterliche Enge. Da rief der Rheingraf ihrem Führer zu, In guter Schlacht sich ehrlich zu ergeben, Doch Oberst Piccolomini – (Thekla schwindelnd, faßt einen Sessel.) Ihn machte Der Helmbusch kenntlich und das lange Haar, Vom raschen Ritte war's ihm losgegangen – Zum Graben winkt er, sprengt, der erste, selbst Sein edles Roß darüber weg, ihm stürzt Das Regiment nach – doch – schon war's geschehen! Sein Pferd, von einer Partisan durchstoßen, bäumt Sich wütend, schleudert weit den Reiter ab, Und hoch weg über ihn geht die Gewalt Der Rosse, keinem Zügel mehr gehorchend. (Thekla, welche die letzten Reden mit allen Zeichen wachsender Angst begleitet, verfällt in ein heftiges Zittern, sie will sinken, Fräulein Neubrunn eilt hinzu und empfängt sie in ihren Armen.) Neubrunn. Mein teures Fräulein – Hauptmann (gerührt). Ich entferne mich. Thekla. Es ist vorüber – Bringen Sie's zu Ende. Hauptmann. Da ergriff, als sie den Führer fallen sahn, Die Truppen grimmig wütende Verzweiflung. Der eignen Rettung denkt jetzt keiner mehr, Gleich wilden Tigern fechten sie, es reizt Ihr starrer Widerstand die Unsrigen, Und eher nicht erfolgt des Kampfes Ende, Als bis der letzte Mann gefallen ist. Thekla (mit zitternder Stimme). Und wo – wo ist – Sie sagten mir nicht alles. Hauptmann (nach einer Pause). Heut früh bestatteten wir ihn. Ihn trugen Zwölf Jünglinge der edelsten Geschlechter, Das ganze Heer begleitete die Bahre. Ein Lorbeer schmückte seinen Sarg, drauf legte Der Rheingraf selbst den eignen Siegerdegen. Auch Tränen fehlten seinem Schicksal nicht, Denn viele sind bei uns, die seine Großmut Und seiner Sitten Freundlichkeit erfahren, Und alle rührte sein Geschick. Gern hätte Der Rheingraf ihn gerettet, doch er selbst Vereitelt' es; man sagt, er wollte sterben. Neubrunn (gerührt zu Thekla, welche ihr Angesicht verhüllt hat). Mein teures Fräulein – Fräulein, sehn Sie auf! O warum mußten Sie darauf bestehn! Thekla. – Wo ist sein Grab? Hauptmann. In einer Klosterkirche Bei Neustadt ist er beigesetzt, bis man Von seinem Vater Nachricht eingezogen. Thekla. Wie heißt das Kloster? Hauptmann. Sankt Kathrinenstift. Thekla. Ist's weit bis dahin? Hauptmann. Sieben Meilen zählt man. Thekla. Wie geht der Weg? Hauptmann. Man kommt bei Tirschenreit Und Falkenberg durch unsre ersten Posten. Thekla. Wer kommandiert sie? Hauptmann. Oberst Seckendorf. Thekla (tritt an den Tisch und nimmt aus dem Schmuckkästchen einen Ring). Sie haben mich in meinem Schmerz gesehn Und mir ein menschlich Herz gezeigt – Empfangen Sie (indem sie ihm den Ring gibt) Ein Angedenken dieser Stunde – Gehn Sie. Hauptmann (bestürzt). Prinzessin – (Thekla winkt ihm schweigend, zu gehen, und verläßt ihn. Hauptmann zaudert und will reden. Fräulein Neubrunn wiederholt den Wink. Er geht ab.) Elfter Auftritt Thekla. Neubrunn. Thekla (fällt der Neubrunn um den Hals). Jetzt, gute Neubrunn, zeige mir die Liebe, Die du mir stets gelobt, beweise dich Als meine treue