Ferdinand von Walter. Die Vorigen.
Ferdinand (mit einer kurzen Verbeugung). Wenn ich Sie worin unterbreche, gnädige Frau –
Lady (unter merkbarem Herzklopfen). In nichts, Herr Major, das mir wichtiger wäre.
Ferdinand. Ich komme auf Befehl meines Vaters –
Lady. Ich bin seine Schuldnerin.
Ferdinand. Und soll Ihnen melden, daß wir uns heirathen – So weit der Auftrag meines Vaters.
Lady (entfärbt sich und zittert). Nicht Ihres eigenen Herzens?
Ferdinand. Minister und Kuppler pflegen das niemals zu fragen.
Lady (mit einer Beängstigung, daß ihr die Worte versagen). Und Sie selbst hätten sonst nichts beizusetzen?
Ferdinand (mit einem Blick auf die Mamsell). Noch sehr viel, Milady!
Lady (gibt Sophien einen Wink, diese entfernt sich). Darf ich Ihnen diesen Sopha anbieten?
Ferdinand. Ich werde kurz sein, Milady!
Lady. Nun?
Ferdinand. Ich bin ein Mann von Ehre.
Lady. Den ich zu schätzen weiß.
Ferdinand. Cavalier.
Lady. Kein beßrer im Herzogthum.
Ferdinand. Und Officier.
Lady (schmeichelhaft). Sie berühren hier Vorzüge, die auch Andere mit Ihnen gemein haben. Warum verschweigen Sie größere, worin Sie einzig sind?
Ferdinand (frostig). Hier brauch' ich sie nicht.
Lady (mit immer steigender Angst). Aber für was muß ich diesen Vorbericht nehmen?
Ferdinand (langsam und mit Nachdruck). Für den Einwurf der Ehre, wenn Sie Lust haben sollten, meine Hand zu erzwingen.
Lady (auffahrend). Was ist das, Herr Major?
Ferdinand (gela**en). Die Sprache meines Herzens – meines Wappens – und dieses Degens.
Lady. Diesen Degen gab Ihnen der Fürst.
Ferdinand. Der Staat gab mir ihn durch die Hand des Fürsten – mein Herz Gott – mein Wappen ein halbes Jahrtausend.
Lady. Der Name des Herzogs –
Ferdinand (hitzig). Kann der Herzog Gesetze der Menschheit verdrehen, oder Handlungen münzen wie seine Dreier? – Er selbst ist nicht über die Ehre erhaben, aber er kann ihren Mund mit seinem Golde verstopfen. Er kann den Hermelin über seine Schande herwerfen. Ich bitte mir aus, davon nichts mehr, MiLady. – Es ist nicht mehr die Rede von weggeworfenen Aussichten und Ahnen – oder von dieser Degenquaste – oder von der Meinung der Welt. Ich bin bereit, Dies alles mit Füßen zu treten, sobald Sie mich nur überzeugt haben werden, daß der Preis nicht schlimmer noch als das Opfer ist.
Lady (schmerzhaft von ihm weggehend). Herr Major! das hab' ich nicht verdient.
Ferdinand (ergreift ihre Hand). Vergeben Sie. Wir reden hier ohne Zeugen. Der Umstand, der Sie und mich – heute und nie mehr – zusammenführt, berechtigt mich, zwingt mich, Ihnen mein geheimstes Gefühl nicht zurück zu halten. – Es will mir nicht zu Kopfe, Milady, daß eine Dame von so viel Schönheit und Geist – Eigenschaften, die ein Mann schätzen würde – sich an einen Fürsten sollte wegwerfen können, der nur das Geschlecht an ihr zu bewundern gelernt hat, wenn sich diese Dame nicht schämte, vor einen Mann mit ihrem Herzen zu treten.
Lady (schaut ihm groß ins Gesicht). Reden Sie ganz aus!
Ferdinand. Sie nennen sich eine Brittin. Erlauben Sie mir – ich kann es nicht glauben, daß Sie eine Brittin sind. Die freigeborne Tochter des freiesten Volks unter dem Himmel – das auch zu stolz ist, fremder Tugend zu räuchern – kann sich nimmermehr an fremdes Laster verdingen. Es ist nicht möglich, daß Sie eine Brittin sind, – oder das Herz dieser Brittin muß um so viel kleiner sein, als größer und kühner Britanniens Adern schlagen.
