Friedrich Schiller - Don Carlos, Infant von Spanien - Kapitel 11 lyrics

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Friedrich Schiller - Don Carlos, Infant von Spanien - Kapitel 11 lyrics

Dreizehnter Auftritt. Alba. Domingo. Domingo (nach einer Pause, worin er die Prinzessin mit den Augen begleitet hat). Herzog, diese Rosen Und Ihre Schlachten – Alba. Und dein Gott – so will ich Den Blitz erwarten, der uns stürzen soll! (Sie gehen ab.) In einem Karthäuserkloster. Vierzehnter Auftritt. Don Carlos. Der Prior. Carlos (zum Prior, indem er hereintritt). Schon da gewesen also? – Das beklag' ich. Prior. Seit heute Morgen schon das dritte Mal. Vor einer Stunde ging er weg – Carlos. Er will Doch wiederkommen? Hinterließ er nicht? Prior. Vor Mittag noch, versprach er. Carlos (an ein Fenster und sich in der Gegend umsehend). Euer Kloster Liegt weit ab von der Straße. – Dorthin zu Sieht man noch Thürme von Madrid. – Ganz recht, Und hier fließt der Manzanares – Die Landschaft Ist, wie ich sie mir wünsche. Alles ist Hier still, wie ein Geheimniß. Prior. Wie der Eintritt Ins andre Leben. Carlos. Eurer Redlichkeit, Hochwürd'ger Herr, hab' ich mein Kostbarstes, Mein Heiligstes vertraut. Kein Sterblicher Darf wissen oder nur vermuthen, wen Ich hier gesprochen und geheim. Ich habe Sehr wicht'ge Gründe, vor der ganzen Welt Den Mann, den ich erwarte, zu verleugnen: Drum wählt' ich dieses Kloster. Vor Verräthern, Vor Ueberfall sind wir doch sicher? Ihr Besinnt Euch doch, was Ihr mir zugeschworen? Prior. Vertrauen Sie uns, gnäd'ger Herr. Der Argwohn Der Könige wird Gräber nicht durchsuchen. Das Ohr der Neugier liegt nur an den Thüren Des Glückes und der Leidenschaft. Die Welt Hört auf in diesen Mauern. Carlos. Denkt Ihr etwa, Daß hinter diese Vorsicht, diese Furcht Ein schuldiges Gewissen sich verkrieche? Prior. Ich denke nichts. Carlos. Ihr irrt Euch, frommer Vater, Ihr irrt Euch wahrlich. Mein Geheimniß zittert Vor Menschen, aber nicht vor Gott. Prior. Mein Sohn, Das kümmert uns sehr wenig. Diese Freistatt Steht dem Verbrechen offen, wie der Unschuld. Ob, was du vorhast, gut ist oder übel, Rechtschaffen oder lasterhaft – das mache Mit deinem Herzen aus. Carlos (mit Wärme). Was wir Verheimlichen, kann Euren Gott nicht schänden. Es ist sein eignes, schönstes Werk. – Zwar Euch, Euch kann ich's wohl entdecken. Prior. Zu was Ende? Erla**en Sie mir's lieber, Prinz. Die Welt Und ihr Geräthe liegt schon lange Zeit Versiegelt da auf jene große Reise. Wozu die kurze Frist vor meinem Abschied Noch einmal es erbrechen? – Es ist wenig, Was man zur Seligkeit bedarf. – Die Glocke Zur Hora läutet. Ich muß beten gehn. (Der Prior geht ab.) Fünfzehnter Auftritt. Don Carlos. Der Marquis von Posa tritt ein. Carlos. Ach, endlich einmal, endlich – Marquis Welche Prüfung Für eines Freundes Ungeduld! Die Sonne Ging zweimal auf und zweimal unter, seit Das Schicksal meines Carlos sich entschieden, Und jetzt, erst jetzt werd' ich es hören. – Sprich, Ihr seid versöhnt? Carlos. Wer? Marquis. Du und König Philipp; Und auch mit Flandern ist's entschieden? Carlos. Daß Der Herzog morgen dahin reist? – Das ist Entschieden, ja. Marquis. Das kann nicht