Freundin und Gefährtin! – Wir müssen fort, noch diese Nacht. Neubrunn. Fort, und wohin? Thekla. Wohin? Es ist nur ein Ort in der Welt! Wo er bestattet liegt, zu seinem Sarge! Neubrunn. Was können Sie dort wollen, teures Fräulein? Thekla. Was dort, Unglückliche! So würdest du Nicht fragen, wenn du je geliebt. Dort, dort Ist alles, was noch übrig ist von ihm, Der einz'ge Fleck ist mir die ganze Erde. – O halte mich nicht auf! Komm und mach Anstalt. Laß uns auf Mittel denken, zu entfliehen. Neubrunn. Bedachten Sie auch Ihres Vaters Zorn? Thekla. Ich fürchte keines Menschen Zürnen mehr. Neubrunn. Den Hohn der Welt! des Tadels arge Zunge! Thekla. Ich suche einen auf, der nicht mehr ist. Will ich denn in die Arme – o mein Gott! Ich will ja in die Gruft nur des Geliebten. Neubrunn. Und wir allein, zwei hilflos schwache Weiber? Thekla. Wir waffnen uns, mein Arm soll dich beschützen. Neubrunn. Bei dunkler Nachtzeit? Thekla. Nacht wird uns verbergen. Neubrunn. In dieser rauhen Sturmnacht? Thekla. Ward ihm sanft Gebettet, unter den Hufen seiner Rosse? Neubrunn. O Gott! – und dann die vielen Feindesposten! Man wird uns nicht durchla**en. Thekla. Es sind Menschen, Frei geht das Unglück durch die ganze Erde! Neubrunn. Die weite Reise – Thekla. Zählt der Pilger Meilen, Wenn er zum fernen Gnadenbilde wallt? Neubrunn. Die Möglichkeit, aus dieser Stadt zu kommen? Thekla. Gold öffnet uns die Tore. Geh nur, geh! Neubrunn. Wenn man uns kennt? Thekla. In einer Flüchtigen, Verzweifelnden sucht niemand Friedlands Tochter. Neubrunn. Wo finden wir die Pferde zu der Flucht? Thekla. Mein Kavalier verschafft sie. Geh und ruf ihn. Neubrunn. Wagt er das ohne Wissen seines Herrn? Thekla. Er wird es tun. O geh nur! Zaudre nicht. Neubrunn. Ach! und was wird aus Ihrer Mutter werden, Wenn Sie verschwunden sind? Thekla (sich besinnend und schmerzvoll vor sich hinschauend). O meine Mutter! Neubrunn. So viel schon leidet sie, die gute Mutter, Soll sie auch dieser letzte Schlag noch treffen? Thekla. Ich kann's Ihr nicht ersparen! – Geh nur, geh. Neubrunn. Bedenken Sie doch ja wohl, was Sie tun. Thekla. Bedacht ist schon, was zu bedenken ist. Neubrunn. Und sind wir dort, was soll mit Ihnen werden? Thekla. Dort wird's ein Gott mir in die Seele geben. Neubrunn. Ihr Herz ist jetzt voll Unruh, teures Fräulein, Das ist der Weg nicht, der zur Ruhe führt. Thekla. Zur tiefen Ruh, wie er sie auch gefunden. – O eile! geh! Mach keine Worte mehr! Es zieht mich fort, ich weiß nicht, wie ich's nenne, Unwiderstehlich fort zu seinem Grabe! Dort wird mir leichter werden, augenblicklich! Das herzerstickende Band des Schmerzens wird Sich lösen – Meine Tränen werden fließen. O geh, wir könnten längst schon auf dem Weg sein. Nicht Ruhe find ich, bis ich diesen Mauern Entronnen bin – sie stürzen auf mich ein – Fortstoßend treibt mich eine dunkle Macht Von dannen – Was ist das für ein Gefühl! Es füllen sich mir alle Räume dieses Hauses Mit bleichen, hohlen