Fünfter Aufzug Die Szene ist das Zimmer des ersten Aufzugs. Erster Auftritt Hanna Kennedy, in tiefe Trauer gekleidet, mit verweinten Augen und einem großen, aber stillen Schmerz, ist beschäftigt, Pakete und Briefe zu versiegeln. Oft unterbricht sie der Jammer in ihrem Geschäft, und man sieht sie dazwischen still beten. Paulet und Drury, gleichfalls in schwarzen Kleidern, treten ein; ihnen folgen viele Bediente, welche goldne und silberne Gefäße, Spiegel, Gemälde und andere Kostbarkeiten tragen und den Hintergrund des Zimmers damit anfüllen. Paulet überliefert der Amme ein Schmuckkästchen nebst einem Papier und bedeutet ihr durch Zeichen, daß es ein Verzeichnis der gebrachten Dinge enthalte. Beim Anblick dieser Reich tümer erneuert sich der Schmerz der Amme, sie versinkt in ein tiefes Trauern, indem jene sich still wieder entfernen. Melvil tritt ein. Kennedy. (schreit auf, sobald sie ihn gewahr wird). Melvil! Ihr seid es! Euch erblick ich wieder! Melvil. Ja, treue Kennedy, wir sehn uns wieder! Kennedy. Nach langer, langer, schmerzenvoller Trennung! Melvil. Ein unglückselig schmerzvoll Wiedersehn! Kennedy. O Gott! Ihr kommt – Melvil. Den letzten, ewigen Abschied von meiner Königin zu nehmen. Kennedy. Jetzt endlich, jetzt am Morgen ihres Todes, Wird Ihr die langentbehrte Gegenwart Der Ihrigen vergönnt – O teurer Sir, Ich will nicht fragen, wie es Euch erging, Euch nicht die Leiden nennen, die wir litten, Seidem man Euch von unsrer Seite riß – Ach, dazu wird wohl einst die Stunde kommen! O Melvil! Melvil! Mußten wir's erleben, Den Anbruch dieses Tags zu sehn! Melvil. Laßt uns Einander nicht erweichen! Weinen will ich, Solang noch Leben in mir ist; nie soll Ein Lächeln diese Wangen mehr erheitern, Nie will ich dieses nächtliche Gewand Mehr von mir legen! Ewig will ich trauern, Doch heute will ich standhaft sein – Versprecht Auch Ihr mir, Euren Schmerz zu mäßigen – Und wenn die andern alle der Verzweiflung Sich trostlos überla**en, la**et uns Mit männlich edler Fa**ung ihr vorangehn Und ihr ein Stab sein auf dem Todesweg! Kennedy. Melvil! Ihr seid im Irrtum, wenn Ihr glaubt, Die Königin bedürfe unsers Beistands, Um standhaft in den Tod zu gehn! Sie selber ist's, Die uns das Beispiel edler Fa**ung gibt. Seid ohne Furcht! Maria Stuart wird Als eine Königin und Heldin sterben. Melvil. Nahm sie die Todespost mit Fa**ung auf? Man sagt, daß sie nicht vorbereitet war. Kennedy. Das war sie nicht. Ganz andre Schrecken waren's, Die meine Lady ängstigten. Nicht vor dem Tod, Vor dem Befreier zitterte Maria. – Freiheit war uns verheißen. Diese Nacht Versprach uns Mortimer von hier wegzuführen, Und zwischen Furcht und Hoffnung, zweifelhaft, Ob sie dem kecken Jüngling ihre Ehre Und fürstliche Person vertrauen dürfe, Erwartete die Königin den Morgen. – Da wird ein Auflauf in dem Schloß, ein Pochen Schreckt unser Ohr und vieler Hämmer Schlag: Wir glauben, die Befreier zu vernehmen, Die Hoffnung winkt, der süße Trieb des Lebens Wacht unwillkürlich, allgewaltig auf – Da öffnet sich die Tür – Sir Paulet ist's, Der uns verkündigt – daß – die Zimmerer Zu unsern Füßen das Gerüst aufschlagen! (Sie wendet sich ab, von heftigem Schmerz ergriffen.) Melvil. Gerechter Gott! O sagt mir! Wie ertrug Maria diesen fürchterlichen Wechsel? Kennedy. (nach einer Pause, worin sie sich wieder etwas gefaßt hat.) Man löst sich nicht allmählich von dem Leben! Mit einem Mal, schnell, augenblicklich muß Der Tausch geschehen zwischen Zeitlichem Und Ewigem, und Gott gewährte meiner Lady In diesem Augenblick, der Erde Hoffnung Zurückzustoßen mit entschloßner Seele Und glaubenvoll den Himmel zu ergreifen. Kein Merkmal bleicher Furcht, kein Wort der Klage Entehrte meine Königin – Dann erst, Als sie Lord Leicesters schändlichen Verrat Vernahm, das unglückselige Geschick Des werten Jünglings, der sich ihr geopfert, Des alten Ritters tiefen Jammer sah, Dem seine letzte Hoffnung starb durch sie – Da flossen ihre Tränen: nicht das eigne Schicksal, Der fremde Jammer preßte sei ihr ab. Melvil. Wo ist sie jetzt? Könnt Ihr mich zu ihr bringen? Kennedy. Den Rest der Nacht durchwachte sie mit Beten, Nahm von den teuern Freunden schriftlich Abschied Und schrieb ihr Testament mit eigner Hand. Jetzt pflegt sie einen Augenblick der Ruh', Der letzte Schlaf erquickt sie. Melvil. Wer ist bei ihr? Kennedy. Ihr Leibarzt Burgoyn und ihre Frauen. Zweiter Auftritt Margareta Kurl zu den Vorigen. Kennedy. Was bringt Ihr, Mistreß? Ist die Lady wach? Kurl. (ihre Tränen trocknend). Schon angekleidet – Sie verlangt nach Euch. Kennedy. Ich komme. (Zu Melvil, der sie begleiten will.) Folgt