Vierter Auftritt. Königin. Prinzessin von Eboli. Marquisin von Mondecar und Marquis von Posa. Königin. Ich heiße Sie Willkommen, Chevalier, auf span'schem Boden. Marquis. Den ich noch nie mit so gerechtem Stolze Mein Vaterland genannt, als jetzt. – Königin (zu den beiden Damen). Der Marquis Von Posa, der im Ritterspiel zu Rheims Mit meinem Vater eine Lanze brach Und meine Farbe dreimal siegen machte – Der Erste seiner Nation, der mich Den Ruhm empfinden lehrte, Königin Der Spanier zu sein. (Zum Marquis sich wendend.) Als wir im Louvre Zum letzten Mal uns sahen, Chevalier, Da träumt' es Ihnen wohl noch nicht, daß Sie Mein Gast sein würden in Castilien. Marquis. Nein, große Königin – denn damals träumte Mir nicht, daß Frankreich noch das Einzige An uns verlieren würde, was wir ihm Beneidet hatten. Königin. Stolzer Spanier! Das Einzige? – Und das zu einer Tochter Vom Hause Valois? Marquis. Jetzt darf ich es Ja sagen, Ihre Majestät – denn jetzt Sind Sie ja unser. Königin. Ihre Reise, hör' ich, Hat auch durch Frankreich Sie geführt. – Was bringen Sie mir von meiner hochverehrten Mutter Und meinen vielgeliebten Brüdern? Marquis (überreicht ihr die Briefe). Die Königin Mutter fand ich krank, geschieden Von jeder andern Freude dieser Welt, Als ihre königliche Tochter glücklich Zu wissen auf dem span'schen Thron. Königin. Muß sie Es nicht sein bei dem theuern Angedenken So zärtlicher Verwandten? bei der süßen Erinnrung an – Sie haben viele Höfe Besucht auf Ihren Reisen, Chevalier, Und viele Länder, vieler Menschen Sitte Gesehn – und jetzt, sagt man, sind Sie gesonnen, Ich Ihrem Vaterland sich selbst zu leben? Ein größrer Fürst in Ihren stillen Mauern, Als König Philipp auf dem Thron – ein Freier! Ein Philosoph! – Ich zweifle sehr, ob Sie Sich werden können in Madrid gefallen. Man ist sehr – ruhig in Madrid. Marquis. Und das Ist mehr, als sich das ganze übrige Europa zu erfreuen hat. Königin. So hör' ich. Ich habe alle Händel dieser Erde Bis fast auf die Erinnerung verlernt. (Zur Prinzessin von Eboli.) Mir däucht, Prinzessin Eboli, ich sehe Dort eine Hyacinthe blühen – Wollen Sie mir sie bringen? (Die Prinzessin geht nach dem Platze. Die Königin etwas leiser zum Marquis.) Chevalier, ich müßte Mich sehr betrügen, oder Ihre Ankunft Hat einen frohen Menschen mehr gemacht An diesem Hofe. Marquis. Einen Traurigen Hab' ich gefunden – den auf dieser Welt Nur etwas fröhlich – (Die Prinzessin kommt mit der Blume zurück.) Eboli. Da der Chevalier So viele Länder hat gesehen, wird Er ohne Zweifel viel Merkwürdiges Uns zu erzählen wissen. Marquis. Allerdings. Und Abenteuer suchen, ist bekanntlich Der Ritter Pflicht – die heiligste von allen, Die Damen zu beschützen. Mondecar. Gegen Riesen! Jetzt gibt es keine Riesen mehr. Marquis. Gewalt Ist für den Schwachen jederzeit ein Riese. Königin. Der Chevalier hat Recht. Es gibt noch Riesen, Doch keine Ritter gibt es mehr. Marquis. Noch jüngst, Auf meinem Rückzug von Neapel, war Ich Zeuge einer rührenden Geschichte, Die mir der Freundschaft heiliges Legat Zu meiner eigenen gemacht. – Wenn ich Nicht fürchten müßte, Ihre Majestät Durch die Erzählung zu ermüden – Königin. Bleibt Mir eine Wahl? Die Neugier der Prinzessin Läßt sich nichts unterschlagen. Nur zur Sache. Auch ich bin eine Freundin von Geschichten. Marquis. Zwei edle Häuser in Mirandola, Der Eifersucht, der langen Feindschaft müde, Die von den Ghibellinen und den Guelfen Jahrhunderte schon fortgeerbt, beschlossen, Durch der Verwandtschaft zarte Bande sich In einem ew'gen Frieden zu vereinen.