Geisterbildern an – Ich habe keinen Platz mehr – Immer neue! Es drängt mich das entsetzliche Gewimmel Aus diesen Wänden fort, die Lebende! Neubrunn. Sie setzen mich in Angst und Schrecken, Fräulein, Daß ich nun selber nicht zu bleiben wage. Ich geh und rufe gleich den Rosenberg. (Geht ab.) Zwölfter Auftritt Thekla. Sein Geist ist's, der mich ruft. Es ist die Schar Der Treuen, die sich rächend ihm geopfert. Unedler Säumnis klagen sie mich an. Sie wollten auch im Tod nicht von ihm la**en, Der ihres Lebens Führer war – Das taten Die rohen Herzen, und ich sollte leben! – Nein! Auch für mich ward jener Lorbeerkranz, Der deine Totenbahre schmückt, gewunden. Was ist das Leben ohne Liebesglanz? Ich werf es hin, da sein Gehalt verschwunden. Ja, da ich dich, den Liebenden gefunden, Da war das Leben etwas. Glänzend lag Vor mir der neue goldne Tag! Mir träumte von zwei himmelschönen Stunden. Du standest an dem Eingang in die Welt, Die ich betrat mit klösterlichem Zagen, Sie war von tausend Sonnen aufgehellt; Ein guter Engel schienst du hingestellt, Mich aus der Kindheit fabelhaften Tagen Schnell auf des Lebens Gipfel hinzutragen. Mein erst Empfinden war des Himmels Glück, In dein Herz fiel mein erster Blick! (Sie sinkt hier in Nachdenken und fährt dann mit Zeichen des Grauens auf.) – Da kommt das Schicksal – Roh und kalt Faßt es des Freundes zärtliche Gestalt Und wirft ihn unter den Hufschlag seiner Pferde – – Das ist das Los des Schönen auf der Erde! Dreizehnter Auftritt Thekla. Fräulein Neubrunn mit dem Stallmeister. Neubrunn. Hier ist er, Fräulein, und er will es tun. Thekla. Willst du uns Pferde schaffen, Rosenberg? Stallmeister. Ich will sie schaffen. Thekla. Willst du uns begleiten? Stallmeister. Mein Fräulein, bis ans End' der Welt. Thekla. Du kannst Zum Herzog aber nicht zurück mehr kehren. Stallmeister. Ich bleib bei Ihnen. Thekla. Ich will dich belohnen Und einem andern Herrn empfehlen. Kannst du Uns aus der Festung bringen unentdeckt? Stallmeister. Ich kann's. Thekla. Wann kann ich gehn? Stallmeister. In dieser Stunde. – Wo geht die Reise hin? Thekla. Nach – sag's ihm, Neubrunn! Neubrunn. Nach Neustadt. Stallmeister. Wohl, ich geh, es zu besorgen. (Ab.) Neubrunn. Ach, da kommt Ihre Mutter, Fräulein. Thekla. Gott! Vierzehnter Auftritt Thekla. Neubrunn. Die Herzogin. Herzogin. Er ist hinweg, ich finde dich gefaßter. Thekla. Ich bin es, Mutter – La**en Sie mich jetzt Bald schlafen gehen und die Neubrunn um mich sein. Ich brauche Ruh. Herzogin. Du sollst sie haben, Thekla. Ich geh getröstet weg, da ich den Vater Beruhigen kann. Thekla. Gut Nacht denn, liebe Mutter. (Sie fällt ihr um den Hals und umarmt sie in großer Bewegung.) Herzogin. Du bist noch nicht ganz ruhig, meine Tochter. Du zitterst ja so heftig, und dein Herz Klopft hörbar an dem meinen. Thekla. Schlaf wird es Besänftigen – Gut Nacht, geliebte Mutter! (Indem sie aus den Armen der Mutter sich losmacht, fällt der Vorhang.)