mir nicht, bis ich die Lady Auf Euren Anblick vorbereitet. (Geht hinein.) Kurl. Melvil! Der alte Haushofmeister! Melvil. Ja, der bin ich! Kurl. O dieses Haus braucht keines Meisters mehr! – Melvil! Ihr kommt von London, wißt Ihr mir Von meinem Manne nichts zu sagen? Melvil. Er wird auf freien Fuß gesetzt, sagt man, Sobald – Kurl. Sobald die Königin nicht mehr ist! O der nichtswürdig schändliche Verräter! Er ist der Mörder dieser teuren Lady, Sein Zeugnis, sagt man, habe sie verurteilt. Melvil. So ist's. Kurl. O seine Seele sei verflucht Bis in die Hölle! Er hat falsch gezeugt – Melvil. Mylady Kurl! Bedenket Eure Reden. Kurl. Beschwören will ich's vor Gerichtes Schranken, Ich will es ihm ins Antlitz wiederholen, Die ganze Welt will ich damit erfüllen. Sie stirbt unschuldig – Melvil. O das gebe Gott! Dritter Auftritt Burgoyn zu den Vorigen. Hernach Hanna Kennedy. Burgoyn. (erblickt Melvil). O Melvil! Melvil. (ihn umarmend). Burgoyn! Burgoyn. (zur Margareta Kurl). Besorget einen Becher Mit Wein für unsre Lady. Machet hurtig. (Kurl geht ab.) Melvil. Wie? Ist der Königin nicht wohl? Burgoyn. Sie fühlt sich stark, sie täuscht ihr Heldenmut, Und keiner Speise glaubt sie zu bedürfen; Doch ihrer wartet noch ein schwerer Kampf, Und ihre Feinde sollen sich nicht rühmen, Daß Furcht des Todes ihre Wangen bleichte, Wenn die Natur aus Schwachheit unterliegt. Melvil. (zur Amme, die hereintritt). Will sie mich sehn? Kennedy. Gleich wird sie selbst hier sein. – Ihr scheint Euch mit Verwundrung umzusehn, Und Eure Blicke fragen mich: was soll Das Prachtgerät in diesem Ort des Todes? – O Sir! Wir litten Mangel, da wir lebten, Erst mit dem Tode kommt der Überfluß zurück. Vierter Auftritt Vorige. Zwei andre Kammerfrauen der Maria, gleichfalls in Trauerkleidern. Sie brechen bei Melvils Anblick in laute Tränen aus. Melvil. Was für ein Anblick! Welch ein Wiedersehn! Gertrude! Rosamund! Zweite Kammerfrau. Sie hat uns von sich Geschickt! Sie will zum letztenmal allein Mit Gott sich unterhalten! (Es kommen noch zwei weibliche Bediente, wie die vorigen in Trauer, die mit stummen Gebärden ihren Jammer ausdrücken.) Fünfter Auftritt Margareta Kurl zu den Vorigen. Sie trägt einen goldnen Becher mit Wein und setzt ihn auf den Tisch, indem sie sich bleich und zitternd an einen Stuhl hält. Melvil. Was ist Euch, Mistreß? Was entsetzt Euch so? Kurl. O Gott! Burgoyn. Was habt Ihr? Kurl. Was mußt' ich erblicken! Melvil. Kommt zu Euch! Sagt uns, was es ist. Kurl. Als ich Mit diesem Becher Wein die große Treppe Heraufstieg, die zur untern Halle führt, Da tat die Tür sich auf – ich sah hinein – Ich sah – o Gott! Melvil. Was saht Ihr? Fa**et Euch! Kurl. Schwarz überzogen waren alle Wände, Ein groß Gerüst, mit schwarzem Tuch beschlagen, Erhob sich von dem Boden, mittendrauf Ein schwarzer Block, ein Kissen und daneben Ein blankgeschliffnes Beil – Voll Menschen war Der Saal, die um das Mordgerüst sich drängten Und, heiße Blutgier in dem Blick, das Opfer Erwarteten. Die Kammerfrauen. O Gott sei unsrer Lady gnädig! Melvil. Faßt euch! Sie kommt! Sechster Auftritt Die Vorigen. Maria. Sie ist weiß und festlich gekleidet, am Halse trägt sie an einer Kette von kleinen Kugeln ein Agnus Dei, ein Rosenkranz hängt am Gürtel herab, sie hat ein Kruzifix in der Hand und ein Diadem in den Haaren, ihr großer schwarzer Schleier ist zurückgeschlagen. Bei ihrem Eintritt weichen die Anwesenden zu bei den Seiten zurück und drücken den heftigsten Schmerz aus. Melvil ist mit einer unwillkürlichen Bewegung auf die Knie gesunken. Maria. (mit ruhiger Hoheit im ganzen Kreise herumsehend). Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen solltet Ihr euch mit mir, daß meiner Leiden Ziel Nun endlich naht, daß meine Bande fallen, Mein Kerker aufgeht und die frohe Seele sich Auf Engelsflügeln schwingt zu ew'gen Freiheit. Da, als ich in die Macht der stolzen Feindin Gegeben war, Unwürdiges erduldend, Was einer freien großen Königin Nicht ziemt, da war es Zeit, um mich zu weinen! – Wohltätig, heilend nahet mir der Tod, Der ernste Freund! Mit seinen schwarzen Flügeln Bedeckt er meine Schmach – den Menschen adelt, Den tiefstgesunkenen, das letzte Schicksal. Die Krone fühl ich wieder auf dem Haupt, Den würd'gen Stolz in meiner edeln Seele! (Indem sie einige Schritte weiter vortritt.) Wie? Melvil hier? – Nicht also, edler Sir! Steht auf! Ihr seid zu Eurer Königin Triumph, zu ihrem Tode nicht gekommen. Mir wird ein Glück zuteil, wie ich es nimmer Gehoffet, daß mein Nachruhm doch nicht ganz In meiner Feinde Händen ist, daß doch Ein Freund mir, ein Bekenner meines Glaubens, Als Zeuge