sein. Das ist nicht. Soll ganz Madrid belogen sein? Du hattest Geheime Audienz, sagt man. Der König – Carlos. Blieb unbewegt. Wir sind getrennt auf immer, Und mehr, als wir's schon waren – Marquis. Du gehst nicht Nach Flandern? Carlos. Nein! Nein! Nein! Marquis. O meine Hoffnung! Carlos. Das nebenbei. O Roderich, seitdem Wir uns verließen, was hab' ich erlebt! Doch jetzt vor Allem deinen Rath! Ich muß Sie sprechen – Marquis. Deine Mutter? – Nein! – Wozu? Carlos. Ich habe Hoffnung. – Du wirst blaß? Sei ruhig. Ich soll und werde glücklich sein. – Doch davon Ein ander Mal. Jetzt schaffe Rath, wie ich Sie sprechen kann. – Marquis. Was soll das? Worauf gründet Sich dieser neue Fiebertraum? Carlos. Nicht Traum! Beim wundervollen Gotte nicht! – Wahrheit, Wahrheit! (den Brief des Königs an die Fürstin von Eboli hervorziehend) In diesem wichtigen Papier enthalten! Die Königin ist frei, vor Menschenaugen, Wie vor des Himmels Augen, frei. Da lies Und höre auf, dich zu verwundern. Marquis (den Brief öffnend). Was? Was seh' ich? Eigenhändig vom Monarchen? (Nachdem er es gelesen.) An wen ist dieser Brief? Carlos. An die Prinzessin Von Eboli. – Vorgestern bringt ein Page Der Königin von unbekannten Händen Mir einen Brief und einen Schlüssel. Man Bezeichnet mir im linken Flügel des Palastes, den die Königin bewohnet, Ein Kabinet, wo eine Dame mich Erwarte, die ich längst geliebt. Ich folge Sogleich dem Winke – Marquis. Rasender, du folgst? Carlos. Ich kenne ja die Handschrift nicht – ich kenne Nur eine solche Dame. Wer, als sie, Wird sich von Carlos angebetet wähnen? Voll süßen Schwindels flieg' ich nach dem Platze; Ein göttlicher Gesang, der aus dem Innern Des Zimmers mir entgegen schallt, dient mir Zum Führer – ich eröffne das Gemach – Und wen entdeck' ich? – Fühle mein Entsetzen! Marquis. O, ich errathe Alles. Carlos. Ohne Rettung War ich verloren, Roderich, wär' ich In eines Engels Hände nicht gefallen. Welch unglücksel'ger Zufall! Hintergangen Von meiner Blicke unvorsicht'ger Sprache, Gab sie der süßen Täuschung sich dahin, Sie selber sei der Abgott dieser Blicke. Gerührt von meiner Seele stillen Leiden, Beredet sich großmüthig-unbesonnen Ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern. Die Ehrfurcht schien mir Schweigen zu gebieten; Sie hat die Kühnheit, es zu brechen – offen Liegt ihre schöne Seele mir – Marquis. So ruhig Erzählst du das? – Die Fürstin Eboli Durchschaute dich. Kein Zweifel mehr, sie drang In deiner Liebe innerstes Geheimniß. Du hast sie schwer beleidigt. Sie beherrscht Den König. Carlos (zuversichtlich). Sie ist tugendhaft. Marquis. Sie ist's Aus Eigennutz der Liebe. – Diese Tugend, Ich fürchte sehr, ich kenne sie – wie wenig Reicht sie empor zu jenem Ideale, Das aus der Seele mütterlichem Boden, In stolzer, schöner Grazie empfangen, Freiwillig sproßt und ohne Gärtners Hilfe Verschwenderische Blüthen treibt! Es ist Ein fremder Zweig, mit nachgeahmtem Süd In einem rauhern Himmelsstrich getrieben, Erziehung, Grundsatz, nenn' es, wie du willst, Erworbne Unschuld, dem erhitzten Blut Durch List und schwere Kämpfe abgerungen, Dem Himmel, der sie fordert und bezahlt, Gewissenhaft, sorgfältig angeschrieben. Erwäge