Lady. Sind Sie zu Ende?
Ferdinand. Man könnte antworten, es ist weibliche Eitelkeit – Leidenschaft – Temperament – Hang zum Vergnügen. Schon öfters überlebte Tugend die Ehre. Schon Manche, die mit Schande in diese Schranke trat, hat nachher die Welt durch edle Handlungen mit sich ausgesöhnt und das häßliche Handwerk durch einen schönen Gebrauch geadelt – – Aber woher denn jetzt diese ungeheure Pressung des Landes, die vorher nie so gewesen? – Das war im Namen des Herzogthums. – Ich bin zu Ende.
Lady (mit Sanftmuth und Hoheit). Es ist das Erstemal, Walter, daß solche Reden an mich gewagt werden, und Sie sind der einzige Mensch, dem ich darauf antworte – Daß Sie meine Hand verwerfen, darum schätz' ich Sie. Daß Sie meine Hand lästern, vergebe ich Ihnen. Daß es Ihr Ernst ist, glaube ich Ihnen nicht. Wer sich herausnimmt, Beleidigungen dieser Art einer Dame zu sagen, die nicht mehr als eine Nacht braucht, ihn ganz zu verderben, muß dieser Dame eine große Seele zutrauen, oder – von Sinnen sein – Daß Sie den Ruin des Landes auf meine Brust wälzen, vergebe Ihnen Gott der Allmächtige, der Sie und mich und den Fürsten einst gegen einander stellt. – Aber Sie haben die Engländerin in mir aufgefordert, und auf Vorwürfe dieser Art muß mein Vaterland Antwort haben.
Ferdinand (auf seinen Degen gestützt). Ich bin begierig.
Lady. Hören Sie also, was ich, außer Ihnen, noch Niemand vertraute, noch jemals einem Menschen vertrauen will. – Ich bin nicht die Abenteurerin, Walter, für die Sie mich halten. Ich könnte groß thun und sagen: ich bin fürstlichen Geblüths – aus des unglücklichen Thomas Norfolks Geschlechte, der für die schottische Maria ein Opfer ward. – Mein Vater, des Königs oberster Kämmerer, wurde bezichtigt, in verrätherischem Vernehmen mit Frankreich zu stehen, durch einen Spruch der Parlamente verdammt und enthauptet. – Alle unsre Güter fielen der Krone zu. Wir selbst wurden des Landes verwiesen. Meine Mutter starb am Tage der Hinrichtung. Ich – ein vierzehnjähriges Mädchen – flohe nach Deutschland mit meiner Wärterin – einem Kästchen Juwelen – und diesem Familienkreuz, das meine sterbende Mutter mit ihrem letzten Segen mir an den Busen steckte.
Ferdinand (wird nachdenkend und heftet wärmere Blicke auf die Lady).
Lady (fährt fort mit immer zunehmender Rührung). Krank – ohne Namen – ohne Schutz und Vermögen – eine ausländische Waise, kam ich nach Hamburg. Ich hatte nichts gelernt, als das Bischen Französisch – ein wenig Filet und den Flügel – desto besser verstund ich, auf Gold und Silber zu speisen, unter damastenen Decken zu schlafen, mit einem Wink zehn Bediente fliegen zu machen und die Schmeicheleien der Großen Ihres Geschlechts aufzunehmen. – Sechs Jahre waren schon hingeweint. – Und die letzte Schmucknadel flog dahin – Meine Wärterin starb – und jetzt führte mein Schicksal Ihren Herzog nach Hamburg. Ich spazierte damals an den Ufern der Elbe, sah in den Strom und fing eben an zu phantasieren, ob dieses Wa**er oder mein Leiden das Tiefste wäre? – Der Herzog sah mich, verfolgte mich, fand meinen Aufenthalt, – lag zu meinen Füßen und schwur, daß er mich liebe. (Sie hält in großen Bewegungen inne, dann fährt sie fort mit weinender Stimme.) Alle Bilder meiner glücklichen Kindheit wachten jetzt wieder mit verführendem Schimmer auf – Schwarz wie das Grab graute mich eine trostlose Zukunft an – Mein Herz brannte nach einem Herzen – Ich sank an das seinige. (Von ihm wegstürzend.). Jetzt verdammen Sie mich!