dasteht in der Todesstunde. – Sagt, edler Ritter! Wie erging es Euch In diesem feindlichen, unholden Lande, Seitdem man Euch von meiner Seite riß? Die Sorg' um Euch hat oft mein Herz bekümmert. Melvil. Mich drückte sonst kein Mangel als der Schmerz Um dich, und meine Ohnmacht, dir zu dienen. Maria. Wie steht's um Didier, meinen alten Kämmrer? Doch der Getreue schläft wohl lange schon Den ew'gen Schlaf, denn er war hoch an Jahren. Melvil. Gott hat ihm diese Gnade nicht erzeigt, Er lebt, um deine Jugend zu begraben. Maria. Daß mir vor meinem Tode noch das Glück Geworden wäre, ein geliebtes Haupt Der teuern Blutsverwandten zu umfa**en! Doch ich soll sterben unter Fremdlingen, Nur eure Tränen soll ich fließen sehn! – Melvil, die letzten Wünsche für die Meinen Leg ich in Eure treue Brust – Ich segne Den allerchristlichsten König, meinen Schwager, Und Frankreichs ganzes königliches Haus – Ich segne meinen Öhm, den Kardinal, Und Heinrich Guise, meinen edlen Vetter. Ich segne auch den Papst, den heiligen Statthalter Christi, der mich wiedersegnet, Und den kathol'schen König, der sich edelmütig Zu meinem Retter, meinem Rächer anbot – Sie alle stehn in meinem Testament, Sie werden die Geschenke meiner Liebe, Wie arm sie sind, darum gering nicht achten. (Sich zu ihren Dienern wendend.) Euch hab ich meinem königlichen Bruder Von Frankreich anempfohlen, er wird sorgen Für euch, ein neues Vaterland euch geben. Und ist euch meine letzte Bitte wert, Bleibt nicht in England, daß der Brite nicht Sein stolzen Herz an eurem Unglück weide, Nicht die im Staube seh', die mir gedient. Bei diesem Bildnis des Gekreuzigten Gelobet mir, dies unglücksel'ge Land Alsbald, wenn ich dahin bin, zu verla**en! Melvil. (berührt das Kruzifix). Ich schwöre dir's im Namen dieser aller. Maria. Was ich, die Arme, die Beraubte, noch besaß, Worüber mir vergönnt ist frei zu schalten, Das hab ich unter euch verteilt; man wird, Ich hoff es, meinen letzten Willen ehren. Auch was ich auf dem Todeswege trage, Gehöret euch – Vergönnet mir noch einmal Der Erde Glanz auf meinem Weg zum Himmel! (Zu den Fräulein.) Dir, meine Alix, Gertrud, Rosamund, Bestimm' ich meine Perlen, meine Kleider, Denn eure Jugend freut sich noch des Putzes. Du, Margareta, hast das nächste Recht An meine Großmut, denn ich la**e dich Zurück als die Unglücklichste von allen. Daß ich des Gatten Schuld an dir nicht räche, Wird mein Vermächtnis offenbaren – Dich, O meine treue Hanna, reizet nicht Der Wert des Goldes, nicht der Steine Pracht, Dir ist das höchtste Kleinod mein Gedächtnis. Nimm dieses Tuch! Ich hab's mit eigner Hand Für dich gestickt in meines Kummers Stunden Und meine heißen Tränen eingewoben. Mit diesem Tuch wirst du die Augen mir verbinden, Wenn es soweit ist – diesen letzten Dienst Wünsch ich von meiner Hanna zu empfangen. Kennedy. O Melvil! Ich ertrag es nicht! Maria. Kommt alle! Kommt und empfangt mein letztes Lebewohl. (Sie reicht ihre Hände hin, eins nach dem andern fällt ihr zu Füßen und küßt die dargebotne Hand unter heftigem Weinen.) Leb wohl, Margreta – Alix, lebe wohl – Dank Bourgoyn, für Eure treuen Dienste – Dein Mund brennt heiß, Gertrude – Ich bin viel Geha**et worden, doch auch viel geliebt! Ein edler Mann beglücke meine Gertrud, Denn Liebe fordert dieses glühnde Herz – Berta! Du hast das beßre Teil erwählt, Die keusche Braut des Himmels willst du werden! O eile, dein Gelübde zu vollziehn! Betrüglich sind die Güter dieser Erden, Das lern an deiner Königin! – Nichts weiter! Lebt wohl! Lebt wohl! Lebt ewig wohl! (Sie wendet sich schnell von ihnen, alle bis auf Melvil entfernen sich.) Siebenter Auftritt (Sie wendet sich schnell von ihnen, alle bis auf Melvil entfernen sich.) Maria. Melvil. Maria. Ich habe alles Zeitliche berichtigt Und hoffe, keines Menschen Schuldnerin Aus dieser Welt zu scheiden – Eins nur ist's, Melvil, was der beklemmten Seele noch Verwehrt, sich frei und freudig zu erheben. Melvil. Entdecke mir's. Erleichtre deine Brust, Dem treuen Freund vertraue deine Sorgen. Maria. Ich stehe an dem Rand der Ewigkeit, Bald soll ich treten vor den höchsten Richter, Und noch hab ich den Heil'gen nicht versöhnt. Versagt ist mir der Priester meiner Kirche. Des Sakramentes heil'ge Himmelspeise Verschmäh ich aus den Händen falscher Priester. Im Glauben meiner Kirche will ich sterben, Denn der allein ist's, welcher selig macht. Melvil. Beruhige dein Herz. Dem Himmel gilt Der feurig fromme Wunsch statt des Vollbringens. Tyrannenmacht kann nur die Hände fesseln, Des Herzens Andacht hebt sich frei zu Gott; Das Wort ist tot, der Glaube macht lebendig. Maria. Ach