Juli Achtzehnhundertdreißig
In Paris die Barrikaden
Juli-Sonne, Juli-Hoffnung
Denn: 'Die Freiheit führt das Volk!'
Während Karl der Zehnte abtaucht
Kommen and're hergeschwommen -
Hergeschwommen kommt Johanna
Aus dem trüben Tümpel Deutschland!
Sie kommt zu spät aus ihrem Dorf
Dem Hungerleiderkaff am Oberrhein
Sie ist zu spät dran
Sie kommt zu spät mit ihrer Gier
Nach Sonne und Revolte und Pariser Luft -
Johanna!
Sie kommt zu spät zum Carnaval
Wo das gemeine Volk die Sauhatz macht
Auf die Gekrönten
Sie kommt zu spät, die Revolution
Ist weggeputzt, ist abgeräumt -
Johanna!
Die Toten sind betrogen
Gekrönt wird jetzt der Geldsack
Man nennt ihn König Birne!
Wer hat gewonnen? Na, die Reichen!
Also bleibt Johanna stecken
Im bekannten Dreck der Vorstadt
Sie wäscht reichen Leuten Wäsche
Und wohnt in einem feuchten Loch!
Und beim Tanz am Sonntag Abend
Findet sie den Schuster Schambier -
Armer Hunde mit groben Knochen
Und ein Revolutionär!
Der kennt sich aus und sagt: "Wart ab
Was alles noch pa**iert, wenn König Birne
Erst mal reif ist!
Dann fällt er ab wie'n na**er Sack
Und wir steh'n auf in aller Früh -
Johanna!"
Der kennt sich aus in dem Quartier
Der weiß eine Mansarde, und die könnten sie
Zu zweit bezahlen
Der kennt sich aus in dem Métier
"Ichliebedich" und so und "AchundAchundAch -
Johanna!"
So fällt sie in ein Brautbett
In das die Tauben scheißen
Und wenn sie nicht zu müd' ist
Hat sie auch ihren Spaß mit ihm!
Hört den dicken König Birne
Er sagt: "Ihr sollt euch nun bereichern!"
Und wer hat sich wohl bereichert?
Bankierspack und Spekulanten!
Währenddessen wächst die Armut
Und die Wut wächst in der Vorstadt
Und ein Wort kommt ins Gerede -
Und das Wort heißt 'Die Kommune'!
"Wann steh'n wir auf?" fragt die Johanna und
Trägt Zettel durchs Quartier, lässt sich nicht erwischen
Früh um Viere
"Wann steh'n wir auf?", "Hebt euren Arsch!"
"Sind wir den Hünd?" , so schreit sie rum -
Johanna!
Und Feieramd gibt's Rosenkohl
Mit Käse überbacken ünd dazu ein' Wein
Für ihre Freunde
Und Feieramd tanzt sie oder singt
Ein Lied von Béranger und schläft dann nicht allein -
Johanna!
Der Schuster Schambier ist längst
Auf Arbeit weg in Zürich
Hat ihr ein Kind gela**en -
Der schustert einen Geheimbund!
Ach, es schustern jetzt sehr viele
Einen Plan der Menschheits-Zukunft -
Handwerksburschen, Philosophen
Helle Denker, dunkle Dichter!
Und sie streiten und sie finden
Nicht so schnell den Stein der Weisen
Und Karl Marx in seiner Stube
Weiß ja auch noch nicht, wo's langgeht!
"Es kommt der Tag", sagt die Johanna, "dann
Im Morgenrot ist die Kommune da!
Ich will's erleben!"
"Es kommt der Tag!" schreit sie im Knast
Den Schließern ins Gesicht, wird dafür verhau'n -
Johanna!
Und ist sie frei, wie sie dann lacht
Und beißt ins Brot und spürt, es kracht
Weil es noch warm ist -
Und wie sie lacht und schüttelt ihren Rock
Und schüttelt ihren Bauch, und schüttelt's ab -
Johanna!
Die schmeißt sich nicht malerisch
Vom Pont Neuf in die Seine
Wo lüstern die Poeten
Nach bleichen Leichen ausschau'n!
Achtzehn Jahr' lebt so Johanna
In Paris ihr Auf und Nieder -
Achtzehn Jahre Wetterleuchten
Bis der Blitz dann doch noch einschlägt!
Achtzehnachtundvierzig, heißt es
Sei sie noch gesehen worden
Bei dem Heckerzug im Schwarzwald
Arm in Arm mit Emma Herwegh!
Doch wo sie aufgetaucht ist, gab's
Kein Lebehoch, kein Männerchor
Kein Hosiannah
Und durch das Kreuz, das sie getragen hat
Wird auch kein Mensch erlöst -
Johanna!
Und wenn wir nicht gestorben sind
Dann leben wir noch heute
Wenn wir nicht gestorben sind
Leben wir noch heute!