An tausend Meilen hast du heut' schon hinter dich gebracht Es ist spät, du suchst und findest eine Bleibe für die Nacht Von alldem, was du schon geseh'n und nicht begriffen hast Bist du todmüde, sehnst dich nur nach einer langen Rast Dies' Hotel, die trübe Funzel in dem engen Korridor Kommen dir, als du dich umsiehst, schon nicht ganz geheuer vor Und dann weißt du es genau, als du die Zimmertür aufschließt Da** du vor langer Zeit schon einmal hier gewesen bist Schlaf nicht ein im Hotel zur langen Dämmerung, bleib wach Denn der Atem toter Seelen staut sich unter diesem Dach Und frisst sich, wenn du schläfst, so tief in Hirn und Lungen fest Da** du dieses Haus nur sterbend, oder tot wieder verlässt Und du sitzt und wachst und wartest, doch die Zeit will nicht vergeh'n Und dir ist, als könntest du auf einmal durch die Wände seh'n Siehst ein Zimmer, so wie deins und ein Junge kommt herein Du erschrickst und meinst, du selber könntest dieser Junge sein: Große Füße, große Augen, von zu Hause durchgebrannt Haar und Hosen viel zu kurz, wie es noch Brauch ist auf dem Land Alles liebend ohne Furcht, was neu und fremd ist um ihn her Und du fragst dich, ob du je so jung gewesen bist wie der Schlaf nicht ein im Hotel zur langen Dämmerung, bleib wach Denn der Atem toter Seelen staut sich unter diesem Dach Und frisst sich, wenn du schläfst, so tief in Hirn und Lungen fest Da** du dieses Haus nur sterbend, oder tot wieder verlässt In dem Raum gleich nebenan siehst du dich als alten Mann Einsam und verbittert, krank und ohne einen Zahn Und der wackelt mit dem Schädel, hält die Bibel auf den Knien Seine dürren Spinnenfinger blättern aufgeregt darin Ganze Sätze streicht er aus mit seinem Rotstift in der Hand Und schreibt dafür, böse flüsternd, wilde Flüche an den Rand Und schon bluten seine Finger, zucken weiter wie im Krampf –
Du gibst ihm noch eine Stunde, und dann endet dieser Kampf Ja, schlaf nicht ein im Hotel zur langen Dämmerung, bleib wach Denn der Atem toter Seelen staut sich unter diesem Dach Und frisst sich, wenn du schläfst, so tief in Hirn und Lungen fest Da** du dieses Haus nur sterbend, oder tot wieder verlässt Auch der Junge schläft noch nicht, nimmt sein Instrument und spielt Dazu schreibt er etwas auf, bringt in Reime, was er fühlt Falsche Töne, schlechte Verse – es ist gleich wie gut er's macht Denn nur schreibend, spielend, singend übersteht er diese Nacht Das macht durstig, und er dreht an dem Wa**erhahn, der spritzt Etwas aus, was nach dem riecht, was ein Sterbender ausschwitzt Und du wünschst dir, da** er statt zu trinken in das Becken schifft Und er tut's und bleibt für diesmal noch verschont von diesem Gift Doch schlaf nicht ein im Hotel zur langen Dämmerung, bleib wach Denn der Atem toter Seelen staut sich unter diesem Dach Und frisst sich, wenn du schläfst, so tief in Hirn und Lungen fest Da** du dieses Haus nur sterbend, oder tot wieder verlässt Deine Uhr zeigt erst auf drei, sie blieb schon vor Stunden steh'n Sie schläft den langen Schlaf und wird nie mehr wieder geh'n Es wird Morgen, Junge, nimm jetzt deine Brocken, du musst fort Da ist ein Park mit einem Brunnen, trink und wasch dich dort Du wirst doch noch And're finden, die sind auch so jung wie du Die erklären dir die Welt, höre ihnen ruhig zu Dann wirst du weiterzieh'n, viel seh'n, doch das Wenigste versteh'n Und nach Jahren vielleicht nochmal über diese Schwelle geh'n Dann schlaf nicht ein im Hotel zur langen Dämmerung, bleib wach Denn der Atem toter Seelen staut sich unter diesem Dach Und frisst sich, wenn du schläfst, so tief in Hirn und Lungen fest Da** du dieses Haus nur sterbend, oder tot wieder verlässt