Melvil! Nicht allein genug ist sich Das Herz, ein irdisch Pfand bedarf der Glaube, Das hohe Himmlische sich zuzueignen. Drum ward der Gott zum Menschen und verschloß Die unsichtbaren himmlischen Geschenke Geheimnisvoll in einem sichtbarn Leib. – Die Kirche ist's, die heilige, die hohe, Die zu dem Himmel uns die Leiter baut; Die allgemeine, die kathol'sche heißt sie: Denn nur der Glaube aller stärkt den Glauben; Wo Tausende anbeten und verehren, Da wird die Glut zur Flamme, und beflügelt Schwingt sich der Geist in alle Himmel auf. – Ach die Beglückten, die das froh geteilte Gebet versammelt in dem Haus des Herrn! Geschmückt ist der Altar, die Kerzen leuchten, Die Glocke tönt, der Weihrauch ist gestreut, Der Bischof steht im reinen Meßgewand, Er faßt den Kelch, er segnet ihn, er kündet Das hohe Wunder der Verwandlung an, Und niederstürzt dem gegenwärt'gen Gotte Das gläubig überzeugte Volk – Ach! Ich Allein bin ausgeschlossen, nicht zu mir In meinen Kerker dringt der Himmelsegen. Melvil. Er dringt zu dir! Er ist dir nah! Vertraue Dem Allvermögenden – der dürre Stab Kann Zweige treiben in des Glaubens Hand! Und der dir die Quelle aus dem Felsen schlug, Kann dir im Kerker den Altar bereiten, Kann diesen Kelch, die irdische Erquickung, Dir schnell in eine himmlische verwandeln. (Er ergreift den Kelch, der auf dem Tische steht.) Maria. Melvil! Versteh ich Euch? Ja! Ich versteh Euch! Hier ist kein Priester, keine Kirche, kein Hochwürdiges – Doch der Erlöser spricht: "Wo zwei versammelt sind in meinem Namen, Da bin ich gegenwärtig unter ihnen." Was weiht den Priester ein zum Mund des Herrn? Das reine Herz, der unbefleckte Wandel. – So seid Ihr mir, auch ungeweiht, ein Priester, Ein Bote Gottes, der mir Frieden bringt. – Euch will ich meine letzte Beichte tun, Und Euer Mund soll mir das Heil verkünden. Melvil. Wenn dich das Herz so mächtig dazu treibt, So wisse, Königin, daß dir zum Troste Gott auch ein Wunder wohl verrichten kann. Hier sei kein Priester, sagst du, keine Kirche, Kein Leib des Herrn? – Du irrest dich. Hier ist Ein Priester, und ein Gott ist hier zugegen. (Er entblößt bei diesen Worten das Haupt, zugleich zeigt er ihr eine Hostie in einer goldenen Schale.) – Ich bin ein Priester; deine letzte Beichte Zu hören, dir auf deinem Todesweg Den Frieden zu verkündigen, hab ich Die sieben Weihn auf meinem Haupt empfangen, Und diese Hostie überbring ich dir Vom Heil'gen Vater, die er selbst geweihet. Maria. O so muß an der Schwelle selbst des Todes Mir noch ein himmlisch Glück bereitet sein! Wie ein Unsterblicher auf goldnen Wolken Herniederfährt, wie den Apostel einst Der Engel führte aus des Kerkers Banden, Ihn hält kein Riegel, keines Hüters Schwert, Er schreitet mächtig durch verschloßne Pforten, Und im Gefängnis steht er glänzend da – So überrascht mich hier der Himmelsbote, Da jeder ird'sche Retter mich getäuscht! – Und Ihr, mein Diener einst, seid jetzt der Diener Des höchsten Gottes und sein heil'ger Mund! Wie Eure Kniee sonst vor mir sich beugten, So lieg ich jetzt im Staub vor Euch. (Sie sinkt vor ihm nieder.) Melvil. (indem er das Zeichen des Kreuzes über sie macht). Im Namen Des Vaters und des Sohnes und des Geistes! Maria, Königin! Hast du dein Herz Erforschet, schwörst du und gelobest du, Wahrheit zu beichten vor dem Gott der Wahrheit? Maria. Mein Herz liegt offen da vor dir und ihm. Melvil. Sprich, welcher Sünde zeiht dich dein Gewissen, Seitdem du Gott zum letztenmal versöhnt? Maria. Von neid'schem Ha**e war mein Herz erfüllt, Und Rachgedanken tobten in dem Busen. Vergebung hofft' ich Sünderin von Gott Und konnte nicht der Gegnerin vergeben. Melvil. Bereuest du die Schuld, und ist's dein ernster Entschluß, versöhnt aus dieser Welt zu scheiden? Maria. So wahr ich hoffe, daß mir Gott vergebe. Melvil. Welch andrer Sünde klagt das Herz dich an? Maria. Ach, nicht durch Haß allein, durch sünd'ge Liebe Noch mehr hab ich das höchste Gut beleidigt. Das eitle Herz ward zu dem Mann gezogen, Der treulos mich verla**en und betrogen! Melvil. Bereuest du die Schuld, und hat dein Herz Vom eiteln Abgott sich zu Gott gewendet? Maria. Es war der schwerste Kampf, den ich bestand, Zerrissen ist das letzte ird'sche Band. Melvil. Welch andrer Schuld verklagt dich dein Gewissen? Maria. Ach, eine frühe Blutschuld, längst gebeichtet, Sie kehrt zurück mit neuer Schreckenskraft Im Augenblick der letzten Rechenschaft Und wälzt sich schwarz mir vor des Himmels Pforten: Den König, meinen Gatten, ließ ich morden, Und dem Verführer schenkt' ich Herz und Hand! Streng büßt' ich's ab mit allen Kirchenstrafen, Doch in der Seele will