selbst! Wird sie der Königin Es je vergeben können, daß ein Mann An ihrer eignen, schwer erkämpften Tugend Vorüberging, sich für Don Philipps Frau In hoffnungslosen Flammen zu verzehren? Carlos. Kennst du die Fürstin so genau? Marquis. Gewiß nicht. Kaum daß ich zweimal sie gesehn. Doch nur Ein Wort laß mich noch sagen: mir kam vor, Daß sie geschickt des Lasters Blößen mied, Daß sie sehr gut um ihre Tugend wußte. Dann sah ich auch die Königin. O Carl, Wie anders Alles, was ich hier bemerkte! In angeborner stiller Glorie, Mit sorgenlosem Leichtsinn, mit des Anstands Schulmäßiger Berechnung unbekannt, Gleich ferne von Verwegenheit und Furcht, Mit festem Heldenschritte wandelt sie Die schmale Mittelbahn des Schicklichen, Unwissend, daß sie Anbetung erzwungen, Wo sie von eignem Beifall nie geträumt. Erkennt mein Carl auch hier in diesem Spiegel, Auch jetzt noch seine Eboli? – Die Fürstin Blieb standhaft, weil sie liebte; Liebe war In ihre Tugend wörtlich einbedungen. Du hast sie nicht belohnt – sie fällt. Carlos (mit einiger Heftigkeit). Nein! Nein! (Nachdem er heftig auf und nieder gegangen.) Nein, sag' ich dir. – Ich, wüßte Roderich, Wie trefflich es ihn kleidet, seinem Carl Der Seligkeiten göttlichste, den Glauben An menschliche Vortrefflichkeit, zu stehlen! Marquis. Verdien' ich das? – Nein, Liebling meiner Seele, Das wollt' ich nicht, bei Gott im Himmel nicht! – O, diese Eboli – sie wär' ein Engel, Und ehrerbietig, wie du selbst, stürzt' ich Vor ihrer Glorie mich nieder, hätte Sie – dein Geheimniß nicht erfahren. Carlos. Sieh, Wie eitel deine Furcht ist! Hat sie andre Beweise wohl, als die sie selbst beschämen? Wird sie der Rache trauriges Vergnügen Mit ihrer Ehre kaufen? Marquis. Ein Erröthen Zurückzunehmen, haben Manche schon Der Schande sich geopfert. Carlos (mit Heftigkeit aufstehend). Nein, das ist Zu hart, zu grausam! Sie ist stolz und edel; Ich kenne sie und fürchte nichts. Umsonst Versuchst du, meine Hoffnungen zu schrecken. Ich spreche meine Mutter. Marquis. Jetzt? Wozu? Carlos. Ich habe nun nichts mehr zu schonen – muß Mein Schicksal wissen. Sorge nur, wie ich Sie sprechen kann. Marquis. Und diesen Brief willst du Ihr zeigen? Wirklich, willst du das? Carlos. Befrage Mich darum nicht. Das Mittel jetzt, das Mittel, Daß ich sie spreche! Marquis (mit Bedeutung). Sagtest du mir nicht, Du liebtest deine Mutter? – Du bist Willens, Ihr diesen Brief zu zeigen? (Carlos sieht zur Erde und schweigt.) Carl, ich lese In deinen Mienen etwas – mir ganz neu – Ganz fremd bis diesen Augenblick. – Du wendest Die Augen von mir? Warum wendest du Die Augen von mir? So ist's wahr? – Ob ich Denn wirklich recht gelesen? Laß doch sehn – (Carlos gibt ihm den Brief. Der Marquis zerreißt ihn.) Carlos. Was? Bist du rasend? (Mit gemäßigter Empfindlichkeit.) Wirklich – ich gesteh' es – An diesem Briefe lag mir viel. Marquis. So schien es. Darum zerriß ich ihn. (Der Marquis ruht mit einem durchdringenden Blick auf dem Prinzen der ihn zweifelhaft ansieht. Langes Stillschweigen.) Sprich doch – was haben Entweihungen des königlichen Bettes Mit deiner – deiner Liebe denn zu schaffen? War Philipp dir gefährlich? Welches Band Kann