Ferdinand (sehr bewegt, eilt ihr nach und hält sie zurück). Lady! o Himmel! Was hör' ich? Was that ich? – Schrecklich enthüllt sich mein Frevel mir. Sie können mir nicht mehr vergeben.
Lady (kommt zurück und hat sich zu sammeln gesucht). Hören Sie weiter. Der Fürst überraschte zwar meine wehrlose Jugend – aber das Blut der Norfolk empörte sich in mir: Du, eine geborene Fürstin, Emilie, rief es, und jetzt eines Fürsten Concubine? – Stolz und Schicksal kämpften in meiner Brust, als der Fürst mich hieher brachte und auf einmal die schauderndste Scene vor meinen Augen stand! – Die Wollust der Großen dieser Welt ist die nimmersatte Hyäne, die sich mit Heißhunger Opfer sucht. – Fürchterlich hatte sie schon in diesem Lande gewüthet – hatte Braut und Bräutigam zertrennt – hatte selbst der Ehen göttliches Band zerrissen – – hier das stille Glück einer Familie geschleift – dort ein junges unerfahrenes Herz der verheerenden Pest aufgeschlossen, und sterbende Schülerinnen schäumten den Namen ihres Lehrers unter Flüchen und Zuckungen aus – Ich stellte mich zwischen das Lamm und den Tiger, nahm einen fürstlichen Eid von ihm in einer Stunde der Leidenschaft, und diese abscheuliche Opferung mußte aufhören.
Ferdinand (rennt in der heftigsten Unruhe durch den Saal). Nichts mehr, Milady! Nicht weiter!
Lady. Diese traurige Periode hatte einer noch traurigern Platz gemacht. Hof und Serail wimmelten jetzt von Italiens Auswurf. Flatterhafte Pariserinnen tändelten mit dem furchtbaren Scepter, und das Volk blutete unter ihren Launen – Sie alle erlebten ihren Tag. Ich sah sie neben mir in den Staub sinken, denn ich war mehr Kokette, als sie alle. Ich nahm dem Tyrannen den Zügel ab, der wollüstig in meiner Umarmung erschlappte – dein Vaterland, Walter, fühlte zum erstenmal eine Menschenhand und sank vertrauend an meinen Busen. (Pause, worin sie ihn schmelzend ansieht.) O daß der Mann, von dem ich allein nicht verkannt sein möchte, mich jetzt zwingen muß, groß zu prahlen und meine stille Tugend am Licht der Bewunderung zu versengen! – Walter, ich habe Kerker gesprengt – habe Todesurtheile zerrissen und manche entsetzliche Ewigkeit auf Galeeren verkürzt. In unheilbare Wunden hab' ich doch wenigstens stillenden Balsam gegossen – mächtige Frevler in Staub gelegt und die verlorene Sache der Unschuld oft noch mit einer buhlerischen Thräne gerettet – Ha, Jüngling, wie süß war mir das! Wie stolz konnte mein Herz jede Anklage meiner fürstlichen Geburt widerlegen! – Und jetzt kommt der Mann, der allein mir Das alles belohnen sollte – der Mann, den mein erschöpftes Schicksal vielleicht zum Ersatz meiner vorigen Leiden schuf – der Mann, den ich mit brennender Sehnsucht im Traum schon umfa**e –
Ferdinand (fällt ihr ins Wort, durch und durch erschüttert). Zu viel! zu viel! Das ist wieder die Abrede, Lady. Sie sollten sich von Anklagen reinigen und machen mich zu einem Verbrecher. Schonen Sie – ich beschwöre Sie – schonen Sie meines Herzens, das Beschämung und wüthende Reue zerreißen –
Lady (hält seine Hand fest). Jetzt oder nimmermehr! Lange genug hielt die Heldin Stand – das Gewicht dieser Thränen mußt du noch fühlen. (Im zärtlichsten Ton.) Höre, Walter – wenn eine Unglückliche – unwiderstehlich, allmächtig an dich gezogen – sich an dich preßt mit einem Busen voll glühender, unerschöpflicher Liebe – Walter! – und du jetzt noch das kalte Wort Ehre sprichst – wenn diese Unglückliche – niedergedrückt vom Gefühl ihrer Schande – des Lasters überdrüssig – heldenmäßig emporgehoben vom Rufe der Tugend – sich so – in deine Arme wirft (sie umfaßt ihn, beschwörend und feierlich) – durch dich gerettet – durch dich dem Himmel wieder geschenkt sein will, oder (das Gesicht von ihm abgewandt, mit hohler bebender Stimme) deinem Bild zu entfliehen, dem fürchterlichen Ruf der Verzweiflung gehorsam, in noch abscheulichere Tiefen des Lasters wieder hinuntertaumelt –
Ferdinand (von ihr losreißend, in der schrecklichsten Bedrängniß). Nein, beim großen Gott! ich kann das nicht aushalten – Lady, ich muß – Himmel und Erde liegen auf mir – ich muß Ihnen ein Geständniß thun, Lady!