der Wurm nicht schlafen. Melvil. Verklagt das Herz dich keiner andern Sünde, Die du noch nicht gebeichtet und gebüßt? Maria. Jetzt weißt du alles, was mein Herz belastet. Melvil. Denk an die Nähe des Allwissenden! Der Strafen denke, die die heil'ge Kirche Der mangelhaften Beichte droht! Das ist Die Sünde zu dem ew'gen Tod, denn das Ist wider seinen Heil'gen Geist gefrevelt! Maria. So schenke mir die ew'ge Gnade Sieg Im letzten Kampf, als ich dir wissend nichts verschwieg. Melvil. Wie? deinem Gott verhehlst du das Verbrechen, Um dessentwillen dich die Menschen strafen? Du sagst mir nichts von deinem blut'gen Anteil An Babingtons und Parrys Hochverrat? Den zeitlichen Tod stirbst du für diese Tat, Willst du auch noch den ew'gen dafür sterben? Maria. Ich bin bereit, zur Ewigkeit zu gehn; Noch eh' sich der Minutenzeiger wendet, Werd ich vor meines Richters Throne stehn, Doch wiederhol ich's: meine Beichte ist vollendet. Melvil. Erwäg es wohl. Das Herz ist ein Betrüger. Du hast vielleicht mit list'gem Doppelsinn Das Wort vermieden, das dich schuldig macht, Obgleich der Wille das Verbrechen teilte. Doch wisse, keine Gaukelkunst berückt Das Flammenauge, das ins Innre blickt! Maria. Ich habe alle Fürsten aufgeboten, Mich aus unwürd'gen Banden zu befrein, Doch nie hab ich durch Vorsatz oder Tat Das Leben meiner Feindin angetastet! Melvil. So hätten deine Schreiber falsch gezeugt? Maria. Wie ich gesagt, so ist's. Was jene zeugten, Das richte Gott! Melvil. So steigst du, überzeugt Von deiner Unschuld, auf das Blutgerüste? Maria. Gott würdigt mich, durch diesen unverdienten Tod Die frühe schwere Blutschuld abzubüßen. Melvil. (macht den Segen über sie). So gehe hin und sterbend büße sie! Sink, ein ergebnes Opfer, am Altare – Blut kann versöhnen, was das Blut verbrach; Du fehltest nur aus weiblichem Gebrechen, Dem sel'gen Geiste folgen nicht die Schwächen Der Sterblichkeit in die Verklärung nach. Ich aber künde dir, kraft der Gewalt, Die mir verliehen ist, zu lösen und zu binden, Erla**ung an von allen deinen Sünden! Wie du geglaubet, so geschehe dir! (Er reicht ihr die Hostie.) Nimm hin den Leib, er ist für dich geopfert! (Er ergreift den Kelch, der auf dem Tische steht, konsekriert ihn mit stillem Gebet, dann reicht er ihr denselben. Sie zögert, ihn anzunehmen, und weist ihn mit der Hand zurück.) Nimm hin das Blut, es ist für dich vergossen! Nimm hin! Der Papst erzeigt dir diese Gunst! Im Tode noch sollst du das höchste Recht Der Könige, das priesterliche, üben! (Sie empfängt den Kelch.) Und wie du jetzt dich in dem ird'schen Leib Geheimnisvoll mit deinem Gott verbunden, So wirst du dort in seinem Freudenreich, Wo keine Schuld mehr sein wird und kein Weinen, Ein schön verklärter Engel, dich Auf ewig mit dem Göttlichen vereinen. (Er setzt den Kelch nieder. Auf ein Geräusch, das gehört wird, bedeckt er sich das Haupt und geht an die Türe; Maria bleibt in stiller Andacht auf den Knien liegen.) Melvil. (zurückkommend). Dir bleibt ein harter Kampf noch zu bestehn. Fühlst du dich stark genug, um jede Regung Der Bitterkeit, des Ha**es zu besiegen? Maria. Ich fürchte keinen Rückfall. Meinen Haß Und meine Liebe hab ich Gott geopfert. Melvil. Nun so bereite dich, die Lords von Leicester Und Burleigh zu empfangen. Sie sind da. (Sie wendet sich schnell von ihnen, alle bis auf Melvil entfernen sich.) Achter Auftritt Die Vorigen. Burleigh. Leicester und Paulet. Leicester bleibt ganz in der Entfernung stehen, ohne die Augen aufzuschlagen. Burleigh, der seine Fa**ung beobachtet, tritt zwischen ihn und die Königin. Burleigh. Ich komme, Lady Stuart, Eure letzten Befehle zu empfangen. Maria. Dank, Mylord! Burleigh. Es ist der Wille meiner Königin, Daß Euch nichts Billiges verweigert werde. Maria. Mein Testament nennt meine letzten Wünsche. Ich hab's in Ritter Paulets Hand gelegt Und bitte, daß es treu vollzogen werde. Paulet. Verlaßt Euch drauf. Maria. Ich bitte, meine Diener ungekränkt Nach Schottland zu entla**en oder Frankreich, Wohin sie selber wünschen und begehren. Burleigh. Es sei, wie Ihr es wünscht. Maria. Und weil mein Leichnam Nicht in geweihter Erde ruhen soll, So dulde man, daß dieser treue Diener Mein Herz nach Frankreich bringe zu den Meinen. – Ach! Es war immer dort! Burleigh. Es soll geschehn! Habt Ihr noch sonst – Maria. Der Königin von England Bringt meinen schwesterlichen Gruß – Sagt ihr, Daß ich ihr meinen Tod von ganzem Herzen Vergebe, meine Heftigkeit von gestern Ihr reuevoll abbitte – Gott erhalte sie Und schenk ihr eine glückliche Regierung! Burleigh. Sprecht! Habt Ihr noch nicht bessern Rat erwählt? Verschmäht