ERZÄHLER: Der Vorhang rollt empor: ihr seid in Brüssel, Vorm Tor der reichen, lebensfrohen Stadt. Ein Armbrustschießen feiern sie da draußen; Der Bürgersmann hält mit und der Soldat, Der Jubel schließt vereinigend die Runde, Der Spott macht sich durch laute Scharen Raum, Die Keckheit hört erstaunt aus fremdem Munde, Was sie gedacht und sich gestanden kaum. Man schilt, man lobt, gibt zu, lässt sich gefallen, Den Herrschern wird das Beste zugetraut; Doch scheint das Jetzt nicht hoch in Gunst bei allen; Wie priese man das Ehmals sonst so laut. Die Armbrust knackt; zwei Kreise, drei, getroffen! Der Sieger wird glückwünschend schon begrüßt: Da tritt noch einer vor, ob kaum zu hoffen, Hält er den Einsatz mit und zielt und schießt Rein schwarz. Sein ist der Tag! Wie schreit die Menge Und drängt sich zu und schüttelt ihm die Hand, Und keiner will's beneiden und bestreiten, Ists einer doch, hört ihr! von Egmonts Leuten. Egmont! Der Name jubelt durch die Stätte, Die Taubheit selber hört's und ruft vereint; Nicht König und nicht Staat, nicht Amt und Räte, Er ist's, den das Vertrauen jubelnd meint. Und jeder fügt ein Beiwort seinem Namen Und glaubt genug ihn nicht gepriesen noch: Der Siegesfürst von Saint Quentin, Der Held von Gravelingen! Und Egmont, Egmont hoch! So jubeln sie und zechen wohl noch lange. La**t uns zur halbverwaisten Stadt zurück; Der Abend sinkt, und auf dem kurzen Gange Zeigt eins und andres etwa sich dem Blick. Der Torweg gähnt, des Marktes Seiten weichen; Im Hause der Regentin schimmert Licht. Die edle Frau, aus Östreichs mildem Stamme, Wohl noch mit ihrem Kanzler sich bespricht. Wir forschen nicht und geh'n die kleine Ga**e. Ein kleines Pförtchen führt zur Wendelstieg, Wie eng, wie schmal; die Glastür halb verhängt, Drin Licht und Worte, wie sie Freunde tauschen. - Wer liebend forscht, der darf wohl einmal lauschen. Im Armstuhl sitzt ein Weib, schon was bei Jahren, In niederländ'scher Tracht, ein wenig schwer; Das dunkle Kleid sticht ab zur weißen Haube, Die knapp läuft um die Faltenstirne her. Sonst reinlich und behaglich, obschon ärmlich. Ihr Aug ruht lächelnd auf dem jungen Mann, Der, Garn gehängt um seine beiden Arme, Sich und den Faden abzuwinden reicht, Und dieser Faden läuft zu weißen Händen, Und diese Hände wirbeln ihn zum Knäul. Und drüber blitzt's aus dunkelbraunen Augen, Die sich, so scheint's, des wirren Spieles freu'n; Und seht, ein Mädchen ist's, nicht so: ein Cherub, Der, halb geflügelt Kind, halb Zornesbote, Mit Adleraugen eine Welt bescheint. Was ist sie schön! Die runden Mädchenwangen, Die lichte Stirn, das Näschen sehr bestimmt, Die Augenbrauen scharf, der Mund so weich, Und doch in stolzem Mitleid manchmal zuckend - Ist sie? - Es ist das Mädchen, das Graf Egmont meint, Zu dem er schleicht, den Mantel übers Kinn, Und das die Nachbarinnen neidend schelten; Sie aber weiß es, ist erfreut, betrübt, In einem überselig: da** sie liebt, Und wieder traurig bis zu lauten Zähren; Dem Liebsten kann sie ganz, sie weiß es, nie gehören; Drum möchte sie ein Knabe sein, ein Mann, Ihm dienend nah'n in gut und bösen Tagen, Die Fahne nach im heißen Streite tragen, Und Furcht und Hoffnung, Scham und Glück und Pein Singt sie mit solchem Schlummerliede ein. Lied: Die Trommel gerühret Vivace CLÄRCHEN: Die Trommel gerühret! Das Pfeifchen gespielt! Mein Liebster gewaffnet dem Haufen befiehlt, die Lanze hoch führet, die Leute regieret! Wie klopft mir das Herz! Wie wallt mir das Blut! O hätt' ich Wämslein, und Hosen und Hut, o hätt' ich ein Wämslein, und Hosen und Hut. Ich folgt' ihm zum Tor 'naus mit mutigem Schritt, ging surch die Provinzen, ging überall mit. Die Feinde schon weichen, wir schießen da drein, Welch Glück sondergleichen, ein Mannsbild zu sein, welch Glück sondergleichen, ein Mannsbild zu sein, ein Mannsbild zu sein. [Wiederholung Lied] ERZÄHLER: So freue dich, denn kurz ist alle Freude, Was dir im Wege blühet, nimm es mit, Denn warnend hör ich nah schon eine Stimme, Und fernher kommt des Unheils dumpfer Tritt. Zwischenakt I Andante