Lady (von ihm wegfliehend). Jetzt nicht! Jetzt nicht, bei Allem, was heilig ist – in diesem entsetzlichen Augenblick nicht, wo mein zerrissenes Herz an tausend Dolchstichen blutet – Sei's Tod oder Leben – ich darf es nicht – ich will es nicht hören!
Ferdinand. Doch, doch, beste Lady! Sie müssen es. Was ich Ihnen jetzt sagen werde, wird meine Strafbarkeit mindern und eine warme Abbitte des Vergangenen sein – Ich habe mich in Ihnen betrogen, MiLady. Ich erwartete – ich wünschte, Sie meiner Verachtung würdig zu finden. Fest entschlossen, Sie zu beleidigen und Ihren Haß zu verdienen, kam ich her – Glücklich wir Beide, wenn mein Vorsatz gelungen wäre! (Er schweigt eine Weile, darauf leise und schüchterner.) Ich liebe, Milady – liebe ein bürgerliches Mädchen – Luise Millerin, eines Musikus Tochter. (Lady wendet sich bleich von ihm weg, er fährt lebhafter fort.) Ich weiß, worein ich mich stürze; aber wenn auch Klugheit die Leidenschaft schweigen heißt, so redet die Pflicht desto lauter – Ich bin der Schuldige. Ich zuerst zerriß ihrer Unschuld goldenen Frieden – wiegte ihr Herz mit vermessenen Hoffnungen und gab es verrätherisch der wilden Leidenschaft Preis – Sie werden mich an Stand – an Geburt – an die Grundsätze meines Vaters erinnern – aber ich liebe. – Meine Hoffnung steigt um so höher, je tiefer die Natur mit Convenienzen zerfallen ist. – Mein Entschluß und das Vorurtheil! – Wir wollen sehen, ob die Mode oder die Menschheit auf dem Platz bleiben wird. (Lady hat sich unterdeß bis an das äußerste Ende des Zimmers zurückgezogen und hält das Gesicht mit beiden Händen bedeckt. Er folgt ihr dahin.) Sie wollten mir etwas sagen, Milady?
Lady (im Ausdruck des heftigsten Leidens). Nichts, Herr von Walter! Nichts, als daß Sie sich und mich und noch eine Dritte zu Grund richten.
Ferdinand. Noch eine Dritte?
Lady. Wir können mit einander nicht glücklich w. Wir müssen doch der Voreiligkeit Ihres Vaters zum Opfer werden. Nimmermehr werd' ich das Herz eines Mannes haben, der mir seine Hand nur gezwungen gab.
Ferdinand. Gezwungen? Lady? gezwungen gab? und also doch gab? Können Sie eine Hand ohne Herz erzwingen? Sie einem Mädchen den Mann entwenden, der die ganze Welt dieses Mädchens ist? Sie einen Mann von dem Mädchen reißen, das die ganze Welt dieses Mannes ist? Sie, Milady – vor einem Augenblick die bewundernswürdige Britten? – Sie können das?
Lady. Weil ich es muß. (Mit Ernst und Stärke.) Meine Leidenschaft, Walter, weicht meiner Zärtlichkeit für Sie. Meine Ehre kann's nicht mehr – Unsre Verbindung ist das Gespräch des ganzen Landes. Alle Augen, alle Pfeile des Spotts sind auf mich gespannt. Die Beschimpfung ist unauslöschlich, wenn ein Unterthan des Fürsten mich ausschlägt. Rechten Sie mit Ihrem Vater. Wehren Sie sich, so gut Sie können. – Ich la**' alle Minen springen. (Sie geht schnell ab. Der Major bleibt in sprachloser Erstarrung stehen. Pause. Dann stürzt er fort durch die Flügelthüre.)