Ihr noch den Beistand des Dechanten? Maria. Ich bin mit meinem Gott versöhnt – Sir Paulet! Ich hab Euch schuldlos vieles Weh bereitet, Des Alters Stütze Euch geraubt – O laßt Mich hoffen, daß Ihr meiner nicht mit Haß Gedenket – Paulet. (gibt ihr die Hand). Gott sei mit Euch! Gehet hin im Frieden! (Sie wendet sich schnell von ihnen, alle bis auf Melvil entfernen sich.) Neunter Auftritt Die Vorigen. Hanna Kennedy und die andern Frauen der Königin dringen herein mit Zeichen des Entsetzens; ihnen folgt der Sheriff, einen weißen Stab in der Hand, hinter demselben sieht man durch die offenbleibende Türe gewaffnete Männer. Maria. Was ist dir, Hanna? – Ja, nun ist es Zeit! Hier kommt der Sheriff, uns zum Tod zu führen. Es muß geschieden sein! Lebt wohl! lebt wohl! (Ihre Frauen hängen sich an sie mit heftigem Schmerz; zu Melvil.) Ihr, werter Sir, und meine treue Hanna Sollt mich auf diesem letzten Gang begleiten. Mylord versagt mir diese Wohltat nicht! Burleigh. Ich habe dazu keine Vollmacht. Maria. Wie? Die kleine Bitte könntet Ihr mir weigern? Habt Achtung gegen mein Geschlecht! Wer soll Den letzten Dienst mir leisten! Nimmermehr Kann es der Wille meiner Schwester sein, Daß mein Geschlecht in mir beleidigt werde, Der Männer rohe Hände mich berühren! Burleigh. Es darf kein Weib die Stufen des Gerüstes Mit Euch besteigen – Ihr Geschrei und Jammern – Maria. Sie soll nicht jammern! Ich verbürge mich Für die gefaßte Seele meiner Hanna Seid gütig, Lord. O trennt mich nicht im Sterben Von meiner treuen Pflegerin und Amme! Sie trug auf ihren Armen mich ins Leben, Sie leite mich mit sanfter Hand zum Tod. Paulet. (zu Burleigh). Laßt es geschehn. Burleigh. Es sei. Maria. Nun hab ich nichts mehr Auf dieser Welt – (Sie nimmt das Kruzifix und küßt es.) Mein Heiland! Mein Erlöser! Wie du am Kreuz die Arme ausgespannt, So breite sie jetzt aus, mich zu empfangen. (Sie wendet sich, zu gehen, in diesem Augenblick begegnet ihr Auge dem Grafen Leicester, der bei ihrem Aufbruch unwillkürlich aufgefahren und nach ihr hingesehen – Bei diesem Anblick zittert Maria, die Knie versagen ihr, sie ist im Begriff hinzusinken, da ergreift sie Graf Leicester und empfängt sie in seinen Armen. Sie sieht ihn eine Zeitlang ernst und schweigend an, er kann ihren Blick nicht aushalten, endlich spricht sie.) Ihr haltet Wort, Graf Leicester – Ihr verspracht Mir Euren Arm, aus diesem Kerker mich Zu führen, und Ihr leihet mir ihn jetzt! (Er steht wie vernichtet. Sie fährt mit sanfter Stimme fort.) Ja, Leicester, und nicht bloß Die Freiheit wollt' ich Eurer Hand verdanken. Ihr solltet mir die Freiheit teuer machen, An Eurer Hand, beglückt durch Eure Liebe, Wollt' ich des neuen Lebens mich erfreun. Jetzt, da ich auf dem Wege bin, von der Welt Zu scheiden und ein sel'ger Geist zu werden, Den keine ird'sche Neigung mehr versucht, Jetzt, Leicester, darf ich ohne Schamerröten Euch die besiegte Schwachheit eingestehn – Lebt wohl, und wenn Ihr könnt, so lebt beglückt! Ihr durftet werben um zwei Königinnen; Ein zärtlich liebend Herz habt Ihr verschmäht, Verraten, um ein stolzes zu gewinnen: Kniet zu den Füßen der Elisabeth! Mög' Euer Lohn nicht Eure Strafe werden! Lebt wohl! – Jetzt hab ich nichts mehr auf der Erden! (Sie geht ab, der Sheriff voraus, Melvil und die Amme ihr zur Seite, Burleigh und Paulet folgen; die übrigen sehen ihr jammernd nach, bis sie verschwunden ist, dann entfernen sie sich durch die zwei andern Türen.) (Sie wendet sich schnell von ihnen, alle bis auf Melvil entfernen sich.) Zehnter Auftritt Leicester (allein zurückbleibend). Ich lebe noch! Ich trag es, noch zu lebn! Stürzt dieses Dach nicht sein Gewicht auf mich! Tut sich kein Schlund auf, das elendeste Der Wesen zu verschlingen! Was hab ich Verloren! Welche Perle warf ich hin! Welch Glück der Himel hab ich weggeschleudert! – Sie geht dahin, ein schon verklärter Geist, Und mir bleibt die Verzweiflung der Verdammten. – Wo ist mein Vorsatz hin, mit dem ich kam, Des Herzens Stimme fühllos zu ersticken? Ihr fallend Haupt zu sehn mit unbewegten Blicken? Weckt mir ihr Anblick die erstorbne Scham? Muß sie im Tod mit Liebesbanden mich umstricken? – Verworfener, dir steht es nicht mehr an, In zartem Mitleid weibisch hinzuschmelzen; Der Liebe Glück liegt nicht auf deiner Bahn, Mit einem ehrnen Harnisch angetan Sei deine Brust, die Stirne sei ein Felsen! Willst du den Preis der Schandtat nicht verlieren, Dreist mußt du sie behaupten und vollführen! Verstumme, Mitleid! Augen, werdet Stein! Ich seh sie fallen, ich will Zeuge sein. (Er geht mit entschloßnem Schritt der Türe zu, durch welche Maria