Diese Geschichte ist nicht erfunden, auch wenn sie ganz unglaublich klingt. Meine Großmutter mit dem himmelblauen Glasauge hat sie mir erzählt. Und immer, wenn sie sagte: "Bei meinem Glasauge, genau so war es", dann wusste jeder absolut sicher, da** es die pure Wahrheit wahr. Wollt ihr wissen, was für eine tolle Geschichte sie mir erzählt hat? Na dann hört zu. "Die Wege lagen tief verschneit in jener kalten Nacht, als eine arme Köhlersfrau ihr Kind zur Welt gebracht. Die Frau lag krank und ganz allein mit ihrem kleinen Sohn. Sie gab ihm noch die Brust und starb am nächsten Morgen schon. So laut das Kind auch schrie, es hat kein Menschenohr erreicht. Nur einer Wölfin in dem Wald hat es das Herz erweicht.
Sie fand die Hütte, fand das Kind bei jener toten Frau und trug's behutsam mit dem Maul zu ihrem Wolfenbau. Zu ihren Jungen legte sie das nackte Menschenkind. Sie leckte es, sie wärmte es und säugte es geschwind. So wuchs das Kind bei Wölfen auf, es jagte mit den Tieren, fing Mäuse sich zum Abendbrot und lief auf allen Vieren. Es soff aus Pfützen, leckte sich und heulte dann und wann in einer kalten Winternacht den weißen Vollmond an. So war das mit dem Wolfenkind", hat Großmutter gesagt. "Wie ging es weiter?" habe ich fast jedesmal gefragt. "Wenn du mir bis zur Schulter reichst, erzähle ich dir das. Jetzt ist's genug, bei meinem Aug' aus himmelblauem Glas."