Andreas Gryphius
Auff die letzte Nacht seines XXV. Jahrs.
den 11. Octobr. St. Gregor
XV.
KOm Mitternacht und schleuß diß Thränen-reiche Jahr!
Die Schmertzen-volle Zeit / die mich so tiff verletzet /
Die dich / mein Bruder / hat in jenes Reich versetzet /
Vnd Schwester / deine Leich gestellet auff die Baar.
Die Zeit / die auff mich Angst / und grimmer Seuchen Schaar /
Vnd Trauren / und Verdruß und Schrecken hat verhetzet.
Wer hat noch neulich mich nicht schon vor todt geschätzet /
Da / als ich mir nicht mehr im Sichbett ähnlich war /
Wenn deine Treu' O GOtt mIch nicht mit Trost erquicket
Als so vil grause Noth den blöden Geist verstricket /
So wär ich gantz in Angst ertruncken und verschmacht.
HErr / dessen linde Faust wischt die bethränten Wangen /
Laß doch nach so vil Sturm mich linder' Zeit anfangen
Vnd heiß, die herben Jahr vergehn mit diser Nacht.