[Friedrich Liechtenstein]
1958 war ich das erste mal in Belgien, in Brüssel, auf der Expo. Ich war damals 30 Jahre alt, war freundlich und sah extrem gut aus. Ich nahm mir ein Zimmer bei Madame Cuvelier in der Avenue Blumendahl — und weil Madame mich mochte gab sie mir das Zimmer unter dem Dach, neben den Tänzerinnen der Blue Belle Group. Madame Blue Belle war eine ganz große Choreographin in Paris, aber nicht so groß wie Busby Berkeley in der Welt
[Chorus]
Belgique, Belgique, Belgique!
Er kommt nie mehr zurück, Brigitte
Je suis fatigué, Bruxelles
Sous la neige
Beim Salzborgen betrat ich dann das erste mal das Zimmer von Nancy, Louise und Douey. Ich wollt' schon wieder gehen, da trafen mich die Blicke aus dem Electric Ladyland... Mein Körper versorgte mich mit Drogen
Nancy war klein, weiß und weich. Douey war groß, hart und heiß
Louise war dunkel und warm
Danach gingen wir in den amerikanischen Pavillon, in das größte bis dahin gebaute kreisrunde Gebäude mit einem Loch in der Mitte — für wichtige Bäume aus dem königlichen Park
Ich war bei allen Tänzerinnen, wenn sie mal eine Pause hatten
Nach der Show, so gegen vier, stieg ich mit ein paar Tänzerinnen, von denen nicht einmal die Hälfte Amerikanerinnen waren, in den unbeleuchteten Pool. Ich rutschte aus und machte merkwürdige Geräusche. Die Frauen nannten mich dann: Delphinmann
[Chorus]
Belgique, Belgique, Belgique!
Er kommt nie mehr zurück, Brigitte
Je suis fatigué, Bruxelles
Sous la neige
Zurück in den Brandenburgischen Wäldern ging es mir nicht gut. Eine Idee war es, Fremdenlegionär zu werden. Ich ging nach Marseille, schrieb mich ein. Algerien war ein Ma**aker
Nach fünf Jahren hatte ich genügend Geld für einen schwarzen Alfa Romeo. Den kaufte ich mir und fuhr die Corniche hoch und runter. Mit meinem Freund Dominique gründete ich eine freie Tankstelle — und ich heiratete die Tochter eines polnischen Bauunternehmers, Halena. Die starb, als unser Sohn Bob zur Welt kam. Bob brachte ich zum Großvater nach Gdansk
Ich ging zurück in die Legion, in die Südsee, und schaute dort vielleicht ein paar Mal zu oft in das gleissende Licht der Explosionen
[Chorus]
Belgique, Belgique, Belgique!
Er kommt nie mehr zurück, Brigitte
Je suis fatigué, Bruxelles
Sous la neige
1970 war ich wieder in Belgien, wieder in Brüssel. Der hellblaue, weiß abgesetzte Oktagonpavillon am Eingang zum nunmehr verwahrlosten Expopark ist nun eine Diskothek
Bei einem Song von den Tall Kings hatte ich eine Art Coming Out als Gogo Dancer. Wer Antikriegsfilme kennt, weiß, die Welt der Kämpfer ist nur einen schmalen Grat entfernt vom schlimmsten Tuntenkitsch
Dort traf ich dann wieder die Tochter der Vermieterin, Brigitte. Sie zeigte mir den Eingang zu einer unterirdischen Freimaurerloge. Dort sah ich mein Zweites Ich. Es war rot und wurde geprügelt. Ich konnte ihm nicht helfen
[Chorus]
Belgique, Belgique, Belgique!
Er kommt nie mehr zurück, Brigitte
Je suis fatigué, Bruxelles
Sous la neige
2000 war ich wieder in Belgien, wieder in Brüssel, der hellblaue, weiß abgesetzte Oktagonpavillon ist nun ein Seniorentreff. Ich war das erste mal mit so vielen Gleichaltrigen in einem Raum und begriff, wie alt ich wirklich bin. 72 ist kein gutes Alter für einen Gogo Dancer
Ich ging nach Biarritz und täuschte dort einen Badeunfall vor. So gelangte ich in die Arme der deutschen Krankenschwester Barbara. Die pflegte mich — bis ich kein Geld mehr hatte
Irgendwann fanden wir die wandernden Bocciasäle. Das sind große geodesic domes, die in der nördlichen Hemisphäre für Glück sorgen sollen. Dort gab es Bocciabahnen und eine kleine Bühne für ein zweifelhaftes Showprogramm. Ich bekam den Job Kugelfisch, ich musste die Kugeln einsammeln, wenn sie über die Bande sprangen. An einem Abend wie diesem machte ich eine merkwürdige Bewegung und starb
Aber das war nicht schlimm
Ich machte Platz für mein Zweites Ich
Und das war nicht Delphinmann
Das war
Elevator Man
[Frauenchor]
Belgique, Belgique, Belgique
Er kommt nie mehr zurück
Nie mehr zurück