gegangen, bleibt aber auf der Mitte des Weges stehen.) Umsonst! Umsonst! Mich faßt der Hölle Grauen, Ich kann, ich kann das Schreckliche nicht schauen, Kann sie nicht sterben sehen – Horch! Was war das? Sie sind schon unten – Unter meinen Füßen Bereitet sich das fürchterliche Werk. Ich höre Stimmen – Fort! Hinweg! Hinweg Aus diesem Haus des Schreckens und des Todes! (Er will durch eine andre Tür entfliehen, findet sie aber verschlossen und fährt zurück.) Wie? Fesselt mich ein Gott an diesen Boden? Muß ich anhören, was mir anzuschauen graut? Die Stimme des Dechanten – Er ermahnet sie – – Sie unterbricht ihn – Horch! – Laut betet sie – Mit fester Stimme – Es wird still – Ganz still! Nur schluchzen hör ich und die Weiber weinen – Sie wird entkleidet – Horch! Der Schemel wird Gerückt – Sie kniet aufs Kissen – legt das Haupt – (Nachdem er die letzten Worte mit steigender Angst gesprochen und eine Weile innegehalten, sieht man ihn plötzlich mit einer zuckenden Bewegung zusammenfahren und ohnmächtig niedersinken, zugleich erschallt von unten herauf ein dumpfes Getöse von Stimmen, welches lange forthallt.) (Sie wendet sich schnell von ihnen, alle bis auf Melvil entfernen sich.) Elfter Auftritt Das zweite Zimmer des vierten Aufzugs. Elisabeth. (tritt aus einer Seitentüre, ihr Gang und ihre Gebärden drücken die heftigste Unruhe aus.) Noch niemand hier – Noch keine Botschaft – Will es Nicht Abend werden? Steht die Sonne fest In ihrem himmlischen Lauf? – Ich soll noch länger Auf dieser Folter der Erwartung liegen. – Ist es geschehen? Ist es nicht? – Mir graut Vor beidem, und ich wage nicht, zu fragen! Graf Leicester zeigt sich nicht, auch Burleigh nicht, Die ich ernannt, das Urteil zu vollstrecken. Sind sie von London abgereist – Dann ist's Geschehn, der Pfeil ist abgedrückt, er fliegt, Er trifft, er hat getroffen: gält's mein Reich, Ich kann ihn nicht mehr halten – Wer ist das? Zwölfter Auftritt Elisabeth. Ein Page. Elisabeth. Du kommst allein zurück – Wo sind die Lords? Page. Mylord von Leicester und der Großschatzmeister – Elisabeth. (in der höchsten Spannung). Wo sind sie? Page. Sie sind nicht in London. Elisabeth. Nicht? – Wo sind sie denn? Page. Das wußte niemand mir zu sagen. Vor Tages Anbruch hätten beide Lords Eilfertig und geheimnisvoll die Stadt Verla**en. Elisabeth. (lebhaft ausbrechend). Ich bin Königin von England! (Auf und nieder gehend in der höchsten Bewegung.) Geh! Rufe mir – nein, bleibe – Sie ist tot! Jetzt endlich hab ich Raum auf dieser Erde. – Was zittr' ich? Was ergreift mich diese Angst? Das Grab deckt meine Furcht, und wer darf sagen, Ich hab's getan! Es soll an Tränen mir Nicht fehlen, die Gefallne zu beweinen! (Zum Pagen.) Stehst du noch hier? – Mein Schreiber Davison Soll augenblicklich sich hieherverfügen. Schickt nach dem Grafen Shrewsbury – Da ist Er selbst! (Page geht ab.) Dreizehnter Auftritt Elisabeth. Graf Shrewsbury. Elisabeth. Willkommen, edler Lord. Was bringt Ihr? Nichts Kleines kann es sein, was Euren Schritt So spät hieherführt. Shrewsbury. Große Königin, Mein sorgenvolles Herz, um deinen Ruhm Bekümmert, trieb mich heute nach dem Tower, Wo Kurl und Nau, die Schreiber der Maria, Gefangen sitzten; denn noch einmal wollt' ich Die Wahrheit ihres Zeugnisses erproben. Bestürzt, verlegen weigert sich der Leutnant Des Turms, mir die Gefangenen zu zeigen; Durch Drohung nur verschafft' ich mir den Eintritt, – Gott, welcher Anblick zeigte mir sich da! Das Haar verwildert, mit des Wahnsinns Blicken, Wie ein von Furien Gequälter, lag Der Schotte Kurl auf seinem Lager – Kaum Erkennt mich der Unglückliche, so stürzt er Zu meinen Füßen – schreiend, meine Knie Umklammernd mit Verzweiflung, wie einWurm Vor mir gekrümmt – fleht er mich an, beschwört mich, Ihm seiner Königin Schicksal zu verkünden; Denn ein Gerücht, daß sie zum Tod verurteilt sei, War in des Towers Klüfte eingedrungen. Als ich ihm das bejahet nach der Wahrheit, Hinzugefügt, daß es sein Zeugnis sei, Wodurch sie sterbe, sprang er wütend auf, Fiel seinen Mitgefangnen an, riß ihn Zu Boden, mit des Wahnsinns Riesenkraft, Ihn zu erwürgen strebend. Kaum entrissen wir Den Unglücksel'gen seines Grimmes Händen. Nun kehrt' er gegen sich die Wut, zerschlug Mit grimm'gen Fäusten sich die Brust, verfluchte sich Und den Gefährten allen Höllengeistern: Er habe falsch gezeugt, die Unglücksbriefe An Babington, die er als echt beschworen, Sie seien falsch, er habe andre Worte Geschrieben, als die Königin diktiert, Der Boswicht Nau hab' ihn dazu verleitet. Drauf rannt' er an das Fenster, riß es auf Mit wütender Gewalt, schrie in die Ga**en Hinab, daß