die verletzten Pflichten des Gemahls Mit deinen kühnern Hoffnungen verknüpfen? Hat er gesündigt, wo du liebst? Nun freilich Lern' ich dich fa**en. O, wie schlecht hab' ich Bis jetzt auf deine Liebe mich verstanden! Carlos. Wie, Roderich? Was glaubst du? Marquis. O, ich fühle, Wovon ich mich entwöhnen muß. Ja, einst, Einst war's ganz anders. Da warst du so reich, So warm, so reich! ein ganzes Weltkreis hatte In deinem weiten Busen Raum. Das alles Ist nun dahin, von einer Leidenschaft, Von einem kleinen Eigennutz verschlungen. Dein Herz ist ausgestorben. Keine Thräne Dem ungeheuren Schicksal der Provinzen, Nicht einmal eine Thräne mehr! – O Carl, Wie arm bist du, wie bettelarm geworden, Seitdem du Niemand liebst, als dich. Carlos (wirft sich in einen Sessel. – Nach einer Pause mit kaum unterdrücktem Weinen.) Ich weiß, Daß du mich nicht mehr achtest. Marquis. Nicht so, Carl! Ich kenne diese Aufwallung. Sie war Verirrung lobenswürdiger Gefühle. Die Königin gehörte dir, war dir Geraubt von dem Monarchen – doch bis jetzt Mißtrautest du bescheiden deinen Rechten. Vielleicht war Philipp ihrer werth. Du wagtest Nur leise noch, das Urtheil ganz zu sprechen. Der Brief entschied. Der Würdigste warst du. Mit stolzer Freude sahst du nun das Schicksal Der Tyrannei, des Raubes überwiesen. Du jauchztest, der Beleidigte zu sein; Denn Unrecht leiden schmeichelt großen Seelen. Doch hier verirrte deine Phantasie, Dein Stolz empfand Genugthuung – dein Herz Versprach sich Hoffnung. Sieh, ich wußt' es wohl, Du hattest diesmal selbst dich mißverstanden. Carlos (gerührt). Nein, Roderich, du irrest sehr. Ich dachte So edel nicht, bei Weitem nicht, als du Mich gerne glauben machen möchtest. Marquis. Bin Ich denn so wenig hier bekannt? Sieh, Carl, Wenn du verirrest, such' ich allemal Die Tugend unter Hunderten zu rathen, Die ich des Fehlers zeihen kann. Doch, nun Wir besser uns verstehen, sei's! Du sollst Die Königin jetzt sprechen, mußt sie sprechen. – Carlos (ihm um den Hals fallend). O, wie erröth' ich neben dir! Marquis. Du hast Mein Wort. Nun überlaß mir alles Andre. Ein wilder, kühner glücklicher Gedanke Steigt auf in meiner Phantasie. – Du sollst Ihn hören, Carl, aus einem schönen Munde. Ich dränge mich zur Königin. Vielleicht, Daß morgen schon der Ausgang sich erwiesen. Bis dahin, Carl, vergiß nicht, daß »ein Anschlag, Den höhere Vernunft gebar, das Leiden Der Menschen drängt, zehntausendmal vereitelt, Nie aufgegeben werden darf.« – Hörst du? Erinnre dich an Flandern! Carlos. Alles, Alles, Was du und hohe Tugend mir gebieten. Marquis (geht an ein Fenster). Die Zeit ist um. Ich höre dein Gefolge. (Sie umarmen sich.) Jetzt wieder Kronprinz und Vasall. Carlos. Du fährst Sogleich zur Stadt? Marquis. Sogleich. Carlos. Halt! noch ein Wort! Wie leicht war das vergessen! – Eine Nachricht, Dir äußerst wichtig: – »Briefe nach Brabant Erbricht der König.« Sei auf deiner Hut! Die Post des Reichs, ich weiß es, hat geheime Befehle – Marquis. Wie erfuhrst du das? Carlos. Don Raimond Von Taxis ist mein guter Freund. Marquis (nach einigem Stillschweigen). Auch das! So nehmen sie den Umweg über Deutschland. (Sie gehen ab zu verschiedenen Thüren.)