Des mächtigen Pietro Schwestersohn, Fernando, und die göttliche Mathilde, Colonnas Tochter, waren ausersehn, Dies schöne Band der Einigkeit zu knüpfen. Nie hat zwei schönre Herzen die Natur Gebildet für einander – nie die Welt, Nie eine Wahl so glücklich noch gepriesen. Noch hatte seine liebenswürd'ge Braut Fernando nur im Bildniß angebetet – Wie zitterte Fernando, wahr zu finden, Was seine feurigsten Erwartungen Dem Bilde nicht zu glauben sich getrauten! In Padua, wo seine Studien Ihn fesselten, erwartete Fernando Des frohen Augenblickes nur, der ihm Vergönnen sollte, zu Mathildens Füßen Der Liebe erste Huldigung zu stammeln. (Die Königin wird aufmerksamer. Der Marquis fährt nach einem kurzen Stillschweigen fort, die Erzählung, soweit es die Gegenwart der Königin erlaubt, mehr an die Prinzessin Eboli gerichtet.) Indessen macht der Gattin Tod die Hand Pietros frei – Mit jugendlicher Gluth Verschlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes, Das in dem Ruhm Mathildens sich ergoß. Er kommt! Er sieht! – Er liebt! Die neue Regung Erstickt die leisre Stimme der Natur, Der Oheim wirbt um seines Neffens Braut Und heiligt seinen Raub vor dem Altare. Königin. Und was beschließt Fernando? Marquis. Auf der Liebe Flügeln, Des fürchterlichen Wechsels unbewußt, Eilt nach Mirandola der Trunkene. Mit Sternenschein erreicht sein schnelles Roß Die Thore – ein bacchantisches Getön Von Reigen und von Pauken donnert ihm Aus dem erleuchteten Palast entgegen. Er bebt die Stufen scheu hinauf und sieht Sich unerkannt im lauten Hochzeitsaale, Wo in der Gäste taumelndem Gelag Pietro saß – ein Engel ihm zur Seite, Ein Engel, den Fernando kennt, der ihm In Träumen selbst so glänzend nie erschienen. Ein einz'ger Blick zeigt ihm, was er besessen, Zeigt ihm, was er auf immerdar verloren. Eboli. Unglücklicher Fernando! Königin. Die Geschichte Ist doch zu Ende, Chevalier? – Sie muß Zu Ende sein. Marquis. Noch nicht ganz. Königin. Sagten Sie Uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen? Marquis. Ich habe keinen theurern. Eboli. Fahren Sie Doch fort in der Geschichte, Chevalier. Marquis. Sie wird sehr traurig – und das Angedenken Erneuert meinen Schmerz. Erla**en Sie Mir den Beschluß. – (Ein allgemeines Stillschweigen.) Königin (wendet sich zur Prinzessin von Eboli). Nun wird mir endlich doch Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen? – Prinzessin, bringen Sie sie mir. (Diese entfernt sich. Der Marquis winkt einem Pagen, der sich im Hintergrunde zeigt und sogleich verschwindet. Die Königin erbricht die Briefe, die der Marquis ihr gegeben, und scheint überrascht zu werden. In dieser Zeit spricht der Marquis geheim und sehr angelegentlich mit der Marquisin von Mondecar. – Die Königin hat die Briefe gelesen und wendet sich mit einem ausforschenden Blicke zum Marquis.) Sie haben Uns von Mathilden nichts gesagt? Vielleicht Weiß sie es nicht, wie viel Fernando leidet? Marquis. Mathildens Herz hat Niemand noch ergründet – Doch große Seelen dulden still. Königin. Sie sehn sich um? Wen suchen Ihre Augen? Marquis. Ich denke nach, wie glücklich ein Gewisser, Den ich nicht nennen darf, an meinem Platze Sein müßte. Königin. Wessen Schuld ist es, daß er Es nicht ist? Marquis (lebhaft einfallend). Wie? Darf ich mich unterstehen, Dies zu erklären, wie ich will? – Er würde Vergebung finden, wenn er jetzt erschiene? Königin (erschrocken). Jetzt, Marquis, jetzt? Was meinen Sie damit? Marquis. Er dürfte hoffen – dürft' er? Königin (mit wachsender Verwirrung). Sie erschrecken mich, Marquis – er wird doch nicht – Marquis. Hier ist er schon.