Als sie einander im Vorraum dann trafen Es war nach neun Jahren ihr erster Besuch Hörte man Kräne unten im Hafen Und auf dem Tisch lag ein uraltes Buch Er sagte, wie früher nur „Na?“ und „Mama!“ Sie sagte nichts, ihr Blick wurde schmal Und sie fand ihn genauso wie früher unnahbar Wie vor neun Jahren das letzte Mal Ihre Hand nur war wenig entfernt von der seinen Die Hand eines Mörders, so dachte sie matt Und ihr Herz begann wieder und wieder zu weinen Wie es das jeden Tag und jede Nacht tat Sie sah seine Falten am Finger, die Venen Sie sah auch die breite Narbe am Daumen Und sie sah wieder die Holzleiter lehnen Am Baum und ihr Sohn pflückte dort Pflaumen Er hatte so widerspenstige Haare Und brachte die saftigsten Früchte zu ihr Wie lang war das her? Vielleicht dreißig Jahre? Sie sagte: „Mein Junge!“ Die Uhr schlug halb vier „Was ist?“, fragte er. „Komm mir nicht mit dem Scheiß Von früher. Was willst du? Bringst du mir Geld?“
Und das Silberstimmchen der Wanduhr klang leis Und der Weg in sein Herz war der Längste der Welt Diese Hand, dachte sie, hat getastet, sie hat Kleine Blumen liebkost und die Haut einer Frau Und sie liegt wie ein sehr krankes Tier, ganz matt So hart wie der Knast, und so grau Sie war so kräftig, so schnell und geschickt Die Hand meines Jungen, als zärtliches Bild Weiß sie noch, wie sie aufs Händchen blickt Hilflos in ihrer Hand, bevor sie ihn stillt Die Hand eines Mörders, die Hand meines Kinds Was ließ ihn so werden? Was tat ihm so weh? Und draußen das Rütteln eines unruhigen Winds Und drinnen sein bittender Blick: „Mutter, geh!“ Die Zeit fährt dazwischen, die Zeit ist so hart Ihre faltige Hand liegt ängstlich auf seiner Und er lässt sie dort ruhen und dann schiebt er ganz zart Seine Hand drunter fort Und für eine Sekunde vergisst er den Mord Und er geht ohne Wort Und sie lächelt ihm nach, denn ihr Schmerz wurde kleiner