alles Volk zusammenlief, Er sei der Schreiber der Maria, sei Der Böswicht, der sie fälschlich angeklagt, Er sei verflucht, er sei ein falscher Zeuge! Elisabeth. Ihr sagtet selbst, daß er von Sinnen war. Die Worte eines Rasenden, Verrückten Beweisen nichts. Shrewsbury. Doch dieser Wahnsinn selbst Beweiset desto mehr! O Königin! Laß dich beschwören, übereile nichts, Befiehl, daß man von neuem untersuche. Elisabeth. Ich will es tun – weil Ihr es wünscht, Graf, Nicht weil ich glauben kann, daß meine Peers In dieser Sache übereilt gerichtet. Euch zur Beruhigung erneure man Die Untersuchung – Gut, daß es noch Zeit ist! An unsrer königlichen Ehre soll Auch nicht der Schatten eines Zweifels haften. Vierzehnter Auftritt Davison zu den Vorigen. Elisabeth. Das Urteil, Sir, das ich in Eure Hand Gelegt – Wo ist's? Davison. (im höchsten Erstaunen). Das Urteil? Elisabeth. Das ich gestern Euch in Verwahrung gab – Davison. Mir in Verwahrung! Elisabeth. Das Volk bestürmte mich, zu unterzeichnen, Ich mußt' ihm seinen Willen tun, ich tat's, Gezwungen tat ich's, und in Eure Hände Legt' ich die Schrift, ich wollte Zeit gewinnen, Ihr wißt, was ich Euch sagte – Nun! Gebt her! Shrewsbury. Gebt, werter Sir, die Sachen liegen anders, Die Untersuchung muß erneuert werden. Davison. Erneuert? Ewige Barmherzigkeit! Elisabeth. Bedenkt Euch nicht so lang. Wo ist die Schrift? Davison. (in Verzweiflung). Ich bin gestürzt, ich bin ein Mann des Todes! Elisabeth. (hastig einfallend). Ich will nicht hoffen, Sir – Davison. Ich bin verloren! Ich hab sie nicht mehr. Elisabeth. Wie? Was? Shrewsbury. Gott im Himmel! Davison. Sie ist in Burleighs Händen – schon seit gestern. Elisabeth. Unglücklicher! So habt Ihr mir gehorcht! Befahl ich Euch nicht streng, sie zu verwahren? Davison. Das hast du nicht befohlen, Königin. Elisabeth. Willst du mich Lügen strafen, Elender? Wann hieß ich dir die Schrift an Burleigh geben? Davison. Nicht in bestimmten, klaren Worten – aber – Elisabeth. Nichtswürdiger! Du wagst es, meine Worte Zu deuten? Deinen eignen blut'gen Sinn Hineinzulegen? – Wehe dir, wenn Unglück Aus dieser eigenmächt'gen Tat erfolgt, Mit deinem Leben sollst du mir's bezahlen. – Graf Shrewsbury, Ihr sehet, wie mein Name Gemißbraucht wird. Shrewsbury. Ich sehe – O mein Gott! Elisabeth. Was sagt Ihr? Shrewsbury. Wenn der Squire sich dieser Tat Vermessen hat auf eigene Gefahr Und ohne deine Wissenschaft gehandelt, So muß er vor den Richterstuhl der Peers Gefordert werden, weil er deinen Namen Dem Abscheu aller Zeiten preisgegeben. Letzter Auftritt Die Vorigen. Burleighm, zuletzt Kent. Burleigh. (beugt ein Knie vor der Königin). Lang lebe meine königliche Frau, Und mögen alle Feinde dieser Insel Wie diese Stuart enden! (Shrewsbury verhüllt sein Gesicht, Davison ringt verzweiflungsvoll die Hände.) Elisabeth. Redet, Lord! Habt Ihr den tödlichen von mir Empfangen? Burleigh. Nein, Gebieterin! Ich empfing ihn Von Davison. Elisabeth. Hat Davison ihn Euch In meinem Namen übergeben? Burleigh. Nein! Das hat er nicht – Elisabeth. Und Ihr vollstrecktet ihn, Rasch, ohne meinen Willen erst zu wissen? Das Urteil war gerecht, die Welt kann uns Nicht tadeln, aber Euch gebührte nicht, Der Milde unsres Herzens vorzugreifen – Drum seid verbannt von unserm Angesicht! (Zu Davison.) Ein strengeres Gericht erwartet Euch, Der seine Vollmacht frevelnd überschritten, Ein heilig anvertrautes Pfand veruntreut. Man führ' ihn nach dem Tower, es ist mein Wille, Daß man auf Leib und Leben ihn verklage. – Mein edler Talbot! Euch allein hab ich Gerecht erfunden unter meinen Räten, Ihr sollt fortan mein Führer sein, mein Freund – Shrewsbury. Verbanne deine treusten Freunde nicht, Wirf sie nicht ins Gefängnis, die für dich Gehandelt haben, die jetzt für dich schweigen. – Mir aber, große Königin, erlaube, Daß ich das Siegel, das du mir zwölf Jahre Vertraut, zurück in deine Hände gebe. Elisabeth. (betroffen). Nein Shrewsbury! Ihr werdet mich jetzt nicht Verla**en, jetzt – Shrewsbury. Verzeih, ich bin zu alt, Und diese grade Hand, sie ist zu starr, Um deine neuen Taten zu versiegeln. Elisabeth. Verla**en wollte mich der Mann, der mir Das Leben rettete? Shrewsbury. Ich habe wenig Getan – Ich habe deinen edlern Teil nicht retten können. Lebe, herrsche glücklich! Die Gegnerin ist tot. Du hast von nun an Nichts mehr zu fürchten, brauchst nichts mehr zu achten. (Geht ab.) Elisabeth. (zum Grafen Kent, der hereintritt). Graf Leicester komme her! Kent. Der Lord läßt sich Entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich. (Sie bezwingt sich und steht mit ruhiger Fa**ung da. Der Vorhang fällt.)